Archiv des Autors: Peter Sutter

Afghanistan: Das Mädchen mit den Augen voller tiefster Traurigkeit

 

Augen voller tiefster Traurigkeit, die mich nicht mehr loslassen. Ein Mädchen, das in den Ruinen seines vom Krieg zerstörten Hauses am Boden kauert, ohne Eltern, irgendwo im fernen Afghanistan, eines von Millionen von Kindern, die nicht wissen, ob sie diesen Winter überleben werden, ob sie der Kälte widerstehen können, ob sie genug zu essen bekommen. Während wir den Weihnachtsbaum schmücken, feine Gerichte kochen und unsere Kinder mit wundervollen Geschenken beglücken werden. So weit voneinander entfernt und doch so nahe ist das alles. Doch weshalb ist unser Gedächtnis so kurz? Als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers in New York rasten, diese zum Einsturz brachten, dabei fast 3000 Menschen ums Leben kamen und US-Präsident Bush schon bald darauf zu einem vernichtenden Feldzug gegen Afghanistan aufrief, welches als mutmassliches Rückzugsgebiet der Drahtzieher des Terroranschlags galt, da gab es noch zahlreiche kritische Stimmen, welche die Frage aufwarfen, ob der militärische Angriff auf ein Land, in dem weit über 99 Prozent der Bevölkerung mit den Anschlägen vom 11. September auch nicht das Geringste zu tun hatten, gerechtfertigt sei, bloss um einer Handvoll von Terroristen habhaft zu werden. Offensichtlich befinden wir uns in einer sehr schnelllebigen Zeit: 20 Jahre Krieg der USA und ihrer Verbündeten scheinen die kritischen Stimmen von damals in Nichts aufgelöst zu haben: Als der mutmassliche Hauptdrahtzieher der Anschläge vom 11. September, Osama bin Laden, schliesslich am 2. Mai 2011 aufgestöbert werden konnte und getötet wurde, schien sich der von den USA inszenierte Krieg, der über 350’000 Menschen das Leben gekostet hat, „gelohnt“ zu haben. Ob das Mädchen mit den traurigen Augen dies alles jemals verstehen wird? Ob sie jemals verstehen wird, dass in ihrer Heimat 20 Jahre lang die grösste Militärmacht der Welt einen Krieg geführt hat, der jährlich 50 Milliarden Dollar verschlang – während jetzt zur Bekämpfung der aktuellen Hungersnot von den westlichen „Geberländern“ gerade mal 280 Millionen Dollar, also fast 300 Mal weniger, zur Verfügung gestellt worden sind und auch das gesamte Gesundheitssystem infolge chronischer Unterfinanzierung und fehlender Hilfszahlungen buchstäblich vor dem Zusammenbruch steht? Und ob sie jemals verstehen wird, dass ausgerechnet jene Staaten, die ihre Truppen eben erst Hals über Kopf aus Afghanistan abgezogen haben, das Land nun mit härtesten Wirtschaftssanktionen belegen, obwohl sie doch wissen müssten, dass sie damit vor allem den ärmsten Teil der Bevölkerung treffen, während die Privilegierteren mehr oder weniger ungeschoren davon kommen? Während es in unseren Stuben immer wärmer wird, wird es in Afghanistan jeden Tag ein bisschen kälter und ich frage mich, ob das Mädchen mit den Augen voller tiefster Traurigkeit überhaupt noch lebt. Und wie wenn das alles nicht schon schlimm genug wäre, stolpere ich über eine weitere Nachricht aus Afghanistan. Die Bevölkerung leide, so teilt das Welternährungsprogramm mit, unter einer der schwersten Dürren, die das Land je heimgesucht hat: Infolge von Hitze und Wassermangel seien die landwirtschaftlichen Erträge im Jahre 2021 gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent gesunken. Wenn nicht gehandelt werde, drohe früher oder später der „Totalzusammenbruch der Landwirtschaft“. Und weiter: Angesichts des weltweiten Klimawandels könnten solche Dürren immer mehr zur „afghanischen Normalität“ werden. Und damit schliesst sich auf brutalste Weise der Kreis: Ausgerechnet die USA, welche nicht nur über die grösste Militärmaschine der Welt verfügen, sondern auch über die tödlichen Instrumente von Wirtschaftssanktionen und verweigerten Hilfsgeldern, ausgerechnet die USA sind auch an vorderster Front mitverantwortlich für die weltweite Klimaerwärmung, von der wiederum vor allem die ärmsten Länder am allermeisten betroffen sind. Was werden die Geschichtsbücher in 50 Jahren über unsere heutige Zeit wohl schreiben? Und in was für einer Welt wird das afghanische Mädchen mit den Augen voller tiefster Traurigkeit, wenn sie diese dunkle Zeit überstanden haben wird, wohl leben? 

Gegenseitige Drohgebärden und Säbelrasseln rund um die Ukraine: Höchste Zeit, dem Krieg weltweit ein Ende zu setzen

 

Russische Truppen an der Grenze zur Ukraine. Appelle des amerikanischen Präsidenten Joe Biden an Wladimir Putin, ein russischer Einmarsch in die Ukraine hätte unabsehbare Vergeltung zur Folge. Putins Warnung an den Westen, nicht weitere Staaten wie etwa Moldawien, Georgien oder eben die Ukraine in die NATO einzugliedern. Drohgebärden und Säbelrasseln auf beiden Seiten und im schlimmsten Falle ein Krieg ungeahnten Ausmasses. Verrückt. Während hochkomplexe Gehirnoperationen mittels ferngesteuerter Sonden durchgeführt werden, Kommunikationsnetze ganze Kontinente miteinander verknüpfen und immer ausgeklügeltere Flugkörper in immer grössere Weiten des Weltalls vordringen, haben die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich von gewaltfreier Konfliktlösung, Friedensförderung durch Dialog und dem gezielten Abbau gegenseitiger, meist auf wechselseitiger Projektion beruhenden Feindbilder offensichtlich noch nicht den Weg in die Köpfe der politisch verantwortlichen Machtträger gefunden. Nichts wäre in dieser Zeit grösster Anspannung so wichtig wie eine neutrale Friedensvermittlung, so wie das im Jahre 2015 der damalige Schweizer Aussenminister Didier Burkhalter im Namen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) angesichts der damals wachsenden Spannungen im russisch-ukrainischen Grenzgebiet auf vorbildliche Weise praktizierte. Und heute? Wo, beispielsweise, steckt der derzeitige Schweizer Aussenminister Ignatio Cassis? Schläft er? Und was ist mit der OSZE? Hat sie sich in Luft aufgelöst? Und ist von der neuen deutschen Aussenministerin Analena Baerbock allen Ernstes nichts anderes zu hören, als dass es bei den gegenwärtigen Spannungen zwischen den USA, der EU, Russland und China um nichts weniger gehe als um einen „Kampf zwischen Gut und Böse“? Was heute im Konflikt rund um die Ukraine geschieht, hat nicht nur mit diesem Teil der Welt zu tun. Ein weiterer Konflikt befindet sich schon in der nächsten Schlaufe, die Drohung Chinas, Taiwan zu annektieren, und die Drohung der USA, dies unter gar keinen Umständen zuzulassen. Und wer weiss, wie viele andere Konflikte, die heute noch einigermassen unter Kontrolle sind, früher oder später zu einem regelrechten Krieg ausarten könnten. Wenn der Konflikt rund um die Ukraine friedlich gelöst werden kann, würde dies auch für alle anderen potenziellen Konflikte weltweit ein unübersehbares Signal aussenden: Ja, es ist, wenn alle Seiten genug guten Willen zeigen, tatsächlich möglich, Konflikte zwischen Staaten und Völkern friedlich auszutragen. Und wenn es am einen Ort möglich ist, weshalb soll es dann nicht an allen anderen auch möglich sein? Dabei geht es nicht nur darum, der betroffenen Bevölkerung ein Leben in Frieden und Sicherheit zu garantieren. Es geht auch darum, finanzielle Mittel und Ressourcen, die immer noch für militärische Rüstung verschwendet werden, für zivile Zwecke, Aufbauprojekte und für die internationale Völkerverständigung zu verwenden. „Jede Kanone, die gebaut wird“, sagte der US-General Dwight D. Eisenhower, „jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die nichts zu essen haben, frieren und keine Kleidung besitzen. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiss ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.“ Womit wir auf unserem Gedankengang noch einen Schritt weitergekommen sind: Es geht nicht nur um gewaltfreie Lösung zwischenstaatlicher Konflikte. Es geht konsequenterweise auch um eine Abschaffung sämtlicher Waffen und Armeen, die es ja dann auch gar nicht mehr braucht. Heute, angesichts eines weltweit zum Himmel starrenden Waffenarsenals, mit dem die Erde gleich doppelt und dreifach vernichtet werden könnte, stehen wir, wie schon der amerikanische Präsident John F. Kennedy vor rund 60 Jahren sagte, vor einer historischen Wahl: „Die Menschheit“, sagte er, „muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“

Die erstaunlich revolutionäre Idee eines Investmentbankers

 

James Breiding, Gründer und Chef der Zürcher Investmentfirma Naissance Capital, fordert in der „NZZ am Sonntag“ vom 5. Dezember 2021 eine „globale Zentralbank gegen den Klimawandel“. Zur Begründung seiner Forderung erinnert er an die US-Wirtschaftskrise 1907. Der Bankier J. P. Morgan war überzeugt, dass es die Zusammenarbeit sämtlicher Finanzinstitute brauchte, um das System zu retten. So rief er Dutzende der führenden Financiers in New York in seine Privatbibliothek und befahl ihnen, Mittel zur Stärkung des Systems bereitzustellen. Er zwang die Eingeladenen, die ganze Nacht dort zu bleiben, bis alle seinem Plan zustimmten. Es funktionierte – die Stabilität des Finanzsystems war gerettet. Weil J. P. Morgan erkannt hatte, dass etwas „Proaktives“ und „Systematisches“ geschehen musste. Denn, so Morgan: „Es ist einfach zu gross für jeden Einzelnen von uns.“ Breiding fordert nun in seinem Artikel ein ähnliches Vorgehen bei der Lösung der Klimakrise. „Es gibt Momente“, schreibt er, „in dem Probleme zu schwierig werden, um von schwerfälligen Demokratien gelöst zu werden.“ Breiding denkt, in Bezug auf die Klimakrise, an einen „vertrauenswürdigen Schiedsrichter“, der koordiniert und vermittelt, was einzelne Länder einfach nicht leisten können.“ Denn: „Supranationale Probleme erfordern supranationale Lösungen.“ Und: „Unlösbare Probleme erfordern kühnes, innovatives Denken, ja sogar Experimente, keine Wiederholung des Status quo.“ Bemerkenswert, dass für einmal nicht ein Klimaaktivist, sondern ein eingefleischter Investmentbanker Thesen vertritt, die bei genauerem Hinsehen durchaus etwas Revolutionäres an sich haben. Läuft doch die Idee eines „supranationalen Schiedsrichters“ der Grundphilosophie des „Freien Marktes“, auf dem sich die verschiedenen Player im offenen Konkurrenzkampf möglichst uneingeschränkt gegenüberstehen, diametral entgegen. Und wenn Breiding „innovatives Denken“, „Experimente“ und „keine Wiederholung des Status quo“ fordert, dann erinnert das an die Aussage Albert Einsteins, wonach man Probleme nicht mit der gleichen Denkweise lösen könne, mit der sie entstanden seien. Vielleicht wäre ja ein „supranationaler Schiedsrichter“ bloss der erste Schritt hin zu einer Art Weltregierung, die dann nicht nur für die Klimakrise Verantwortung übernähme, sondern auch für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, für Gesundheitskrisen wie die Coronapandemie, für Verkehrsfragen, für die Lösung zwischenstaatlicher Konflikte, für die Bekämpfung von Hunger und Armut, für die Förderung der sozialen Gerechtigkeit. Denn alle diese Probleme sind in einer so globalisierten Welt wie der unseren aufs engste miteinander verflochten und jedes von ihnen kann nur gelöst werden, wenn alle anderen auch gelöst werden. Oder, wie es der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt formulierte: „Was alle angeht, können nur alle lösen.“ Es wäre wohl das Beste, was wir aus den gegenwärtigen, uns allen so schwer bedrohenden Krisen lernen können: Dass wir alle diese Probleme nicht mehr gegeneinander, sondern nur noch miteinander lösen können, sind sie doch, wie J. P. Morgan schon 1907 wusste, schlicht und einfach „zu gross für jeden Einzelnen von uns.“

 

Deutsche Regierungskoalition: Mit der Ampel in ein neues Zeitalter?

 

Frenetische, nicht endenwollende Standing Ovations. 99,8 Prozent der SPD-Delegierten haben dem mit Grünen und FDP ausgehandelten Regierungspapier zugestimmt. „Nun kann ein Aufbruch für Deutschland stattfinden“, freut sich der zukünftige Bundeskanzler Olaf Scholz. Und Generalsekretär Lars Klingbeil ergänzt: „Ich bin wahnsinnig stolz auf das, was wir da gemeinsam verhandelt haben.“ Ausser sich vor Freude ist auch Saskia Esken, Co-Präsidentin der SPD. „Mit der Ampel“, schwärmt sie, „schreiben wir Geschichte.“ Doch von was reden die eigentlich? Was für ein „Aufbruch“ soll da stattfinden? Worauf soll man so mächtig stolz sein? Was für eine „Geschichte“ wird da neu geschrieben? Und wofür eigentlich applaudieren die SPD-Delegierten so frenetisch? Sucht man hinter den Worten die Taten, den „Aufbruch“, den „Neubeginn“, die neue „Geschichte“, dann ist das, wie wenn man die Stecknadel im Heuhaufen suchen müsste. Einigermassen Sicherung bescheidener Renten. Ein Mindestlohn von lächerlichen zwölf Euro. 400’000 neue Wohnungen pro Jahr. Viel mehr ist da nicht zu finden. Und das soll genügen, um „Geschichte zu schreiben“? Hätte man nichts wenigstens die Einführung einer Reichtumssteuer, eine Reduktion der Steuern auf tiefen Einkommen oder die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre herausholen können? Auch dann freilich wäre man immer noch Lichtjahre weit davon entfernt, „Geschichte zu schreiben“. Nein, es gibt nur einen einzigen wirklichen Wahlsieger, nur einen, der wirklich Geschichte schreibt. Und das ist das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Denn egal, wer diese Wahlen „gewonnen“ hat, egal, wer mit wem eine Koalition gebildet hat: Auch nach dem Dezember 2021 werden in Deutschland die Reichen immer reicher, während sich die Armen selbst mit mehr als einem Job kaum über Wasser halten können. Auch nach dem Dezember 2021 werden in Deutschland die höchsten Löhne das 200- bis 300fache der niedrigsten ausmachen. Auch nach dem Dezember 2021 wird es in Deutschland Dutzenden von multinationalen Konzernen nicht so sehr um das Wohl der werktätigen Bevölkerung gehen, als vielmehr um das Wohl ihrer Aktionärinnen und Aktionäre. Auch nach dem Dezember 2021 wird das Dogma eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums ungebrochen weitergehen, natürliche Ressourcen und Bodenschätze weiterhin ungehindert ausgebeutet und die Klimaerhitzung in totaler Verantwortungslosigkeit gegenüber zukünftigen Generationen weiter vorangetrieben werden. Auch nach dem Dezember 2021 wird in Deutschlands Schulen der gegenseitige Konkurrenzkampf um Noten, Zeugnisse und Zukunftschancen Vorrang haben vor der gleichberechtigten individuellen Förderung aller Kinder und Jugendlichen in einer wohlwollenden, Mut machenden Umgebung. Das ist das Fatale am Kapitalismus: Er versteckt sich hinter der Maske der Demokratie. Er zwingt Politikerinnen und Politiker in ein Spiel, an das sie am Ende selber noch glauben, bis sie allen Ernstes wegen ein paar wenigen Stecknadeln im Heuhaufen schon von einer neuen „Geschichte“ schwärmen, von der sie in Tat und Wahrheit weiter entfernt sind denn je. Den Kapitalismus wird’s freuen. Einmal mehr und erfolgreicher denn je ist sein Spiel aufgegangen…

Impfpflicht ja oder nein? Es wäre so einfach…

 

Die Diskussionen rund um die Impfflicht und um sämtliche Privilegien Geimpfter gegenüber Ungeimpften zeigen, wie schwierig es ist, ein Problem zu lösen, so lange die vorangegangenen Probleme noch ungelöst sind. Das vorangegangene Problem besteht darin, dass die Impfquote noch viel zu niedrig ist. Wenn dieses Problem gelöst wäre und sich möglichst die gesamte Bevölkerung impfen lassen würde, dann würden alle anderen Probleme wegfallen und kein Mensch käme mehr auf die Idee, von Impfpflicht oder von Privilegien Geimpfter gegenüber Ungeimpften zu sprechen – weil es Ungeimpfte ja schlicht und einfach nicht mehr gäbe. Warum hat Gibraltar mit einer Impfquote von 100 Prozent und vier Coronatoten seit April 2021 ohne Impfpflicht geschafft, was wir nicht schaffen? Die Impfgegner und Impfgegnerinnen werden gegen die mögliche Einführung einer Impfpflicht Sturm laufen und die Spaltung der Gesellschaft wird sich weiter vertiefen. Dabei haben sie allein die Lösung in der Hand. Es wäre so einfach…

Die hartnäckige Lüge, das Zeitalter des Kolonialismus sei vorüber

 

Auf einer Fläche von mehr als 27’000 Quadratkilometern, so berichtet der „Tagesanzeiger“ vom 2. Dezember 2021, bauen Firmen, die von der Schweiz aus verwaltet werden, auf über 550 Plantagen in 24 Ländern unter anderem Zuckerrohr, Palmöl, Orangen und Kautschuk an. 27’000 Quadratkilometer, das ist um einiges mehr als die gesamte Schweizer Landwirtschaftsfläche, welche rund 14’500 Quadratkilometer beträgt. Doch nicht nur was die Plantagen unter eigener Verwaltung betrifft, sondern auch im gesamten globalen Rohstoffhandel ist die Schweiz Weltmeisterin: Ihr Anteil am globalen Goldhandel beläuft sich auf 67 Prozent, beim Kupfer sind es 60 Prozent, beim Palmöl 56 Prozent, beim Kaffee 53 Prozent, beim Zucker 44 Prozent, beim Rohöl 39 Prozent, bei der Kohle und beim Kakao je 35 Prozent. Kaum einer dieser Rohstoffe berührt jemals Schweizer Boden – umso gigantischer sind die Gewinne, welche Schweizer Firmen in Genf, Zug und im Tessin mit Rohstoffgeschäften machen. Betrachtet man die gesamten Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und den sogenannten „Entwicklungsländern“, dann erwirtschaftet die Schweiz gemäss einer Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam dabei einen fast 50 Mal höheren Gewinn, als diesen Ländern dann in Form von „Entwicklungshilfe“ wieder zurückgegeben wird. Zudem, wenn wundert’s, gehört die Schweiz zu den global führendsten Finanzzentren. Rund ein Viertel des grenzüberschreitenden Vermögens der Welt werden in der Schweiz verwaltet. Der Finanzplatz Schweiz ist zudem führend in der Handelsfinanzierung und einer der wichtigsten Versicherungs- und Rückversicherungsstandorte der Welt. 

Doch allen diesen Tatsachen zum Trotz halten sich zwei Lügen nach wie vor hartnäckig am Leben. Die erste Lüge: Das Zeitalter des Kolonialismus sei vorbei. Tatsache ist, dass koloniale Strukturen und die Zweiteilung der Welt in Ausgebeutete und Ausbeuter die heutigen Beziehungen zwischen reichen und armen Ländern schärfer prägen denn je. Es hat, in der Geschichte des Kolonialismus, nie so etwas gegeben wie einen totalen Bruch, einen totalen Neuanfang. Das Leben einer Landarbeiterfamilie irgendwo im Inneren Afrikas unterscheidet sich vom Leben ihrer Vorfahren vor 200 oder 300 Jahren ebenso wenig, wie sich das Leben eines schweizerischen Multimillionärs an der Zürcher Goldküste vom Leben seiner Vorfahren vor 200 oder 300 Jahren unterscheidet. Im Gegenteil, die Unterschiede sind eher noch grösser geworden: Während sich eine Milliarde Menschen nicht einmal ausreichend ernähren können, stieg die Anzahl der Milliardäre weltweit zwischen 2011 und 2021 von 1’210 auf 2’760! 

Die zweite Lüge: Die Schweiz sei nur deshalb das reichste Land der Welt, weil wir Schweizerinnen und Schweizer uns diesen Reichtum mit Fleiss und Intelligenz so hart erarbeitet hätten. Tatsache ist, dass zwar Fleiss, Sparsamkeit und Pioniergeist durchaus beim Aufbau des schweizerischen Reichtums eine wichtige Rolle gespielt haben, dass es die Schweiz aber gleichzeitig aufs Beste verstanden hat, sich die weltweiten kapitalistischen Macht- und Ausbeutungsstrukturen eigennützig auf vielfältigste Weise nutzbar zu machen. Anders lässt sich nicht erklären, weshalb die Schweiz, welche fast als einziges Land gar keine eigenen Rohstoffe besitzt und auch nur über eine vergleichbar geringe Landwirtschaftsfläche verfügt, dennoch bis zum heutigen Tag das reichste Land der Welt geworden ist. 

Die Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative, welche eine Volksmehrheit gefunden hat, zeigt, dass das öffentliche Bewusstsein und die Sensibilität gegenüber der nicht nur rühmlichen Rolle der Schweiz als Nutzniesserin weltweiter kapitalistischer Ausbeutungsmechanismen offensichtlich im Wachsen begriffen ist. Das gibt Hoffnung. Auf dass es dann vielleicht doch noch eines Tages zu einem Ende des Kolonialismus und zum Anfang eines neuen Zeitalters kommt, in dem Weltwirtschaft nicht mehr auf Profitmaximierung und Ausbeutung beruht, sondern auf Kooperation, Fairness und dem guten Leben für alle.

Drohende „Parallelgesellschaft“ nach der Abstimmung vom 28. November 2021?

 

Exponentinnen und Exponenten der Bewegungen, welche das Covid-19-Gesetz bekämpft haben, Coronaschutzmassnahmen und das Impfen ablehnen und unsere Landesregierung als „Diktatur“ bezeichnen, haben nach ihrer Abstimmungsniederlage vom 28. November 2021 angekündigt, eine „Parallelgesellschaft“ aufbauen zu wollen, mit eigenen Gesetzen, einem eigenen Wertesystem, einer eigenen Gesundheitspolitik, einer eigenen Krankenkasse. Steht eine solche Forderung nicht in totalem Gegensatz zum Ruf nach jener „urschweizerischen“ Demokratie, welche gerade von den „Freunden der Verfassung“ und den anderen behördenkritischen Gruppierungen bei jeder Gelegenheit lautstark beschworen wird? Man kann doch nicht Demokratie fordern und gleichzeitig, als Reaktion auf eine Abstimmungsniederlage, die Spaltung der Gesellschaft postulieren. Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ist sich dieses Widerspruchs zweifellos bewusst. Doch es genügt nicht, solche Forderungen bloss zu verurteilen. Man würde es sich zu einfach machen, Massnahmen- und Behördengegnerinnen und -gegner allesamt als „Schwurbler“ und „Covidioten“ abzutun und das Gespräch und die Begegnungen mit ihnen abzubrechen. Man kann durchaus eine klare eigene Meinung haben und dennoch gleichzeitig auch die Minderheit und politische Positionen, die einem unangenehm sind, ernst nehmen. Wenn diese Auseinandersetzung nicht mehr stattfindet, dann ziehen sich alle Menschen bloss noch in ihre je eigene Blase zurück, in der sie sich gegenseitig verstärken und gegenüber gegensätzlichen Meinungen und Ideen immer blinder und unempfänglicher werden. „Ein echtes Gespräch“, sagte der Philosoph Hans-Georg Gadamer, „setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte.“ Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Gelingt es uns, Gemeinsames herauszufinden, dann sind wir auch besser in der Lage, uns mit dem Trennenden auseinanderzusetzen. Eine junge Lehrerin, die sich zu den „Massnahmengegnern“ bekennt, erzählte mir von ihrem Traum von einer anderen Welt, in der die Menschen viel solidarischer wären als in der heutigen, sich selber versorgen würden und auch die Schule ganz anders wäre, viel näher bei den Bedürfnissen der Kinder. Hätte ich mich diesem Gespräch verweigert, wäre mir diese wertvolle Begegnung entgangen. Bereicherung erfahre ich nicht nur durch die, welche gleich denken wie ich, sondern vor allem auch durch jene, die anders denken. Doch hat solches Bemühen, Andersdenkende ernst zu nehmen und zu verstehen, auch seine Grenzen. Dann nämlich, wenn es sich um Menschen handelt, denen es nicht nur um ihre persönliche Meinung und ihre individuelle „Wahrheit“ geht, sondern darum, eine eigene Machtpositionen aufzubauen, indem sie möglichst viele Gleichgesinnte um sich scharen. Solche Entwicklungen können dann in gefährliche Nähe von Fanatismus und der Aushebelung jeglicher Demokratie führen, das, was man auch von Sekten kennt. Doch gerade um solche Tendenzen zu verhindern, ist es umso wichtiger, die Begegnungen und den Gedankenaustausch mit Andersdenkenden nicht abzubrechen. Wer sich von anderen unverstanden und isoliert fühlt, wem andere aus dem Weg gehen, mit wem andere nicht mehr sprechen, der wird sich umso mehr an seiner Blase – und eben auch an möglichen Wortführern und Scharfmachern – festklammern. „Die Demokratie“, sagte der frühere britische Premierminister Winston Churchill, „ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“ Das müssen wir, gerade in so schwierigen Zeiten wie der heutigen, im Interesse von uns allen hochhalten und unbeständig daran weiterarbeiten, denn die Demokratie ist viel zu wertvoll, um leichtfertig aufs Spiel gesetzt zu werden. 

 

 

 

Omicron: Höchste Zeit für ein klein wenig mehr Gerechtigkeit…

 

In den Bäuchen finsterer, stickiger Schiffe voller Exkremente, eng aneinander gekettet, ohne sich bewegen zu können, wie Tiere, wurden sie aus ihrer afrikanischen Heimat nach Amerika verfrachtet und dort auf Feldern, Plantagen und in Bergwerken zur Zwangsarbeit verdammt, 12 Millionen Männer und Frauen im Laufe dreier Jahrhunderte, eines der grössten Verbrechen aller Zeiten. Wer denkt schon angesichts des heutigen Reichtums der europäischen Länder daran, dass genau dies, nämlich die von den damaligen europäischen Handelshäusern mit dem Sklavenhandel erzielten Profite, die Grundlage bilden sollte für den späteren Reichtum Europas? Doch das war erst der Anfang. Später begann der grosse Raubzug erst Recht. Niemand kann die Mengen an Gold, Diamanten, Tropenhölzern, Kakao- und Kaffeebohnen, Bananen, Zuckerrohr und Kautschuk beziffern, die im Laufe der Jahrhunderte von Afrika nach Europa geschafft wurden, Früchte millionenfacher härtester Arbeit unter sengender Sonne zum Wohle jener, die eigentlich schon längst genug reich gewesen wären, aber ganz offensichtlich nie genug davon zu bekommen schienen. Einer der schlimmsten unter ihnen war der belgische König Leopold der Zweite. Unter seiner Regentschaft fanden rund neun Millionen Kongolesen, die Hälfte der damaligen Bevölkerung, in der Zwangsarbeit der Kautschukgewinnung den Tod. Tötungen, Verstümmelungen, Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung, besonders berüchtigt waren die belgischen Aufseher, welche jenen Arbeitern, welche das Tagessoll nicht erfüllten, die Hände abhackten. Und so verwandelte sich der ärmste Kontinent der Welt, Europa, im Laufe von fünf Jahrhunderten in den reichsten Kontinent, während der reichste Kontinent der Welt, Afrika, zum ärmsten wurde. Auf tragische Weise findet diese Geschichte dieser Tage ihre tragische Fortsetzung: Europa, reich genug, um sich selbst auf Vorrat für seine ganze Bevölkerung Impfstoff gegen das Coronavirus zu beschaffen, scheint sich wenig um die Menschen jenes Kontinents zu kümmern, der von ihm während so langer Zeit ausgeplündert wurde und dem heute alle Mittel fehlen, seine eigene Bevölkerung medizinisch ausreichend zu versorgen. Beträgt die Impfquote in der EU inzwischen rund 70 Prozent, liegt sie in Afrika bei gerade mal drei Prozent. Der Ausbruch der neuen Omicron-Mutation hat gezeigt, wie gefährlich das ist: Solange in den armen Ländern so wenige Menschen vor einer Infektion geschützt sind, ist die Gefahr gross, dass immer wieder neue Mutationen auftauchen – da kann in den reichen Ländern noch so fleissig geimpft werden, gegen das Auftreten neuer Mutationen nützt das wenig. Fünf Jahrhunderte, in denen der ärmste Kontinent zum reichsten wurde und umgekehrt. Wäre es nicht endlich an der Zeit, ein klein wenig von diesem Verbrechen wieder gut zu machen? Oder verschanzen wir uns weiterhin hinter unseren Mauern der Selbstbehäbigkeit und des unverbesserlichen Irrglaubens, all unseren Wohlstand ganz alleine und redlich verdient zu haben? „Entweder“, sagte der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, „werden wir als Brüder und Schwestern überleben, oder wir werden als Narren miteinander untergehen.“

Black Friday: Nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs

 

Laut einer repräsentativen Onlinebefragung des Umfrageinstituts Demoscope, so berichtet der „Tages-Anzeiger“ am 27. November 2021, hat ein Drittel der Befragten mindestens einen der letztjährigen Black-Friday-Einkäufe inzwischen bereut. Bei den Jungen zwischen 15 und 34 Jahren sind es sogar zwei Drittel, die zugegriffen haben, ohne zu überlegen, ob sie das Produkt tatsächlich auch brauchen. Dass am Black Friday so viel gekauft wird, hat vor allem auch damit zu tun, dass die Preise oft vorgängig ganz langsam erhöht werden, damit dann am Black Friday ein grösserer Rabatt gewährt werden kann. Doch der Black Friday ist nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs. Auch zu ganz „normalen“ Zeiten wird in aller Regel viel mehr gekauft, als man unbedingt braucht, einfach deshalb, weil es so billig ist, dass man es sich leisten kann. Von sämtlichen in der Schweiz gekauften Textilien wird ein Drittel gar nicht erst getragen. Auch von sämtlichen gekauften Lebensmitteln landet ein Drittel im Müll. Und wie oft kauft man ein neues Handy, ein neues Fernsehgerät, einen neuen Computer, ein neues Auto, ein neues E-Bike – nicht weil das alte nicht mehr funktionieren würde, sondern weil man unbedingt auf der Höhe der Zeit sein möchte und gerade ein besonders „günstiges“ Angebot ausfindig gemacht hat. Kein Wunder, prognostiziert das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation eine Zunahme des Güterverkehrs bis zum Jahr 2050 um 31 Prozent, bei den Lieferwagen rechnet man sogar mit einer Zunahme von 53 Prozent, was vermutlich vor allem damit zu tun haben dürfte, dass die Kundinnen und Kunden die bestellte Ware so schnell wie möglich im Haus haben wollen und es eben viel länger dauern würde, wenn der Transport mit einem Lastwagen erfolgen würde. Schon erstaunlich, dass in sämtlichen Diskussionen rund um den Klimawandel das Konsumverhalten von Herrn und Frau Schweizer so selten thematisiert wird. Denn wenn man eine Ökobilanz aller überflüssig produzierten und wieder weggeworfenen Waren, sämtlicher Emissionen infolge von Verschrottung und Entsorgung des Weggeworfenen und aller Hunderttausender auf der Strasse gefahrenen Kilometer zum Transport der ganzen Warenflut ziehen würde, dann sähe diese Ökobilanz vermutlich, gelinde gesagt, katastrophal aus. Doch das Ganze hat nicht nur eine ökologische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Seite. In einem Land, wo übermässiges Konsumieren überflüssiger Dinge für viele Menschen selbstverständlich ist, da lastet der soziale Druck auf all denen, die sich das eben nicht leisten können, umso mehr. Arm sein in einem armen Land ist schon genug schwer. Aber arm sein in einem reichen Land, das ist noch viel schwerer. Wie soll die alleinerziehende Verkäuferin, die sich mit monatlich 3500 Franken durchschlagen muss, ihrem Kind erklären, dass es auch dieses Jahr zu Weihnachten keine Schachtel mit den schönen, bunten Legosteinen geben wird, und das, obwohl diese am Black Friday so billig gewesen wären. Kein Wunder, dass sich die Zahl der Menschen, die sich wegen Betreibungen auf einer Schuldenberatungsstelle melden, immer weiter anwächst. Wie eben alles anwächst im Kapitalismus, die Warenberge überflüssiger und zu Spottpreisen verkaufter Waren ebenso wie die Schulden der an den untersten Rändern der Gesellschaft Lebenden, die Paketflut in den Postverteilungszentren ebenso wie die Bein-, Schulter- und Rückenschmerzen derer, die dort arbeiten, die Gewinne der Unternehmen und der Aktionärinnen und Aktionären ebenso wie der Konsum von Fleisch, Tropenfrüchten und anderen Genussmitteln aller Art auf Kosten der Zerstörung ganzer Tier- und Pflanzenwelten, die Anzahl der mit Lastwagen und Flugzeugen transportierten Luxusgüter ebenso wie die Elektromüllhalden in Bangladesch oder Burkino Faso. Alles schön gemäss dem heiligen Gesetz des Kapitalismus, wonach Wachstum das einzig wirklich Erstrebenswerte ist. Doch könnte man unter „Wachstum“ nicht auch noch etwas ganz anderes verstehen als die Menge transportierter Waren, gefahrener Kilometer, produzierter Luxusgüter? Wachstum der Bescheidenheit? Wachstum der sozialen Gerechtigkeit? Wachstum der Lebensfreude?

Corona: Was, wenn uns parteipolitisches Gezänk, das Hin- und Herschieben von Kompetenzen, Rechthaberei und Besserwisserei nicht mehr weiterbringen?

 

Gegenwärtig erleben wir in Deutschland und in der Schweiz das gleiche Drama: Die Corona-Infektionszahlen schnellen in die Höhe, die Krankenhäuser nähern sich immer mehr ihrer Kapazitätsgrenze, doch die Politikerinnen und Politiker beschränken sich mehr oder weniger darauf, abzuwarten und die Situation zu „beobachten“. In Deutschland schieben sich die alte und die neue Regierung die Verantwortung gegenseitig zu wie eine heisse Kartoffel, an der sich niemand die Finger verbrennen will, in der Schweiz sind es der Bund und die Kantone, die sich den Schwarzen Peter gegenseitig in die Schuhe schieben. Ausserordentliche Zeiten erfordern ausserordentliche Massnahmen. Wäre es nicht vernünftiger und zielführender, so etwas wie einen „Expertenrat“ einzurichten, mit den besten und auserlesensten Fachpersonen ihres Gebiets, von Virologen und Infektiologinnen über Kinderärzte bis zu Psychologinnen und Wirtschaftswissenschaftlerinnen? Ein solches Gremium würde sich ausschliesslich mit der Coronapandemie, ihren Auswirkungen sowie den notwendigen Schutzmassnahmen auseinandersetzen, nicht so wie heute beispielsweise in der Schweiz, wo der zuständige Gesundheitsminister als Bundesrat noch unzählige andere Geschäfte zu betreuen hat. Der Expertenrat würde sich täglich zu einer Sitzung treffen und stünde auch in ständigem Kontakt und Erfahrungsaustausch mit den entsprechenden Gremien in anderen Ländern, ist das Coronavirus doch überall das gleiche, egal ob es in Spanien, Österreich oder Polen wütet. Die Empfehlungen des Expertenrates müssten verbindlich sein und landesweit von der Politik eins zu eins umgesetzt werden. Ein weiterer grosser Vorteil eines solchen Expertenrates bestünde darin, dass seine Mitglieder frei und ohne äusseren Druck agieren könnten, einzig und allein der Wissenschaft verpflichtet, und nicht, wie das bei den Politikern und Politikerinnen der Fall ist, immer schon wieder mit einem Bein im nächsten Wahlkampf stehen. Ich höre schon die Warnung vor einer Aushebelung der Demokratie, wenn man einem solchen Expertenrat zu viel Macht verliehe. Doch die beste Demokratie taugt nichts, wenn sie nicht verhindern kann, dass Tag für Tag Tausende von Menschen sterben oder unter den Spätfolgen einer Ansteckung über lange Zeit leiden müssen. Die Einrichtung eines Expertenrats würde keinesfalls zu einer Beseitigung demokratischer Rechte führen, sondern wäre im Gegenteil ein wirkungsvolles Instrument, um die Gesundheit der Menschen und damit in letzter Konsequenz auch die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaften zu sichern.