Am Anfang war es „Putins zweite Front“, am Ende waren es ein paar behelfsmässig zusammengeschraubte Sperrholzplatten…

Was war da schon wieder, mit den russischen Drohnen, die am 10. September 2025 in den polnischen Luftraum eindrangen? Ich lese nach, im „Tagesanzeiger“, einer der grössten Schweizer Tageszeitungen…

11.9., Seite 1: RUSSISCHE DROHNEN IN POLEN: NATO UND EU SIND ALARMIERT… Nach dem Eindringen mehrerer Flugobjekte aus Russland in Polens Luftraum sitzt der Schock bei NATO-Verbündeten tief. In der EU sieht man die Luftraumverletzung als „Gamechanger“. Moskau dementiert…

So wie der Artikel beginnt und schon die Schlagzeile suggeriert, scheint der Fall klar zu sein: Es handelt sich um eine Verletzung des polnischen Luftraums durch russische Drohnen. Dass Russland dementiert, wird zwar erwähnt, nicht aber näher darauf eingegangen. Und schon sind wir mittendrin in einer höchst tendenziösen Berichterstattung, wie wir sie seit dem Februar 2022 auf Schritt und Tritt verfolgen können: Wenn eine westliche Regierung oder der ukrainische Präsident Selenski etwas sagt, wird es stets für bare Münze genommen, wenn die russische Regierung etwas sagt, wird dies unverzüglich, ohne dies näher zu begründen, als „Propaganda“ oder gar „Lüge“ abgetan…

…Die Flugobjekte aus Russland sind nach EU-Angaben als Drohnen vom iranischen Bautyp Shehed identifiziert worden…

Dieser Befund wird sich später zwar als Falschaussage entpuppen, aber egal, man kann es ja mal behaupten, es ist ja die EU, die es sagt, und die wird wohl nichts anderes sagen als die Wahrheit. Und es ist immer wirkungsvoll, eine Verbindung zwischen Russland und dem Iran herzustellen, gehört doch auch der Iran aus westlicher Sicht zu den „Bösen“…

…EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Luftraumverletzung als rücksichtslos und beispiellos. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas sieht das mutmasslich absichtliche Eindringen als „Gamechanger“ in Russlands Krieg gegen die Ukraine und droht mit „starken Sanktionen“…

Aha. Kaja Kallas gibt zwar ehrlicherweise zu, dass es sich nur „mutmasslich“ um ein absichtliches Eindringen der Drohnen und also mit anderen Worten auch bloss um eine technische Panne gehandelt haben könnte, doch egal: Für sie steht jetzt schon fest, dass es sich um einen „Gamechanger“ in der russischen Kriegsgefahr handelt, der unverzüglich mit möglichst „starken Sanktionen“ beantwortet werden müsse. Dass Ursula van der Leyen mit ihrer Aussage, wonach es sich um eine besonders „rücksichtslose und beispiellose Luftraumverletzung“ gehandelt habe, ins genau gleiche Horn bläst, ist freilich alles andere als verwunderlich. Jetzt kann man nicht auf Beweise, detaillierte Analysen oder genauere Befunde warten, jetzt muss man handeln…

…NATO-Generalsekretär Mark Rutte will die Luftraumverletzungen noch nicht bewerten...

Interessant. Selbst der nicht gerade als „Weichei“ gegenüber Russland bekannte Rutte scheint noch nicht ganz davon überzeugt zu sein, dass der Angriff bewusst geplant worden sei.

11.9., Seiten 2 und 3: DAS IST NICHT UNSER KRIEG. DAS IST EINE KONFRONTATION, DIE RUSSLAND DER GANZEN WELT GEMACHT HAT

Eigentlich weiss man über die Hintergründe des Drohnenangriffs immer noch nichts, was man aber weiss, ist, dass Russland damit sozusagen der ganzen Welt den Krieg erklärt hat…

Es ist das erste Mal, dass russische Drohnen über NATO-Luftraum abgeschossen wurden…

Ein höchst aufschlussreicher Satz. Denn es ist in der Tat nicht das erste Mal, dass Drohnen im polnischen Luftraum gesichtet wurden, das kommt nämlich seit dem Kriegsbeginn fast täglich vor und wurde offensichtlich bisher ohne grössere Empörung hingenommen. Es ist nur das erste Mal, dass sie von polnischen Luftabwehrraketen abgeschossen wurden. Hoppla, wie war das schon wieder mit dem „Gamechanger“?

Fotos der polnischen Nachrichtenagentur PAP zeigen ein völlig zerstörtes Dach in der Ortschaft Wyriki ganz im Osten Polens. Verletzt wurde niemand…

Dieses Bild füllt denn auch tatsächlich mindestens einen Drittel der Seite 2 im „Tagesanzeiger“ aus. Und wie man weiss: Bilder verfehlen ihre Wirkung nie. Auch wenn tatsächlich niemand verletzt wurde. Egal, jetzt darf man nicht vorschnell die Behauptung, Russland habe soeben der ganzen Welt den Krieg erklärt, gleich schon wieder relativieren. Kurz halte ich die Luft an: Wenn Russland mit 19 Drohnen der Welt den Krieg erklärt haben soll, die niemanden verletzt haben, wie vielen Planeten hat dann wohl Israel den Krieg erklärt, mit über 100’000 getöteten Kindern, Frauen und Männern in Gaza? Und dies nicht mutmasslich, sondern ohne jeglichen Zweifel.

Polens Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz sprach von einem „präzedenzlosen Vorfall“ und einer „Provokation grossen Ausmasses“. Der Einsatz der polnischen Streitkräfte, um die Drohnen abzuschiessen, dauerte bis etwa 7.40 Uhr. Beteiligt waren auch NATO-Verbündete aus den Niederlanden und den USA, die mit F-35-Kampfflugzeugen halfen, den polnischen Luftraum zu sichern…

Stopp. Was genau war bei alledem „präzedenzlos“ und eine „Provokation grossen Ausmasses“? Wohl kaum das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum, denn das ist, wie erwähnt, seit Kriegsbeginn im Februar 2022 noch nie anders gewesen. Präzedenzlos, erstmalig und eine Provokation grossen Ausmasses war wohl viel eher die völlig überrissene Reaktion der NATO…

Die Armee teilte mit, es handle sich um einen „Akt der Aggression, der eine reale Gefahr für die Sicherheit unserer Bürger“ darstelle. Auch die Verteidigungsminister der anderen vier Länder aus den sogenannten Big Five, also Grossbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland, wurden informiert. Am Morgen berief Polens Präsident Karol Nawrocki eine Besprechung im nationalen Sicherheitsbüro ein. Er nannte die Reaktion und das koordinierte Vorgehen aller Dienste „modellhaft“, alle Beteiligten stünden im engen Austausch…

Zwar weiss immer noch niemand, ob das Eindringen der russischen Drohnen in den polnischen Luftraum nicht bloss eine technische Panne gewesen war, aber das hat der flüchtige Leser und die flüchtige Leserin, wenn sie denn überhaupt den ganzen Text und nicht bloss die Schlagzeilen lesen, wahrscheinlich schon längst vergessen. Ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur: Der Westen ist „modellhaft“ stark. Und Polen schafft es sogar, mithilfe von vier weiteren NATO-Ländern 19 russische Drohnen – zwei Stunden vorher hatte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk noch von einer „enormen Anzahl“ von Drohnen gesprochen – vom Himmel herunterzuholen – Applaus!. Später werden wir zwar erfahren, dass es tatsächlich nur vier von insgesamt 19 Drohnen gewesen waren, die man abschiessen konnte, aber das tut der heldenhaften Verteidigung des Westens nun wirklich keinen Abbruch…

Die Situation sei sehr ernst zu nehmen, betonte Tusk, denn: „Wir haben es höchstwahrscheinlich mit einer gross angelegten Provokation zu tun.“…

Aha. „Höchstwahrscheinlich“. Es könnte also, selbst Tusk gesteht das ein, alles auch ganz anders gewesen sein. Aber egal. Hand aufs Herz: Wenn es dazu diente, dass der Westen seine Muskeln zeigen konnte, dann spielt es doch wirklich keine Rolle, ob alles echt war oder alles nur vorgetäuscht oder alles nur erfunden oder alles nur gelogen oder vielleicht sogar von eigener Hand inszeniert…

Es werde nun, so Tusk, Artikel 4 des NATO-Vertrags in Kraft gesetzt. Das bedeutet, es soll Konsultationen der Verbündeten geben, die sich mit der Verletzung des Staatsgebiets eines der Mitglieder befassen… Niemand, so Tusk, werde die „vereinten Polen“ besiegen, denn, wie es auch in der polnischen Nationalhymne heisse: „Noch ist Polen nicht verloren“…

Habe ich etwas verpasst? Bin ich der Einzige, der sich an dieser Stelle fragt, wer da eigentlich wen provoziert und wer tatsächlich die allgemeine Eskalation vorantreibt?

Auch der ukrainische Präsident Selenski spricht im Zusammenhang mit „acht auf Polen gerichteten Angriffsdrohnen“ von einem „weiteren Eskalationsschritt“ Russlands..

Gerade gut scheinen sich die westlichen Politiker nicht miteinander abgesprochen zu haben. Waren es nun 19 oder acht Drohnen? Oder vielleicht sogar noch weniger? Oder war es vielleicht gar so, wie es vom ARD-Nachrichtensprecher am folgenden Abend zu hören war, der da sagte: „Die russischen Drohnen drangen offenbar nicht bis in den polnischen Luftraum vor.“ Verwirrung total. Doch was solls. Man wird ja nicht wegen aller dieser Nebensächlichkeiten von der These abrücken wollen, Russland habe soeben der ganzen Welt den Krieg erklärt, diese These ist zu wichtig, um jetzt vorschnell von ihr abzuweichen. Es wäre ja auch eine Blamage ungeahnten Ausmasses, müsste man zugeben, dass alles ganz und gar nicht so gewesen war, wie behauptet wurde. Nur sich jetzt keine Blösse geben, das wäre noch…

Am Freitag beginnt Russland gemeinsam mit Streitkräften aus Belarus das Manöver „Sapad“ („Westen“). Es wird auf belarussischem Gebiet stattfinden, also in Grenznähe zu Polen sowie Litauen und Lettland. Es soll laut polnischen Medien einen Angriff auf die sogenannte Suwalki-Lücke simulieren, die hundert Kilometer lange Grenze zwischen Polen und Litauen. Tusk stellte explizit auch eine Verbindung zwischen der Drohnen-Attacke und diesem Militärmanöver her, an dem gegen 100’000 Soldaten beteiligt sein sollen. Tusk bezeichnete die Drohnen-Attacke als Teil eines Gesamtplans Russlands, um „Chaos, Panik und politische Unruhe in Polen zu stiften“.

Ein kurzer Blick in Wikipedia zeigt, dass Tusk mit der Zahl von 100’000 offensichtlich ganz schön übertrieben hat. Gemäss Angaben Russlands sollen an „Sapad“ 13’000 Armeeangehörige beteiligt sein, die deutsche Militärführung geht aber davon aus, dass weitere 30’000 auf russischer Seite beteiligt sein könnten, was also maximal 43’000 ausmachen würde, immerhin weniger als die Hälfte der von Tusk genannten Zahl. Gehen wir also von 43’000 aus, ist das ja nicht wenig, werden viele denken. Wie fürchterlich und kriegstreibend, dieses Russland! Nur wird vermutlich der flüchtige Leser, die flüchtige Leserin längst schon vergessen haben, dass noch viel Fürchterlicheres vor nicht allzu langer Zeit geschehen war, nämlich ein Militärmanöver mit sage und schreibe 90’000 Soldatinnen und Soldaten, nicht aber von Russland durchgeführt, sondern von der NATO, und zwar zwischen Februar und Mai 2024. Es handelte sich um das grösste NATO-Manöver seit dem Ende des Kalten Kriegs unter Teilnahme aller 32 NATO-Staaten. Trainiert wurden insbesondere die Alarmierung und Verlegung von nationalen und multinationalen Landstreitkräften, wobei sich der Übungsraum von Norwegen bis Rumänien erstreckte. In der ersten Jahreshälfte 2025 folgten weitere grosse NATO-Manöver, unter anderem „Formidable Shield“, die grössten je durchgeführten Seemanöver unter Führung der Sechsten US-Flotte. Aber nein, der eigentliche Kriegstreiber ist Russland, wer um Himmels willen denn sonst…

Seit Jahren beobachtet die NATO Drohnen im Luftraum Litauens, Polens und Rumäniens. Was in der, so Tusk, „dramatischen Nacht“ vom 10. auf den 11. September am Himmel über Polen passiert ist, hatte jedoch eine völlig andere Dimension. Zugespitzt formuliert, war es der schwerste direkte Zusammenstoss zwischen dem russischen Militär – auch wenn dieses nur unbemannte Flugobjekte einsetzte – und den Streitkräften der NATO seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine. „Dies ist das erste Mal, dass NATO-Flugzeuge in einen Kampfeinsatz gegen eine mögliche Bedrohung im Luftraum der Allianz verwickelt waren“, so das NATO-Oberkommando in Mons…

Man beachte den Indikativ: „was am Himmel über Polen passiert ist“ – der Journalist zitiert also nicht Tusk, sondern macht Tusks Aussage zu seiner eigenen, scheint sich also voll und ganz mit Tusks Behauptungen zu identifizieren. Von hier aus ist es dann nur noch ein winziger Schritt bis zur vollends totalen Verdrehung der Realität: Denn die „völlig andere Dimension“, die nun entstand, war ja nicht eine Folge der Drohnen, die ja nicht plötzlich weniger harmlos waren als schon in den drei Jahren zuvor, sondern nichts anderes als die Folge der heftigen Reaktion seitens der NATO-Flugzeuge. Es braucht wirklich nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass die zuständigen NATO-Befehlshaber vermutlich bloss darauf gewartet haben, einen vergleichbar harmlosen Akt der Gegenseite als „Kriegserklärung“ hochzustilisieren, welche dann jegliche Gegenmassnahme rechtfertigen würde. Auf erschreckende Weise muss man sich an dieser Stelle an die Aussage Adolf Hitlers erinnern, wonach der angebliche Überfall auf einen deutschen Grenzposten durch polnisches Militär ihm als Anlass diente, einen Weltkrieg auszulösen.

Bei der NATO in Brüssel ist man sich der Schwere des Vorfalls bewusst. Zwar handelt es sich sicher nicht um einen „bewaffneten Angriff“ im Sinne von Artikel 5 des NATO-Vertrags, der alle Mitgliedsländer dazu verpflichten würde, Polen beizustehen. Polen hat aber Beratungen in der NATO nach Artikel 4 beantragt. Das kann ein Mitgliedland tun, wenn es eine Bedrohung für seine „territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit“ sieht. Diplomatisch stellt dies also eine Eskalation dar..

Jetzt einfach mal tief durchatmen und diesen Abschnitt nochmals lesen und dann die Frage beantworten, wer diese sogenannte „Eskalation“, die nun zu 100 Prozent Russland in die Schuhe geschoben wird, tatsächlich vorantreibt. Ganz abgesehen davon, dass die Frage, ob alles bloss eine technische Panne gewesen sein könnte, immer noch nicht beantwortet worden ist…

In vielen Reaktionen aus NATO-Hauptstädten wurde nur eine „Verletzung des polnischen Luftraums“ beklagt, ohne auf die Details, den Urheber oder dessen Motivation einzugehen…

Dabei wäre doch genau dies das einzig wirklich Entscheidende…

Selbst NATO-Generalsekretär Mark Rutte will nicht bewerten, ob es sich um eine absichtliche Aktion oder einen Fehler gehandelt hatte: „Einerlei, beides ist gefährlich“, sagte er in Brüssel..

…so à la: Ob ich bei einem Verkehrsunfall umkomme oder ermordet werde, ist zwar nicht genau das Gleiche, aber beides ist gefährlich…

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte dagegen, die Drohnen seien „ganz offenkundig gezielt auf diesen Kurs gebracht“ worden…

Jeder legt sich die Wahrheit so zurecht, dass sie in sein vorgefasstes Denken passt. Und so etwas nennt man vertrauenswürdige Politiker…

Und dann kommt Nicolas Richter in seiner Kommentar- bzw. Analysespalte links auf Seite 2 des „Tagesanzeigers“ und zerstreut mit ein paar gezielten Keulenschlägen auch noch die Zweifel des kritischen Lesers. Er weiss alles, was viele andere noch längst nicht wissen. Und wenn das Feuer auch noch nicht so richtig brennt und man es vielleicht noch löschen könnte, dann giesst er jetzt in zwei Zeitungsspalten so viel Öl hinein, dass es irgendwann dann vielleicht nicht mehr zu löschen sein wird. Er ist beileibe nicht der Einzige, es gibt Tausende andere, die lieber Öl in ein Feuer giessen statt es zu löschen. Aber alle diese unzähligen Ölgiesser machen sich mitschuldig, wenn dann eines Tages das Feuer endgültig nicht mehr zu löschen sein wird. Lesen wir aus seiner „Analyse“…

Putins Provokation darf nicht unbeantwortet bleiben… Die Vorgänge gegen Polen passen ins Muster des hybriden Krieges Russlands.. Wladimir Putin will den Westen verunsichern, verwirren und spalten… und beweist damit, dass Moskau die Europäer als Gegner betrachtet, ja als Feinde.. Mit der Verletzung des polnischen Luftraums durch rund 20 Drohnen hat der Kreml diesen hybriden Krieg eskaliert. Zwar sind die Einzelheiten noch unklar, etwa, ob die Drohnen durch einen Fehler über polnisches Gebiet flogen, auch bestreitet Moskau jede Verantwortung, wobei das Regime wegen seiner dreisten Lügen berüchtigt ist… So oder so passt dieser Zwischenfall in ein Muster immer intensiverer Provokationen. Diese sind kein Zufall, sondern russische Strategie… In der Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen beginnt damit eine noch gefährlichere Phase… Putin scheint den Respekt vor dem Westen zunehmend zu verlieren… Wenn die NATO also eine Eskalation vermeiden will, muss sie jetzt unmissverständlich Grenzen ziehen… Russland setzt entschieden auf Drohnen, um zu spionieren und zu morden…

Eigentlich weiss ich nichts, wird sich der „Analyst“ gedacht haben. Aber ich kann ja einfach mal Dinge erfinden und behaupten und schauen, ob man mir glaubt. Wie vor 200 oder 300 Jahren. Natürlich ist das keine Hexe. Aber ich kann ja möglichst viele Gerüchte in Umlauf bringen, bis genug viele Leute daran glauben, dass es eine Hexe ist und sie früher oder später auf dem Scheiterhaufen landet.

Gibt es heute eigentlich nicht mehr so etwas wie eine „Journalistische Sorgfaltspflicht“? Oder bilde ich mir das bloss ein, dass es das früher mal gab und sich sogar die allermeisten Journalisten daran hielten?

Am nächsten Tag, wieder der „Tagesanzeiger“…

12.9., Seite 13: DIE NATO MUSS MIT WEITEREN OPERATIONEN WIE JENER GEGEN POLEN RECHNEN… Die Untersuchungen dauern noch an. Aber die öffentlichen Erklärungen der NATO-Führung lassen darauf schliessen, dass es sich um einen vorsätzlichen Angriff oder zumindest um eine rücksichtslose und eskalierende Aktion handelt und nicht um einen einfachen technischen Fehler…

Jeglicher Kommentar erübrigt sich…

Die Verletzung des Luftraums war denn auch kein direkter bewaffneter Angriff..

Aha. Aber drei Absätze weiter unten…

Der Angriff ist jedoch Teil einer umfassenderen Eskalation und nicht ein einmaliges Ereignis, das nur mit einem einzigen Manöver zusammenhängt

Ach so. Angriff oder doch nicht Angriff? Eigentlich müsste Papier aufschreien können, wenn ihm solches zugemutet wird. Es würde uns wohl allen das Gehör verschlagen…

Russland rüstet auf, um NATO-Territorium angreifen zu können…

Kein einziger westlicher Geheimdienst hat bis heute für diese Behauptung jemals einen eindeutigen Beweis gefunden, und die wissen wahrscheinlich so ziemlich alles. Aber egal, man kann es ja trotzdem immer und immer wieder behaupten, wenn man einen Grund dafür sucht, die eigene Aufrüstung in einem historisch noch nie dagewesenen Umfang voranzutreiben, zu rechtfertigen und als „Recht auf Verteidigung“ schönzureden…

Einen Tag später, wieder der „Tagesanzeiger“…

13.9., Seite 9: DIES WAR PUTINS ERSTER STREICH. DOCH DER ZWEITE… Wenn das ein Test war, dann hat die NATO versagt. 19 Drohnen fliegen an, aber nur drei oder vier werden vom Himmel geholt – eine verheerend schlechte Abschussquote. Es mag Gründe dafür geben. Wer feuert schon gern mit hochmodernen Abfangraketen, von denen jede eine oder zwei Millionen Dollar kostet, auf Drohnen aus Sperrholz, die Russland für 10’000 Dollar das Stück zusammenschraubt?

Was für ein neuer Ton. Diese Drohnen, mit denen Putin der ganzen Welt den Krieg erklären wollte, waren also bloss ein paar zusammengeschraubte Sperrholzplatten. Langsam wird es immer absurder und man beginnt sich zu fragen, wie der Westen aus dieser Schlaufe, in die er sich da hinaufgeschraubt hat, wieder auf den Boden der Realität zurückfinden kann…

Was aber einmal an Verdrehungen, Behauptungen ohne Beweise oder sogar Lügen in die Welt gesetzt wurde, wird sich nicht so schnell wieder aus dem Gedächtnis löschen lassen. Dafür war der „Tagesanzeiger“ vom 11. und 12. September ein Paradebeispiel. Und diese Zeitung ist ja nicht irgendein ein russenfeindliches Hetzblatt, sondern sozusagen die Mainstreamtageszeitung der Schweiz. Dementsprechend konnte man in fast allen anderen Medien so ziemlich genau das Gleiche lesen. Und wenn überall das Gleiche steht, ist man ja dann auch geneigt zu glauben, dass es nichts anderes ist als die pure Wahrheit. So zum Beispiel das „St. Galler Tagblatt“: „Putin provoziert Polen mit Drohnenangriff“ und „Eine neue Stufe der Eskalation“. Radio SRF: „UNO-Sicherheitsrat tagt zu russischen Drohnen in Polen.“ FAZ: „Russland greift Polen an.“ NZZ: „Russland stellt NATO auf die Probe.“ Bild: „Globales Nervenflattern.“ Die Zeit: „Putins zweite Front.“

Nur vereinzelte Medien bzw. einzelne Artikel bemühen sich einigermassen um Sachlichkeit, aber man muss sie suchen wie die Nadel im Heuhaufen. So etwa erschien im „St. Galler Tagblatt“ vom 12.9. ein Artikel mit dem Titel „Schickte Putin nur Attrappen?“…

Entgegen ersten Meldungen scheint es sich nicht um sogenannte Schhed-Drohnen iranischer Bauart gehandelt zu haben, sondern um die russische Billigvariante Gerbera. Diese Langstreckendrohnen werden für wenige tausend Euro hergestellt, bestehen oft aus billigen Materialien wie Sperrholz und Schaumstoff. Sie sind unbewaffnet und dienen lediglich dazu, die feindliche Flugabwehr zu überlasten. Es gibt auch bisher keine Meldungen, wonach diese Drohnen mit Sprengstoff bestückt seien. Viele der Drohnen seien selbständig abgestürzt und trugen nur beim Aufprall entstandene Schäden davon, Berichte über Detonationen gibt es keine…

Das mit den Drohnen und der Kriegserklärung an die ganze Welt scheint also ziemlich in die Hose gegangen zu sein. Dennoch werden die, welche nicht den Frieden suchen, sondern das Säbelrasseln und das finale militärische Kräftemessen, nicht ruhen und immer wieder neue Gründe finden, um Feindbilder zu schüren und kriegerisches Denken zu fördern. Denn so sehr sich die Drohnengeschichte in Luft aufgelöst hat, so konkret hat sie dennoch ihre gravierenden Auswirkungen, wie folgender, ebenfalls im „St. Galler Tagblatt“ erschienener Artikel zeigt…

Die NATO startet nach den mutmasslich (!) vorsätzlichen Luftraumverletzungen durch Russland eine neue Militäroperation zum Schutz (!) der Ostflanke. Angaben zufolge sollen bei der Operation mit dem Namen „Eastern Sentry“ (Wächter des Ostens) zusätzliche Überwachungs- und Flugabwehrkapazitäten zum Einsatz kommen.

Falls es, im schlimmsten Fall, tatsächlich zu einem dritten Weltkrieg kommen sollte, wird höchstwahrscheinlich noch lange in den Geschichtsbüchern, zumal in den westlichen, zu lesen sein, Russland hätte diesen Krieg angezettelt. Erst in 20 oder 50 Jahren werden, da bin ich mir fast ganz sicher, Historikerinnen und Historiker noch einmal über die Bücher gehen und höchstwahrscheinlich herausfinden, dass es eher umgekehrt gewesen war. Und dass wir das eigentlich, wenn wir unsere Medien nur ein bisschen weniger flüchtig studieren und nicht sogleich alles eben Geschehene gleich wieder vergessen würden, heute schon wissen müssten. Und damit sogar einen grösseren Krieg, bevor er noch angefangen hat, vielleicht sogar verhindern könnten. Denn man kann, wie das Beispiel der russischen Drohnen in Polen zeigt, auf jeden noch so kleinen Vorfall immer eskalierend oder aber deeskalierend reagieren. Und genau das ist das Entscheidende.

(18. September 2025: Nun hat sich endgültig alles in Luft aufgelöst, der dritte Weltkrieg wird vertagt, das in den Medien tagelang als eigentliches Hauptopfer gezeigte zerstörte Wohnhaus, das den Drittel einer ganzen Seite im „Tagesanzeiger“ gefüllt hatte, war gar nicht von einer angeblichen russischen Drohne getroffen worden, sondern, wie die polnische Zeitung „Rzeczpospolita” unter Berufung auf mehrere Quellen berichtet hat, von einer fehlgeleiteten Rakete, die von einer polnischen F-16 abgefeuert wurde. Logischerweise müsste jetzt die aufgrund des vermeintlichen russischen Drohnenangriffs anberaumte NATO-Operation „Eastern Sentry“ abgeblasen werden. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt, dass das Verhalten des Westens schon längst nicht mehr mit Logik zu tun, sondern nur noch mit den Wahnvorstellungen militärischer Wirrköpfe.)