Archiv des Autors: Peter Sutter

Flüchtlingsdrama an der polnisch-belarussischen Grenze: Und am Ende trifft es immer die Schwächsten

 

Offensichtlich instrumentalisiert der belarussische Präsident Lukaschenko Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, indem er sie nach Weissrussland fliegen lässt und dann zu Tausenden an die polnische Grenze schickt, um die EU unter moralischen Druck zu setzen und sie in der Weltöffentlichkeit als barbarisches Monster darzustellen, das nicht einmal davor zurückschreckt, Männer, Frauen und Kinder bei Minustemperaturen in den Wäldern des polnisch-belarussischen Grenzgebiets ausharren zu lassen, ohne Wasser, Nahrung und medizinische Versorgung, eingekeilt zwischen polnischen Grenzpolizisten auf der einen, belarussischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite. Gehen wir noch einen Schritt zurück, dann ist diese Politik Lukaschenkos auf die Sanktionen zurückzuführen, welche von der EU gegen sein Land verhängt wurden als Reaktion auf die dort herrschende katastrophale Menschenrechtssituation. Also: Je mehr Druck auf der einen Seite, umso mehr Gegendruck auf der anderen – und die Opfer sind am Ende immer die Schwächsten, die schwangere Frau, die von einem polnischen Soldat dermassen traktiert wurde, dass sie eine Fehlgeburt erlitt, die Männer, deren Rücken blutig geschlagen werden, die Kinder, die sich zitternd vor Kälte an ihre Mütter klammern und von denen jüngst die ersten schon erfroren sind. Müssten wir aus dieser Geschichte nicht endlich etwas lernen? Seit den US-Sanktionen gegen den Irak in den Neunziger Jahren, denen eine halbe Million Kinder infolge Hungers und fehlender Medikamente zum Opfer fielen, müssten wir doch wissen, dass Wirtschaftssanktionen einzelner Länder gegen andere noch nie etwas anderes bewirkt haben, als dass das Elend der Schwächsten nur noch viel grösser wurde, während die Mächtigen in ihren Palästen stets überlebten oder sich sogar durch Machenschaften übelster Art noch zusätzlich bereichern konnten. Weder die EU noch Weissrussland würden ihr Gesicht verlieren, wenn sie ihr gegenseitiges Verhältnis nicht länger auf Machtgebaren, Sanktionen und Drohgebärden abstellen würden, sondern auf Kooperation, auf das Bemühen um friedliche Nachbarschaft und auf die gemeinsame Anstrengung, für Tausende von Menschen, von denen die meisten schon ein halbes oder gar ein ganzes Leben lang voller Krieg, Armut, Verfolgung und Zerstörung hinter sich haben, eine menschenwürdige Zukunft möglich zu machen…

Nicht nur im Pflegebereich: Die Forderung nach höheren Löhnen und die „unternehmerische Realität“

 

„Als Spitaldirektor“, so Fortunat Von Planta, Direktor des Kantonsspitals Uri, in der „Rundschau“ des Schweizer Fernsehens vom 10. November 2021, „muss ich ganz ehrlich sagen, auf der Seite des Spitals ist einfach nicht genug Geld vorhanden, um höhere Löhne zu bezahlen. Da würden wir nur falsche Erwartungen schüren, die gar nicht eingehalten werden könnten, und dann wäre die Enttäuschung nur umso grösser. Mit höheren Löhnen würden wir nämlich unser Spital glatt an die Wand fahren. Das ist die unternehmerische Realität.“ Das Gleiche würde wahrscheinlich auch der Besitzer eines Restaurants oder eines Hotels seinen Angestellten sagen, wenn sie mehr Lohn verlangen würden. Und genau gleich tönt es jeweils vom Baumeisterverband, wenn die Gewerkschaften der Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter höhere Löhne fordern. Auch der Detailhandel, Industrieunternehmen und die Landwirtschaft, überall das gleiche Lied von der „unternehmerischen Realität“, wonach kein Betrieb mehr ausgeben kann, als er einnimmt. Eigentlich logisch. Und doch gleichzeitig auch höchst fragwürdig. Denn diese Logik der betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung hat zur Folge, dass ausgerechnet all jene Berufe – von der Landarbeiterin, der Krankenpflegerin und dem Bäcker über den Fabrikarbeiter, den Lastwagenfahrer und den Kehrichtmann bis zur Verkäuferin und dem Bauarbeiter -, die für das Funktionieren der gesamten Gesellschaft am unerlässlichsten sind, dass ausgerechnet diese Berufe mit den geringsten Löhnen Vorlieb nehmen müssen, während Berufe, auf die man notfalls auch verzichten könnte – wie zum Beispiel Bankangestellte, Werbefachleute, Immobilienmakler, Unternehmensberaterinnen, Verkaufsleiter, Rechtsanwälte und Anlageberater – mit mehrfach höheren Löhnen ausgestattet sind. Offensichtlich ein Systemfehler. Denn wenn es schon Lohnunterschiede geben muss, dann müssten doch jene beruflichen Tätigkeiten am höchsten entlohnt werden, auf welche die Gesellschaft am wenigstens verzichten kann und welche die höchste „Systemrelevanz“ aufweisen, so dass dann beispielsweise Krankenpflegerinnen und Bauarbeiter, aber auch all jene, die unsere tägliche Nahrung besorgen, zu den Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdienern gehören würden. Dass jedoch das Gegenteil der Fall ist, bleibt nicht ohne gravierende Folgen. Allein im Pflegebereich sind heute bereits 11’000 Stellen unbesetzt und bis zum Jahr 2030 wird mit weiteren 65’000 fehlenden Pflegefachleuten gerechnet. Aber auch in der Gastronomie, der Industrie, auf dem Bau, im öffentlichen Dienst, in der Landwirtschaft und in vielen anderen Branchen wären Zehntausende von Stellen unbesetzt, wenn nicht Ausländerinnen und Ausländer all jene Arbeiten übernehmen würden, um die sich Schweizerinnen und Schweizer infolge schlechter Arbeitsbedingungen und tiefer Löhne schon längst nicht mehr reissen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn alle diese Arbeitskräfte eines Tages unser Land verlassen würden, um in ihrem eigenen Land eine berufliche Existenz aufzubauen. Wenn der Direktor des Kantonsspitals Uri davor warnt, dass mit höheren Löhnen sein Spital „an die Wand gefahren“ würde, dann müsste man sich fragen, ob mit der heutigen betriebswirtschaftlichen Lohnpolitik möglicherweise früher oder später nicht nur das gesamte Gesundheitswesen, sondern auch die gesamte Wirtschaft an die Wand gefahren wird. Doch was wäre die Alternative? Wir müssten, was die Löhne betrifft, von einer betriebswirtschaftlichen zu einer volkswirtschaftlichen Sichtweise übergehen. Die Höhe eines Lohnes sollte sich nicht mehr nach der jeweiligen betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung ausrichten, sondern nach der Wichtigkeit eines Berufes für die Gesellschaft. Auch sollte ernsthaft die Einführung eines Einheitslohns in Betracht gezogen werden, denn in einer Gesellschaft, die so vernetzt ist wie die unsere, in der alles mit allem zusammenhängt und alles von allem abhängig ist, in einer solchen Gesellschaft wäre ein Einheitslohn das einzige wirklich Gerechte. Neue Sichtweisen und Visionen, die sich freilich nicht von heute auf morgen verwirklichen lassen. Doch was soll uns davon abhalten, zumindest darüber nachzudenken? Ein Gefälle von 300 zu eins zwischen Höchst- und Tiefstlöhnen, wie es heute in der Schweiz an der Tagesordnung ist, kann ja wohl nicht ernsthaft der Weisheit letzter Schluss sein. Es gibt genug Ökonomen und Ökonominnen, welche sich ausschliesslich innerhalb der herrschenden „Marktlogik“ bewegen. Da würde es doch nicht schaden, wenn ein paar wenige von ihnen neue, unverbrauchte, visionäre Wege beschreiten würden. Damit wir nicht eines Tages erwachen und mit Schrecken feststellen müssen, dass wir alle miteinander „an die Wand gefahren“ sind…  

Häusliche Gewalt: Wenn unsichtbare in sichtbare Gewalt umschlägt…

 

Eine von der Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein (DAO) in Auftrag gegebene Studie, so berichtet der „Tagesanzeiger“ vom 10. November 2021, kommt zum Schluss, dass bei der Häufigkeit häuslicher Gewalt die Höhe des Einkommens eine wesentliche Rolle spielt: „Wer unter 4000 Franken im Monat verdient, ist von häuslicher Gewalt stärker betroffen als jemand mit einem Lohn über 10’000 Franken. Hingegen haben das Bildungsniveau und die Nationalität weniger Einfluss.“ Der Zusammenhang zwischen Einkommen und häuslicher Gewalt ist offensichtlich. Doch wie ist das zu erklären? Es scheint, neben der „sichtbaren“, sich in individuellen Einzelfällen zeigenden Gewalt, noch eine zweite Form von Gewalt zu geben, die man als „unsichtbare“ Form von Gewalt bezeichnen könnte, jene Form von Gewalt nämlich, welche von den herrschenden sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen ausgeübt wird und das tägliche Leben tiefgreifend prägt, je nach Beruf und sozialem Status der betroffenen Menschen. „Unsichtbare“ Gewalt, so wie sie sich auf das Leben von Menschen in bescheidenen finanziellen Verhältnissen auswirkt, ist vor allem die soziale Ungerechtigkeit, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, das Gefühl, gegenüber anderen Menschen benachteiligt zu sein und auf vieles verzichten zu müssen, was für andere selbstverständlich ist, dann aber auch die tägliche schwere Arbeit zu geringem Lohn und mit wenig Wertschätzung, der Konkurrenzdruck im gegenseitigen Kampf ums Überleben sowie häufige Erkrankungen und Verletzungen durch körperliche und seelische Überbelastung und die viel kürzere Lebenserwartung im Vergleich zu den bessergestellten Bevölkerungsgruppen. So ist es kein Zufall, dass häusliche Gewalt vor allem bei den „tieferen“ sozialen Schichten vorkommt. Denn erwiesenermassen hat das Ausüben von Gewalt stets wieder neue Gewalt zur Folge: Die Gewalt, welche dem Einzelnen durch das „System“ der unsichtbaren Gewalt angetan wird, äussert sich wieder in neuer Gewalt, die anderen, noch Schwächeren zugefügt wird. Diese Zusammenhänge werden in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Im Gegenteil: Während die unsichtbare „Systemgewalt“ fraglos akzeptiert und als „gottgegeben“ hingenommen wird, geht immer dann, wenn die unsichtbare in sichtbare Gewalt umschlägt, ein Schrei der Empörung durchs ganze Land. Und auch die erwähnte, von der DAO veranlasste Studie geht in ihren Vorschlägen zur Prävention nicht über reine Symptombekämpfung hinaus: Gewaltprävention, ist da zu lesen, müsse vermehrt an Schulen und Ausbildungsorten erfolgen und Mitarbeitende von Polizei, Justiz und Sozialdiensten müssten eine obligatorische Schulung zu häuslicher Gewalt und dem Umgang mit Opfern erhalten. Das greift eindeutig zu kurz, wieder wird die gesellschaftliche, systembedingte unsichtbare Gewalt nicht einmal ansatzweise angetastet. Das Problem liegt auch darin, dass sich die jeweiligen zuständigen Fachpersonen infolge zunehmender Spezialisierung stets nur um ihren Fachbereich kümmern, also um die jeweils manifest gewordenen Fälle von sichtbarer Gewalt – während sich niemand mit dem grossen Ganzen, der unsichtbaren Gewalt, den gesellschaftlichen und systembedingten Ursachen von Gewalt beschäftigt. Doch so lange nicht die unsichtbare Gewalt sozialer Ungerechtigkeit und eines auf Ausbeutung und Profitmaximierung fixierten Wirtschaftssystems beseitigt sind, werden wir auch die Formen sichtbarer Gewalt nicht beseitigen können. Erst in einer Gesellschaft, die von sozialer Gerechtigkeit, einem möglichst geringen sozialen Gefälle, gegenseitiger Wertschätzung und sozialer Sicherheit geprägt ist, werden automatisch auch viel weniger Formen von sichtbarer Gewalt auftreten. Die einzelnen Fälle häuslicher Gewalt sind nicht einfach Untaten einzelner „böser“ Menschen. Sie sind Warnzeichen dafür, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Glück, Reichtum und Lebensfreude höchst ungleich verteilt sind… 

Die schweizerische Sozialdemokratie und die Überwindung des Kapitalismus

 

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz ist mit einem Wähleranteilsverlust von 1,9 Prozent seit 2019 mit deutlichem Abstand die grösste Verliererin sämtlicher Parteien. „Das muss“, schreibt der „Tagesanzeiger“ am 9. November 2021, „Mattea Meyer und Cédric Wermuth, welche die Partei seit Oktober 2020 gemeinsam leiten, zu denken geben. Wenn die beiden nicht bald eine Trendwende herbeiführen, blicken sie düsteren Zeiten entgegen.“ Es hat etwas Tragisches, dass ausgerechnet Cédric Wermuth, der in seinen jüngeren Jahren als Jungsozialist noch von der Überwindung des Kapitalismus träumte, nun mit ansehen muss, wie sich seine Partei seit zwei Jahren in einem kontinuierlichen Sinkflug befindet. Tragisch, weil nämlich genau das, die Überwindung des Kapitalismus, gegenwärtig aktueller und dringender wäre denn je. Der Traum von einer anderen, gerechteren und friedlicheren Welt, den die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten träumten, war nicht falsch, er war bloss zu wenig stark gegen die Mauern der so genannten „Realpolitik“, die sich ihm entgegenstellte. Eine in Deutschland vom Edelman-Kommunikationsbüro durchgeführte Befragung ergab, dass 55 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt sind, dass der Kapitalismus mehr Schaden als Nutzen anrichte. Eine entsprechende Befragung in der Schweiz würde höchstwahrscheinlich ein ähnliches Resultat erbringen. Dies zeigt, dass das Potenzial für eine konsequent antikapitalistische Politik wohl weit grösser ist als allgemein angenommen. Doch ist es, um hierfür in Abstimmungen und Wahlen Mehrheiten zu gewinnen, noch ein weiter Weg. Der Kapitalismus hat sich trotz oder vielleicht sogar wegen seiner Widersprüche über viel zu lange Zeit so tief in unseren Köpfen und Herzen festgesetzt, dass sich die meisten Menschen etwas von Grund auf Neues und Anderes schon gar nicht mehr vorstellen können. Und genau deshalb müsste eine potenziell antikapitalistische Partei wie die SP, welche sogar ganz offiziell die „Überwindung des Kapitalismus“ als vorrangiges Ziel in ihrem Parteiprogramm benennt, nebst der täglichen Realpolitik sozusagen auf einer zweiten Schiene fahren bzw. ein zweites Haus bauen, wo man sich jenen Zukunftsvisionen beschäftigt, die über die tägliche Realpolitik hinausweisen. Denn ein neues, nichtkapitalistisches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das frei ist von Ausbeutung, frei vom Glauben an ein immerwährendes Wachstum, frei von der Gier nach immer grösserem materiellem Gewinn und frei von der Zerstörung der Umwelt auf Kosten nachfolgender Generationen, ein solches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das ein gutes Leben nicht nur für eine privilegierte Minderheit, sondern für alle Menschen weltweit Wirklichkeit werden lässt, ein solches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem entsteht nicht von heute auf morgen von selber. Es muss erarbeitet, erkämpft, es muss darum gerungen werden. Aufklärung ist das entscheidende Stichwort. Aufklärung über die Zusammenhänge, Grundlagen, Mechanismen und Auswirkungen des Kapitalismus, hierzulande wie auch weltweit. So wie der Teppich des Kapitalismus weltweit über alle Länder hinweggerollt wurde, genau so muss dieser Teppich über alle Länder hinweg wieder zurückgerollt  und es muss ein neuer, unverbrauchter Teppich geknüpft werden. Wie wäre das? Mattea Meyer kümmert sich um die Realpolitik, Cédric Wermuth holt seine alten Träume von der Überwindung des Kapitalismus hervor und kümmert sich um die Aufklärung und die Visionen. Oder umgekehrt: Mattea Meyer übernimmt den Part der Visionen, Cédric Wermuth jenen der Realpolitik. Ich bin fast ganz sicher: Wenn die Menschen genug wüssten über das Wirken des Kapitalismus und seine tägliche soziale, ökonomische und ökologische Zerstörungsgewalt, dann würden sie früher oder später in grosser Mehrheit ihre Stimme einer politischen Partei geben, die sich die Überwindung des Kapitalismus auf die Fahnen geschrieben hat. Und endlich wären wir in einem Zeitalter angelangt, in dem die Träume und Visionen junger Menschen nicht mehr länger von so genannten „vernünftigen“ Erwachsenen zerschlagen werden, sondern im Gegenteil nach und nach zu einer neuen Wirklichkeit würden, die in den Köpfen und den Herzen der Menschen genau so verankert wären, wie dies heute noch der Kapitalismus ist.  

Herr K., sein Supermarkt und die neue schöne Welt

 

Der Supermarkt, wo Herr K. einkaufen geht, wurde kürzlich umgebaut. Gründlich, von A bis Z: Alle Regale wurden herausgerissen und durch neue ersetzt, die einzelnen Abteile umgebaut, das alte Dekorationsmaterial durch neues ersetzt, eine neue Beleuchtung eingebaut und anstelle der alten Kassen neue installiert. Fast eine Woche lang ein Riesenstress für das Personal, das gleichzeitig Tausende von Artikeln aus den alten Gestellen in die neuen umsortieren, Fehlendes nachfüllen und die Kassen bedienen musste. Zwischen den hin- und herstiebenden Angestellten fünf Männer in Anzug und Krawatte, welche laufend Anweisungen gaben, in welche Regale welche Produkte einzuordnen waren. Fünf Männer, die man in diesem Supermarkt noch nie gesehen hatte und wohl auch lange nicht mehr sehen würde, sitzen sie doch vermutlich für gewöhnlich auf den höheren Etagen des Unternehmens, dort, wo wahrscheinlich auch beschlossen worden war, dass sämtliche Filialen alle paar Jahre gänzlich umgebaut werden müssten, nicht etwa, weil das Material oder die Einrichtungen reparationsbedürftig geworden wären, sondern schlicht und einfach deshalb, weil auch die Konkurrenz alle paar Jahre ein solches „Facelifting“ vornehme und man es sich auf keinen Fall leisten könne, im Wettbewerb um die Kundschaft hintennach zu hinken. Als Herr K. den Trümmerhaufen an Tablaren, Metallgestellen, Abdeckplatten und Beleuchtungskörpern sah, der sich neben dem Eingang zum Supermarkt von Tag zu Tag weiter auftürmte, musste er unwillkürlich an die schönen Worte in den von seinem Supermarkt herausgegebenen Werbebroschüren denken, wo sich das Unternehmen vollmundig seiner einzigartigen Nachhaltigkeit rühmt. Doch nicht nur Regale, Dekorationsmaterial und Beleuchtungskörper werden fortgeworfen, sondern, noch viel schlimmer, auch die Menschen. Waren früher die Kassen, der Kiosk, die Blumenecke und die Fleischabteilung regelmässig personell besetzt, während andere mit dem Auffüllen der Gestelle beschäftigt waren, so wurde zwischenzeitlich eine Art „Springersystem“ eingeführt, bei dem die Angestellten stets dorthin beordert werden, wo gerade der grösste Bedarf besteht, Ruhepausen gibt es da keine mehr und eine kleinere Anzahl Angestellter muss ein Pensum bewältigen, das zuvor auf viel mehr Mitarbeitende verteilt gewesen war. Und noch etwas ist neu: Seit Kurzem dürfen Kundinnen und Kunden mittels einer eigens hierfür geschaffenen App das Personal bewerten und zwischen je eines bis maximal fünf Sternchen vergeben, je nachdem, wie zufrieden sie mit der Bedienung waren. Sternchen, die wie ein Damoklesschwert über den wenigen noch verbliebenen Angestellten schweben und wahrscheinlich auch früher oder später wieder bei den fünf Herren in Anzug und Krawatte auf den höheren Etagen des Unternehmens landen, damit denen nur ja nicht die Arbeit ausgeht. Schöne neue Welt…

An jedem Geldstück, das wir über den Ladentisch schieben, kleben das Blut, der Schweiss, die Tränen und die Schreie jahrhundertelanger Ausbeutung

 

„Die Schweizer Firma Sogescol FR“, so berichtet die „Wochenzeitung“ am 4. November 2021, „kauft einer Plantage in Liberia Kautschuk ab und verkauft diesen anschliessend – zu einem höheren Preis – an einen Kunden in China. Die Preisdifferenz verbleibt in der Schweiz.“ Dies ist nur eines von Millionen Beispielen, weshalb die Schweiz so reich ist, wie sie ist. Und dennoch hält sich das Märchen, wonach die Schweiz nur dank der „Freien Marktwirtschaft“ so reich sei und die ärmeren Länder ebenso reich sein könnten, wenn sie nur ebenfalls das System der „Freien Marktwirtschaft“ einführen würden, hartnäckigst am Leben. Die Wahrheit ist, dass die Schweiz zwar tatsächlich dank der „Freien Marktwirtschaft“ bzw. dank dem kapitalistischen Wirtschaftssystem so reich ist, aber eben nur deshalb, weil so viele andere Länder der Welt viel ärmer sind. So erwirtschaftet die Schweiz im Handel mit den sogenannten „Entwicklungsländern“ gemäss Entwicklungsorganisation Oxfam einen fast 50 Mal höheren Gewinn, als sie diesen Ländern in Form von „Entwicklungshilfe“ wieder zurückerstattet. Was in keinem Schulbuch steht, aber bittere Realität ist: Wir leben immer noch zutiefst im Zeitalter des Kolonialismus, der mit dem Sklavenhandel begann und auf Millionen verschlungener, unsichtbarer Wege bis in unsere Tage fortdauert. An jedem Geldstück, das wir über den Ladentisch schieben oder das unser Bannkonto füllt, kleben das Blut, der Schweiss, die Tränen und die Schreie jahrhundertelanger Ausbeutung der Armen durch die Reichen. Und diese Ausbeutung geschieht nicht nur zwischen den reichen und den armen Ländern, sie geschieht ebenso gnadenlos zwischen den Armen und den Reichen in jedem einzelnen Land des globalen Kapitalismus, wo – als wäre es ein Zufall – die Kluft zwischen Arm und Reich immer noch grösser und grösser wird. Was nichts anderes heisst, als dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in den kapitalistischen Ländern des Reichtums und jene in den armen Ländern des Südens die Opfer des gleichen kapitalistischen Ausbeutungssystems sind. Erst wenn diese Zusammenhänge aufgedeckt werden, erst wenn die Wahrheit ans Licht kommt, dass extremer Reichtum nur möglich ist dank extremer Armut, erst wenn in unseren Schulbüchern nicht nur das ABC der Buchstaben, sondern auch das ABC des Kapitalismus gelehrt wird, erst dann besteht die Hoffnung, dass der Kapitalismus und alle mit ihm verbundenen Formen der Ausbeutung überwunden werden können, um einem neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell Platz zu machen, in dem jegliche Ausbeutung ein Ende hat und ein gutes Leben für alle Menschen, im Einklang mit sich selber, wie auch im Einklang mit der Natur und den Lebensbedürfnissen zukünftiger Generationen Wirklichkeit werden kann.

Kapitalistische Logik: Lohnerhöhungen gefährden ökonomisches Gleichgewicht

 

„Wenn Lohnerhöhungen gefährlich werden können“ – so der Titel eines am 3. November 2021 auf dem Internetportal von SRF veröffentlichten Artikels. Schon denke ich an überrissene Managerlöhne, die innerhalb eines Jahres um 30 oder 40 Prozent in die Höhe klettern und „gefährliche“ Reaktionen von Menschen auslösen könnten, welche sich mit 3000 oder 4000 Franken pro Monat über die Runden schlagen müssen. Doch weit gefehlt. Der SRF-Artikel versucht aufzuzeigen, dass eine „massive Erhöhung“ der ganz gewöhnlichen Löhne ganz gewöhnlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Ökonomen ein „Grund zu Sorge“ sein können, dann nämlich, wenn es zu einer „Lohn-Preis-Spirale“ komme. Eine solche entstehe dann, wenn Unternehmen zum Beispiel wegen höherer Rohstoff- oder Energiepreise ihre Kosten auf ihre Produkte schlagen. Dies verteure den Konsum und hätte die Forderung nach Lohnerhöhungen zur Folge, was die Unternehmen wiederum dazu zwingen würde, die höheren Lohnkosten auf ihre Produkte abzuwälzen. So drehe sich die Spirale immer weiter und schraube die Inflation in die Höhe. Nun ja, alles soweit logisch. Und gleichzeitig auch völlig absurd. Fast so absurd wie der unerschütterliche Glaube an das Bruttosozialprodukt als Massstab für wirtschaftlichen Erfolg, obwohl jeder Verkehrsunfall, jeder Häuserabbruch und jeder Waldbrand, ja selbst ein Krieg das Bruttosozialprodukt steigert, weil all dies mannigfaltige wirtschaftliche Aktivitäten aller Art zur Folge hat. Oder auch so absurd wie der Glaube an ein immerwährendes Wachstum von Gütern und Dienstleistungen in einer Welt, deren natürliche Ressourcen früher oder später für immer aufgebraucht sein werden, ohne dass auch nur das Geringste davon übrig bleibt. Oder auch so absurd wie das Konkurrenzprinzip, das Menschen, Unternehmen und ganze Volkswirtschaften in einen permanenten gegenseitigen Wettkampf zwingt, aus dem zwangsläufig die einen als Gewinner und alle anderen als Verlierer hervorgehen. Oder auch so absurd wie die Tatsache, dass Reichtum vor allem dort entsteht, wo immer mehr Geld vom einen Ende der Welt zum anderen hin- und hergeschoben wird, und nicht dort, wo die Menschen im Schweisse ihres Angesichts härteste Arbeit verrichten und unter Aufbietung aller ihrer Kräfte dafür sorgen, dass die Menschheit nicht schon längst untergegangen ist. Ja. Der Kapitalismus hat buchstäblich alles auf den Kopf gestellt und das Normale zum Abnormalen gemacht und umgekehrt. Und genau deshalb genügt es auch nicht, das eine oder andere kleine Rädchen auszuwechseln und durch ein anderes zu ersetzen. Nicht die Rädchen müssen ausgewechselt werden, sondern die Maschine als Ganzes. Das System als Ganzes. Denn, wie schon Albert Einstein sagte: „Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ 

 

Regierungen und Parlamente: Von der angemessenen Abbildung sämtlicher Bevölkerungsgruppen noch weit entfernt…

 

„Die Zusammensetzung der politischen Gremien sollte die Bevölkerungsanteile angemessen abbilden“ – sagt Kathrin Bertschy, GLP-Nationalrätin und Co-Präsidentin von Alliance F, in den Mittagsnachrichten von Radio SRF am 3. November 2021. Und sie meint damit den Frauenanteil in den entsprechenden Regierungen und Parlamenten. Doch mit einem höheren Frauenanteil ist eine „angemessene Abbildung“ der Bevölkerung bei Weitem noch nicht erreicht. Sehen wir uns nämlich die Zusammensetzung von Regierungen und Parlamenten etwas genauer an, dann stellen wir unschwer fest, dass die Bevölkerung in Bezug auf Beruf und Ausbildung höchst ungleich vertreten ist und zahlreiche Berufsgruppen, denen Hunderttausende von Menschen angehören, sogar überhaupt nicht vertreten sind. Wären die verschiedenen Bevölkerungsgruppen tatsächlich angemessen vertreten, dann müssten beispielsweise im Nationalrat mehr Bauarbeiter als Rechtsanwälte sitzen, mehr Verkäuferinnen als Akademikerinnen, mehr Köche, Kellnerinnen und Putzfrauen als Unternehmer, Landwirte, Ökonomen und Rechtsberater. Die Diskriminierung von Frauen ist wenigstens seit Jahrzehnten ein öffentliches Thema und entsprechend gross sind die erreichten Fortschritte. Dies kann man von der Diskriminierung der werktätigen Bevölkerung auf den unteren Rängen der gesellschaftlichen Machtpyramide ganz und gar nicht behaupten. Im Gegenteil: Kein Mensch spricht von der gesellschaftlichen Diskriminierung von Bauarbeitern, Friseusen und Putzfrauen, niemand fordert eine angemessene Vertretung von Nichtakademikern gegenüber Akademikern in sämtlichen politischen Gremien. Dies hat wohl vor allem damit zu tun, dass tiefsitzende, fest in unseren Köpfen verankerte Vorurteile längst noch nicht überwunden sind. Früher waren es die Vorurteile und Denkmuster von Männern, welche es den Frauen nicht zutrauten, zu politischer Arbeit fähig zu sein oder Frauen sogar als weniger „intelligente“ Wesen betrachteten. Heute sind es die Vorurteile der so genannt „Gebildeten“ gegenüber den so genannt „Ungebildeten“, die den Unternehmer oder die Historikerin zur irrigen Meinung verleiten, ein Schreiner oder eine Putzfrau wäre nicht in der Lage, anspruchsvolle politische Arbeit zu leisten. Eine Blockade, mit der ein grosser Teil der Bevölkerung zu politischer „Unmündigkeit“ verdammt wird und die erst gelöst werden kann, wenn das, was man als „Lebensbildung“ oder „Volksbildung“ bezeichnen könnte, den gleichen gesellschaftlichen Stellenwert bekommt wie das, was als „akademische“ Bildung bezeichnet wird. Ich jedenfalls könnte mir vorstellen, dass ein Parlament, in dem wirklich alle Bevölkerungsgruppen angemessen vertreten wären, nicht nur weit bessere politische Resultate erzielen würde, sondern zugleich bei der breiten Bevölkerung, die sich nun tatsächlich auch vertreten fühlen würde, viel breiter abgestützt wäre. So wie die Gleichstellung der Frauen, ist auch die Gleichstellung der werktätigen Bevölkerung nicht mehr und nicht weniger als ein unerlässlicher Schritt in Richtung einer Demokratie, die diesen Namen, nämlich die „Volksherrschaft“, auch tatsächlich verdient… 

„System Change, not Climate Change“: Dringender denn je…

 

Die „Festung Europa“ soll, um Flüchtlinge gezielt abzuwehren, mithilfe der Grenzschutzagentur Frontex weiter ausgebaut werden. Auch die Schweiz ist an diesem Projekt beteiligt und will ihren hierfür zur Verfügung stehenden Beitrag von jährlich 14 auf 61 Milliarden Franken erhöhen. Dagegen hat die Aktivistengruppe Migrant Solidarity Network das Referendum ergriffen. In Rio de Janeiro und anderen südamerikanischen Grossstädten lassen die Reichen rund um ihre Grundstücke immer höhere Mauern, Befestigungsanlagen und Alarmsysteme bauen, um unliebsame Eindringlinge aus den Armutsvierteln abzuwehren. Und die indonesische Hauptstadt Jakarta plant eine gewaltige Barriere von 30 Kilometern Länge draussen im Meer, um die Stadt vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, Kostenpunkt 40 Milliarden Dollar. Was haben die Festung Europa, die Mauern und Stahlgitter rund um südamerikanische Luxusviertel und die Meeresbarriere von Jakarta miteinander zu tun? Sehr viel. Sie alle sind Ausdruck eines verzweifelten, immer absurderen und kostspieligeren Kampfes gegen die Auswüchse des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das nicht nur die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer weiter anwachsen lässt, sondern mit seinen Dogmen des unbegrenzten Wachstums, der endlosen Gewinnmaximierung und der gnadenlosen Ausbeutung von Mensch und Natur hauptverantwortlich ist für den Klimawandel und seine dramatischen, lebens- und zukunftszerstörenden Folgen. Wie schon wieder war das damals, als die Mauer zwischen Ost- und Berlin fiel und die Sowjetunion wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrach? „Das ist das Ende der Geschichte“, jubelte der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama und meinte damit, dass das überlegene System – der Kapitalismus – nun endgültig über das gescheiterte Modell des Sozialismus gesiegt hätte und fortan durch nichts mehr Neues, Besseres ersetzt werden könnte. Heute erkennen wir, dass Fukuyama Recht gehabt haben könnte, aber nicht in dem Sinne, wie er es meinte, sondern in dem Sinne, dass der Kapitalismus tatsächlich das Ende der Menschheit auf diesem Planeten bedeuten könnte. Das sieht mittlerweile selbst ein so arrivierter Politiker wie der Uno-Generalsekretär António Guterres so, wenn er sagt: „Wir schaufeln unser eigenes Grab.“ Ja, die Jugendlichen von „Fridays For Future“ wissen schon, weshalb sie sich den Slogan „System Change, Not Climate Change“ auf die Fahnen geschrieben haben. Jetzt, wo die Weltklimakonferenz begonnen hat, lagern Greta Thunberg und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf der anderen Seite des Flusses und ihre Schreie dringen nicht in die heiligen Hallen, wo die Würdenträgerinnen und Würdenträger aus aller Welt endlos debattieren – höchstwahrscheinlich ohne wirklich bedeutungsvolle Resultate zu erzielen. Wäre es nicht an der Zeit, die Jugendlichen der Klimabewegung in die Konferenzsäle hereinzulassen und die Würdenträgerinnen und Würdenträger in die Wüste zu schicken? Denn das „Ende der Geschichte“ kommt so oder so, die Frage ist nur, ob es das Ende der Menschheit bedeutet oder den Anfang eines neuen Zeitalters, in dem alle Ausbeutung und alle soziale Ungerechtigkeit ein Ende haben und der Menschheit gelernt haben wird, mit sich, mit der Natur und mit allen zukünftigen Generationen im Einklang zu leben…

In was für einer zerrissenen Welt leben wir eigentlich?

 

Schweizer Fernsehen SRF1, 1. November 2021, Werbeeinschaltung kurz vor der abendlichen Tagesschau: ein winziger Punkt in einem tiefblauen Himmel, der sich beim Näherkommen als das durch die Luft schaukelnde, hypermoderne neueste Mercedesmodell entpuppt. Engelsgleich segelt es weiter durch die Lüfte, wobei abwechslungsweise seine Innen- und seine Aussenansicht gezeigt wird. Schliesslich landet das Fahrzeug sanft im Irgendwo, eine Frau nimmt darin Platz und am blauen Himmel erscheint ein weisser Schriftzug: „This is for you, world!“ Und darunter, etwas kleiner: „Der neue EQS – jetzt entdecken.“ Kurz darauf kündigt TV-Korrespondent Sebastian Ramspeck einen in wenigen Tagen zu sehenden Dokumentarfilm mit folgenden Worten an: „Vergessen Sie Kreuzfahrten oder Skydiving für den Adrenalinkick. In der Zukunft geht’s in das Weltall. Wir stehen am Anfang eines neuen Zeitalters. Bald ist die Welt nicht mehr genug.“ Dazu die passenden Bilder, unter anderem eine Gruppe in die Luft schiessender Cowboys und eine vor Glück kreischende Astronautin in einer Weltraumkapsel. Verrückt. Ein Auto aus dem Himmel sozusagen als Geschenk für die Welt. Der Anfang eines neuen Zeitalters. Eine Welt, die „nicht mehr genug“ ist. In was für einer zerrissenen Welt leben wir eigentlich? Kurz nach dem Auto aus dem blauen Himmel und dem Weltraumflug zum Start in ein neues Zeitalter wird die Tagesschau über die Eröffnung der Weltklimakonferenz berichten, von der man jetzt schon, bevor sie noch richtig begonnen hat, sagen kann, dass ihre Ergebnisse angesichts der drohenden Klimakatastrophe aller Voraussicht nach höchst ernüchternd und völlig unzureichend sein werden. Ja. Fliegende Autos, um sich schiessende Cowboys und eine glückvoll kreischende Astronautin am Anfang eines neuen Zeitalters. Und wenige Sekunden später die Hiobsbotschaften und Katastrophenmeldungen über die vom Klimawandel bereits angerichteten und in naher Zukunft in immer drastischerem Tempo zu erwartenden Zerstörungen. Grösser könnte der Gegensatz nicht sein. Ist es doch genau dieses Heilsversprechen, symbolisiert durch ein aus dem Himmel gefallenes Auto und den farbensprühenden Start einer Weltraumrakete, welche, zusammen mit Millionen weiterer Glücks- und Heilsversprechen, allen noch so gut gemeinten Bemühungen um Klimaschutzmassnahmen schliesslich den Todesstoss versetzen werden. Beides zusammen geht nicht. Früher oder später werden wir uns entscheiden müssen. Die Medien spielen eine herausragende Rolle. Beides wäre heute Abend nicht nötig gewesen. Weder das aus dem Himmel gefallene Auto noch die Verkündigung eines neuen Zeitalters anlässlich eines privaten Wochenendausflugs ins Weltall. An deren Stelle hätte das Schweizer Fernsehen auch einen fünfminütigen Kurzbericht zum Thema Klimawandel aussenden können, analog zur täglichen Sendung „Börse aktuell“. Also: „Klima aktuell“ – jeden Abend zwischen 19.20 und 19.25 Uhr. Worauf warten wir noch?