Archiv des Autors: Peter Sutter

Modebranche: Zehnmal höhere klimaschädliche Emissionen als der Flugverkehr

 

Kleider und Schuhe kosten in den USA, so berichtet der „Tagesanzeiger“ am 31. August 2021, inflationsbedingt 50 Prozent weniger als 1990. Grund ist der erbitterte Preiskampf zwischen den verschiedenen Herstellern um die Gunst der Kundschaft. So etwa unterbieten sich Bohoo und Pretty Little Thing, zwei britische Billigketten, gegenseitig mit Preisen von 5 bis 6 Pfund für ein Sommerkleid. Die Folge: Es wird um ein Vielfaches mehr gekauft, als man eigentlich sinnvollerweise bräuchte. Und so landet von den weltweit 100 Milliarden Kleidungsstücken gemäss einer UBS-Studie mehr als die Hälfte innert einem Jahr auf der Müllhalde oder in einer Verbrennungsanlage. In den USA werfen Frauen sogar 60 Prozent ihrer neuen Kleider weg, ohne dass sie diese auch nur ein einziges Mal getragen haben. Das bleibt nicht ohne katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt: Während der Flugverkehr für 2 bis 3 Prozent klimaschädlicher Emissionen verantwortlich ist, muss sich die Modebranche fast zehn Prozent anrechnen lassen. Jährlich fallen der Modeindustrie allein für Rayon- und Viscosefasern 200 Millionen Bäume zum Opfer. Zudem werden ausschliesslich für Verpackungsmaterialien 3,5 Milliarden Bäume verbraucht. Doch die Modebranche ist nur eines von zahlreichen Beispielen, die zeigen, auf wie wackligen Füssen unsere bisherigen Anstrengungen gegen den Klimawandel stehen. Eine Erhöhung der Benzinpreise, eine Flugticketabgabe oder Heizungs- und Gebäudesanierungen – alles gut gemeint, aber letztlich doch nicht mehr als ein paar Tropfen auf einen heissen und sogar immer noch heisser werdenden Stein. Dieser heisse Stein, das ist eine Weltwirtschaft, die stärker brummt denn je zuvor. Eine Wirtschaft, die uns Menschen in den reichen Ländern täglich neue „Bedürfnisse“ aufzuschwatzen sucht. Eine Wirtschaft, die Bäume am einen Ende der Welt fällt, um sie als Möbelstücke am anderen Ende der Welt zu verkaufen. Eine Wirtschaft, die in immer kürzeren Intervallen neue elektronische Kommunikationsmittel entwickelt und uns weiszumachen versucht, dass unser zwei Jahre altes Smartphone schon nicht mehr zeitgemäss sei, während die bereits unermesslich hohen Elektroschrottberge irgendwo in Afrika immer noch weiter in den Himmel wachsen. Eine Wirtschaft, die uns vorgaukelt, das Fahren mit einem SUV sei ein so grosses Vergnügen, dass niemand, der es sich leisten kann, darauf verzichten sollte. Eine Wirtschaft, die uns so viele Nahrungsmittel zu so geringen Preisen anbietet, dass wir viel zu viel kaufen und ein Drittel davon im Müll landet – während gleichzeitig eine Milliarde Menschen weltweit nicht genug zu essen haben. Wer, im Zusammenhang mit dem Klimawandel, nur an die CO2-Emissionen denkt, der denkt viel zu kurz. Es geht nicht ausschliesslich um die Klimaerwärmung. Es geht im weitesten Sinne um unsere Lebensgrundlagen als Ganzes. Es geht um die natürlichen Ressourcen, um einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen, um saubere Luft, um sauberes Trinkwasser, um den Fortbestand von Wäldern, natürlichen Lebensräumen und das Weiterleben von Pflanzen und Tieren. Wer sich einbildet, ein paar punktuelle Massnahmen würden genügen und dann könnten wir wieder in alter Gewohnheit unseren verschwenderischen Lebensstil weiterführen, wird sich höchstwahrscheinlich täuschen. Es braucht mehr, viel mehr als das. Es braucht ein Gleichgewicht zwischen all dem, was ausser Rand und Band geraten ist. Ein Gleichgewicht zwischen den Menschen und ihrem universellen Recht auf die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse anstelle von masslosem Reichtum auf der einen und massloser Armut auf der anderen Seite. Ein Gleichgewicht zwischen den Menschen, die hier und heute leben, und all den Generationen, die ihnen folgen werden. Ein Gleichgewicht zwischen dem, was die Menschen verbrauchen, und dem, was die Natur wieder nachwachsen lässt. Ein Gleichgewicht zwischen dem, was die Wirtschaft produziert, und dem, was die Menschen tatsächlich zur Erfüllung eines guten Lebens brauchen. Denn, wie schon Mahatma Gandhi sagte: „Die Erde hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“

Deutsche Bundestagswahlen: Wo sind die Visionen?

 

Erste öffentliche TV-Debatte auf RTL am 29. August 2021 zwischen Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet. Doch wer genau hingehört hat, dem muss aufgefallen sein: Nur auf den ersten Blick ging es dabei um unterschiedliche politische Positionen und Programme zwischen den drei Parteien und den drei Kanzlerkandidaten. Denn im Kern waren sich alle einig: Der Kapitalismus bleibt als herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unangetastet, die Frage nach einer „Systemänderung“ ein Tabu, an dem nicht gerüttelt wird, nicht einmal von den „Linken“, die am „Kanzlergipfel“ infolge ihrer tiefen Umfragewerte schon gar nicht einmal vertreten waren. Somit gaukeln die verschiedenen Parteien eigentlich nur eine demokratische Vielfalt vor, während sie tatsächlich nichts anderes sind als die Fraktionen einer grossen kapitalistischen Einheitspartei. Dabei wäre die Frage nach einer Systemänderung, nach einer Überwindung des Kapitalismus drängender, ja geradezu lebensnotwendiger denn je. 500 Jahre Kapitalismus haben unseren Planeten an den Abgrund gefahren: Während er einer kleinen Minderheit der Weltbevölkerung sagenhaften Reichtum beschert hat, wurden ganze Länder und halbe Kontinente ins Elend gestürzt. Auch in den „reichen“ Ländern sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich grösser denn je und nehmen laufend noch zu. Zudem haben die Unersättlichkeit und Profitgier des kapitalistischen Wachstumsprinzips dazu geführt, dass schon weite, früher fruchtbare Lebensräume unbewohnbar geworden sind und der fortschreitende Klimawandel das Überleben ganzer zukünftiger Generationen in Frage stellt. Wie wenn das alles noch nicht genug wäre, haben der weltweite kapitalistische Konkurrenzkampf um Märkte und Rohstoffe und das damit verbundene Wettrüsten dazu geführt, dass heute weltweit Waffenarsenale zur Verfügung stehen, welche die Menschheit gleich mehrfach vernichten könnten. Noch ist es nicht ganz so weit, doch wir stehen unmittelbar davor: Es kommt der Punkt, da gibt es keine Kompromisse mehr, keine Kompromisse mit der Natur, keine Kompromisse mit der Gerechtigkeit, keine Kompromisse mit dem Frieden, nur noch ein Scheideweg, der auf der einen Seite in den Abgrund führt, auf der anderen in ein von Grund auf neues Zeitalter. Der Schritt in dieses neue Zeitalter wird nicht gehen ohne ein neues Denken, eine neue Sprache, eine neue Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Sanftmut und Liebe. Die Jugendlichen der Klimabewegung leben es uns vor: Da ist etwas Neues in die Welt gekommen, noch zaghaft, aber unbeirrt und voller Lebenskraft. Eine neue Zeit, in der nicht mehr wohlgeschliffene Politiker mit ihren jahrhundertealten Worthülsen das Sagen haben, sondern Philosophen und Poetinnen, die uns eine neue Geschichte erzählen, Kinder und Jugendliche, die von einer Welt in Frieden und Gerechtigkeit träumen. Als die DDR 1989 kollabierte und das sozialistische Schiff unterging, gab es ein zweites Schiff, auf das sich die Menschen retten konnten, das kapitalistische Schiff der „Freien Marktwirtschaft“. Heute ist es schwieriger. Jetzt, wo auch das kapitalistische Schiff in tödliches Schlingern geraten ist, steht kein drittes Schiff zur Verfügung, welches uns retten könnte. So braucht es unsere ganze Phantasie, unsere ganze Erfindungsgabe, um ein drittes Schiff zu bauen, das uns in die Zukunft tragen kann. Ob nicht auch Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet, ja wir alle diesen Traum insgeheim tief in unseren Herzen tragen, jenen Traum von einer friedlichen und gerechten Welt, der für jedes Kind schon bei seiner Geburt lebendig ist, ein Traum, der uns alle gegenseitige Rechthaberei, jedes gegenseitige Machtgebaren und alle gegenseitigen Schuldzuweisungen vergessen machen und uns Menschen weltweit miteinander verbinden könnte? Ganz so, wie es schon vor über 50 Jahren der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King vorausgesehen hatte, als er sagte: „Entweder lernen wir, als Brüder und Schwester gemeinsam zu überleben, oder wir gehen als Narren miteinander unter.“

Höchste Zeit für eine neue Kultur der Bescheidenheit und der Sanftheit

 

Bescheidenheit, Grosszügigkeit, Nächstenliebe und Sanftheit sind, wie die „Wochenzeitung“ vom 26. August 2021 berichtet, die wesentlichen Elemente des Sufismus, einer islamischen Lehre, welche Afghanistan über tausend Jahre lang wesentlich prägte. Nicht ohne Grund bezeichnet man deshalb heute die Literatur, die Musik, die Kalligrafie und die Architektur dieser mystischen Bewegung  als eines der wichtigsten afghanischen Kulturerben. Der Sufismus geht davon aus, dass alle Menschen – unabhängig von Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und Religion – einen göttlichen Funken in sich tragen, der ihnen Würde verleiht. Mit dieser Grundhaltung könnte der Sufismus im heutigen Afghanistan wesentlich dazu beitragen, die tiefgreifenden ethnischen Spaltungen und Machtkämpfe im Land zu überwinden. Doch leider hat der Sufismus im Gefolge jahrzehntelanger kriegerischer Auseinandersetzung immer mehr an Boden verloren und ist von Hass, Intoleranz, Gewalt und Krieg überrollt worden. Auch haben es die westlichen Besatzungskräfte unter der Führung der USA versäumt, beim „Nationbuilding“, dem Aufbau eines „modernen“ afghanischen Staatsgefüges, auf die so wertvolle, jahrtausendealte Tradition des Sufismus zurückzugreifen. Dabei wäre die Botschaft des Sufismus nicht nur für Afghanistan, sondern ganz allgemein in der heutigen Zeit weltweiter Spaltungen, Krisen und Bedrohungen aktueller denn je: dass jeder sich bemüht, in seinem vermeintlichen „Gegner“ jenen „göttlichen Funken“ zu sehen, der ihm Würde verleiht. Dabei müssen wir nicht einmal in die USA zu den erbitterten Machtkämpfen zwischen Republikanern und Demokraten, zum Konflikt zwischen Brexitbefürwortern und Brexitgegnern in Grossbritannien, zu den Spannungen zwischen radikalen Moslems und radikalen Hindus in Indien oder in den deutschen Bundestag schauen, wo sich die Abgeordneten der verschiedenen Parteien gegenseitig in Grund und Boden schimpfen. Wir können uns auch bei der eigenen Nase nehmen und uns die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern von Coronaschutzmassnahmen und Impfungen vor Augen führen, dies mitten in einem Land wie der Schweiz, das auf seine demokratische Tradition doch so stolz ist. Diese Gehässigkeiten haben mittlerweile ein so hohes Mass erreicht, dass Gesundheitsminister Alain Berset bei seinem heutigen TV-Auftritt in der Sendung „Arena“ sogar von einem Sonderkommando vor möglichen Tätlichkeiten geschützt werden muss. Von der sufistischen Weisheit, wonach jeder Mensch einen „göttlichen Funken“ in sich trägt, der alle Menschen miteinander verbindet, sind wir meilenweit entfernt. Dabei ist all das, was Menschen miteinander verbindet – auch wenn sie noch so zerstritten sein mögen -, doch allemal viel grösser und wesentlicher als das, was sie voneinander trennt. Nicht umsonst steht die Forderung der Feindesliebe auch im Zentrum der christlichen Überlieferung. Haben wir das alles vergessen? Erinnern wir uns an unsere christlichen Wurzeln immer nur noch dann, wenn gerade Ostern oder Weihnachten gefeiert wird? Vielleicht stehen wir ja gerade heute weltweit an einem Scheideweg, der keinen Mittelweg mehr zulässt: Entweder folgen wir dem Weg der Liebe, der Sanftheit, der Bescheidenheit. Oder dem Weg des Hasses und der Gewalt bis hin zu ihrer extremsten Form, dem Krieg. Dies hatte wohl schon der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King vor über 50 Jahren mit prophetischem Weitblick vorausgesehen, als er sagte: „Wenn wir nicht lernen, miteinander als Brüder und Schwestern zu leben, werden wir als Narren miteinander untergehen.“

Berichterstattung über die jüngsten Ereignisse in Afghanistan: Nicht einmal die halbe Wahrheit…

 

Wenn man die Berichterstattung über die jüngsten Ereignisse in Afghanistan verfolgt, dann fällt auf, dass die historische Rückschau meist erst am 11. September 2001 beginnt: Der US-amerikanische Einsatz gegen Afghanistan als „Rachefeldzug“ gegen die Drahtzieher des Terroranschlags auf das World-Trade-Center in New York mit rund 3000 Opfern. Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Erstens war es niemand anders als die USA, welche zur Zeit der Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion (1979-1989) die gegen die Sowjets kämpfenden Rebellen der Mudschaheddin massiv ideologisch und militärisch unterstützten – genau jene aus der damaligen Sicht der USA „guten“ Mudschaheddin, welche sich dann später sozusagen über Nacht, oh Schreck, in die „bösen“ Taliban verwandeln sollten. Zweitens ist bis heute nicht eindeutig erwiesen und es gab darüber auch nie eine umfassende, breit abgestützte Untersuchung, wer tatsächlich hinter den Anschlägen auf das World-Trade-Center steckte. Sicher ist nur, dass die beteiligten Terroristen und Flugzeugentführer nicht aus Afghanistan stammten, sondern aus Saudi-Arabien. Drittens ist bekannt, dass der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld beim Angriff auf Afghanistan sowie zwei Jahre später beim Angriff auf den Irak als höchst unzimperlicher Kriegstreiber, der gerne auch mal die Wahrheit zu seinen Gunsten zurechtbog, eine zentrale Rolle spielte. Gut möglich, dass er schon seit Längerem mit einer Invasion Afghanistans geliebäugelt hatte und nun die Terroranschläge vom 11. September 2001 genau die ideale Gelegenheit bildeten, endlich loszuschlagen. Es gibt, man sollte es nicht vergessen, immer auch noch die These, die US-Regierung hätte den Anschlag auf das World-Trade-Center selber inszeniert, um einen Vorwand für den Einmarsch in Afghanistan zu haben. Auch wenn man diese These als Hirngespinst abtun mag, so ist doch höchst erstaunlich, dass alle diese offenen und ungeklärten Fragen rund um die Afghanistaninvasion in der aktuellen medialen Berichterstattung kaum eine Rolle spielen und der US-Angriff auf Afghanistan weiterhin als reine Vergeltung für die Anschläge vom 11. September 2001 legitimiert bleibt – und dies alles unbeschadet der Tatsache, wie viel Leiden dieses militärische Engagement der USA insbesondere unter der afghanischen Zivilbevölkerung mit insgesamt fast 50’000 Opfern über zwei Jahrzehnte hinweg angerichtet hat. Zählt man die Opfer unter den Taliban, dem afghanischen und dem Militär der Invasionstruppen dazu, kommt man gar auf rund 240’000 Tote – 80 Mal mehr, als die Anschläge auf das World-Trade-Center gefordert hatten…

Das Geldgefälle und die doppelte Ausbeutung der Dienenden durch die Herrschenden

 

Es ist alles eine Frage des Geldgefälles. Wer viel Geld hat, befiehlt. Wer wenig Geld hat, ist dazu verdammt, sich in den Sklavendienst des Reichen zu begeben. Wer genug Geld hat, kann zwanzig Arbeiter anstellen, die ihm ein Haus bauen, Arbeiter, von denen es sich die meisten nie werden leisten können, selber jemals in einem eigenen Haus zu wohnen. Wer genug Geld hat, kann sich ein Wohnmobil leisten, welches von Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeitern hergestellt wurde, von denen sich die wenigsten jemals ein eigenes Wohnmobil leisten können. Wer genug Geld hat, kann sich im Modegeschäft ein extravagantes Abendkleid kaufen, das sich weder die Näherin des Kleides noch die Verkäuferin, welche die Kundin berät, jemals wird leisten können. Wer genug Geld hat, kann im Luxusrestaurant essen, wo Köche, Köchinnen und Serviceangestellte arbeiten, die sich ein solches Essen selber niemals leisten könnten, und er kann im Luxushotel übernachten, wo Zimmermädchen das Bett herrichten und alles saubermachen, die sich selber niemals eine Übernachtung in einem solchen Hotel leisten könnten. Aber das alles ist nur die eine Seite der Ungerechtigkeit. Die andere besteht darin, dass der Reiche ja nicht deshalb reich ist, weil er besonders viel dafür geleistet hat. Vielleicht ist ein grosser Teil seines Vermögens vererbt, vielleicht hat er ein goldenes Händchen beim Anlegen von Aktien oder anderen Kapitalanlagen, vielleicht besitzt er gewinnbringende Immobilien, vielleicht hat er auch ganz einfach Glück gehabt und sich einen Job ergattert, bei dem er locker zehn oder zwanzig mal mehr verdient als andere, ohne deswegen zehn oder zwanzig mal länger oder härter arbeiten zu müssen. Da aber Geld bekanntlich nicht auf den Bäumen wächst und bisher auch noch nie vom Himmel gefallen ist, bedeutet dies, dass jeder Franken, den der Reiche besitzt, ein Franken ist, der dem Armen fehlt. So haben wir es mit einer doppelten Ausbeutung zu tun: Zuerst beklaut der Reiche den Armen auf zahllosen verschlungenen, teils sichtbaren und teils unsichtbaren Wegen. Und dann wird der Beklaute zum Sklaven, zur Sklavin des Reichen, weil ihm ja nichts anderes übrigbleibt, als Arbeit zu verrichten, deren Früchte nun wiederum in erster Linie den Reichen zugute kommen oder ihn sogar noch reicher machen, als er schon ist. Lösen lässt sich diese doppelte Ungerechtigkeit, so utopisch dies klingen mag, nur durch die Einführung eines Einheitslohns und die Begrenzung des Vermögens auf eine Summe, an der alle, ob Bauarbeiter, Krankenpflegerin oder Rechtsanwältin, den gleich grossen Anteil haben. Damit jegliches Geldgefälle verschwunden und niemand mehr gezwungen ist, sich in den Sklavendienst eines anderen zu begeben. Alle würden miteinander auf Augenhöhe leben und arbeiten, alle würden sich gegenseitig dienen und alles wäre Tauschen und Teilen zwischen Gleichberechtigten. Dann, wenn alle die genau gleich langen Spiesse hätten, könnte sogar so etwas wie „Freie Marktwirtschaft“ funktionieren, die dann aber frei wäre von jeglicher Ausbeutung. Selbstredend, dass dies weltweit gelten müsste, denn sonst würde der Sklavendienst nur endlos weitergehen, nicht nur zwischen den Menschen, sondern auch von Land zu Land. Wie oft und wie abgedroschen ist das Gerede von der „sozialen Gerechtigkeit“! Doch dies ist ein ernsthafter Begriff. Soziale Gerechtigkeit ist nicht erreicht, wenn Renten um ein paar Prozent erhöht werden oder man lächerlich niedrige Mindestlöhne einführt. Soziale Gerechtigkeit ist kein dehnbarer und relativer Begriff. Sie ist ein universelles Menschenrecht. Und sie wird erst an dem Tag Wirklichkeit geworden sein, wenn es zwischen Menschen kein Geldgefälle mehr gibt und damit auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit und keinen Sklavendienst. Die Abschaffung der Sklaverei, zu früh gefeiert, steht uns erst noch bevor…

Der Flugpassagier und das Kabinenpersonal, das eines Tages einfach keine Lust mehr hatte, „lustvoll“ zu arbeiten…

 

M.G. berichtet am 20. August 2021 in „20minuten“ von seinem Flug von Dubai nach Zürich. Der Sitz sei dreckig gewesen, am Boden seien Abfälle herumgelegen und: „Das Personal hatte nicht besonders Bock zu arbeiten und auch keine grosse Lust, den Müll zu entsorgen.“ Aha! Da stellt man immer weniger Personal während immer längerer Arbeitszeiten zu immer kleinerem Lohn an und dann erwarten die Kundinnen und Kunden trotzdem, dass die „mit Lust“ ihren Abfall wegräumen. Auch die Gäste im Speiserestaurant erwarten, dass sie „lustvoll“ bedient werden, auch wenn die Füsse der Serviceangestellten vom vielen Herumlaufen und Tragen der Tablette noch so brennen. Gewiss erwarten sie auch, dass das Essen „lustvoll“ zubereitet wurde – auch wenn das Arbeit in der Küche bei 40 Grad und mit Gesichtsmaske die reine Hölle ist. Auch die Zimmermädchen in den Hotels sollen das Zimmer „lustvoll“ herrichten, auch wenn sie unter ständigem Zeitdruck stehen und ekligste Rückstände der Gäste entsorgen müssen. Auch die Krankenpflegerinnen, Friseusen, Verkäuferinnen und die Arbeiter in der Kanalisation, in Baugruben und Tunnels sollen „lustvoll“ arbeiten. Manchmal frage ich mich, wie viel es wohl noch braucht, bis sie alle, die unter miesesten Bedingungen schwerste Arbeit verrichten und dennoch stets freundlich, fleissig und „lustvoll“ sein sollen, ihre Besen, Schaufeln und Pfannen weit von sich werfen und sagen: Jetzt ist genug. Verhindert wird dies wohl nur dadurch, dass über alledem ein riesiger Trugschluss, eine riesige Lüge liegt, welche sowohl die Arbeitenden wie auch jene, die von dieser Arbeit profitieren, so sehr in sich aufgesogen haben, dass sie sich etwas grundlegend anderes schon gar nicht mehr vorstellen können. Die Lüge nämlich, dass Arbeiterinnen und Arbeiter „froh“ und „dankbar“ sein müssten, überhaupt eine Arbeitsstelle zu haben, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Und dass sie deswegen auch bereit sein müssten, noch so miese Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen, sich von noch so ekligen Kundinnen und Kunden schikanieren zu lassen und auch dann noch „lustvoll“ zu arbeiten, wenn sie übelste, anstrengendste und beschwerlichste Tätigkeiten verrichten müssen. Eigentlich müsste man alles umdrehen: Nicht die „Arbeitnehmenden“ müssten dankbar sein dafür, arbeiten zu „dürfen“. Nein, die „Arbeitgebenden“, müssten dankbar sein für die Leistung, welche die „Arbeitnehmenden“ ihnen zur Verfügung stellen. So gesehen müsste man konsequenterweise auch die Begriffe des „Arbeitgebers“ und des „Arbeitnehmers“ umkehren. Die Arbeitenden sind es ja, welche ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, während die „Arbeitgeber“ tatsächlich bloss jene sind, welche diese Arbeitskraft in Anspruch nehmen. Das höchste Gut ist eben nur vermeintlich das Kapital in den Händen des „Arbeitgebers“. Tatsächlich aber ist das höchste Gut die Leistungsbereitschaft, die Intelligenz, die körperlichen Kräfte, das manuelle Geschick, die Phantasie und die Kreativität der so genannt „Arbeitnehmenden“. Wäre all das nicht abrufbar, dann würde sich auch die beste Firma mit  dem grössten Kapital von einer Sekunde zur andern in Luft auflösen und der Passagier, der sich im Flug von Dubai nach Zürich über einen dreckigen Sitz und herumliegende Abfälle ereifert hat, könnte seinen Dreck selber wegräumen…

Eine Vision: Die Universitäten als Brennpunkte gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Zukunftsgestaltung

 

Im Samstagsgespräch des „Tagesanzeigers“ vom 14. August 2021 befasst sich die Ökonomin Isabel Martinez mit den wachsenden Unterschieden zwischen Arm und Reich, dem Einfluss der Bildung auf den Wohlstand und der 99-Prozent-Initiative der schweizerischen Juso. „Vermögen und Einkommen in der Schweiz“, so Martinez, “ sind seit den 90er-Jahren überproportional gewachsen, das oberste 0,01 Prozent der Bevölkerung hat in den 90er-Jahren zwischen 4,5 und 6 Prozent aller Vermögen gehalten, jetzt sind es zwischen 8 und 12 Prozent. Das Kuchenstück der Reichen hat sich also in den letzten zehn Jahren verdoppelt.“ Auf die Frage, weshalb das so sei, lacht Martinez und meint: „Wenn ich diese Frage so einfach beantworten könnte, könnte ich auf den Nobelpreis spekulieren.“ Ich staune. Ich bin zwar alles andere als ein Nobelpreisträger und meine ökonomischen Kenntnisse würde ich eher als rudimentär bezeichnen. Dennoch weiss ich, wie bald jedes Kind, dass stets Reichtum Voraussetzung ist für noch mehr Reichtum. Ich weiss, dass einmal vorhandenes Geld, genug geschickt angelegt, stets die Tendenz hat, sich selber zu vermehren. Ich weiss auch, dass ein Unternehmen dann am meisten Gewinn macht, wenn die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag möglichst gross ist, was nichts anderes heisst, als dass Firmenbesitzer, Managerinnen und Aktionäre ihre Erträge indirekt daraus generieren, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger verdienen, als ihre Arbeit eigentlich Wert wäre. Ich weiss auch, dass von jedem Franken, den ich im Supermarkt ausgebe, der kleinste Teil an die Produzentinnen und Produzenten, der grösste Teil aber an die höheren Angestellten, die Firmenchefs und allfällige Kapitalbeteiligte geht. Ich weiss auch, dass man durch den Besitz von Immobilien, die man möglichst gewinnbringend vermietet, sagenhaft reich werden kann, ohne dafür einen Finger krumm machen zu müssen. Und ich weiss auch, dass die meisten Reichen nicht zuletzt deshalb so reich sind, weil sie bereits angehäuftes Kapital von der vorangegangenen Generation, die ihrerseits schon weit überdurchschnittlich reich war, erben konnten. Dass die Ökonomin dies alles nicht zu wissen scheint und die wachsenden Unterschiede zwischen Arm und Reich eher als so etwas wie ein Naturereignis betrachtet, dem man machtlos gegenübersteht, zeigt, wie sehr eben auch Ökonominnen und Ökonomen – oder zumindest die meisten unter ihnen – Teil dieses kapitalistischen Systems sind, das uns alle bis in unsere äussersten Hirnwindungen durchdringt. Ein System, das uns vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen lässt. Ein System, das wir von klein auf in uns aufgesogen haben, so dass wir uns etwas grundlegend anderes schon gar nicht mehr vorzustellen vermögen. Selbst sämtliche unserer Hochschulen, wo doch angeblich die gescheitesten, neugierigsten und kritischsten Menschen sitzen müssten, verkünden das Hohe Lied des „freien Marktes“, was aber bloss ein anderes Wort für Kapitalismus ist. Wird nicht stets an allen Ecken und Enden der „freie Wettbewerb“ propagiert? Dann sollte dies aber nicht nur ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Automarken, Küchengeräten und Turnschuhen sein, sondern auch ein Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsvisionen, von denen der Kapitalismus dann nicht mehr die alleinseligmachende wäre. Dann wären Hochschulen auf einmal nicht mehr nur Vermittlerinnen von althergebrachtem Wissen, sondern Brennpunkte radikaler Zukunftsgestaltung – angesichts der heutigen sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedrohungen dringender nötig denn je. Und dann würde eine Ökonomin, die man fragen würde, weshalb der Kapitalismus so sei wie er sei, sich kaum mehr verlegen lachend mit der Antwort abfinden, man müsste eben, um diese Frage zu beantworten, eine Nobelpreisträgerin sein.

Die Politik allein wird den Klimawandel nicht aufhalten können

 

Wenn die Lösung der Klimakrise nur von fähigen oder unfähigen Politikerinnen und Politikern abhängen würde, dann wäre es einfach. Doch nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern auch Konzernchefs und Finanzspekulanten, Arbeiterinnen und Arbeiter, Bürgerinnen und Bürger, ich und du – wir alle sitzen im gleichen goldenen Käfig des Kapitalismus. In diesem Käfig, dessen oberstes Gesetz der Wettbewerb ist: Auf Teufel komm raus schneller, produktiver, gewinnbringender zu sein als die Konkurrenz. Die kapitalistischen Wirtschaftsmächte vom kleinen Unternehmen bis zum multinationalen Konzern sind nicht darauf ausgerichtet, weltweit den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. Sie sind darauf ausgerichtet, aus Geld noch mehr Geld zu machen, möglichst billige Rohstoffe in möglichst teure Endprodukte umzuwandeln und endlos neue Bedürfnisse zu schaffen – für all jene, die sich das leisten können, während alle anderen selbst auf das Allernotwendigste verzichten müssen. Und dies alles, damit das Wachstum, diese heiligste der heiligen Kühe des Kapitalismus, nur ja nie an ein Ende gelangt. Bei alledem befinden sich nicht nur die einzelnen kapitalistischen Betriebe des jeweiligen Landes, sondern auch die kapitalistischen Volkswirtschaften jeder einzelnen Nation weltweit in einem permanenten, sich gegenseitig immer mehr aufschaukelnden und beschleunigenden Konkurrenzkampf. Würde ein einzelnes Land das Pariser Abkommen buchstabengetreu erfüllen, dann wäre das für alle anderen Länder ein gefundenes Fressen und sie wären einen ihrer Konkurrenten los. Wie bei einem Wettlauf: Stolpert einer der Konkurrenten, dann steigt die Chance der übrigen auf den Sieg umso mehr. Daher kann die Politik alleine den Klimawandel nicht aufhalten. Auch ein Land alleine kann es nicht schaffen. Eine weltweite Abkehr von der kapitalistischen Wachstums- und Konkurrenzwirtschaft ist unabdingbar, hin zu einer global vernetzten Wirtschaft, deren oberstes Ziel nicht mehr Wachstum und Profitmaximierung ist, sondern die Erfüllung eines guten Lebens für alle, im Einklang mit der Natur und mit den Lebensbedürfnissen zukünftiger Generationen. „Entweder werden wir als Brüder und Schwestern gemeinsam überleben, oder als Narren miteinander untergehen“ – so der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King. Es ist, als hätte er die Zeit, in der wir heute leben, auf prophetische Weise vorausgesehen…

Ein falsch verstandener Freiheitsbegriff und seine katastrophalen Folgen

 

Gegnerinnen und Gegner einschneidender Klimaschutzmassnahmen berufen sich gerne auf das „Recht auf Freiheit“. Das Recht darauf, so viele nötige oder auch unnötige Dinge zu kaufen, wie es das Haushaltsbudget nun einmal zulässt. Das Recht darauf, ein bärenstarkes Auto zu kaufen und damit so lange und so schnell und so weit zu fahren wie nur möglich. Das Recht darauf, den Urlaub auf Mallorca oder auf den Malediven zu verbringen. Das Recht darauf, täglich ein dickes Stück Fleisch auf dem Teller zu haben. Bei alledem geht leicht vergessen, dass Freiheit nie nur etwas Privates, sondern immer auch etwas Gesellschaftliches ist. Freiheiten, die ich nur deshalb ausüben kann, weil andere gleichzeitig darauf verzichten müssen, sind nicht echte Freiheiten, sondern bloss Privilegien auf Kosten anderer. Und diese anderen, das sind die zukünftigen Generationen. Je mehr unnötige Dinge wir konsumieren, je häufiger wir uns mit Auto oder Flugzeug fortbewegen, je mehr Fleisch wir essen – umso weniger wird von alledem denen übrig bleiben, die in 20 oder 50 Jahren auf diesem Planeten leben werden. Der äusserste Rahmen allen individuellen, gesellschaftlichen und ökonomischen Tuns sollte daher nicht die „Freiheit“ – in der Gestalt von Privilegien auf Kosten anderer – sein, sondern die Gerechtigkeit. Nicht umsonst lautete die Parole der Französischen Revolution 1789: „Freiheit, Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit“. Diese drei Werte sind unauflöslich miteinander verbunden, niemals lässt sich einer unabhängig von den anderen verwirklichen. Mehr denn müssten uns in diesen Tagen all die apokalyptischen Bilder und Meldungen sich weltweit jagender Katastrophen die Augen dafür öffnen, auf manch Liebgewonnenes zu verzichten. Nicht um die Freiheit zu verlieren, sondern im Gegenteil, um sie zu gewinnen für uns selber wie auch für alle Menschen weltweit hier und heute und für die nachfolgenden Generationen. Denn, wie schon der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: „Was alle angeht, können nur alle lösen.“

Kapitalismus schaffe Reichtum und Wohlstand? Schön wäre es…

 

Cheri Renfro berichtet im Podcast „Working People“ von ihrer Arbeit bei Frito-Lay im US-Bundesstaat Kansas. Frito-Lay ist einer der grössten US-Hersteller von Kartoffel- und Maischips. Die bereits vor der Coronapandemie äusserst anstrengende Arbeit sei infolge Corona noch viel schlimmer geworden, da die Pandemie einen Boom im Chipsgeschäft ausgelöst hätte. In den Warenhäusern von Frito-Lay herrschen im Sommer Temperaturen von über 37 Grad, die Arbeit sei körperlich anstrengend, dazu komme die Maskenpflicht. Mit einer Maske auf Leitern zu steigen und Kisten zu stapeln, so Renfro, sei bei so hohen Temperaturen kaum in gewohntem Tempo machbar. Selbst ohne Masken sei es bei solchen Temperaturen schon zu Todesfällen gekommen. Und jetzt habe man, weil viele Angestellte krankheitshalber ausgefallen seien, die Schichten sogar noch von 8 auf 12 Stunden verlängert und die Sechstagewoche sei immer mehr zur Regel geworden. Zeitweise seien daraus über Monate sogar sieben Tage geworden. Am meisten gehasst werde die „Selbstmordschicht““, bei der an eine Achtstundenschicht vier Stunden Überzeit angehängt würden und die darauffolgende Schicht dann vier Stunden früher beginne. So schlimm die Arbeitsbedingungen für die Angestellten, so hoch der Profit des Unternehmens. Der Umsatz, so Renfro, habe im letzten Jahr mehr als eine Milliarde Dollar über den Prognosen gelegen. Die Löhne dagegen seien nach wie vor tief. Auch in den Amazon-Warenhäusern, so Gabriel Mac, seien die Arbeitsbedingungen haarsträubend: Die Angestellten sind gezwungen, im Laufschritt durch das Warenhaus zu hetzen, denn die Zeit, die man benötigen darf, um einen Artikel auszusortieren, sei von einem elektronischen Taktgeber auf die Sekunde vorgeschrieben. Hunderte Male hätte Mac wegen der elektronischen Aufladung der Regale Stromschläge bekommen, doch die Firmenleitung hätte nichts dagegen unternommen. Die Arbeitszeit sei so eng getaktet, dass die Angestellten nur in kurzen Worten miteinander reden könnten. Selbst ein Schluck Wasser koste wertvolle Sekunden. Jede Sekunde, die jemand zu spät käme oder die Pause überziehe, hätte Strafpunkte zur Folge. Doch trotz der unmenschlichen Arbeitsbedingungen könnten sich, so Mac, die Angestellten immer weniger leisten. Selbst eine Zweizimmerwohnung zu marktüblichen Preisen sei für Angestellte im Niedrigstlohnsektor nicht mehr bezahlbar. Und auch eine Einzimmerwohnung könnten sich nur die allerwenigsten leisten. Bei diesen Schilderungen, die ich dem Online-Magazin „Infosperber“ vom 3. August 2021 entnommen habe, muss ich unwillkürlich an die Aussage eines allzu kapitalismusfreundlichen Zeitgenossen denken, der behauptete, kein Wirtschaftssystem hätte jemals so viel Reichtum und Wohlstand geschaffen wie der Kapitalismus. Ja, ganz Unrecht hatte er ja nicht, er vergass bloss hinzuzufügen, dass dieser Reichtum und dieser Wohlstand höchst ungleich verteilt sind. Fito-Lay und Amazon, zwei von Millionen und Abermillionen kapitalistischer Unternehmen weltweit, in denen sich Tag für Tag der Schweiss, das Blut und die Tränen der arbeitenden Menschen in den Luxus und den Reichtum der Reichen und Reichsten verwandeln. Wie viel Leid braucht es noch, bis das Märchen von der Menschenfreundlichkeit des Kapitalismus endgültig als Lüge entlarvt sein wird und die Zeit gekommen sein wird für ein von Grund auf neues Wirtschaftssystem, in dem nicht mehr Wachstum und Profitmaximierung, sondern die soziale Gerechtigkeit und das gute Leben für alle an oberster Stelle stehen werden…