Archiv des Autors: Peter Sutter

Alte Welt und neue Welt: „Aber handeln müssen wir aus Zärtlichkeit…“

 

Am 20. August 2018, dem ersten Schultag nach den Sommerferien, platzierte sich die schwedische Schülerin Greta Thunberg mit einem Pappschild mit der Aufschrift „Schulstreik für das Klima“ vor dem Reichstag in Stockholm. Im Laufe der folgenden Monate sollten ihr weltweit Millionen von jungen Menschen folgen, friedlich, beharrlich und voller Kreativität dafür kämpfend, dass die natürlichen Lebensgrundlagen und damit das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten nicht weiterhin rücksichtslos den Profitinteressen einer auf blinde Wachstumsideologie fixierten Wirtschaft geopfert werden. Im April 2019 verbreiteten Medien rund um den Globus das Bild der 20jährigen sudanesischen Studentin Alaa Salah, die sich, singend auf einem Autodach stehend, durch die Strassen von Karthum fahren liess, begleitet von einer vieltausendfachen Menschenmenge. Seit Jahren hatten sich sudanesische Frauenorganisationen für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Frieden eingesetzt, auch unter widrigsten und gefährlichsten Umständen. Nun war es soweit: Am 11. April 2019 wurde der verhasste Diktator al-Bashir abgesetzt und innerhalb weniger Wochen wurden gesellschaftliche Veränderungen Wirklichkeit, die eben noch undenkbar gewesen waren. Ende Mai 2022 berichtete Bruna Bianchi, Mitarbeiterin eines internationalen journalistischen Netzwerks, von einer zunehmend breiter werdenden Bewegung russischer Frauen, die ihren Protest gegen den Krieg in der Ukraine auf vielerlei friedliche und kreative Art auf die Strasse tragen: Sie legen Blumen an symbolischen Orten nieder und stellen Antikriegs-Kunstobjekte her, die sie überall verbreiten, sie beschreiben Geldscheine mit Friedensbotschaften, um mit älteren Menschen zu kommunizieren, sie weinen auf der Fahrt mit dem Bus, um Empathie und Diskussionen auszulösen, sie filmen und verbreiten mutig das brutale Vorgehen der Polizei. In mehreren hundert Städten haben solche Aktionen schon stattgefunden und die dahinter stehende Organisation des FAR (Feminist Anti-War-Resistance) zählt bereits über 26’000 Anhängerinnen. Greta Thunberg, Alaa Salah, die russischen Friedensfrauen und viele weitere Millionen namenloser Kämpferinnen für eine neue, friedliche und gerechte Welt, sind sie nicht Anlass zu einer grenzenlosen Hoffnung ungeahnten Ausmasses? In solchen Momenten kommt es mir vor, als lebten wir gleichzeitig in gänzlich unterschiedlichen, gegensätzlichen Welten. Als gäbe es so etwas wie eine alte Zeit, in der sich die Kräfte des Hasses, der Gewalt, der Ausbeutung, der Zerstörung und der Kriegstreiberei noch einmal so richtig aufbäumen – und gleichzeitig eine neue Zeit, die eben erst geboren wurde und immer deutlicher erkennen lässt, wie eine zukünftige, andere Welt aussehen könnte. Es ist wohl alles andere als ein Zufall, dass die alte Zeit hauptsächlich von Männern verkörpert wird, während die neue Zeit zum grössten Teil von Frauen getragen wird, gemeinsam mit einer wachsenden Zahl von Jugendlichen, aber auch Seite an Seite mit zahllosen Männern, die ihre traditionellen Rollenbilder abzulegen beginnen und sich einem neuen Selbstverständnis öffnen, das sie so viel gefühlvoller, friedlicher und ganzheitlicher macht. Ja. Was wir heute erleben, scheint tatsächlich so etwas zu sein wie eine Zeitenwende, das Ende des Patriarchats und der Anfang eines tatsächlich von Grund auf neuen Zeitalters. So viel Hoffnung. Ganz so, wie es die bekannte Anti-Apartheid-Kämpferin und Schriftstellerin Nadine Gordimer einmal formulierte: „Ich weigere mich, ohne Hoffnung zu sein.“ Ja, man muss an das Gute glauben, damit es Wirklichkeit werden kann. Und doch: Es ist nicht so, dass das Gute ganz von selber kommt, es braucht so viele Verbündete als nur möglich, so viele Menschen als nur möglich, die nicht abseits stehen, sondern Partei ergreifen. Denn, wie der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan einmal sagte: „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit.“ Doch wie kann die Vision einer neuen, friedlichen und gerechten Welt Wirklichkeit werden? Es muss, banal gesagt, ein Weg der Zärtlichkeit sein. Denn wenn das Ziel eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sein soll, in der Gerechtigkeit, Liebe und Frieden an oberster Stelle stehen, dann muss auch der Weg dorthin ein Weg der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens sein. „Ohne Wut wird sich nichts ändern“, sagte der deutsche Liedermacher Konstantin Wecker, „aber handeln müssen wir aus Zärtlichkeit.“ Und auch für Mahatma Gandhi war klar: „Wo Liebe wächst, gedeiht Leben – wo Hass wächst, droht Untergang.“ Wir alle waren wohl schon mal von einem dicken Nebel eingehüllt. Wir befanden uns in einer fremden Gegend, wussten nicht, was für eine Landschaft sich hinter dem Nebel verbarg. Doch dann, ganz langsam, begann sich der Nebel aufzulösen und durch ein kleines Loch erblickten wir einen Teil jenes neuen Landes, wo wir hingekommen waren. Immer mehr löste sich der Nebel auf, immer weiter wurde der Blick auf das neue Land, bis es irgendwann in seiner ganzen Pracht und Fülle sichtbar geworden war. So kommt mir die heutige Zeit vor. Noch sind wir in dicken Nebel eingehüllt, noch ertönt millionenfaches Leiden von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Doch nach und nach wird sich der Nebel lichten und das neue Land, das wir bloss erahnen konnten, wird Wirklichkeit. „Wir malen sie uns aus“, sagte die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer, „und wir wissen, dass wir sie erleben werden: Die Zukunft, von der wir träumen. Das ist die Magie gesellschaftlicher Kipppunkte – wir wissen nicht genau, wann wir sie erreichen, aber wir wissen, dass sie kommen.“

Hunger hier, Milliardengewinne dort: Die beiden Kehrseiten der gleichen kapitalistischen Münze

 

Wie UN-Generalsekretär Antonio Guterres Mitte Mai 2022 berichtete, hat die Zahl der weltweit Hungernden einen neuen Höchststand erreicht. In den letzten zwei Jahren habe sich die Zahl der Menschen, die unter Mangelernährung leiden, von 135 auf 275 Millionen mehr als verdoppelt. Eine wesentliche Ursache dafür liegt, wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam feststellt, bei den Lebensmittelpreisen, welche in den letzten zwei Jahren weltweit um 33,5 Prozent gestiegen seien und im Verlaufe des Jahres 2022 voraussichtlich um weitere 23 Prozent steigen würden. Wenn Menschen hungern, dann also nicht etwa deshalb, weil insgesamt weltweit zu wenige Nahrungsmittel vorhanden wären – die reichen Länder des Nordens können sich sogar, wie der WWF unlängst berichtet hat, den unverschämten Luxus leisten, rund 40 Prozent aller gekauften Nahrungsmittel im Müll landen zu lassen. Hunger ist menschengemacht. Hunger ist die Folge eines Wirtschaftssystems, in dem die Güter nicht dorthin fliessen, wo die Menschen sie am dringendsten brauchen, sondern dorthin, wo genug Geld ist, um sie kaufen zu können. Und der Hunger ist vor allem auch ein Riesengeschäft für jene, die selber nicht davon betroffen sind: So stiessen in den vergangenen zwei Jahren aus dem Kreis der Besitzer und Manager von multinationalen Lebensmittelkonzernen nicht weniger als 62 neue Milliardäre in den Club der weltweiten Superreichen. Der Lebensmittelmulti Cardill, der zusammen mit vier weiteren Unternehmen mehr als 70 Prozent des weltweiten Markts für Agrarprodukte kontrolliert, verzeichnete 2021 mit fünf Milliarden Dollar das beste Ergebnis seiner Geschichte und zahlte 1,13 Milliarden Dollar Dividenden aus. Das Gesamtvermögen der Familie Cardill stieg seit 2020 um 14,4 Milliarden Dollar, also um 65 Prozent, das sind fast 20 Millionen Dollar pro Tag, und dies vor allem dank dem Anstieg der Lebensmittelpreise. Und der Agrarrohstoffhändler Louis Dreyfus, einer der Hauptrivalen von Cargill, konnte 2021 seine Profite ebenfalls wegen der gestiegenen Preise für Getreide und Ölsamen um satte 82 Prozente steigern. Selbst die nicht als radikale Kapitalismuskritikerin bekannte neuseeländische Premierministern Jacinda Ardern sagt: „Der Kapitalismus hat die Menschen im Stich gelassen. Wenn es Hunderttausende von Kindern gibt, die nicht genug zum Überleben haben, ist das ein eklatanter Misserfolg. Wie könnte man es sonst beschreiben?“ Ein eklatanter Misserfolg. Dabei ist das Geschäft mit Lebensmitteln auf der einen Seite, zunehmende Hungersnöte auf der andern ja nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs, der in den Bergwerken Afrikas, den Kaffee- und Bananenplantagen Südamerikas und in den Textilfabriken Vietnams und Bangladeschs beginnt und auf dem Tablett unzähliger Luxusvergnügungen für die Reichen und Reichsten in den Ländern des Nordens endet. Kapitalismus sei das denkbar erfolgreichste Wirtschaftssystem, wird immer wieder behauptet. Das stimmt sogar. Aber nur, so lange man es aus der Sicht der Reichen und derer, die daraus ihren Profit ziehen, betrachtet. Auf der anderen Seite stehen das nackte Elend, unsägliche Armut, tödliche Krankheiten und der frühe Tod aufgrund von Überarbeitung, fehlender Gesundheitsversorgung und mangelhafter Ernährung. Noch schlimmer wird es, wenn man in die Zukunft schaut: Mit dem kapitalistischen Dogma, wonach Wachstum das oberste Gebot jeder erfolgreichen Form von Wirtschaft zu sein habe, und der damit verbundenen und immer weiter um sich greifenden Plünderung aller natürlicher Ressourcen, gefährdet der Kapitalismus nicht nur das Leben der heutigen, sondern gleich auch noch jenes aller zukünftigen Generationen. „Kapitalismus tötet“ – diese Aussage von Papst Franziskus bringt es so kurz, so klar und so deutlich auf den Punkt, dass man dem eigentlich nichts mehr beifügen müsste. Doch wie ist es möglich, dass sich ein so zerstörerisches Wirtschaftssystem, das zu einer historisch derart einmaligen sozialen Ungleichheit geführt hat und selbst die gesamte Zukunft der Menschheit aufs Spiel setzt, immer noch und so lange schon an der Macht halten kann? Eine der wichtigsten Gründe liegt wohl darin, dass im Laufe der „Globalisierung“ des Kapitalismus ein so weit verzweigtes, undurchsichtiges weltweites Machtsystem die Oberhand gewonnen hat, dass sämtliche Verbindungen zwischen Tätern und Opfern gar nicht mehr zu erkennen sind. Würde nämlich der Konzernchef oder der Besitzer eines dieser multinationalen Lebensmittelkonzerne drei- oder vierjährige Kinder irgendwo in Afrika eigenhändig umbringen, dann würde wohl ein so gewaltiger Aufschrei durch die Welt gehen, dass die Machenschaften des betreffenden Konzerns sogleich eingestellt werden müssten. So aber können die Konzernchefs und die Aktionäre fein säuberlich in klimatisierten Büros und Konferenzsälen sitzen, während gleichzeitig jeden Tag Zehntausende von Kindern am anderen Ende der Welt unter unvorstellbaren Qualen ihr Leben verlieren, ganz so, als hätte das eine mit dem andern nicht das Geringste zu tun. 500 Jahre kapitalistischer Gehirnwäsche haben unser Denken geraubt, haben uns eingetrichtert, dass der Kapitalismus die einzige mögliche Art ist, wie Gesellschaft und Wirtschaft zu organisieren sind, haben in uns die alles beherrschende Lüge eingepflanzt, wonach das Leben auf diesem Planeten ein permanenter Wettkampf aller gegen alle sei, aus dem stets wieder die einen als Sieger hervorgehen und alle anderen an ihren Niederlagen, ihrem Versagen und ihrem Leiden ganz und gar selber Schuld seien. Was wird, wenn dann endlich einmal alles vorüber ist, in den Geschichtsbüchern zukünftiger Generationen wohl dereinst über das Zeitalter des Kapitalismus geschrieben sein?

Zu viele Menschen finden in ihrer täglichen Arbeit keine Selbstverwirklichung

 

Nur gerade 50 Prozent aller Arbeitnehmenden in der Schweiz, so berichtet das „Tagblatt“ am 25. Mai 2022, sind mit ihrer aktuellen Arbeitssituation „sehr bis mässig zufrieden“. Es fehle häufig am Gefühl, „bei der Arbeit ganz sich selbst sein zu können“ und einer „erfüllenden Tätigkeit“ nachgehen zu können. Vermutlich hängt dies sehr stark von der jeweiligen beruflichen Tätigkeit ab. So könnte ich mir gut vorstellen, dass eine Architektin, welche ihre kreativen Ideen in interessante Bauprojekte umsetzen kann, mit ihrer Arbeitssituation durchaus „sehr bis mässig zufrieden“ sein wird, während die Angestellte eines Supermarkts, die von früh bis spät Lebensmittelregale auffüllen muss, in ihrem Job wahrscheinlich eher weniger „Erfüllung“ findet und kaum je das Gefühl hat, bei ihrer Arbeit „ganz sich selbst sein zu können“. Eigentlich ist die Berufswelt zutiefst ungerecht: Können viele ihre ursprünglichen beruflichen Wunschträume verwirklichen, sind ebenso viele andere dazu verdammt, lebenslang Jobs zu verrichten, die nicht das Geringste mit ihren ursprünglichen Wunschträumen zu tun haben. Kommt dazu, dass ausgerechnet diese oft unbeliebten, anstrengenden und mühsamen „Knochenjobs“ in aller Regel schlechter entlohnt sind als jene, die viel eher eine Selbstverwirklichung in der täglichen Arbeit ermöglichen. Es gäbe für dieses Problem eine naheliegende Lösung: Wie wäre es, wenn alle berufstätigen Menschen nicht nur einen einzigen, sondern zwei unterschiedliche berufliche Tätigkeiten ausüben würden? Die eine zum Beispiel vormittags, die andere nachmittags, oder die eine an zweieinhalb Tagen pro Woche, die andere an den übrigen zweieinhalb Tagen. Die eine Tätigkeit wäre die, welche dem ursprünglichen Wunschtraum nach Selbstverwirklichung entsprechen würde, eine Tätigkeit, in der man „ganz sich selbst sein“ könnte und seine Lebenserfüllung fände. Die andere Tätigkeit, das wäre dann eben ein „Knochenjob“, eine Arbeit, die zwingend von jemandem erledigt werden muss, wenn Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes funktionieren sollen. Dies hätte gegenüber dem heutigen, auf einen einzigen Beruf zugeschnittenen Arbeitsmodell viele Vorteile. Erstens: „Angenehmes“ und „Unangenehmes“ wäre gleichmässig auf alle Schultern verteilt, es gäbe nicht mehr Privilegien der einen auf Kosten der anderen. Zweitens: Körperliches und seelisches Wohlbefinden würden insgesamt gesteigert, alle hätten die Möglichkeit zu einer erfüllenden Tätigkeit, alle wären gleichermassen körperlich und geistig gefordert und Berufskrankheiten durch zu einseitige – körperliche wie psychische – Belastung würden wohl weitgehend verschwinden. Drittens: Die heutige durch die Segmentierung der Arbeitswelt bedingte Trennung zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten würde sich weitgehend auflösen. Sieht man den Rechtsanwalt, der am Vormittag in seinem Büro sass, am Nachmittag als Kehrichtmann oder als Strassenarbeiter, dann würden sich augenblicklich die konventionellen Denkmuster von „oben“ und „unten“ in Nichts auflösen. Ich gebe zu: Es handelt sich hier um eine Vision, die sich nicht so einfach von heute auf morgen umsetzen liesse. Und vielleicht gäbe es ja noch bessere Ideen, wie man das Problem. dass sich die Hälfte der Arbeitnehmenden in ihrer täglichen beruflichen Arbeit nicht wirklich wohl fühlen, lösen könnte. Aber allein der Umstand, dass so viele Menschen in ihrer Arbeit keine wirkliche Erfüllung finden, ist doch ein so grosser gesellschaftspolitischer Hilfeschrei, dass schlicht und einfach etwas Grundsätzliches und Wirksames dagegen unternommen werden muss, ob wir wollen oder nicht. Denn schon heute zeigt sich: Immer mehr Menschen wandern aus den unbeliebten und schlechtbezahlten Knochenjobs aus, an allen Ecken und Enden – von der Krankenpflege bis zu den Handwerkern, von der Gastronomie bis zu den Baustellen – fehlt es am nötigen Personal, während gleichzeitig immer mehr akademisch Ausgebildete überhaupt keine zu ihren Qualifikationen passende Stelle mehr finden. Früher oder später muss es darauf eine gesellschaftspolitische Antwort geben. Die Idee, dass jeder Mensch nicht nur einen, sondern zwei Jobs ausüben würde, ist nur einer von vielen möglichen Lösungsvorschlägen. Wer hat einen besseren?

„Im Jugendidealismus erschaut der Mensch die Wahrheit…“

 

„Er räuspert sich oft, stockt und weicht nie auch nur einen Zentimeter von der bis ins Detail austarierten NATO-Sprachregelung ab – ein sicherer Wert für den Westen“ – so beschreibt das „Tagblatt“ vom 21. März 2022 den 63jährigen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, das unverkennbare Gesicht jenes 30 Mitglieder umfassenden westlichen Militärbündnisses, das in den Monaten seit der russischen Invasion in die Ukraine zu einer nie dagewesenen Geschlossenheit und Einmütigkeit zusammengefunden hat. Nur ungern lässt sich Stoltenberg daran erinnern, dass da in seiner Jugendzeit alles ganz anders gewesen war: In den 1970er-Jahren nämlich demonstrierte der spätere NATO-Chef mit langen Haaren gegen den Vietnamkrieg. Und als Chef der sozialdemokratischen Jugend Norwegens kämpfte er sogar für den Austritt seines Landes aus dem westlichen Verteidigungsbündnis. Das sei Jahrzehnte her und da sei er eben noch ein „junger Mann“ gewesen und hätte „absolut falsche Positionen“ vertreten, meint Stoltenberg heute entschuldigend. Doch Stoltenberg ist nicht der Einzige, der als „junger Mann“ Positionen vertrat, von denen er heute nichts mehr wissen will. Auch schweizerische SP-Nationalrätinnen und SP-Nationalräte wie Tamara Funicelli, Fabian Molina und Cédric Wermuth – um nur einige wenige zu nennen – kämpften in ihrer Jugendzeit für die „Überwindung des Kapitalismus“, für eine Vision, von der sie längst Abschied genommen zu haben scheinen, die zumindest in ihrer heutigen realpolitischen Arbeit kaum je sichtbar ist und von der sie wahrscheinlich ebenfalls als von einer längst überwundenen „Jugendsünde“ sprechen würden. So wie der Davoser Landammann Philipp Wilhelm, der als „junger Mann“ und Globalisierungskritiker aus Überzeugung gegen das WEF demonstrierte, heute sich aber, wie das „Tagblatt“ m 23. Mai 2022 schreibt, „darauf freut, dass das Treffen nach der Covid-Zwangspause wieder stattfinden kann.“ So geht das. So werden sie zurechtgeschliffen. So werden aus aufmüpfigen, revolutionären, widerspenstigen jungen Menschen nach und nach so ganz richtig „vernünftige“ und „korrekt“ funktionierende Erwachsene, die selbst ihre eigenen früheren Überzeugungen verleugnen, ins Lächerliche ziehen oder sich sogar dafür entschuldigen. „Im Jugendidealismus“, sagte der bekannte Urwalddoktor Albert Schweitzer, „erschaut der Mensch die Wahrheit. Mit ihm besitzt er einen Schatz, den er gegen nichts in der Welt austauschen soll.“ Es ist der verhängnisvollste Fehler des herrschenden Erziehungssystems, dass alles darauf ausgerichtet ist, aus Kindern und Jugendlichen möglichst schnell und effizient möglichst gut „funktionierende“ Erwachsene heranzubilden, während es doch eigentlich das Ziel jedes Menschen sein müsste, möglichst lange, bis zum Ende seines Lebens, ein Kind zu bleiben. „Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben“, sagte der italienische Dichter Dante Alighieri, „Sterne, Blumen und Kinder.“ Tragen wir ihnen Sorge, den Kindern, nicht nur ihnen selber, sondern vor allem auch ihren Gedanken, ihren Visionen, ihren Träumen, den in ihnen liegt so unendlich viel Wahrheit. Wenn die Menschheit eine Zukunft haben soll, dann müssen wir diese Funken aus dem Paradies zum Anfang werden lassen für eine neue Zeit, in der sich nie mehr ein Erwachsener dafür entschuldigen müsste, woran er in seiner Kindheit und seiner Jugendzeit gedacht, woran er geglaubt und wofür er gekämpft hatte. Eine neue Zeit, in der nicht mehr die Ideale und Visionen der Kinder und Jugendlichen der Erwachsenenwelt geopfert werden, sondern, im Gegenteil, die Erwachsenenwelt von den Kindern und Jugendlichen inspiriert wird, eine andere, neue Welt zu werden. „Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen“, sagte der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, „denn wenn sie verschwunden sind, wirst du zwar noch weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.“

Erster Tag des World Economic Forum in Davos: „Die Ukraine hat die Party gecrasht“…

 

23. Mai 2022: Erster Tag des World Economic Forum in Davos. Ein ukrainisches Mädchen mit gelbblauem Band im dunklen Zopf wartet schüchtern auf den Auftritt von Witali Klitschko, der sogleich den Raum betreten und eine feurige Rede mit einem glühenden Appell an das Gewissen aller Länder angesichts der Bedrohung der Ukraine durch das russische Regime halten wird. Als Selenski im grossen Plenarsaal überlebensgross auf der Videobildfläche erscheint, brandet spontan Applaus auf. Und als seine Rede, in der Selenski im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg immer wieder von einer „Zeitenwende“ spricht, zu Ende ist, erhebt sich das Publikum zu minutenlangen Standing Ovations. Das „Russian House“, wo früher die russische WEF-Delegation untergebracht war, ist zum „Russian Warcrimes House“ umfunktioniert worden und zeigt jetzt eine Ausstellung über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Kamerateams aus aller Welt filmen die ausgestellten Bilder und übermitteln sie als Beweise für die russischen Gräueltaten in alle Welt. „Die Ukraine“, schreibt der „Tagesanzeiger“, „kann die Bühne fast im Alleingang bespielen.“ Und das „Tagblatt“ spricht gar davon, dass die Ukraine an diesem Tag „die Party gecrasht“ habe. Einseitiger, manipulativer, demagogischer geht es nun wirklich nicht mehr. Ich erwarte ja nicht, dass irgendwer die russische Invasion in die Ukraine gutheissen sollte – das tut ja nicht einmal mehr eine wachsende Zahl von Russinnen und Russen selber. Aber ich erwarte ein Mindestmass an seriöser und selbstkritischer Aufarbeitung der Geschichte und nicht bloss eine Party, bei der sich lauter Gleichgesinnte so lange gegenseitig auf die Schultern klopfen, bis alle windelweich und ohne Ausnahme genau gleich denken. Viele Fragen gehen mir durch den Kopf. Erstens: Wo sieht man die Bilder jener Gräueltaten, die seit 2014 vom ukrainischen Asowregiment und anderen nationalsozialistischen Kampfverbänden an der Zivilbevölkerung in der Ostukraine verübt wurden? Zweitens: Wer erzählt die Geschichte der NATO-Osterweiterung, die gegen wiederholte Bedenken Russlands seit 1991 immer weiter vorangetrieben wurde und durchaus mit einem Militärbündnis zwischen Kanada, Mexiko und Russland vergleichbar ist, welches auch in den USA niemals toleriert worden wäre? Drittens: Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde das „Russian House“ in ein „Russian Warcrimes Hous“ umfunktioniert und wer garantiert, dass die dort ausgestellten Bilder tatsächlich alle echt sind – wo doch allgemein bekannt ist, dass nicht nur Russland, sondern auch die Ukraine einen mit allen Mitteln modernster Technik geführten Informations- und Propagandakrieg führen. Viertens: Wenn Witali Klitschko davon spricht, dass ukrainische Teenager gefesselt und erschossen worden seien und man in Autos, welche von Panzern überfahren worden seien, sterbliche Überreste von Kindern gesehen habe, dann müsste er ehrlicherweise auch davon sprechen, wie grausam russische Kriegsgefangene von den Ukrainern behandelt werden: „Gleich auf mehreren Kanälen“, so die „NZZ“ am 11. März 2022, „werden russische Kriegsgefangene in erniedrigenden Situationen sowie verstümmelte, verkohlte oder blutüberströmte Gefallene gezeigt. In einem tausendfach geteilten Video verhöhnen zwei ukrainische Soldaten einen abgeschossenen russischen Piloten und drohen ihm vor der per Handy zugeschalteten Frau massive Gewalt an.“ Fairerweise, aber daran denkt offensichtlich niemand, müsste neben dem „Russian Warcrimes House“ auch ein „Ukrainian Warcrimes House“ stehen, wo die entsprechenden Bilder und Filme zu sehen wären – noch selten war das Sprichwort, wonach in jedem Krieg die Wahrheit das erste Opfer sei, so aktuell wie heute. Wenn man schon für die Organisation des WEF einen so immensen Aufwand betreibt, Essen, komfortable Unterkunft und Dienstleistungen aller Art rund um die Uhr bereitstellt und die Gäste von nah und fern über Tausende von Kilometern heranfliegen lässt – dann müsste doch eine Konferenz von so grosser weltpolitischer Bedeutung vor allem der Wahrheitsfindung und der konstruktiven Problemlösung dienen und nicht dem fanatisierten Aufspalten der Welt in eine „gute“ und eine „böse“ Hälfte. Dieser Tage hat die italienische Regierung einen Friedensplan für die Ukraine vorgelegt, in dem erstmals mit dem Tabu gebrochen wird, es gäbe nichts ausserhalb eines totalen Sieges oder einer totalen Niederlage der einen oder der anderen Seite. Nur sucht man in den einschlägigen Medien nach der Meldung über diesen Friedensplan wie nach der Stecknadel im Heuhaufen – während Selenski, die Klitschkobrüder, ein Mädchen mit gelbblauem Haarband und die Bilder aus dem „Russian Warcrimes House“ alle Spalten der Tageszeitungen und alle Nachrichtensendungen am Fernsehen beherrschen. Als gehörte die ganze Welt nur der einen Seite. Lobt sich der Westen nicht stets seiner Meinungsfreiheit, seiner Demokratie, seiner Menschenrechte? Weshalb dann diese unglaubliche Einseitigkeit der öffentlichen Meinungsbildung, etwas, was man ja stets der Gegenseite zum Vorwurf macht. Böte nicht gerade ein Ort wie das WEF die einzigartige Chance, gängige Denkmuster aufzubrechen, eingefahrene Feindbilder zu hinterfragen, der Völkerverständigung, dem Dialog, dem Frieden eine Chance zu geben? Dies, und nicht der ständige Ruf nach noch mehr Waffen und noch mehr Krieg, wäre dann vielleicht das, was man tatsächlich als eine „Zeitenwende“ bezeichnen könnte… 

Der neueste Hit: Öko-Resorts für Reiche mit Zukunftsangst

 

Bei Kitzbühel, so berichtet die „Basler Zeitung“, soll es bald ein Öko-Resort für Reiche mit Zukunftsangst geben. Geplant ist eine mondäne Anlage mit 13 Villen, 37 Apartments und einem Fünfsternehotel mit 77 Zimmern und einem 3000-Quadratmeter-Spa. Es soll durch eine eigene Energie- und Wasserversorgung autark und nachhaltig sein. Geplant sind ausserdem ein Biogarten, ein Hühnerstall und ein wöchentlich stattfindender Bauernmarkt. Die Entwickler nennen ihr Projekt im Werbeversprechen eine „autarke Arche Noah“. Wer eine der geplanten Wohneinheiten erwerben möchte, muss aber zuerst einmal zwölf Fragen beantworten. Die erste lautet: „Wie viel möchten Sie bezahlen, 3 bis 6 Millionen, über 6 Millionen, über 10 Millionen?“ Doch die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner sollen auch weltanschaulich zueinanderpassen. Das soll mittels folgender Fragen herausgefunden werden: „Sind Sie eine spirituelle Persönlichkeit?“ Oder: Was ist Ihnen wichtiger, ein Privatjet, eine Jacht oder ein langes Leben?“ Die ursprüngliche Idee der Initianten, jedem Chaletbewohner als Gratis-Dreingabe einen E-Porsche Tycan in veganer Ausstattung zu schenken, wurde erst nach massiven negativen Reaktionen aus der Öffentlichkeit wieder fallengelassen. Die „Arche Noah“ bei Kitzbühel ist indessen nur eines von zahlreichen Beispielen, wie sich Reiche und Superreiche weltweit ihr Überleben nach einer möglichen Finanz-, Wirtschafts- oder Klimakatastrophe versüssen wollen. So etwa bereiten sich, wie die österreichische Internetseite „Kontrast“ berichtet, mehrere Milliardäre aus dem Silicon Valley auf ein zukünftiges Leben in Neuseeland vor. Bereits hat sich Peter Thiel, Investor und Berater des ehemaligen Bundeskanzlers Kurz, mit einem Trick die neuseeländische Staatsbürgerschaft ergattert und mehrere Grundstücke für eine weltuntergangssichere Festung erworben. Auch Google-Chef Larry Page hat sich bereits die neuseeländische Staatsbürgerschaft organisiert. Und wahrscheinlich hat auch schon Elon Musik alle Vorbereitungen getroffen, um im Falle einer drohenden Weltkatastrophe in seine Weltraumrakete zu steigen und sein Lebensglück auf einem anderen Planeten zu suchen. Zynischer und menschenverachtender geht es nun wirklich nicht mehr. Ausgerechnet jene „Elite“ der Eliten, welche sich dank dem kapitalistischen Finanz-, Wirtschafts- und Ausbeutungssystem über alle Grenzen hinweg sündhaft bis zum Gehtnichtmehr bereichert hat, sich jetzt, wo es brenzlig wird und ihre Untaten immer offensichtlicher zutage treten, in untergangssichere Luxusresorts, Bunker und Festungen zurück und überlässt den Rest der Menschheit, den sie zuvor schamlos ausgebeutet hat, schlicht und einfach ihrem Schicksal, ohne dass diese nur den Hauch einer Chance hätten, irgendwohin anders zu fliehen als in ihre selbergebastelten, allem Unbill ausgesetzten Hütten. Doch würde es zu kurz greifen, mit den Fingern bloss auf die „bösen“ Superreichen zu zeigen. Weite Teile der Bevölkerung in den westlichen Ländern – oder zumindest all jene, die sich dies immer noch leisten können – verhalten sich grundsätzlich nicht anders. Millionen haben irgendwo in den Bergen eine Zweitwohnung, am Genfersee oder Bodensee eine Segeljacht oder gondeln mit ihren Wohnmobils von Land zu Land. Sie frönen immer noch – allen Katastrophenmeldungen zum Trotz – dem Dinieren im Luxusrestaurant, den Wellnessferien im Fünfsternehotel, der Sauna oder dem Swimmingpool im eigenen Haus, und lassen dabei jene, wie es der deutsche Wirtschaftsminister so treffend sagte, „Spur der Verwüstung“ zurück, welche die wachsende Mehrheit der Weltbevölkerung in immer grösseres Elend stürzt. Zweifellos wird dabei der Gegensatz zwischen dem Leben im Luxus, den sich eine Minderheit immer noch leisten kann, und dem Leben in der Hölle, das für immer mehr Menschen bittere Wirklichkeit wird, von Tag zu Tag grösser. Dabei wäre es so einfach: „Es gibt genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“, sagte Mahatma Gandhi. Auch heute noch würden die weltweit vorhandenen Ressourcen an Rohstoffen, Lebensgütern und Nahrungsmitteln vollauf genügen, um alle Menschen ausreichend zu versorgen – vorausgesetzt, alles würde unter alle gerecht verteilt und gäbe es dann nicht mehr bloss ein paar Inseln des Überlebens in den österreichischen Alpen oder auf Neuseeland, sondern wäre die ganze Erde eine einzige Arche Noah voller Gerechtigkeit, voller Liebe und voller Lebensfreude für sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner dieses Planeten, für alle Menschen, alle Tiere und alle Pflanzen gleichermassen…  

Weshalb wir zu Kitaangestellten, Krankenpflegerinnen, Bauarbeitern, Verkäuferinnen, Kellnerinnen und Fabrikarbeitern so viel mehr Sorge tragen müssten…

 

„Die meisten steigen bis Mitte zwanzig aus“, sagt die 27jährige Kitaangestellte L.W. in der Gewerkschaftszeitung „work“, „der dauernde Personalmangel, der Druck, das macht dich kaputt.“ Immer wieder müssen Kitas infolge Personalmangels den Betreuungsschlüssel erhöhen, was bedeutet, dass sich zu wenige Betreuende für längere Zeit gleichzeitig um zu viele Kinder kümmern müssen. Die Folge: Immer mehr Berufsausstiege, durch wird der Druck auf die Verbliebenen noch grösser – ein Teufelskreis. „Alarm, Alarm, Alarm!“, schreibt auch das „Tagblatt“ am 23. Mai 2022. Doch nicht nur bei der vorschulischen Kinderbetreuung brodelt es. Von einem Fachkräftemangel hört man aus allen Ecken und Enden, in der Kranken- und Alterspflege, bei Handwerkerinnen und Handwerkern, in der Gastronomie. Dies alles ist kein Zufall, sondern die ganz direkte und logische Folge eines falschen Bildungssystems. Schon von klein auf wird den Kindern nämlich eingetrichtert, einen möglichst „hohen“, wenn möglich akademischen Bildungsweg anzustreben, um dereinst einen Beruf mit möglichst hoher Wertschätzung und möglichst hoher Entlohnung ausüben zu können. Die Schule ist nichts anderes als ein Wettkampf um die zukünftigen Sonnenplätze in der Arbeitswelt und der Gesellschaft. Sei ein Lehrer, aber auf keinen Fall ein Strassenarbeiter, sei eine Kinderärztin, aber auf keinen Fall eine Verkäuferin, sei ein IT-Spezialist, aber auf keinen Fall ein Kehrichtmann – so tönt es pausenlos an die Ohren des Kindes und es wird alles unternehmen, um diesen Wettkampf möglichst erfolgreich zu bestehen. Jetzt rächt sich dies alles: Oben sammeln sich immer mehr „Sonnenhungrige“ auf den höheren Etagen der Gesellschaftspyramide an, von denen viele gar nicht einen Job finden, der ihrem langen und aufwendigen Bildungsweg Rechnung trägt – unten, auf der Schattenseite, wird es immer leerer. Als würde man ein Haus errichten, ohne zuvor ein genügend festes Fundament gebaut zu haben, um das Haus auch tatsächlich tragen zu können. Doch was wäre die Lösung des Problems? Erstens: Auf rein akademische Berufswege, die eine grosse Anzahl junger, arbeitsfähiger Menschen von der realen Berufswelt fernhalten, könnte man problemlos verzichten. Jeder junge Mensch sollte

eine
praktische Berufslehre absolvieren – Zehntausende, die heute auf den Gymnasien
sitzen, wären dann an konkreten Arbeitsplätzen anzutreffen, wo heute ein
gravierender Mangel an Arbeitskräften herrscht und jeder Abgang den Druck für
alle Verbliebenen nur umso mehr verstärkt. Sodann sollten alle jungen
Berufsleute mindestens fünf Jahre lang in ihrem erstgewählten, praxisbezogenen
Beruf verbleiben. Natürlich braucht es auch Akademiker, Ärztinnen,
Rechtsanwälte, Ingenieurinnen und Lehrer. Aber es genügt, wenn man diese
weiterführenden Ausbildungswege an die Basis grundlegender beruflicher
Tätigkeiten anknüpfen kann: Der junge Mann – um nur ein Beispiel zu nennen -,
der fünf Jahre lang als Krankenpfleger gearbeitet hat, könnte sich auf dem
zweiten Bildungsweg zum Arzt weiterbilden – die Vorkenntnisse und die
Berufspraxis nach fünfjähriger „Basisarbeit“ wären wohl mindestens so wertvoll,
wie wenn der junge Mann in dieser Zeit ein Gymnasium besucht hätte, ohne
Kontakt zur realen Arbeitswelt. Zweitens: Die Arbeitsbedingungen und die
Entlohnung in den „Basisberufen“ müssten mindestens so attraktiv sein wie in
den sogenannt „höheren“ beruflichen Tätigkeiten. Ideales Fernziel wäre, so
utopisch dies heute noch klingen mag, ein Einheitslohn, denn es gibt keine
einleuchtende Begründung dafür, weshalb eine Rechtsanwältin so viel mehr
verdienen sollte als eine Krankenpflegerin, die sich von früh bis spät
abrackert  und dabei sogar ihre
Gesundheit aufs Spiel setzt – wir kennen unzählige mehr oder weniger weit
hergeholte Begründungen für Lohnunterschiede, alle sind völlig willkürlich und
verkennen die Grundtatsache, dass eine Arbeitswelt und eine Wirtschaft, die
funktionieren sollen, auf den Einsatz und die Tatkraft sämtlicher Beteiligter angewiesen ist, welche dann auch alle gleichermassen am gemeinsamen Erfolg
beteiligt sein sollten. Schliesslich noch, drittens, vielleicht das Wichtigste:
Es geht um die Wertschätzung, um die Anerkennung, um die grundlegende Einsicht,
dass das Haus, in dem wir wohnen, nur dann nicht zusammenbricht, wenn das
Fundament, auf dem es steht, genug fest gebaut ist. Ohne Hochschulprofessoren,
Pfarrerinnen und Unternehmensberater würde unsere Wirtschaft wohl eine gute
Zeitlang problemlos weiterfunktionieren. Wenn aber Krankenpflegerinnen,
Bauarbeiter, Verkäuferinnen, Kitaangestellte und Arbeiterinnen und Arbeiter in
den Lebensmittelfabriken ihre Arbeit niederlegen würden, käme wohl augenblicklich
alles zum Stillstand und wir würden zu spät erkennen, was in unserem
Bildungssystem, an den sogenannten „Bildungsidealen“, am allgemeinen Wertesystem
und am Umgang mit den unterschiedlichen Arbeitswelten und Berufszweigen alles
schiefgelaufen ist…

Was der Klimawandel und die stetige Zunahme von arbeitsbedingten Burnouts miteinander zu tun haben…

 

Laut dem Job-Stress-Index der Schweiz von 2020 ist ein Drittel der Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz einer Belastung ausgesetzt, die ihre Ressourcen übersteigt. Die Folge: eine immer höhere Anzahl von Burnouts. „Im Vergleich zu 2019“, so Michael Pfaff, Leiter einer Burnoutklinik, in der „Sonntagszeitung“ vom 16. Mai 2022, „haben sich die Klinikeinweisungen aufgrund von Burnout seit 2019 um 40 Prozent erhöht. Nur ein Teil davon ist auf die Auswirkungen der Coronapandemie zurückzuführen: Bereits im Jahre 2018, so eine Untersuchung der „Gesundheitsförderung Schweiz“, litten fast 30 Prozent der Schweizer Erwerbsbevölkerung unter emotionaler Erschöpfung. „Burnout“, so Michal Pfaff, „ist ein Lebensstil, bei dem ich auf Dauer mehr Energie abgebe, als ich wieder zu mir führe.“ Seltsam. Denn eigentlich müsste es ja umgekehrt sein: Im Laufe vieler Jahrzehnte sind Infrastrukturen – Fabriken, Wohnhäuser, Strassen, Verkehrssysteme – aufgebaut worden, von denen wir heute alle profitieren. Dazu kommt eine Riesenerfahrung in allen Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsbereichen, die dazu dienen könnten, Arbeit in Zukunft so zu gestalten, dass mit einem kleineren Aufwand dennoch eine genug grosse Leistung erzielt werden könnte. Schliesslich die Digitalisierung, Automatisierung und Technisierung, dank der heute viele Tätigkeiten, die früher in mühsamer eigenhändiger Kleinarbeit bewältigt werden mussten, an Maschinen delegiert werden können. Eigentlich spräche alles dafür, dass wir es uns endlich etwas gemütlicher machen und uns endlich auf den Lorbeeren vergangener Zeiten ein wenig ausruhen könnten. Doch absurderweise ist genau das Gegenteil der Fall: Das herrschende kapitalistische Wirtschaftssystem, das darauf ausgerichtet ist, aus jedem Rohstoff, jeder Ware, jeder Dienstleistung, jeder Handreichung den stets grösstmöglichen Profit herauszuquetschen, lässt dies nicht zu. Und so kommen die, welches dieses System antreiben und gleichzeitig von ihm angetrieben werden, auf immer verrücktere Ideen, wie die Arbeitsabläufe und das Wachstum der Warenwelt in immer noch weitere Höhen hinaufgetrieben werden können. In blinder Profitgier hat dieses Wirtschaftswachstum das heilige Prinzip, wonach Geben und Nehmen stets in gegenseitigem Gleichgewicht stehen sollten, auf fahrlässigste Weise ausgehebelt. Wenn der Leiter einer Burnoutklinik davon spricht, Burnout sei ein „Lebensstil, bei dem ich auf Dauer mehr Energie abgebe, als ich wieder zu mir führe“, dann ist das exakt der gleiche Vorgang von Ausbeutung, den wir im grossen Stil in der Weise erleben, dass die Schweiz insgesamt pro Jahr drei Mal so viele Ressourcen verbraucht, als die Erde in diesem Zeitraum wieder nachwachsen lässt. Es ist das gleiche Grundmuster: So wie Menschen an ihrem Arbeitsplatz Belastungen ausgesetzt sind, welche ihre natürlichen Ressourcen masslos überfordern, genau so geht es der Erde, dem Wasser, der Luft, den Pflanzen und den Tieren in einer Welt, deren offensichtlich höchstes Ziel es ist, noch den letzten Flecken Erde in Gold zu verwandeln. Egal, von welcher Seite wir herkommen, egal, wo wir beginnen: beim Klimawandel, dem Hunger, den gesundheitlichen Belastungen durch menschenfeindliche Arbeitsverhältnisse, dem Sterben von Tieren und Pflanzen – alles ist eine Folge des Wirtschaftssystems, in dem wir gefangen sind. Stecken wir die stressgeplagten Menschen in Burnoutkliniken, so ist das nichts mehr als reine Symptombekämpfung – der Mensch wird dem System angepasst statt das System den Menschen. Echter Fortschritt kann nicht darin bestehen, möglichst viele Burnoutkliniken zu bauen und möglichst viele Therapeutinnen und Therapeuten auszubilden. Echter Fortschritt müsste darin bestehen, ein Wirtschaftssystem aufzubauen, in dem Menschen nicht mehr gezwungen sind, ständig über ihre Erschöpfungsgrenze hinaus zu arbeiten, und in dem die Schätze der Natur nur so weit genutzt werden, wie auf natürliche Weise wieder nachwachsen kann – alles im Gleichgewicht. Und so sind die wachsende Anzahl von Burnouts und das wachsende Leiden der Natur nicht nur besorgniserregende Belastungen, zugleich sind sie auch, richtig verstanden, Mahnzeichen dafür, dass sich grundsätzlich, und nicht nur an der Oberfläche, etwas ändern muss. Irgendwo nämlich treffen sich die vielen einzelnen „Kipppunkte“, die vielen einzelnen Warnzeichen, die vielen einzelnen roten Signale zu einem einzigen grossen Wendepunkt. Das ist nicht nur Anlass zu Sorge. Es ist, wie die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer so überzeugend formulierte, vor allem auch ein riesiges Zeichen von Hoffnung:
„Wir
malen sie uns aus und wir wissen, dass wir sie erleben werden: Die Zukunft,
von der wir träumen. Das ist die Magie gesellschaftlicher Kipppunkte – wir
wissen nicht genau, wann wir sie erreichen, aber wir wissen, dass sie
kommen.“

Seenotretterinnen und Seenotretter auf der Anklagebank: Wenn Unrecht zu Recht wird…

 

Im sizilianischen Trapani sind, wie die „Wochenzeitung“ vom 19. Mai 2022 berichtet, 21 Seenotretterinnen und Seenotretter angeklagt, es drohen ihnen bis zu zwanzig Jahren Haft. Ihr „Vergehen“: Sie hatten Zehntausende Geflüchtete im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet. Die Staatanwalt behauptet, dass sie in „krimineller Absicht Ausländer zum Zweck der unerlaubten Einreise“ transportiert hätten. Die Angeklagten betonen, sie seien nur die prominentesten Beispiele für eine umfassende Kriminalisierung. In den Gefängnissen von Italien und Griechenland würden Tausende von Geflüchteten sitzen, die in Europa Schutz gesucht hätten und denen nun Schlepperei vorgeworfen werde. „Richtigerweise aber“, so der deutsche Rettungssanitäter Sascha Girke, „würden nicht wir auf der Anklagebank sitzen, sondern die Verantwortlichen der rassistischen europäischen Grenzabwehr wie der abgetretene Frontex-Direktor Fabrice Leggeri.“ So wird schleichend das Normale zum Verrückten und das Verrückte zum Normalen. Wer Leben rettet, wird kriminalisiert, wer durch Untätigkeit oder aktives Zutun Menschen in den Tod treibt, geniesst den Schutz und das Ansehen der „Legalität“. Mit anderen Worten: Wenn genügend viele Menschen mitmachen und nicht dagegen aufbegehren, wird das Unrecht zu Recht und das Recht zu Unrecht – ein aktuell gerade herrschender Zustand, dem schon der deutsche Schriftsteller Bertolt Brecht unvergesslich die Forderung entgegenstellte: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Nur dass es gegenwärtig noch viel, viel zu wenige sind, welche bereit sind, diesen Widerstand zu leisten. Doch das Ganze, so denke ich, geht noch viel weiter: Es sind nämlich nicht nur die Verantwortlichen der Frontexagentur, die auf die Anklagebank gehören. Es sind auch die Herren der globalen Banken und Finanzinstitute, die Börsenspekulanten, die Rohstoffhändler, die Besitzer und Manager der weltweiten Nahrungsmittel-, Technologie- Textil- und Rüstungskonzerne, die auf der Anklagebank sitzen müssten, kurz: alle, die am globalen kapitalistischen Riesengeschäft der Ausbeutung der Armen durch die Reichen, der Arbeitenden durch die Besitzenden, des Südens durch den Norden massgeblich beteiligt sind. Denn die Menschen aus dem Süden drängen nicht deshalb in den Norden, weil sie eine Fahrt im Schlauchboot über das Mittelmeer so romantisch fänden, sondern weil ihre Länder während Jahrhunderten durch die reichen Nationen des Nordens ausgebeutet wurden und bis zum heutigen Tag weiterhin ausgebeutet werden. Wenn die Schweiz aus dem Handel mit „Entwicklungsländern“ fast 50 Mal mehr Profit erwirtschaftet, als sie diesen Ländern in Form von „Entwicklungshilfe“ wieder zurückgibt, wenn US-Rüstungsunternehmen astronomische Gewinne dadurch erzielen, dass sich die Menschen in Syrien, Libyen oder der Ukraine gegenseitig die Köpfe einschlagen, wenn trotz immer dringenderer Warnungen vor einem Klimakollaps blindlings am Dogma eines grenzenlosen Wirtschaftswachstums festgehalten wird – dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Zahl der Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Heimat verlassen müssen, immer grösser wird und wohl bald schon alles bisher Vorstellbare weit übertreffen wird. Und ja, dann werden eines Tages auch nicht nur die Banker, Rohstoffspekulanten und Waffenhändler auf der Anklagebank sitzen, sondern wir alle. Denn ein so weltumspannendes Macht- und Ausbeutungssystem wie der Kapitalismus kann nur so lange sein Unwesen treiben, als sich eine genügende Anzahl von Menschen aktiv daran beteiligen und die Maschine am Laufen halten, als Arbeitende, als Konsumierende, als Mitprofitierende, als genüsslich Abseitsstehende, die behaupten, sie hätten mit alledem nichts zu tun. Eines Tages wird es so sein, wie Brecht es gefordert hatte, nämlich, dass Widerstand zur Pflicht geworden sein wird. Und dass man, eines Tages, nicht mehr daran gemessen wird, wie viele Schnäppchen aus einer immer grösseren Glitzerwelt von unnötigem Luxus man sich ergattern konnte. Sondern daran, ob wir alles nur Erdenkliche und in unserer Macht Stehende getan haben, um uns für eine Welt zu engagieren, in der niemand mehr gezwungen ist, seine Heimat auf der Suche nach dem verlorenen Glück zu verlassen und es nicht mehr bloss eine schöne Vision ist, sondern die ganz selbstverständliche Lebenswirklichkeit, dass zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort über alle Grenzen hinweg für alle Menschen ein gutes Leben möglich geworden ist.

Markus Lanz: Viele Wortgefechte, ein Krieg im Kleinen – aber wenig Erkenntnisgewinn…

 

Nein, es ist nicht einfach, als Einzige in einer Gesprächsrunde Meinungen zu vertreten, die von allen anderen abgelehnt werden. Dies hat einmal mehr Sahra Wagenknecht, viel geschmähte „Putinversteherin“, in der TV-Talkshow „Markus Lanz“ vom 19. Mai 2022 erfahren müssen, in der Diskussion mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Johannes Vogel, der Europa-Expertin Daniela Schwarzer und dem Journalisten Paul Ronzheimer. Nur schon der Vorwurf, Wagenknecht betreibe „Putin-Propaganda“ – Vogel stellt ihn einfach so in den Raum, ist aber nicht bereit, Wagenknecht ernsthaft zuzuhören, wenn sie im Folgenden darlegt, dass es bei ihrer Haltung ganz und gar nicht um „Putin-Propaganda“ gehe, sie diesen Krieg genauso verurteile, sich aber dagegen wehre, alles auf ein fixes Bild vom „bösen“ Russland und dem „guten“ Westen festzumachen. Doch leise, differenzierte Töne haben in einem solchen Sendegefäss offensichtlich wenig Platz. Eine wie Sahra Wagenknecht, die das gängige gemeinsame und nicht mehr länger hinterfragte Bild stören könnte, wird nicht mehr als Chance wahrgenommen, Neues zu erfahren, eigene Standpunkte zu hinterfragen, möglicherweise sogar zu einem neuen Gesamtbild zu gelangen – sie dient bloss dazu, in Widersprüche verwickelt, von allen Seiten gleichzeitig angegriffen, missverstanden und ins Lächerliche gezogen zu werden. Was bleibt der so Angegriffenen dann anderes übrig, als ebenfalls zurückzuschiessen, ebenfalls anderen ins Wort zu fallen und ebenfalls plakative Aussagen in den Raum zu stellen, auf die sich dann die anderen wiederum wie auf eine fette Beute stürzen können. Denn für vertiefende und differenzierte Zusammenhänge und historische Hintergründe ist unter solchen Vorzeichen sowieso schon längst kein Platz mehr. Sonst wäre es nämlich früher oder später an der Zeit, zum Beispiel an die Aussage des US-Historikers George F. Kennan aus dem Jahre 1997 zu erinnern, wonach die NATO-Osterweiterung einer der „verhängnisvollsten Irrtümer“ sei und früher oder später Auswirkungen zeigen würde, die dem Westen „nicht gefallen“ würden. Oder an die Aussage des ehemaligen US-Aussenministers Henry Kissinger aus dem Jahre 2014, wonach die Ukraine vorteilhaft nicht Bestandteil des West- oder des Ostblocks sein sollte, sondern eine „Brücke zwischen beiden Seiten“. So aber bleibt alles notgedrungen an der Oberfläche und das Ganze gleicht eher einem Tennismatch, bei dem man sich gegenseitig die Bälle um die Ohren schlägt, als einer ernsthaften Debattierrunde erwachsener Menschen, an deren Ende beide Seiten gescheiter geworden sein sollten, als sie es vorher gewesen waren. Dazu passt, dass der Gesprächsleiter im Laufe der Debatte immer mehr in die Rolle eines Meinungsträgers schlüpft, zusätzlich Öl ins Feuer giesst und nicht einmal davor zurückschreckt, in einem Nebensatz gleich noch rasch den Pazifismus mit dem Faschismus gleichzusetzen. Ja, es wird über den Krieg in der Ukraine diskutiert. Aber zugleich ist das, was hier geschieht, gar nicht viel anderes als ein Krieg im Kleinen. Statt neue Einsichten zu gewinnen, schlägt man sich im Sekundentakt gegenseitig Wortfetzen an den Kopf, aber alles ist stets nur eine Wiederholung des ewig Gleichen und der Erkenntnisgewinn liegt, auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer der Sendung, praktisch bei Null. Weshalb werden nicht neue Formate entwickelt, in denen man diesem ewig gleichen Hickhack nicht mehr so viel Raum gewähren würde? Wäre das der Einschaltquote zu sehr abträglich? Wäre es nicht dennoch einen Versucht wert? Man könnte zum Beispiel eine öffentliche Gesprächsrunde unter das Motto stellen: Wie kann der Frieden gewonnen werden? Alle Teilnehmenden wären dazu aufgerufen, nicht mehr rechthaberisch ihre Wahrheit zu verkünden, sondern ihre kreativsten Ideen für eine friedliche Lösung des Konflikts zu entfalten. Niemand würde mehr niemandem ins Wort fallen, weil alle erfahren und herausfinden möchten, was die anderen denken und über was für ein neues, noch nicht erschlossenes Wissen sie verfügen. Man würde sich die Bälle nicht mehr um die Köpfe schlagen, sondern aus ihnen gemeinsam ein neues Haus aufbauen. „Jedes gute Gespräch“, sagte der Philosoph Hans-Georg Gadamer, „setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte.“ Eine solche „Talkshow“ wäre dann nicht mehr bloss ein Abbild des Kriegs, sondern Zeichen eines echten Neubeginns, von dem alle, die auf der „guten“ wie auch die auf der „bösen“ Seite, gleichermassen profitieren könnten…