Archiv des Autors: Peter Sutter

Noch mehr Luxus in den Flugzeugen

Wie das Fliegen von morgen aussehen kann, wird die Branchenmesse Aircraft Interiors Expo Anfang April in Hamburg zeigen. Dort wird jeweils der Crystal Cabin Award verliehen, der die besten Innovationen rund um Flugzeugkabinen und Bordprodukte auszeichnet. In diesem Jahr stehen 94 Konzepte aus 22 Ländern zur Auswahl. Unter den Bewerbern sind Airlines, Zulieferer, Universitäten und bekannte Flugzeughersteller. Viele High-End-Ideen betreffen die Business-Class. Sie sollen das Fliegen noch luxuriöser machen. Aber auch für die Economy-Class gibt es extravagante Vorschläge.

(www.20minuten.ch, 2. Februar 2019)

Eine irre Welt. Während Zehntausende Jugendliche auf die Strassen gehen, um gegen den Klimawandel zu protestieren, wissen die Flugzeughersteller nichts Gescheiteres, als das Fliegen immer noch bequemer, luxuriöser und attraktiver zu gestalten – im gegenseitigen Wettstreit um die zahlungskräftigste Kundschaft. Wie wenn alles weit auseinanderklaffen würde, Denken, Tun, Wissen und Handeln. Wie wenn die Erde doppelt und dreifach vorhanden wäre…

«Mein Körper ist gebrochen»

«Mein Körper ist gebrochen, nicht mehr zu reparieren und lässt mich nicht die letzte Saison bestreiten, von der ich geträumt habe. Mein Körper brüllt mich an zu stoppen und es ist Zeit, dass ich auf ihn höre.»

(Lindsey Vonn, Skirennfahrerin, W&O 2. Februar 2019)

Die Spitze eines Eisbergs. Dieser Eisberg, das ist das kapitalistische Konkurrenzprinzip, das – ob im Sport, in der Arbeitswelt oder in der Schule – die Menschen dazu zwingt, sich in immer schnellerem Tempo und mit immer härteren Bandagen gegenseitig zu bekämpfen, um der Schnellste, Stärkste und Beste zu sein…

Kein Frieden ohne eine Überwindung des Kapitalismus

Nach der Erfindung des Schiesspulvers und der Atomwaffen ist nicht weniger als die dritte Revolution in der Kriegsführung angebrochen. Zum Standard gehört dabei bereits die menschliche Distanzierung im Krieg, das heisst, Soldaten stehen sich seltener als früher direkt im Feld gegenüber. Drohnenpiloten sitzen heute in einem Operationszentrum in der Wüste von Nevada, wenn sie mutmassliche Terroristen im weit entfernten Pakistan per Joystick ausschalten… In Labors werden Tiere gezüchtet, die dem Menschen gefährliche Einsätze im Krieg abnehmen sollen. Ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, wecken sie das Interesse von Militärplanern, zum Beispiel die Robo-Ratten: Sie bekommen Elektroden eingepflanzt und sind per Fernbedienung steuerbar. Sie sind noch nicht als Kampfmaschinen vorgesehen, aber können dabei helfen, Überlebende zu entdecken, die unter den Trümmern eingestürzter Häuser begraben sind, Bomben und Sprengfallen zu orten und unterirdische Tunnels und Höhlen zu erkunden… Die Automatisierung des Krieges versetzt Fachleute kaum noch in Unruhe, sie ist eine Realität. Aber der nächste Schritt – die Autonomie und damit verbunden die Frage, welche Entscheidungen Maschinen Menschen abnehmen können, wirft beunruhigende Fragen auf: Vollautonome Waffen können, wenn sie einmal von Menschen aktiviert worden sind, ohne weiteres Zutun über Zielauswahl und Zielbekämpfung entscheiden. Erprobt werden etwa Drohnenschwärme, wie sie das US-Militär bereits im Jahr 2017 erfolgreich getestet hat… Und es geht um selbstfahrende U-Boote, unbemannte Panzer, die an Grenzen patrouillieren und schiessen können, wenn sich ihnen jemand nähert… Die USA, Russland und China wollen in der Technologie nicht ins Hintertreffen geraten, unter Verweis auf den jeweils anderen werden immer wieder neue Waffen entwickelt und getestet. Für die Zukunft der Kriegsführung wollen die führenden Mächte zumindest auf alles vorbereitet sein.

(Tages-Anzeiger, 2. Februar 2019)

Mit den USA, China und Russland stehen sich drei grosse kapitalistische Machtsysteme gegenüber. Da der Kapitalismus nicht auf Gleichgewicht, sondern auf immerwährendes Wachstum ausgerichtet ist, werden diese drei kapitalistischen Mächte früher oder später aufeinanderprallen – der aktuelle Handelsstreit zwischen den USA und China ist nur ein Vorspiel dazu. Aufeinanderprallen bedeutet im schlimmsten Fall Krieg. Der Krieg ist der Bruder des Kapitalismus, das war schon beim Ersten und beim Zweiten Weltkrieg so. Daher brauchen wir, um eine friedliche Welt zu schaffen, die Überwindung des Kapitalismus und dass alle Länder und Völker der Erde nicht Feinde bleiben, sondern Freunde werden. Dies bedingt vor allem eine Wirtschaftsordnung, die nicht auf Wachstum und Ausbeutung ausgerichtet ist, sondern auf ein Gleichgewicht zwischen den Ländern wie auch zwischen Mensch und Natur.

Gesunde Menschen oder eine «gesunde» Pharmaindustrie?

2018 hat der Pharmakonzern Roche den Umsatz um 7 Prozent auf 56,8 Milliarden Franken gesteigert. Damit schnitt der Konzern deutlich besser ab, als das Management zu Jahresbeginn in Aussicht gestellt hatte. Gar überproportional legten die Gewinnzahlen zu. So stieg der Betriebsgewinn um 14 Prozent auf 14,8 Milliarden und der Reingewinn gar um 23 Prozent auf 10,9 Milliarden.

(Wirtschaft regional, 1. Februar 2019)

Das Beispiel zeigt die Absurdität des kapitalistischen Wachstumswahns. Ziel einer fortschrittlichen Gesellschaft müsste es doch sein, durch Vorsorge, gute Arbeits- und Lebensbedingungen, gesunde Lebensweise, viel Bewegung, genügend Erholung und Schlaf, psychisches Wohlbefinden und Abbau von Stress die Gesundheit der Menschen immer weiter zu verbessern, so dass sich medizinische Eingriffe und die Anzahl eingenommener Medikamente nach und nach reduzieren würden. Das wäre doch Fortschritt! Doch die Pharmaindustrie würde aufheulen und könnte jeweils zum Jahresende bloss immer schlechtere Umsatz- und Gewinnzahlen präsentieren. Das darf in einem nach kapitalistischen Kriterien funktionierenden Wirtschaftssystem nicht sein. Also drehen wir weiter am sich immer schneller kreisenden Karussell der Arbeitswelt und sorgen wir dafür, dass weiterhin möglichst viele Menschen krank werden und unter psychischen und physischen Gebresten leiden. Die Pharmaindustrie, schon träumend vom nächsten Rekordergebnis, wird’s freuen!

Wie zur Zeit der Landvögte

Rund 150’000 Franken soll die alljährlich stattfindende Jahresversammlung der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) gekostet haben, die Zürich 2017 im Turnus der 26 Kantone ausrichtete. Was als Netzwerktreffen daherkam, war vor allem ein zweitägiges Ess- und Trinkprogramm. Das Fachliche begrenzte sich auf einen stündigen Versammlungsteil und ein 45-minütiges Referat. So blieb viel Zeit für ein Gala-Dinner, Bierschwemme und Barbesuch – sowie für «unzählige bilaterale oder multilaterale Gespräche über Steuerfragen oder organisatorische Themen», wie SSK-Präsident Jakob Rütsche (66) betont. Bezahlt haben das Ganze der Gastgeberkanton Zürich (rund 70’000 Franken) sowie die rund 180 Teilnehmer aus den Steuerkassen ihrer Arbeitgeberkantone und des Bundes. Doch die Steuerbeamten trieben es noch bunter: Letztes Jahr kostete die Schwelgerei nämlich noch mehr! 2018 trug Luzern das Treffen aus. Das offizielle Programm dauerte an den beiden Versammlungstagen im schicken Luzerner Kultur- und Kongresszentrum (KKL) auch nur zweieinhalb Stunden. Umrahmt war es von zwei Essen im KKL, einer Schiffsrundfahrt auf der MS Diamant, einem Bankett im 5-Sterne-Hotel Schweizerhof und dem obligaten Barbesuch. Der Kanton Luzern zahlte rund 105’000 Franken. 5000 Franken mehr als budgetiert sogar. Dazu kamen die Tagungsgelder, die jeweils die beteiligten Steuerämter übernehmen, von insgesamt rund 80’000 Franken.

(www.blick.ch)

 

Wie war das schon wieder, damals, zur Zeit der Landvögte? Das Volk wurde ausgewunden bis zum Äussersten und oben auf dem Schloss prassten die «edlen» Herren, bis ihnen die Bäuche platzten. Allzu weit haben wir uns in der Zwischenzeit wohl nicht fortentwickelt…

 

Die kapitalistische Stadt

Das Projekt GPE (Grand Paris Express) ist eine Herkulesaufgabe: Innert 15 Jahren sollen mit Investitionen von 35 Milliarden Euro gut 200 Kilometer Metrolinien mit 68 Bahnhöfen neu gebaut werden. Das bedeutet praktisch eine Verdoppelung des gegenwärtigen Netzes der 118 Jahre alten Pariser Metro. GPE ist auf Jahre hinaus das mit Abstand grösste Infrastrukturprogramm in Europa. Kehrseite der Medaille: Die gegenwärtig ansässigen ärmeren Bevölkerungsgruppen haben zwar die Bauimmissionen zu ertragen, können aber von den besseren Verbindungen gar nicht profitieren, weil sie in den nächsten Jahren zunehmend durch wohlhabendere Schichten verdrängt werden dürften. Die neuen Bahnhöfe werden ihre Strahlkraft kaum verfehlen: Wenn die Pendelzeit um durchschnittlich die Hälfte verkürzt wird, werden hier begehrte neue Quartiere entstehen.

(Tagblatt, 30. Januar 2019)

Die kapitalistische Stadt. Der Kampf aller gegen alle. Alles, was sich die Reichen erobern, geht den Armen verloren. Doch keine Angst: Obdachlose werden in den neuen Metrostationen wohl kaum geduldet werden. Die Kehrseite des kapitalistischen Glanzes wird unsichtbar gemacht…

Wer hat, dem wird gegeben II

Im Grandhotel Quellenhof in Bad Ragaz gastieren Prominente wie Robbie Williams oder Justin Bieber. Auch Staatsmänner betten sich hier gerne zur Ruhe, sei es für das Weltwirtschaftsforum in Davos oder für einige Tage Entspannung. In den 106 Zimmern ist alles vom Feinsten: Marmor, Samt, Gold und edles Holz. Doch nun ist Schluss damit. Sämtliche Zimmer werden ausgeräumt. Über 200 Betten und 100 Polstergruppen müssen raus. Nach 25 Jahren wird das Hotel zum ersten Mal komplett geschlossen und soll nach fünf Monaten wieder in neuem Glanz eröffnet werden. Die Renovationskosten belaufen sich auf 45 Millionen Franken.

(Tagblatt, 30. Januar 2019)

Und dies in einem Land, wo sich immer mehr Menschen überhaupt keine Ferien mehr leisten können und schon gar nicht eine Übernachtung in einem Luxushotel wie dem Quellenhof, wo man für eine einzige Nacht gut und gerne etwa gleich viel bezahlt, wie andere während eines ganzen Monats verdienen. Vom ökologischen Unsinn, Zimmerausstattungen, die noch in bestem Zustand sind, herauszureissen und zu verscherbeln, erst gar nicht zu reden.

Am Gängelband der Wirtschaft

Als Reaktion auf den wegbrechenden Werbemarkt stellt die Zeitschrift «Annabelle» die «Funktionsweise der Redaktion» bis Sommer 2019 komplett um und entlässt 14 der insgesamt 39 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ob das bisherige Profil mit zahlreichen kritischen und sorgfältig recherchierten Artikeln beibehalten werden kann, ist fraglich.

(www.tagesanzeiger.ch, 29. Januar 2019)

So also entscheidet nicht die Qualität, sondern die Wirtschaft bzw. der «freie Markt», ob eine Zeitschrift oder Zeitung weiterbestehen kann oder nicht. Die immerhin über 220’000 Leserinnen und Leser mögen die «Annabelle» in ihrer bisherigen Form noch so geschätzt haben – für «Nischenprodukte» gibt es je länger je weniger Platz. Die Medien am Gängelband der Wirtschaft. Daumen rauf oder Daumen runter. Knallhart. Ist das etwas grundsätzlich anderes und Besseres als in einer Diktatur, wo ein Machthaber oder die herrschende Partei darüber entscheiden, welche Medien zugelassen sind und welche nicht? Im Endeffekt kommt es aufs selbe heraus, nur dass wir uns immer noch vorgaukeln, der «freie Markt» hätte etwas mit Demokratie zu tun.

Wo der Kapitalismus seine wildesten Blüten treibt

Eine chinesische Firma hat weibliche Angestellte gezwungen, einer Strasse entlang zu kriechen. Grund für die bizarre Strafe: Die Frauen hatten die Unternehmen-Ziele nicht erreicht. Dazu ein kurzes Video hier: https://www.blick.ch/news/ausland/bizarre-strafaktion-des-arbeitgebers-chinesische-angestellte-muessen-auf-der-strasse-kriechen-id15125660.html

(www.blick.ch)

Wenn Diktatur und Kapitalismus zusammenkommen, dann ist die Hölle los. Wohl kein Zufall, dass die Gedemütigten, der öffentlichen Schande Ausgesetzten allesamt Frauen sind und es sich bei ihren Vorgesetzten vermutlich ausschliesslich um Männer handelt…

«Ihr sagt, dass ihr eure Kinder über alles liebt.»

Es fing alles vor wenigen Monaten an, Ende Herbst vielleicht, als sich die ersten Jugendlichen weigerten, zu ihren Eltern ins Auto zu steigen. Eine Mutter sagt, ihr Sohn habe von einem Tag auf den andern beschlossen, vegan zu leben; ein Vater meint, seine zwölfjährige Tochter habe ihm an Weihnachten vorgerechnet, wie sehr ein Thailand-Urlaub der Umwelt schade, und stattdessen vorgeschlagen, im Frühling lieber ins Tessin zu fahren. Und wenn man die Eltern danach fragt, woher der Gesinnungswandel ihrer Kinder stamme, dann hört man diesen einen Namen: Greta. Greta Thunberg. Das kleine Mädchen aus Schweden. Dieses Mädchen bestieg vor wenigen Tagen einen Zug in Stockholm und fuhr in Begleitung ihres Vaters nach Davos ans WEF, wo sie von Journalisten umringt wurde wie US-Präsident Donald Trump ein Jahr zuvor. Sie konnte keinen Schritt mehr tun, ohne Mikrofonstangenwald unter der Nase, war bald auf den Titelseiten der Zeitungen, bald im Fernsehen: Greta hier, Greta dort, Greta Superstar – ein mürrisches Mädchen, das sich weigerte, auf Fotos zu lächeln, und auf die Frage, was sie denn ändern wolle, antwortete: «Alles.» Mit ihrer stoischen Art rüttelte sie eine ganze Generation von Jugendlichen wach, von der es noch bis vor kurzem hiess, sie sei so unpolitisch und nur daran interessiert, welche Filter sie am besten für ihre Selfies verwende. «Ich will», sagt Greta Thunberg, «dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn das tut es.» Und: «Wir zerstören nicht nur die Welt, auf der wir leben, sondern auch uns selbst.» Und weiter: «Wir Kinder tun oft nicht, was ihr Erwachsenen von uns verlangt. Aber wir ahmen euch nach. Und weil ihr Erwachsenen euch nicht für meine Zukunft interessiert, werde ich eure Regeln nicht beachten.» Und schliesslich: «Ihr sagt, dass ihr eure Kinder über alles liebt. Und trotzdem stehlt ihr ihnen ihre Zukunft direkt vor ihren Augen.»

(NZZ am Sonntag, 27. Januar 2019)

Ist er das, der lange ersehnte Anfang einer weltweiten Revolution für das Leben? Zu hoffen ist, dass die Welle nicht schon bald wieder abebbt, sondern immer stärker wird und immer weitere Bevölkerungskreise erfasst. Logisch wäre es, denn die Sehnsucht des Menschen nach einer Welt von Gerechtigkeit, Frieden und Einklang mit der Natur ist unendlich und wartet nur darauf, aus den Klauen des kapitalistischen Profit- und Wachstumswahns befreit zu werden. Denn, wie schon der bekannte Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi sagte: «Der Mensch ist gut und will das Gute. Und wenn er böse ist, so hat man den Weg verrammelt, auf dem er gut sein wollte.»