Am Buchser Montagsgespräch vom 16. Juni stellte Eric Zaindl, Ökonom und Buchautor, seine Vision einer „Welt ohne Geld“ vor, die er auch in Buchform veröffentlicht hat. Durch seine intensiven Recherchen und beruflichen Erfahrungen – vom Sachbearbeiter bis zum Geschäftsführer in verschiedenen Unternehmen – sei er zur Erkenntnis gelangt, dass eine geldfreie Welt möglich wäre. Oder dann eine Welt mit einem gerechteren Geldsystem, als das heute der Fall sei.
Zaindl zitierte den US-amerikanischen Unternehmer Henry Ford: „Würde die Menschheit das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ In der Tat beruhe die Macht des herrschenden Geldsystems auf dem Nichtwissen der breiten Bevölkerung über die Mechanismen, die hinter der Geldschöpfung stecken. Über 90 Prozent der Gesamtmenge an Geld existiere gar nicht in physischer Form, sei reines Buchgeld, das auf der Basis von Krediten von Banken oder anderen Finanzinstitutionen geschaffen würde. Dabei ginge es oft um so gigantische Beträge, dass diese gar nie zurückbezahlt werden könnten, während kleinere, an KMU oder Privatpersonen verliehene Kredite stets samt Zins zurückzuerstatten seien. Gleichzeitig werde öffentlich der Anschein erweckt, als dass Geld Mangelware sei, was es im Alltag vieler Menschen auch tatsächlich sei, allerdings nicht für die geldschöpfenden Institutionen. Dieses Mangeldenken werde dann zur Ausrede genommen, zu wenig Geld für wichtige öffentliche Aufgaben zu haben, wie z.B. für die seit Jahrzehnten hinausgeschobene Lösung des Hungerproblems in sogenannten Entwicklungsländern. Viele der heutigen sozialen und wirtschaftlichen Probleme seien eine unmittelbare Folge dieses ungleichen Zugangs zu Geld. Es brauche daher grundlegend neue Ansätze, denn, wie auch Albert Einstein gesagt hätte: Probleme liessen sich nicht mit der gleichen Denkweise lösen, mit welcher sie entstanden seien.
Würden die Menschen überhaupt noch arbeiten, wenn der Anreiz, damit Geld zu verdienen, nicht mehr vorhanden wäre? Eine Diskussionsteilnehmerin wies darauf hin, dass der Mensch ein zutiefst soziales Wesen sei und nicht von Natur aus egoistisch und habgierig. Es würde wohl ein Füreinander und Miteinander entstehen, wenn das Gelddenken wegfallen und der Leistungsdruck, sprich das Müssen, durch ein Dürfen ersetzt würde. Ein Wirtschaftssystem ohne Geld, so Zaindl, würde zudem zu einem viel nachhaltigeren Umgang mit den vorhandenen Ressourcen führen, da das Ziel der Produktion dann nicht mehr in einer möglichst gewinnbringenden Vermarktung der Güter und damit verbundenem Überkonsum liegen würde, sondern in der Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse weltweit. Es brauche angesichts der immensen Herausforderungen unserer Zeit dringend neue Ideen, so ein Diskussionsteilnehmer, der in diesem Zusammenhang an ein bekanntes Zitat des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer erinnerte: „Ein neuer Gedanke wird zuerst verlacht, dann bekämpft, bis er nach längerer Zeit als selbstverständlich gilt.“
Weltweit macht man Jagd auf Taschendiebe, Obdachlose, Ausgehungerte, Flüchtlinge, die sich in purer Verzweiflung bloss einen winzigen Teil dessen, was ihnen und ihren Vorfahren über Jahrhunderte geraubt wurde, zurückzuholen versuchen. Alles ein gigantisches Ablenkungsmanöver. Holt sie alle raus aus den Gefängnissen! Damit endlich der Platz frei wird für die wahren Übeltäter unserer Zeit. Für Politiker, die aus purer Liebe zur Macht nicht einmal davor zurückschrecken, Zehntausende unschuldiger Kinder in den Tod zu schicken. Für all jene, die in diesen Tagen nichts Gescheiteres wissen, als einen nächsten grossen Krieg vorzubereiten, vernichtender, zerstörerischer, tödlicher denn alle anderen Kriege je zuvor. Für all jene Unsichtbaren und Namenlosen, die, von den steigenden Aktienkursen der Rüstungskonzerne profitierend, auf fernen Inseln aus dem Blut und den Seelen getöteter Kinder ihre Villen bauen, ausschweifendste Partys feiern und sich rund um die Uhr von den Leidensgenossinnen und Leidensgenossen all jener bedienen, verwöhnen und füttern lassen, die man an anderen Ecken der Welt in Minen tief unter der Erde, auf glühendheissen Baustellen, auf endlosen Plantagen und dicht an dicht eingesperrt in riesigen Fabrikhallen so hart, so lange und so erbarmungslos schuften lässt, bis sie eines viel zu frühen Todes sterben.
Hätte noch jemand die Illusion gehabt, wenigstens die offiziellen Schweizer Medien würden einigermassen objektiv und ausgewogen über das aktuelle Tagesgeschehen berichten, müsste sich diese Illusion spätestens heute, am 25. Mai 2025, in Nichts aufgelöst haben…
Denn das bekamen an diesem Tag die Hörerinnen und Hörer der Mittagsnachrichten auf Radio SRF zu hören:
Die Ukraine hat einen der grössten Angriffe seit Beginn des russischen Angriffskriegs hinter sich. Russland griff die Ukraine die zweite Nacht in Folge aus der Luft an. Der ukrainische Präsident Selenski spricht von Terror. Aus Kiew berichtet Peter Sowitzki von der ARD: „Wieder hat Russland die Ukraine massiv aus der Luft angegriffen. Die Attacken mit etwa 300 Drohnen sowie 70 Raketen und Marschflugkörpern forderten mindestens zwölf Todesopfer, über 60 Personen wurden verletzt. Unter den Toten sind mindestens drei Kinder. Im Zuge der Luftangriffe gab es ebenso Schäden an Gebäuden, darunter ein Studentenwohnheim in Kiew. Der ukrainische Präsident Selenski rief einmal mehr zu einem härteren Vorgehen gegen Russland auf. Ohne starken internationalen Druck, vor allem der USA und Europas, könne die russische Führung nicht gestoppt werden, schrieb Selenski in seinem Telegramkanal. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas zeigt sich erschüttert über die neuesten Angriffe und dass dabei auch Kinder gestorben seien. Dies zeige, dass Russland weiteres Leid und die Vernichtung der Ukraine anstrebe. Es brauche den stärksten internationalen Druck auf Russland, um den Krieg zu beenden.“
Und ausserdem noch das:
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben eine Rakete abgefangen, die aus dem Jemen abgefeuert worden war. Zuvor hatte es in mehreren Teilen Israels Luftalarm gegeben, etwa in Jerusalem. Seit Beginn des Gazakriegs feuern jemenitische Huthi-Rebellen immer wieder Raketen auf Israel. Die Rebellen bezeichnen dies als Solidaritätsbekundung für die Hamas im Gazastreifen. Zum neuesten Raketenbeschuss äussern sich die Huthis nicht. Die israelische Luftabwehr hat bisher die meisten Huthi-Raketen abgefangen oder sie im Meer versenkt, bevor sie Israel erreichten.
Mehr gab es weder zum Ukrainekonflikt noch zur Lage im Nahen Osten zu hören, noch zum übrigen Weltgeschehen.
Doch in dieser gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2025, da in der Ukraine zwölf Menschen durch russische Drohnenangriffe getötet wurden, verloren im Gazastreifen gemäss unterschiedlicher Schätzungen 300 bis 500 Menschen, davon mehrheitlich Frauen und Kinder, ihr Leben infolge der erneut intensivierten Bombardierungen durch die israelische Luftwaffe nach dem einseitigen und unbegründeten Abbruch der Waffenruhe durch die israelische Regierung vor wenigen Tagen, inmitten unabsehbarer Trümmerfelder, in denen kaum mehr ein Stein auf dem andern steht, selbst fast alle Spitäler dem Erdboden gleichgemacht wurden und Zehntausende von Kindern unter unvorstellbaren Schmerzen von unmittelbarem Hungertod bedroht sind. In der gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai geschah eine weitere unvorstellbare Tragödie: Es trafen rund 4000 Menschen, die aus der vom Krieg total verwüsteten sudanesischen Region Zamzam geflüchtet waren, nach einem mehrtägigen Gewaltmarsch in der Ortschaft Tawila ein, besser gesagt jene, welche die Flucht überlebt hatten und nicht auf dem Weg dorthin liegen geblieben waren, weil ihre Kraft nicht mehr ausgereicht hatte, um auch nur einen einzigen Schritt weiterzugehen – die in Tawila Angekommenen hatten tagelang weder etwas gegessen noch etwas getrunken, befanden sich zum allergrössten Teil in einem lebensgefährlichen Zustand von Dehydrierung und Erschöpfung, konnten sich teils nur noch auf dem Boden kriechend fortbewegen und es war ihnen nichts geblieben ausser den Kleidern an ihrem Leib, oft nicht einmal das. In der gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2025 wurden zudem, wie seit Monaten auch in allen anderen Nächten zuvor, erneut Dutzende von Flüchtlingen, darunter auch Frauen und Kinder, in Kleinbussen, eng aneinander gepfercht, von Tunesien aus an die Grenze zur libyschen Wüste gekarrt, dort angelangt durch bis an die Zähne bewaffnete Frontex-Sicherheitsleute aus den Bussen gerissen und in ein bitterkaltes und tiefdunkles Niemandsland hinausgeprügelt, aus welchem die wenigsten von ihnen jemals wieder lebendig zurückkehren würden – ein mit EU-Geldern in Millionenhöhe gesponsertes „Sicherheitsprogramm“, von dem die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei seiner Lancierung vor zwei Jahren geschwärmt hatte, dass es sich um eine ganz besonders „humane“ Massnahme handle, um Europa von einer zu grossen Anzahl von aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und afrikanischen Ländern Geflüchteten zu verschonen. Und in der gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2025 starben, zusätzlich zu den unzähligen Opfern in den derzeit rund 60 Kriegsgebieten von der Westsahara über den Ostkongo bis nach Myanmar, wie an jedem einzelnen auch aller anderen Tage, erneut weltweit rund 7’000 Kinder vor dem Erreichen ihres fünften Lebensjahrs unter unvorstellbaren Qualen, weil sie in ihrem ganzen bisherigen, viel zu kurzen Leben auch nicht einen einzigen Tag lang genug zu essen bekommen hatten.
Es versteht sich von selber, dass auch das Schweizer Radio SRF, selbst wenn es sich noch so viel Mühe gäbe, in einer etwa fünfminütigen Nachrichtensendung nicht annähernd über all das berichten könnte, was sich in den 24 Stunden zuvor weltweit an Verbrechen, kriegerischen Ereignissen, Todesopfern durch Armut, Hunger oder politischer Verfolgung ereignet hat, von der schleichend zunehmenden, die gesamte Zukunft der Menschheit bedrohenden Klimaerwärmung ganz zu schweigen. Doch gäbe es ja nebst den Mittagsnachrichten um 12.30 Uhr jede halbe Stunde von früh bis spät weitere Nachrichtensendungen, in denen man jeweils wieder andere Themenschwerpunkte setzen und andere wichtige Ereignisse stichwortartig ergänzen könnte. Auch wenn nicht sämtliche Radiohörerinnen und Radiohörer alle diese Sendungen lückenlos zu Ohr bekämen, ergäbe sich auf solche Weise dennoch insgesamt ein weitaus umfassenderes, objektiveres Bild des aktuellen Tagesgeschehens, als wenn die oben zitierte Berichterstattung, in der es ausschliesslich um die russischen Drohnenangriffe auf die Ukraine und die erfolgreiche Abwehr von jemenitischen Raketen durch Israel ging, zwanzig Mal in nahezu identischer Ausführung wiederholt wird. Man könnte zwar einwenden, unterschiedlichste Themen würden sehr wohl in der grossen Palette sämtlicher Radiosendegefässe berücksichtigt, jedoch haben die offiziellen Nachrichten zu jeder halben Stunde ein ganz besonderes Gewicht: Viele, die sich nur kurz über das Allerwichtigste informieren möchten und keine Zeit haben, stundenlang am Radio zu sitzen, machen sich aufgrund dieser äusserst knapp gehaltenen Informationen ihr Bild über das, was zur Zeit gerade an wirklich „Wichtigem“ und „Wesentlichem“ abläuft. Und das ist dann schliesslich auch das, was in den meisten Köpfen über längere Zeit hinweg hängenbleibt.
Das ist die erste Erkenntnis: Dass Nachrichtensendungen in dieser Kürze nur einen winzigsten Splitter der Gesamtrealität vermitteln können und es völlig willkürlich ist, welche dieser Splitter in den Vordergrund gestellt werden und welche nicht. Wäre es an diesem 25. Mai 2025 tatsächlich darum gegangen, jenen Ereignissen am meisten Raum zu gewähren, welche die allermeisten Todesopfer und die allermeisten Zerstörungen zur Folge gehabt hatten, dann hätte die Meldung über zwölf Todesopfer infolge russischer Drohnenangriffe auf die Ukraine selbst in einer Nachrichtensendung, die hundert Stunden gedauert hätte, ohne allen Zweifel keinen Platz finden können.
Die zweite Erkenntnis aber, und diese ist fast noch erschreckender, besteht darin, auf welche Weise, mit was für Worten, Absichten, emotionalen Beeinflussungsmitteln und versteckten Botschaften Nachrichtensendungen solcher Art ausgestaltet werden. Schauen wir uns den Wortlaut und seine jeweilige Wirkung am Beispiel der Schweizer Radio-Mittagsnachrichten vom 25. Mai 2025 im Einzelnen etwas genauer an…
Erstens: „Einen der grössten Angriffe“ ganz zu Beginn der Meldungen suggeriert, dass es hier um etwas geht, was alles Bisherige, aber auch alles andere, was weltweit gerade geschieht, bei Weitem übertrifft, sonst würde man es ja nicht gleich am Anfang der Sendung erwähnen. Zweitens: Dass in westlichen Medien im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine nie einfach nur von einem „Krieg“ die Rede ist, sondern stets von einem „russischen Angriffskrieg“, zeigt die heimliche, nicht offen deklarierte Absicht, jeglichen Gedanken daran, dass auch der Westen eine Mitschuld am Ausbruch dieses Kriegs tragen könnte, zum Vornherein gar nicht erst aufkommen zu lassen. Drittens: Der vom ukrainischen Präsidenten Selenski im Zusammenhang mit den russischen Drohnenangriffen stets ganz bewusst und gezielt verwendete Begriff des „Terrors“ wird hier offensichtlich ganz gezielt zitiert, gibt es doch nur wenige andere Wörter, welche so starke negative Emotionen auszulösen vermögen. Wenn aber der von russischen Drohnen verursachte Tod von zwölf Menschen als „Terror“ bezeichnet wird, mit welchem Wort müsste man dann die von der israelischen Luftwaffe verübten Bombardierungen des Gazastreifens bezeichnen, welche bis zur Stunde nahezu 100’000 Menschen, grösstenteils Frauen und Kindern, das Leben gekostet hat? Und müsste man minimalster Ausgewogenheit zuliebe nicht beispielsweise auch Aussagen wie jene des ehemaligen israelischen Parlamentsmitglieds Moshe Feiglin erwähnen, der am 20. Mai 2025 auf dem israelischen TV-Sender Channel 14 Folgendes zum Besten gab: „Jedes Kind, jedes Baby in Gaza ist unser Feind. Der Feind ist nicht die Hamas. Wir müssen Gaza erobern und kolonialisieren und kein einziges Kind aus Gaza dort lassen. Es gibt keinen anderen Sieg.“ Viertens: Weshalb wird fast der gesamte Nachrichtenblock zum Thema Ukraine auf dem Schweizer Radio ausgerechnet von einem ARD-Korrespondenten bestritten, obwohl man doch wissen müsste, dass Deutschland im gegenwärtigen Spannungsfeld zwischen der Ukraine und Russland die mit Abstand härteste und kompromissloseste Haltung aller westlichen Länder einnimmt und sämtliche deutsche Mainstreammedien mit dieser einseitigen, ausschliesslich auf eine militärische Lösung fixierten Haltung mehr oder weniger gleichgeschaltet sind. Werden also auch die Schweizer Medien zusehends zu kritikfreien Sprachrohren und Echokammern deutscher und weiterer europäischer Medien? Gehören so etwas wie schweizerische Eigenständigkeit, Sorgfalt und journalistische Seriosität bereits endgültig der Vergangenheit an? Fünftens: Dass unter den Toten „mindestens drei Kinder“ gewesen seien, soll wohl als besonders schreckliche und unmenschliche Folge des russischen „Terrors“ interpretiert werden. Keine Frage, dass jedes getötete Kind eines zu viel ist. Aber was ist dann mit all den anderen Abertausenden Kindern, die weltweit während des gleichen Zeitraums durch Hunger, Krieg, Zerstörung oder andere Formen von Gewalt ihr Leben verloren haben? Was ist mit jenem Vater und jener Mutter in einem bis auf den Erdboden zerbombten Dorf im Norden des Gazastreifens, die in der gleichen Nacht, als in der Ukraine drei Kinder durch einen russischen Drohnenangriff getötet wurden, neun von ihren zehn Kindern innerhalb einer einzigen Minute durch eine israelische Bombe verloren haben? Warum werden diese neun Kinder in keiner westlichen Nachrichtensendung jemals erwähnt? Ist ein palästinensisches Leben so viel weniger wert als ein ukrainisches oder schweizerisches?
Sechstens: Dass in der Ukraine auch ein „Studentenheim“ beschädigt wurde, ist gewiss höchst verwerflich, aber was ist mit den Dutzenden von Schulen, Bibliotheken, Lebensmittelgeschäften, Kulturzentren, Moscheen und Krankenhäusern im Gazastreifen, die nicht nur beschädigt, sondern sogar komplett zerstört wurden? Siebtens: Dass Selenski aus seiner Sicht ein „härteres Vorgehen gegen Russland“ und „mehr internationalen Druck“ fordert, kann man aus seiner Sicht ja verstehen, doch lassen fast sämtliche westliche Medien vergleichbare Forderungen gegenüber dem israelischen Kabinett von Benjamin Netanyahu, was zweifellos noch weit mehr auf der Hand liegen müsste, nahezu gänzlich vermissen. Achtens: Dass die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas an dieser Stelle zitiert wird, kann wohl ebenso wenig ein Zufall sein, gilt sie doch unter den europäischen Politikerinnen und Politikern im Zusammenhang mit dem Ukrainekonflikt als eine der vehementesten und aggressivsten Hardlinerinnen. Müsste man minimaler Objektivität zuliebe dann nicht etwa auch einen Politiker wie den SPD-Mann Rolf Mützenich zitieren, der unablässig und eindringlich davor warnt, den Ukrainekonflikt ausschliesslich mit militärischen Mitteln lösen zu wollen und damit im schlimmsten Fall die Gefahr eines dritten Weltkriegs heraufzubeschwören? Weshalb werden massiv kriegstreibende Aussagen wie jene von Selenski oder Kallas einfach so im Raum stehen gelassen, ohne dass auch nur ein einziges kritisches Wort in Form eines unabhängigen redaktionellen Kommentars dazu angebracht wird? Neuntens: Dass, wie Kallas behauptet, Russland die „Vernichtung der Ukraine“ anstrebe, ist eine glatte Lüge, für die es keinen einzigen vertrauenswürdigen Beweis gibt und die einfach so unbesehen über das Schweizer Radio weiterverbreitet wird. Was Russland tatsächlich fordert, ist einzig und allein, dass die Ukraine nicht ein Mitglied der NATO werden und dass die ukrainische Regierung von Mitgliedern jener rechtsextremen Kräften befreit werden soll, unter deren rassistischer Politik, Diskriminierung, Bevormundung und gewalttätigen Ausschreitungen die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine seit mehr als zehn Jahren massiv leiden musste. Auch für die in sämtlichen Mainstreammedien, wiederum vor allem in Deutschland, aber zunehmend auch in der Schweiz und anderen europäischen Ländern im Zuge einer immer stärker geschürten Kriegseuphorie verbreiteten Behauptung, das Ziel Russlands sei die Eroberung ganz Europas, gibt es keinen einzigen glaubwürdigen Beleg, sie dient einzig und allein der Angstmacherei und der daraus resultierenden Rechtfertigung für ein nie dagewesenes Mass an militärischer Aufrüstung, welche die von Russland für seine Armee aufgebrachten Finanzen um ein Vielfaches übertrifft. Wenn es ein Land gibt, dessen Ziel es ist, eine anderes Land vollkommen auszulöschen, dann ist dies zurzeit nicht Russland, sondern Israel, dessen Regierungspolitik ganz unverblümt und „offiziell“ die vollständige Vernichtung des Gazastreifens verfolgt, inklusive der Ermordung selbst aller eben dort zur Welt gekommener Babys.
Zehntens: Wer nun erwartet hätte, dass in den Mittagsnachrichten des Schweizer Radios nach der Verurteilung der russischen Kriegspolitik auch die israelische Kriegspolitik und der von dieser an palästinensischen Kindern, Frauen und Männern seit dem 7. Oktober 2023 begangene Völkermord angemessen verurteilt würde, sieht sich erst recht enttäuscht. In einer grandiosen, nur schon den geringsten Anflug von Objektivität und Realitätsbezug ausschliessenden Täter-Opfer-Umkehr wird Israels Bedrohung durch aus Jemen von Huthi-Rebellen abgefeuerte Raketen, die allesamt hätten abgefangen werden können und kein einziges Todesopfer unter der israelischen Zivilbevölkerung zur Folge gehabt hätten, offenbar als so wichtig eingestuft, dass über die unbeschreiblichen Leiden, die dem palästinensischen Volk derzeit durch eben dieses dieses Israel zugefügt werden, auch nicht ein einziges Wort verloren wird. Hingegen wird festgehalten, dass die Huthis sich zum „neuesten Raketenbeschuss“ nicht einmal „geäussert haben“ – als hätte sich der israelische Ministerpräsident Netanyahu, der noch vor wenigen Tagen vom neuen deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz in allen Ehren empfangen wurde, jemals zur Vernichtung von bald 100’000 Menschen im Gazastreifen auch nur mit einem einzigen Wort geäussert, oder wenn, dann höchstens in der Weise, dass es sich dabei um ein „legitimes Recht“ seines Landes handle, sich gegen Angriffe von aussen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr zu setzen…
Zusammenfassend kann man wohl ohne jegliche Übertreibung zum Schluss gelangen, dass die Schweizer Radiozuhörerschaft am 25. Mai 2025 ebenso gut Nachrichten eines ukrainischen oder israelischen Propagandasenders hätte hören können und in etwa ziemlich genau in der gleichen Art und Weise „informiert“ worden wäre wie durch das angeblich so objektive und „wahrheitsgetreue“ Nachrichtenmedium eines scheinbar neutralen Staates wie der Schweiz. In Tat und Wahrheit ist das, was unsere scheinbar „objektiven“ Mainstreammedien betreiben, fast noch schlimmer als jede in Diktaturen verbreitete einseitige und tendenziöse Staatspropaganda. Denn während sich in Diktaturen lebende, kritisch denkende Menschen wenigstens bewusst sind, dass sie den offiziellen Berichterstattungen ihrer staatlichen Medien nicht über den Weg trauen dürfen, wiegt sich in den westlichen „Demokratien“ die Mehrheit der Bevölkerung immer noch in der Illusion, durch die eigenen Medien umfassend und wahrheitsgetreu informiert zu werden. Insbesondere Menschen mit persönlichen Kontakten und Begegnungen zu den in unseren Medien zu Inbegriffen des Bösen hochstilisierten Feindbildern weisen immer wieder eindringlich auf die Gefährlichkeit solcher extremen Schwarzweissmalerei hin, so etwa Yves Rossier, langjähriger Schweizer Botschafter in Moskau: „Wir dürfen nicht alles glauben, was uns im Westen erzählt wird.“
Dieses hier propagierte und völlig tendenziös gemalte Bild, wonach es beim grossen aktuellen Weltgeschehen vor allem um einen „Kampf“ zwischen dem vermeintlich „Guten“ und dem vermeintlich „Bösen“ handelt, beherrscht derzeit auf erschreckende Weise nahezu die gesamten europäischen Mainstreammedien. Das „Gute“ in dieser Weltsicht verkörpern dabei selbstverständlich die sogenannten westlichen „Demokratien“, welche angeblich die einzigen wirklichen Garanten für Freiheit und Menschenrechte seien, beim „Bösen“ dagegen handelt es sich um Diktaturen wie Russland oder China bzw. Autokraten wie Putin, welche diesem „Guten“ mit allen Mitteln den Garaus zu machen versuchten. Ganz so, wie es US-Präsident Joe Biden im März 2022 mit folgenden Worten unmissverständlich zum Ausdruck brachte: „Es geht um die grosse Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer, die von brutaler Gewalt bestimmt ist. Wir müssen dabei klar sehen: Diese Schlacht wird nicht in Tagen geschlagen werden oder in Monaten. Wir müssen uns für einen langen Kampf stählen.“
Doch in Tat und Wahrheit ist das nichts anderes als ein riesiges, künstlich aufgeblasenes Lügengebäude, das jeglichen Realitätsbezug verloren hat, denn diese sogenannten westlichen „Demokratien“ sind schon längst nicht mehr oder waren es wahrscheinlich noch gar nie echte Demokratien im ursprünglichen Sinne der Bedeutung von „Volksherrschaft“. „Demokratie“, so Jean-Jacques Rousseau, „existiert erst dort, wo niemand so reich ist, dass er den anderen kaufen kann, und niemand so arm, dass er sich verkaufen muss.“ Echte Demokratie als „Volksherrschaft“ setzt soziale Gerechtigkeit voraus. Wenn diese nicht vorhanden ist, dann verkommt die vermeintliche „Demokratie“ zur puren Diktatur der Reichen gegen die Armen, der Mächtigen gegen die Machtlosen, der Besitzenden gegen die Besitzlosen, der Ausbeuter gegen die Ausgebeuteten, der sogenannt „Gebildeten“ gegen die sogenannt „Ungebildeten“, der Einheimischen, Ansässigen und Besitzstandwahrenden gegen „Eindringlinge“, „Auswärtige“ und „Fremde“, derer, die über Krieg oder Frieden entscheiden, gegen jene, die aufs Schlachtfeld geschickt werden, um dort für die Interessen anderer ihr Leben zu lassen. Und da diese Ungleichheiten, Abhängigkeiten, Ausbeutungsverhältnisse und der damit verbundene Machtmissbrauch mit der fortschreitenden „Perfektionierung“ des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems immer drastischer werden, die Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Demokratie immer deutlicher zutage tritt und einer stetig wachsenden Zahl der Zukurzgekommenen die Augen für alle diese Zusammenhänge immer mehr aufzugehen drohen, müssen die oben an der Spitze, um einen auch für sie selber sich katastrophal auswirkenden Zusammenbruch des gesamten Systems zu verhindern oder mindestens so lange wie möglich hinauszuschieben, alles daran setzen, den schon längst rein irrational gewordenen Kampf des „Guten“ gegen das „Böse“ bis zum bitteren Ende aufrechtzuerhalten. Und das geht eben nur, wenn alle eigenen Fehler, Missstände, Versäumnisse und Verbrechen auf einen künstlich konstruierten äusseren Feind projiziert werden, als den sich nun gerade Russland mit Putin an der Spitze optimal anbietet, anknüpfend an die bereits während des Kalten Kriegs über Jahrzehnte bediente und stets neu geschürte Definition von Russland bzw. der Sowjetunion als „Reich des Bösen“, obwohl durch Kriege, die seit 1945 von den USA und ihren Verbündeten angezettelt wurden, insgesamt weitaus mehr Menschen ums Leben gekommen sind als durch Kriege, welche von der Sowjetunion bzw. von Russland ausgelöst wurden. „Putin“, so der US-Journalist und Pulitzer-Preisträger Chris Hedges, „hat noch einen langen Weg vor sich, bevor er das Ausmass an Kriegsverbrechen erreicht, die wir in Ländern wie dem Irak, Syrien, Libyen und Afghanistan begangen haben.“
Dieses weitgehend auf Lügen aufgebaute Bild des „guten“ Westens, der sich gerade zur letzten entscheidenden Schlacht gegen alle seine „bösen“ Widersacher auf den Weg macht, kann allerdings nur aufrechterhalten werden, solange möglichst viel Druck auf das Volk ausgeübt wird, möglichst „einheitlich“ und „obrigkeitsgläubig“ zu denken. Zuwiderlaufende Meinungsäusserungen sind nicht erwünscht und werden systematisch unterdrückt, so wie wir es zurzeit vor allem in Deutschland immer drastischer erleben, wo kritische Stimmen in den Medien kaum mehr zu hören sind und sogar schon erste Berufsverbote gegen Andersdenkende verhängt wurden. „Je näher ein Land seinem Untergang kommt“, hatte schon der römische Staatsmann Cicero vor über 2000 Jahren erkannt, „desto verrückter werden seine Gesetze.“ George Orwell schrieb: „Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.“ Und der deutsche Autor Thomas Pfitzer schrieb schon vor vielen Jahren: „Der Aufbau von Feindbildern ist die wirksamste Methode zur Manipulation der Massen.“ Der Glauben, nicht das Wissen und die Suche nach der Wahrheit werden dergestalt zur obersten Staatsmaxime: „Wenn du die Wahrheit suchst“, so Julian Assange, „geh los und suche sie. Genau davor haben sie Angst.“ Sie bauen lieber unter dem Deckmantel der Staatsgewalt Lügen auf, um die Wahrheit in Schach zu halten, wie auch der frühere US-Präsident Thomas Jefferson es beschrieb: „Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit kann von alleine aufrecht stehen.“ Das ganze System, so brachte es auch Edward Snowden auf genau den selben Punkt, beruhe auf der „Idee, dass man der Mehrheit alles einreden kann, solange man es nur genug laut und oft wiederholt.“ Es sei „leichter, eine Lüge zu glauben“, so auch der frühere US-Präsident Abraham Lincoln, „die man tausendmal hört, als die Wahrheit, die man nur ein einziges Mal hört.“ Auf diese Weise wird, wie Franz Kafka es sagte, „die Lüge zur Weltordnung gemacht“. Und auch Albert Einstein schien geradezu prophetisch vorauszusehen, wohin sich das sogenannt „aufgeklärte“ Europa zurzeit geradezu in schwindelerregendem Tempo bewegt: „Die Minderheit der jeweils Herrschenden hat vor allem die Schulen, die Presse und meistens auch die religiösen Organisationen in ihrer Hand. Durch diese Mittel beherrscht und leitet sie die Gefühle der grossen Masse und macht diese zu ihrem willenlosen Werkzeug.“ Das beschreibt auch Hanna Arendt mit ganz ähnlichen Worten: „Und ein solches Volk, das sich seiner Macht, zu denken und zu urteilen, beraubt sieht, ist auch, ohne zu wissen und zu wollen, dem Gesetz der Lüge vollständig unterworfen. Mit einem solchen Volk kann man dann machen, was man will.“
Doch es gibt Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Denn es gibt neben diesem einen, alles verzerrenden und weitgehend auf Lügen aufgebauten Bild eines „Endzeitkampfes“ zwischen dem „guten“ Westen und seinen „bösen“ Widersachern gleichzeitig ein zweites Bild, das diesem geradezu diametral gegenübersteht und es zutiefst widerlegt. Dieses zweite Bild ist das Bild eines über Jahrhunderte währenden, unbeschreiblichen Leidens, mit dem die sogenannte „Neuzeit“ ums Jahr 1500 eingeläutet wurde, der Anfang des Paradieses für einige wenige und der Hölle für alle anderen, angefangen mit der Auslöschung eines grossen Teils der amerikanischen Urbevölkerung und der Versklavung fast aller Überlebender durch die europäischen Kolonialherren, um dann stets in die gleiche Richtung weiterzugehen: Zweitens mit der gewaltsamen Deportation von über 15 Millionen Kindern, Frauen und Männer von Afrika nach Amerika und deren Versklavung zwecks Anhäufung der für das nunmehr explosionsartig weltweit sich ausbreitende kapitalistische Ausbeutungssystem notwendigen Finanz- und Machtmittel. Drittens mit der Ausplünderung und Beraubung des gesamten afrikanischen Kontinents und der meisten anderen Länder und Regionen des globalen Südens zwecks Schaffung eines nie dagewesenen Reichtums für die oberen und obersten Gesellschaftsschichten in den immer reicher werdenden Ländern des Nordens. Viertens mit dem Auftürmen immer grösserer Waffenarsenale in den Händen der Mächtigen zur Absicherung all des mit Gewalt angeeigneten Raubgutes, Hand in Hand mit dem Aufbauen immer höherer Mauern und immer schärferer Gesetze, um die über Jahrhunderte Beraubten mit allen Mitteln davon abzuhalten, sich wenigstens einen winzigen Teil des ihnen Geraubten wieder zurückzuholen. Fünftens mit der unerbittlich bis heute weltweit anhaltenden Instrumentalisierung, Unterjochung und Versklavung von Frauen durch Männer und der von klein auf systematisch anerzogener „Normalisierung“ patriarchalen Machtdenkens bis in die innersten Gehirnzellen nicht nur bei den Tätern, sondern auch bei den allermeisten ihrer Opfer. Fünftens mit brutalsten Feldzügen, vergleichbar der Vernichtung durch Bomben und Raketen, gegen die Schwächsten der Schwachen, die Kinder und Jugendlichen, schon von frühestem Alter an, in Form von Erniedrigung, Demütigung und Bevormundung, seelischer und körperlicher Gewalt, sexueller Ausbeutung, Obdachlosigkeit und dem Zwang zu viel zu langer und schwerer Arbeit für ihre zerbrechlichen, gerade erst zum Leben erwachten Körper. Sechstens mit der Auspressung von Arbeitskraft bis zu totaler Erschöpfung und viel zu frühem Tod aus all jenen Abermillionen Namenloser, die nichts anderes besitzen als ihren eigenen Körper, auf glühendheissen, endlosen Plantagen vom Morgengrauen bis in die tiefe Nacht, in Bergwerken tief unter der Erde, voller tödlicher Gefahren, wo schon jeder einzelne Atemzug wie ein Feuer durch den ganzen Körper brennt, in Fleischfabriken, Textilfabriken, Spielzeugfabriken, Chipfabriken, Seite an Seite aneinandergepfercht wie Häftlinge in den schlimmsten Gefängnissen, unter der ständigen Kontrolle und Überwachung durch den Vorgesetzten, der nur darauf wartet, bis es die Arbeiterin an der Nähmaschine oder am Fliessband auch mit dem besten Willen nicht mehr schafft, gegen so viel Müdigkeit ihre Augen offenzuhalten, um mit aller Kraft auf sie einzuprügeln und sich auf diese Weise zusätzliche Bonuspunkte und eine mögliche spätere Gehaltserhöhung von seinem eigenen Vorgesetzten zu ergattern und so seinen Beitrag dafür zu leisten, dass an den anderen Enden der weltweiten Ausbeutungsketten immer mehr Menschen dank der aus den Arbeiterinnen und Arbeitern weltweit herausgepressten Profite selber nicht einmal mehr einen minimalsten Anteil an produktiver Arbeit übernehmen müssen und dennoch in den schönsten Villen an den schönsten Plätzen der Welt, rund um die Uhr bedient von weiteren Dutzenden bis zum Äussersten Ausgepresster, für sich und ihre Kinder ein paradiesisches Leben in Anspruch nehmen, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres. Mit einem Bildungssystem, das den Kindern schon von klein auf ihr natürliches, schöpferisches und selbstbestimmtes Lernen austreibt, wie wenn man Blumen oder Bäumen, die gerade erst zu wachsen angefangen haben, ihre Wurzeln ausreissen würde, und dieses freie und natürliche Lernen durch eine Art von Kastenordnung ersetzt hat, in der es bloss noch darum geht, sich unter Aufbietung aller Selbstverleugnung von Stufe zu Stufe hochzuhangeln, um mit wachsender „Bildung“ wachsende Macht zu gewinnen, also eigentlich das pure Gegenteil dessen, was wahrhaftige Bildung im Sinne von Wissen, Aufklärung, Emanzipation, Selbstbestimmung und Befreiung aus jeglicher Art von Bevormundung und Fremdbestimmung eigentlich sein müsste. Mit einem beschönigend als „freie Marktwirtschaft“ bezeichnenden Wirtschaftssystem, in dem jegliche „Freiheit“ bloss in der beinahe unbegrenzten Freiheit der Reichen und Mächtigen besteht, die Armen und Machtlosen möglichst umfassend auszubeuten und auf ihre Kosten ein gutes Leben zu haben, und der „Markt“ – im Gegensatz zur ursprünglichen Idee eines gegenseitigen Warentauschs zu möglichst fairen Bedingungen – bloss noch darin besteht, alle Güter nicht etwa dorthin zu schaffen, wo sie am dringendsten gebraucht würden, sondern dorthin, wo sich mit ihrem Verkauf am meisten Geld verdienen lässt, sodass sich in einer Welt, wo sich auf der einen Seite eine Milliarde Menschen jeden Abend hungrig schlafen legen, auf der anderen Seite Lebensmittel in nie dagewesener Fülle anhäufen, dass man sich dort sogar den Luxus leisten kann, einen Drittel davon ungebraucht fortzuwerfen. Mit einem geradezu wahnwitzigen Glauben daran, alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme liessen sich früher oder später mit rein technischen Mitteln lösen, obwohl schon längst bekannt ist, dass jede rein technische „Problemlösung“ ohne grundlegende Veränderungen traditioneller Denkweisen bloss Ursachen für weitere, noch grössere Probleme sind, welche dann wiederum mit einem noch grösseren Aufwand an Technik und Ressourcenverschleiss bekämpft werden müssen. Mit der alles überragenden und kaum je in Frage gestellten Grundüberzeugung, wonach dem Menschen als „höchstem“ Wesen der Schöpfung ganz selbstverständlich das Recht zukäme, sich den Rest dieser Schöpfung untertan zu machen, innerhalb jeder einzelnen Minute weltweit mehr als 1300 Tiere zu ermorden, obwohl er sich problemlos vegetarisch ernähren könnte, und die Hauptverantwortung dafür zu tragen, dass jeden Tag 150 Tier- und Pflanzenarten für immer aussterben, und er also drauf und dran ist, diese wunderbare Schöpfung, deren „höchstes“ Wesen er angeblich sein soll, nach und nach auszulöschen. Und nicht zuletzt mit dem irrwitzigen Glauben an die Notwendigkeit eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums, welches früher oder später zu einem endgültigen Verschwinden sämtlicher natürlicher Ressourcen und – Hand in Hand mit der zunehmenden Klimaerwärmung – gar zur Zerstörung der Lebensgrundlagen sämtlicher zukünftiger Generationen führen muss.
Die Zukunft der Menschheit, so krass muss man es wohl sagen, hängt aller Voraussicht nach höchstwahrscheinlich tatsächlich davon ab, welches dieser beiden Bilder sich stärker in den Köpfen der Menschen durchzusetzen vermag. Dasjenige eines „Endzeitkampfes“ zwischen dem vermeintlich „guten“ Westen und den vermeintlich „bösen“ Autokraten, welche diesen zu zerstören trachten, oder dasjenige einer umfassenden Aufklärung über sämtliche historische und ideologische Zusammenhänge und Hintergründe als Instrument, um aus der Vergangenheit zu lernen und daraus all jene notwendigen Einsichten zu schöpfen, die dazu verhelfen könnten, eine friedlichere und gerechtere Welt aufzubauen, die nicht mehr auf Machtverhältnissen, gegenseitiger Ausbeutung, Profitsucht, Wachstumswahnsinn und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen beruht, sondern auf der gegenseitigen Rücksichtnahme und dem Mitgefühl sowohl von Mensch zu Mensch wie auch innerhalb der gesamten Schöpfung. Führt das erste Bild, aufgebaut auf Hass, Gewalt, Machtansprüchen und Feindbildern, in letzter Konsequenz zum Krieg und zu einer möglichen Auslöschung der gesamten Menschheit, so führt das zweite Bild im Gegensatz dazu durch tiefere Erkenntnisse und ein höheres geistiges Bewusstsein, zu Ende gedacht, zu einem umfassenden und dauerhaften Frieden, den man wohl ohne Übertreibung als die Verwirklichung der schon so unendlich lange ersehnten Vision einer Verwirklichung des Paradieses auf auf der Erde bezeichnen kann. Damit dies aber geschieht, „müssen sich jene, die den Frieden lieben“, so der US-amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, „ebenso wirkungsvoll organisieren wie jene, die den Krieg lieben.“ Auch im „Brief an einen Studenten am 14. Juli 1941“ von Albert Einstein lesen wir : „Gegen organisierte Macht gibt es nur organisierte Gegenmacht; ich sehe kein anderes Mittel, so sehr ich es auch bedauere.“ Dies aber heisst auch, dass sich niemand dieser Verantwortung entziehen kann, denn, so der frühere UN-Generalsekretär Kofi Anan: „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit.“
Vieles – auch wenn es momentan noch nicht den Anschein macht – spricht dafür, dass sich das zweite Bild, das Bild des Friedens, nach und nach stärker durchsetzen wird. Denn die Wahrheit ist, wie der deutsche Schriftsteller Frank Thiess schreibt, „eine unzerstörbare Pflanze. Man kann sie ruhig unter einem Felsen begraben, sie stösst sich trotzdem durch, wenn es an der Zeit ist.“ Dass diese Zeit tatsächlich gekommen zu sein scheint, wird mir seit Monaten fast täglich immer deutlicher bewusst, im Gespräch mit so vielen wunderbaren Menschen, die ebenfalls dieses tiefe Gefühl verspüren, dass zurzeit tiefgehende Veränderungen, die wir wohl vorerst nur leise zu ahnen vermögen, im Gange sind. Immer mehr Menschen erzählen auch von Engeln und von täglichen Begegnungen und Erfahrungen, die kaum zufällig sein können und die man sich kaum rein rational zu erklären vermag. Auch ich mache fast täglich solche Erfahrungen, begegne Menschen, die mich auf wundersame Weise wiederum zu anderen Menschen geleiten, welche mich genau an dem Punkt weiterbringen, wo ich gerade stecken geblieben war, sei es in der Begleitung von Flüchtlingen oder von anderen Menschen am Rande unserer vermeintlichen „Wohlstandsgesellschaft“, in denen ich immer wieder aufs Neue so viel Tiefe und Reichtum entdecke, dass mir, um das alles zu beschreiben, oft richtiggehend die Worte dafür fehlen. Bisherige Oberflächlichkeiten lösen sich auf einmal auf und ich habe mit Menschen, die ich früher kaum kannte und mit denen ich kaum viel mehr als einen „Guten Morgen!“ oder „Viel Spass!“ austauschte, auf einmal stundenlange Gespräche bis tief in die Nacht. Als würde jede Tür, die sich öffnet, ganz von selber den Zugang zu vielen weiteren Türen öffnen.
Ich bin zuversichtlich. Ich glaube daran, dass eine neue Zeit im Anflug ist. Die Zeit der Engel. Doch auch wenn sie in stetig noch so wachsender Zahl herumschwirren, werden sie es alleine nicht schaffen. Sie brauchen, um ihr Werk zu vollbringen, uns Menschen. Sie oben und wir unten, nur gemeinsam können wir es schaffen.
Eine neue Zeit kommt. Aber sie kommt nicht von selber. Damit sie kommen kann, braucht es unsere Hände, unsere Phantasie, unsere ganz banalen täglichen guten Taten, unsere Aufmerksamkeit, unser Mitgefühl, unsere Lebensfreude, unseren Optimismus, unsere Begeisterungsfähigkeit, unseren Idealismus, unsere Anteilnahme am Leiden anderer, unsere Opferbereitschaft und den Verzicht auf Privilegien, die nicht erarbeitet, sondern uns bloss zuteil wurden, weil wir zur „richtigen“ Zeit am „richtigen“ Ort geboren wurden, das gegenseitige Mutmachen und unsere deutlichen, unüberhörbaren Stimmen gegen alle Formen von Machtmissbrauch, Ausbeutung und Bevormundung. „Scheut euch nicht, eure Stimme für Ehrlichkeit und Wahrheit und Mitgefühl gegen Ungerechtigkeit und Lüge und Gier zu erheben“, schrieb der US-amerikanische Schriftsteller William Faulkner, „wenn die Menschen auf der ganzen Welt dies täten, würde das die Erde tiefgreifend verändern.“
Doch an allererster Stelle braucht es unsere Liebe, das höchste aller Güter, die wirkungsvollste Kraft für gesellschaftliche Veränderungen zum Guten. Und dann, da bin ich mir fast ganz sicher, wird sich tatsächlich, auch wenn heute noch so viele Menschen daran zweifeln mögen, in den Köpfen und in den Herzen der Menschen immer stärker das zweite Bild, das Bild des Friedens, gegenüber dem ersten Bild, dem Bild des Kriegs, durchzusetzen vermögen. Ganz einfach deshalb, weil im tiefsten Inneren aller Menschen nicht das Böse liegt, sondern das Gute. „Das Böse“, sagte Hanna Arendt, „ist immer nur extrem, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe. Es kann die ganze Welt verwüsten wie ein Pilz, der an der Oberfläche wuchert. Tief aber und radikal ist immer nur das Gute.“
Als wir vor etwa zwölf Jahren in unserem Haus eine neue Küche einbauen liessen, hatten wir uns für einen passenden Kochherd, Backofen und Kühlschrank ziemlich rasch entscheiden können. Weitaus am meisten Zeit aber brauchten wir für die Auswahl der Deckenbeleuchtung, da uns hierfür fast unendlich viele unterschiedliche Varianten angeboten wurden: Ein grosser Beleuchtungskörper in der Mitte der Decke, kompakt oder mit Spots, die nach verschiedenen Seiten ausgerichtet werden konnten, mindestens zwei Dutzend unterschiedlich geformte, kugel- oder ringförmige Lämpchen, ein traditioneller, nüchterner Neonleuchtkörper oder extrem futuristische, winzige Leuchtstäbe mit wechselndem Licht, etwa 20 verschieden stark und in verschiedenen Tönen leuchtende Glühbirnchen, und das ganze Dekor erst noch in etwa 50 verschiedenen Farbtönen, dazu verschiedenste Arten von Steuerung der Lichtquellen, manuell, automatisch oder sogar ferngesteuert oder nach einem bestimmten, einmal pro Woche eingegebenen Plan. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Schliesslich entschieden wir uns für eine relativ einfache Variante: Zwölf über die ganze Küchendecke verteilte und in sie eingelassene runde Fassungen, die dazu passenden LED-Lämpchen von mittelstarker Leuchtkraft mit einem warmen, gelblichen Licht. Billig war es zwar nicht gerade, aber der Küchenfachmann versicherte uns, dass diese Leuchtkörper der allerneuesten Generation extrem umweltfreundlich seien, fast ewig lange halten würden und wir vermutlich eher die gesamte Küche erneuern müssten, bevor auch nur eines dieser teuren Lämpchen zu ersetzen wäre.
Er hatte fast Recht gehabt. Aber doch nur fast. Denn vor etwa drei Wochen hat nun doch eines dieser winzigen Birnchen seinen Geist aufgegeben. Die Frau im Elektrofachgeschäft beäugte das kaputte Ding ziemlich verzweifelt, wusste sie doch nur zu gut, dass es Birnchen solcher Art zu Dutzenden gibt, die sich nur durch kleine Details voneinander unterscheiden. Nur schon der Abstand zwischen den beiden Stäbchen, mit denen das Birnchen in die Steckdose eingeführt wird, dann auch die Form, die Länge, die Dicke und – vor allem – die Leuchtkraft. Diese hätte man zwar eigentlich von einer kleinen, am unteren Ende des Birnchens angebrachten Aufschrift ablesen können, diese war aber so klein, dass sie nicht einmal mit einer Lupe gelesen werden konnte. Die Frau suchte nun die an einer Wand hinter dem Verkaufstisch an kleinen Haken aufgehängten schätzungsweise 50 verschiedenen Birnchen der Reihe nach ab, fand aber kein einziges, das genau gleich aussah wie das kaputte. Sie müsse es wohl bestellen, meinte sie. In Ermangelung einer Bestellnummer beschrieb sie bei der via Internet vorgenommenen Bestellung in einem Kästchen mit der Überschrift „Bemerkungen“ das Lämpchen mit sämtlichen Details möglichst genau, fotografierte es sogar zusätzlich noch und fügte das Foto der Bestellung bei.
Zwei Tage später traf das Birnchen ein. Doch schon beim Auspacken bedurfte es keines besonders scharfen Blickes, um zu erkennen, dass es sich hier unmöglich um das gewünschte Produkt handeln konnte. Das Birnchen war mindestens doppelt so dick und auch um einiges länger und würde daher keinesfalls in die vorhandene Fassung hineinpassen, auch wenn der Abstand zwischen den beiden Kontaktstäbchen gepasst hätte.
Wieder zwei Tage später konnte ich im Elektrofachgeschäft ein neu bestelltes Birnchen abholen, das dem alten tatsächlich zu gleichen schien. Als ich es jedoch in die Fassung gesteckt und eingeschaltet hatte, warf das neue Birnchen ein dermassen starkes und grelles Licht von sich, dass ich für einen kurzen Moment geradezu geblendet war. Von der stimmungsvollen, gedämpften, gemütlichen Wärme, von welcher der Küchenfachmann vor zwölf Jahren so begeistert geschwärmt hatte, war nichts übrig geblieben.
Als ich erneut im Elektrofachgeschäft auftauchte, kümmerten sich dieses Mal zusätzlich zu der Frau vom letzten Mal zwei weitere Angestellte um mein Anliegen. Nachdem alle drei das Birnchen während längerer Zeit wortlos angestarrt hatten, sagte der eine von ihnen, es sei gar nicht so einfach. Sie gaben aber nicht auf. Weder im Internet noch in einem dicken Katalog mit gewiss mehr als 500 Seiten konnten sie jedoch eine weniger leuchtkräftige Variante des Birnchens finden. Es tue ihnen Leid, es gäbe halt immer wieder Produkte, die aus dem Sortiment entfernt würden, wenn die Nachfrage über längere Zeit zu gering sei. Und da fast täglich neue Produkte auf den Markt kämen, sei es unmöglich, alle bereits früher hergestellten immer wieder nachzuliefern, aus Kapazitätsgründen, aus Kostengründen und rein auch aus Platzgründen.
Auf dem Nachhauseweg erinnerte ich mich, wie der Küchenfachmann damals vom technischen Fortschritt begeistert gewesen war. Die alten und die neuen Birnchen seien, ökologisch betrachtet, nicht im Entferntesten miteinander zu vergleichen, es lägen Welten dazwischen, und dabei sei man noch nicht einmal am Ende einer Entwicklung angelangt, die in immer schnellerem Tempo erfolge. Doch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dies alles so viel umweltfreundlicher ist, wenn jetzt wohl Zehntausende unterschiedlicher Leuchtkörper produziert werden müssen, von denen jedoch Abertausende auf den Regalen von Elektrofachgeschäften oder Verteilzentren früher oder später liegen bleiben, gar nie gebraucht werden und mit grossem Aufwand wieder entsorgt werden müssen, während gleichzeitig schon wieder, erneut mittels gewaltiger Mengen an Zeit, Ressourcen und Energie, neue Produkte entwickelt werden, die dann – mithilfe der erforderlichen Werbeanstrengungen in Form aufwendig gestalteter Internetauftritte oder fünfhundertseitiger Kataloge – gegenseitig um die Gunst der Kundinnen und Kunden buhlen müssen, von denen dann einige, wie ich gerade, entweder stundenlang im Internet herumirren oder aber zwei oder drei Mal hintereinander das nächste Elektrofachgeschäft aufsuchen müssen, um am Ende doch nicht das Gewünschte zu bekommen, was ja alles stets mit einem riesigen Aufwand an Energie und den damit verbundenen schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden ist, was aber vollkommen ausgeklammert und verschwiegen wird, wenn dir dann am Ende auf der Packung ein grünes Gesichtlein entgegenlacht, das dir vorgaukelt, du hättest jetzt gerade einen riesigen Beitrag gegen den drohenden Klimawandel und für die Rettung unseres Planeten geleistet. Ganz abgesehen davon, dass heute wohl jede einigermassen „moderne“ Küche im Vergleich zu einer Küche des 20. Jahrhunderts von einer unvergleichlich viel höheren Anzahl von Lampen und Lämpchen erhellt wird, von denen zwar jedes einzelne zweifellos viel weniger Energie verbraucht als seine Vorgänger, in der Summe dann aber möglicherweise dennoch ein weit höherer Energieverbrauch anfällt, vor allem auch unter Einbezug des hierfür erforderlichen zeitlichen und materiellen Aufwands zur Gestaltung der Decke, der Installation der zahlreichen Fassungen und dem Verlegen der Drähte und Bereitstellen der notwendigen Anschlüsse.
Jetzt leuchtet dieses eine neue Birnchen in unserer Küche so unverschämt hell, dass die anderen elf eigentlich überflüssig geworden sind. Die angenehme, gedämpfte Stimmung in unserer Küche über beinahe zwölf Jahre hinweg ist nun wohl für immer dahin. Und höchstwahrscheinlich wird das ja nicht das letzte Birnchen gewesen sein, das im Verlaufe der nächsten zwei, drei Jahre zu ersetzen sein wird. Das ist zwar alles nicht so schlimm und, wie man so schön sagt, Jammern auf hohem Niveau. Und dennoch sehne ich mich gerade ein bisschen nach der guten alten Zeit zurück, als in jedem Zimmer des Hauses in der Mitte der Decke eine einfache Lampe hing, in die überall die genau gleiche Glühbirne hineinpasste, die man überall kaufen konnte und die stets auf Lager war, ohne dass man sich stunden- und tagelang mit euphorischen Lampenverkäufern, 500seitigen Katalogen, mehreren Dutzend Webseiten und verzweifelten und frustrierten Angestellten im Elektrofachgeschäft herumschlagen musste…
Daran, dass weltweit über 700 Millionen Menschen weder supermoderne LED-Leuchten haben noch eine einzige nackte Glühbirne, sondern überhaupt keinen Zugang zu jeglicher Stromversorgung, wage ich schon gar nicht zu denken…
Eine ganze Generation verliere ihre Zuversicht, lese ich im „Tagesanzeiger“ vom 6. Mai 2025. Dies vor allem wegen der schrumpfenden „Lebenszeit“ bei gleichzeitig immer weiter wachsender „Bildschirmzeit“.
Doch macht man es sich wohl zu einfach, die Schuld vor allem bei den sozialen Medien zu sehen, welche die Jugendlichen davon abhielten, Lebensfreude in der „realen Welt“ zu finden. Denn das eigentliche Hauptproblem sind nicht die sozialen Medien, sondern vielmehr diese sogenannte „reale Welt“. Diese ist nämlich alles andere als eine Quelle echter Lebensfreude, sondern mittlerweile dermassen stark von übermässigem Leistungsdruck und einem immer härteren gegenseitigen Konkurrenzkampf geprägt, während Lebensfreude und Lebensgenuss sowie Wertschätzung, Anerkennung und Ermutigung, ohne die ein junger Mensch seine Persönlichkeit und seine individuellen Begabungen nicht wirklich erfolgreich entfalten kann, immer mehr auf der Strecke bleiben.
Die sozialen Medien sind leider für viele fast noch der einzige Ort, wo sie schöne, spannende und fröhliche Dinge jenseits von Leistungsdruck, zwischenmenschlicher Kälte und Fremdbestimmung erleben können. Es ist nicht die „Bildschirmzeit“, welche sich auf Kosten der „Lebenszeit“ immer weiter ausbreitet, sondern genau umgekehrt: Die „Bildschirmzeit“ breitet sich gerade deshalb immer weiter aus, weil die „Lebenszeit“ für lebenshungrige, entdeckungsfreudige, abenteuerlustige und nach persönlicher Selbstverwirklichung strebende junge Menschen immer mehr an Attraktivität verliert.
Würde man die „Bildschirmzeit“ künstlich einschränken oder gar – zum Beispiel durch Handyverbote an den Schulen – geradezu verbieten, nähme man den Jugendlichen ausgerechnet auch noch das Letzte weg, was ihr Leben ein wenig spannender und abwechslungsreicher zu gestalten vermag. Wer die „Bildschirmzeit“ ernsthaft reduzieren möchte, müsste daher konsequenterweise alles daran setzen, den gesellschaftlichen, sozialen und beruflichen Alltag so attraktiv, freudvoll, humorvoll, wertschätzend, aufbauend, sinnvoll und mit so wenig Leistungsdruck, persönlichen Misserfolgen, sinnlosen Beschäftigungen und monotonen Arbeitsabläufen wie nur irgend möglich zu gestalten. Dann würde sich auf ganz natürliche Weise die „Bildschirmzeit“ ganz von selber nach und nach auf ein gesundes Mass reduzieren.
„Nächstenliebe“, „Demut“, „Bescheidenheit“, „Barmherzigkeit“, „Rücksicht“, „Respekt“, „Ehrlichkeit“ und „Rechtschaffenheit“ – dies die anlässlich seiner Beisetzung am 26. April 2025 wohl am häufigsten erwähnten Charakterzüge von Papst Franziskus. Immer wieder erzählt man sich auch, wie typisch es für ihn gewesen sei, dass er nicht einmal die für so hohe kirchliche Würdenträger vorgesehenen roten Schuhe, die als Symbol für Macht, Würde und höchstes gesellschaftliches Ansehen gelten, getragen hätte, sondern ganz gewöhnliche schwarze Strassenschuhe, und dass er darauf bestanden hätte, dass auf seinem Grabstein nur ein einziges Wort stehen sollte: „Franziscus“. Fürwahr ein kaum zu übertreffendes Vorbild an Menschlichkeit für die ganze Welt.
Weitaus weniger oft aber wurde anlässlich seiner Bestattung erwähnt, dass Papst Franziskus nicht nur ein Mann der Demut und der Nächstenliebe gewesen war, sondern auch ein zutiefst politisch denkender und handelnder Mensch, der mit seiner radikalen Gesellschaftskritik und ganz konkret der Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem weit über alles hinausgegangen war, was von sämtlichen seiner Vorgänger in dieser Richtung je zu hören gewesen war. „Diese Wirtschaft“, sagte er in Bezug auf den Kapitalismus, „tötet“. Wie Recht er mit dieser Aussage doch hatte, wenn man bedenkt, dass jeden Tag weltweit rund 15’000 Kinder vor dem Erreichen ihres fünften Lebensjahrs sterben, weil sie nicht genug zu essen zu haben, und dies nicht etwa, weil es weltweit zu wenige Nahrungsmittel zur Versorgung aller Menschen gäbe, sondern nur deshalb, weil im Kapitalismus naturgemäss die Güter nicht dorthin fliessen, wo sie am dringendsten gebraucht werden, sondern stets dorthin, wo sich damit am meisten Geld verdienen lässt, sodass sich die Lebensmittel, die in den armen Ländern des Südens so schmerzlich fehlen, umso höher in den reichen Ländern des Nordens auftürmen und bis zu einem Drittel des Gekauften im Müll landet, bevor es überhaupt gegessen wurde. Eine der wohl schlimmsten Menschenrechtsverletzungen unserer Zeit, durchaus vergleichbar mit einem Kriegsverbrechen – ohne dass dies jemals auch nur annähernd so grosse Schlagzeilen machen und eine so grosse Empörung auslösen würde wie kriminelle Taten Einzelner mit zehntausendfach weniger schlimmen Folgen.
Papst Franziskus erkannte auch zwangsläufig den Zusammenhang zwischen Kapitalismus, wirtschaftlicher Expansion, dem Irrglauben an ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum und, als letzter Konsequenz von alledem, dem Krieg: „Der Kapitalismus“, sagte er, „braucht den Krieg“. Und: „Es wird nie einen wahren Frieden geben, wenn wir nicht in der Lage sind, ein gerechtes Wirtschaftssystem aufzubauen.“ Auch in diesem Punkt traf seine Kritik voll ins Schwarze, geht es doch in fast allen der zurzeit weltweit wütenden rund 60 Kriegen stets auch um die Vorherrschaft und Inbesitznahme von natürlichen Ressourcen und Bodenschätzen im gegenseitigen Konkurrenzkampf auf dem Schlachtfeld der sogenannten „freien Marktwirtschaft“, die nicht auf dem Prinzip möglichst fairen Nutzens und Teilens des Vorhandenen beruht, sondern bloss auf der Raff- und Profitgier Stärkerer gegenüber Schwächeren.
Wer die Widersprüche und das Zerstörungspotenzial des Kapitalismus so klar erkennt und benennt, muss zwangsläufig zum Schluss kommen, dass auch die NATO als militärischer Arm des westlich-kapitalistischen Machtsystems entgegen allen anderslautenden Behauptungen alles andere ist als ein Instrument zur Verteidigung und Bewahrung von Menschenrechten, Demokratie und Frieden, sondern ganz einfach dazu dient, die Macht der Mächtigen zu sichern und wirtschaftliche Expansion sowie möglichst profitträchtige Ausbeutung von Bodenschätzen und natürlichen Ressourcen zu unterstützen oder gar voranzutreiben. Nur logisch daher die Schlussfolgerung von Papst Franziskus in Bezug auf den Beginn des Ukrainekriegs: „Vielleicht war es ja die NATO, die vor Russlands Tor bellte, was Putins Wut provozierte und ihn dazu veranlasste, die Invasion der Ukraine zu entfesseln. Ich vermute, dass die Haltung des Westens sehr dazu beigetragen hat.“ Diese Aussage machte Papst Franziskus in einem Interview mit dem „Corriere della sera“ am 3. Mai 2022. Wohlweislich wurde sie in keinem einzigen anderen westlichen Mainstreammedium jemals wiedergegeben, hätte dies doch unweigerlich zum Zusammenbruch des so systematisch vom Westen aufgebauten Lügengebäudes geführt, wonach Russland und insbesondere Präsident Putin der einzige und ausschliessliche Schuldige am Ausbruch des Ukrainekriegs sei.
Auch was den Krieg Israels gegen die Menschen im Gazastreifen betritt, stellte sich Papst Franziskus, ohne dass dies jemals gebührend gewürdigt worden wäre und entsprechende Konsequenzen gehabt hätte, mutig gegen die offizielle westlich-kapitalistische Sichtweise, wonach Israel ein „Recht“ hätte, sich gegen den Überfall israelischer Siedlungen durch Hamaskämpfer am 7. Oktober 2023 mit einer tausendfach stärkeren Gegenreaktion zu „verteidigen“, der mittlerweile schon gegen 100’000 unschuldige Kinder, Frauen und Männer zum Opfer gefallen sind: „Was in Gaza geschieht“, sagte Papst Franziskus, „trägt deutlich Züge eines Völkermords.“ Als einziger westlicher Wortführer hatte er den Mut, die israelische Militärpolitik gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser als „Terrorismus“ zu bezeichnen. Und sein Papamobil hat er kurz vor seinem Tod den Kindern von Gaza vermacht, wo es nun von der Hilfsorganisation Caritas in einen Krankenweg umgebaut wird.
Mit seiner radikalen Gesellschaftskritik wandelte Papst Franziskus unverkennbar auf den Spuren von Jesus, der ebenfalls zu seiner Zeit zu einer radikalen Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse aufgerufen hatte und dafür sein Leben hingeben musste. Es waren und sind die Denkvorstellungen und Visionen einer gerechten und friedlichen Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die erst in jenem Moment auf so tragische Weise geopfert wurden, als aus der christlichen „Urkirche“, die eine Art Untergrundbewegung gewesen war, eine „Machtkirche“ wurde, die nicht mehr den Interessen der Armen und der Unterdrückten diente, sondern nur noch den Interessen der Reichen und Mächtigen. Was dazu führte, dass die von Jesus verkündeten Botschaften von Liebe und Gerechtigkeit nicht nur missachtet, sondern geradezu ins Gegenteil verdreht wurden: Ganze Heerscharen von christlichen Kämpfern wurden – wie etwa in den Kreuzzügen des 12. und 13. Jahrhunderts – im Namen Gottes in „heilige“ Kriege gegen Andersgläubige geschickt, Millionen von amerikanischen Ureinwohnerinnen und Ureinwohnern wurden mit Gewalt, Zwang und Folter zum Christentum bekehrt und selbst US-Präsident George W. Bush versäumte es nicht, sein Morgengebet zu verrichten und die Hand auf die Bibel zu legen, bevor er im März 2003 den Befehl zum – wie wir heute wissen – nur mit Lügen gerechtfertigten militärischen Angriff auf den Irak erteilte, dem in der Folge bis zu einer Million unschuldiger Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fallen sollten.
Papst Franziskus hat zeitlebens seine Stimme erhoben, um uns daran zu erinnern, dass die revolutionären Visionen von Jesus bis heute nichts an Aktualität eingebüsst haben, ganz im Gegenteil. Elementarste humanitäre Werte wie soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Gemeinschaftsdenken, Nächsten- und Feindesliebe sind heute bedrohter denn je. Doch wie vor über 2000 Jahren die Mächtigen sich dieser Bedrohung ihrer Privilegien nicht anders zu entledigen vermochten als dadurch, dass sie Jesus, den „Systemsprenger“, ermordeten, so scheinen auch heute wiederum die Mächtigen all das „Gefährliche“, „Bedrohliche“ und „Unbequeme“, womit uns dieser Papst zum Nachdenken zu bringen versuchte, so schnell wie möglich wieder aus unserer Erinnerung auslöschen und zur „Tagesordnung“ übergehen zu wollen. Im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit, just anlässlich der Beisetzung von Papst Franziskus, tummeln sich schon wieder die Reichen und Mächtigen unserer Zeit, ganz so wie damals die Pharisäer, Schriftgelehrten und Geldwechsler, die, als hätte Jesus 2000 Jahre weit in die Zukunft schauen können, in der Bibel mit Worten wie diesen beschrieben sind: „Kurz vor dem jüdischen Passahfest reiste Jesus nach Jerusalem. Dort sah er im Vorhof des Tempels viele Händler, die Rinder, Schafe und Tauben als Opfertiere verkauften. Auch Geldwechsler sassen hinter ihren Tischen. Jesus machte sich aus Stricken eine Peitsche und jagte die Händler mit all ihren Schafen und Rindern aus dem Tempelbezirk. Er schleuderte das Geld der Wechsler auf den Boden und warf ihre Tische um.“ Und den Taubenhändlern, die ihm offensichtlich ganz besonders ein Dorn im Auge waren, befahl er: „Schafft das alles hinaus! Das Haus meines Vaters ist doch keine Markthalle!“
Leider sind die Händler, die Geldwechsler und die Taubenhändler bis heute immer und immer wieder in das „Haus des Herrn“ zurückgekehrt. Kaum war Papst Franziskus tot, tummelten sie sich bereits unverfroren, als wäre nichts geschehen, an seinem Grab, um sich im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit zu sonnen, und waren voll des scheinheiligen Lobs auf einen Mann, der sie vermutlich, wenn er noch leben würde, in alle Winde verjagt hätte, so wie damals Jesus mit der Peitsche all die Schönredner und Profiteure aus dem Tempel des Herrn verjagte. Franziskus habe „mit seiner Demut und Liebe für die weniger vom Glück Begünstigten weit über die katholische Kirche hinaus Millionen von Menschen inspiriert“ und „mit seinem Vermächtnis zu einer gerechteren, friedvolleren und mitleidsvolleren Welt beigetragen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie, die sich selber ganz offensichtlich nicht im Geringsten von dieser Liebe hat inspirieren lassen, sonst hätte sie wohl kaum jenes EU-„Hilfsprojekt“ in der Höhe von 130 Millionen Euro an vorderster Front in die Wege geleitet, mit dem Tunesien seine Sicherheitskräfte ausbildet, damit sie möglichst viele Flüchtlinge aus dem südlichen Afrika ohne Wasser und Nahrung in die libysche Wüste jagen, Männer, Frauen und Kinder, von denen nur ganz wenige jemals wieder zurückkehren werden, während die toten Körper aller anderen schon längst zum Opfer der Aasgeier geworden sind und nicht einmal das Bild eines dreijährigen Mädchens, das in engster Umklammerung mit seiner Mutter tot in der Wüste von einem Journalisten gefunden wurde, den Weg in die grosse Weltöffentlichkeit gefunden hat.
Die EU-Parlamentspräsidentin Kaja Kallas, die wie kaum eine andere europäische Politikerin auf aggressivste Weise einen zukünftigen grossen Krieg gegen Russland heraufbeschwört und sich für eine militärische Aufrüstung Europas in einem historisch noch nie dagewesenen Ausmass stark macht, sprach vom „unermüdlichen Einsatz“ des verstorbenen Papstes „für den Schutz der Verletzlichsten“ und hob seine „Menschenwürde“ hervor – von seiner Aussage, auch dem ärgsten Feind müsse man die Hand reichen und mit Waffen könnten Konflikte zwischen Ländern und Völkern niemals gelöst werden, scheint sie indessen nie etwas gehört, oder wenn, es dann offensichtlich ganz und gar nicht verstanden zu haben. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, durch sein Schweigen gegenüber dem von der israelischen Regierung im Gazastreifen begangenen Völkermord mitverantwortlich für den Tod Zehntausender unschuldiger Kinder, Frauen und Männer, sagte, Papst Franziskus sei ein „Fürsprecher der Schwachen, ein Versöhner und ein warmherziger Mensch“ gewesen. Der höchstwahrscheinlich zukünftige deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz, der ebenfalls voll auf Kriegskurs ist, alle damit verbundenen sozialen, wirtschaftlichen und menschlichen Opfer seiner eigenen Bevölkerung bloss achselzuckend zur Kenntnis nimmt und zudem eine umfassende Verschärfung in der Flüchtlingspolitik, gegenüber den Schwächsten der Schwachen, fordert, erklärte, ohne dabei rot zu werden: „Das ständige wache Mahnen von Papst Franziskus zu sozialer Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung wird uns ebenso fehlen wie seine Impulse dazu, das Evangelium allen Menschen zu verkünden.“ Der britische Premierminister Keir Starmer, auch er das pure Gegenteil eines von Feindesliebe geprägten Pazifisten, lobte den „Mut“ und die „Demut“ des Verstorbenen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron, bei der laufenden Verschärfung der Flüchtlingspolitik bedingungslos Seite an Seite mit allen übrigen europäischen Hardlinern, sprach im Zusammenhang mit Papst Franziskus von „Demut“ sowie davon, dass dieser „sich immer auf die Seite der Schwächsten und Zerbrechlichsten gestellt“ hätte. Argentiniens Präsident Javier Milei, bekannt für seine öffentlichen Auftritte mit einer Kettensäge in der Hand, seine rigorosen Sparpläne zu Lasten der ärmsten Bevölkerungsschichten seines Landes symbolisierend, bekundete „tiefe Trauer“ über den Tod von Papst Franziskus und dass es für eine „grosse Ehre“ gewesen sei, dessen „Güte und Weisheit kennenzulernen“.
Anthony Albanese, der australische Ministerpräsident, forderte die Menschheit angesichts des Todes von Papst Franziskus die Menschheit auf, „uns an all das zu erinnern, was wir gemeinsam haben, um den Schrei der Erde, unserer gemeinsamen Heimat, zu hören“ und ordnete an, alle Flaggen seines Landes auf Halbmast wehen zu lassen – ausgerechnet Albanese, der Regierungschef jenes Landes, das in Sachen Asylpolitik weltweit als eines der restriktivsten gilt: Flüchtlingsboote werden aufs offene Meer zurückgedrängt, Flüchtlinge, welche die Küste erreichen, werden fortgeschafft und entweder auf die berüchtigte Insel Nauru, die einer Mondlandschaft gleicht und schon oft mit der Hölle auf Erden verglichen wurde, sowie auf weitere weit entlegene Pazifikinseln verfrachtet, wo gefängnisähnliche Zustände, körperliche Misshandlung und Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind. Und der israelische Präsident Isaac Herzog, wenn auch nicht der Hauptverantwortliche, dann doch der engste Komplize von Netanyahu, einem der grössten Kriegsverbrecher unserer Zeit, äusserte sich über den verstorbenen Papst dahingehend, Franziskus sei ein „Mann mit grenzenlosem Mitgefühl“ gewesen, der „sein Leben dem Einsatz für die Armen und dem Ruf nach Frieden in einer unruhigen Welt gewidmet“ habe. Was für eine grenzenlose, unfassbare Scheinheiligkeit und Heuchelei, angesichts derer sich der Verstorbene wohl in diesen wenigen Tagen schon tausende Male in seinem Grab hätte umdrehen müssen…
Erst nach längerem Recherchieren, nachdem ich schon beinahe aufgegeben hätte, bin ich in einer kleinen Lokalzeitung auf folgende Meldung gestossen: Auf dem Grab von Papst Franziskus habe früh am Sonntagmorgen als allererstes eine einzelne weisse Rose gelegen. Und bereits am Tag zuvor hätte eine Gruppe von Kindern, Obdachlosen, Flüchtlingen, Opfern von Menschenhandel, Häftlingen, Transsexuellen und einer Vertretung der Roma-Gemeinschaft weisse Rosen in ihren Händen gehalten. Das wäre wohl die einzige Nachricht gewesen, die es Wert gewesen wäre, weltweit Schlagzeilen zu machen. Denn genau so war auch Jesus gewesen. Nicht bei den Mächtigen, deren Namen in goldenen Lettern prangen und die noch Jahrhunderte später in den Geschichtsbüchern zu lesen sind. Sondern bei den Machtlosen, den Namenlosen, denen, für die nie irgendwelche Denkmäler errichtet werden, obwohl sie die ganze Geschichte der Reichen und Mächtigen, all das Gold, all die Paläste, als die Siege der Starken über die Schwächeren unermüdlich auf ihren Schultern tragen und kein einziger Mensch jemals so reich und so berühmt werden könnte, wenn sie nicht so arm und so namenlos wären. Genau so war Jesus. Er suchte nicht die im Lichte auf, sondern die in der Finsternis, zu den am schmerzlichsten Ausgestossenen fühlte er sich am meisten hingezogen, bei denen, an denen alle achtlos vorbeigegangen, blieb er als Einziger stehen und hörte ihnen als Einziger zu, wenn sie von ihrem Kummer, ihren Sorgen und ihrem Leiden erzählten.
Und immer wieder waren es die Kinder. Schon damals wie auch heute noch immer die Schwächsten der Schwachen. Und so wie Jesus stets die Erwachsenen ermahnte, niemand würde jemals ins „Himmelreich“ kommen, „wenn ihr nicht werdet wie die Kinder“, genau so waren es auch die Kinder, von denen Papst Franziskus so oft erzählte, was ihn so unglaublich bewegt hätte, weil er stets in den Augen der Kinder, auch wenn sie oft voller unsäglicher Traurigkeit waren, zugleich doch immer auch die Hoffnung gesehen hätte, eines Tages würde sich die Erde vielleicht doch noch in jenes Paradies verwandeln, in dem alle Menschen, bevor sie zur Erde kamen, einst gelebt hatten. Diese Hoffnung, die von Menschen wie Jesus und Papst Franziskus und Millionen anderer, Namenloser, stets von Neuem immer wieder entfacht wird und von denen wir, wohl ohne uns der Tragweite dieser Worte gänzlich bewusst zu sein, so beiläufig sagen, solche Menschen seien „ihrer Zeit weit voraus“. Ja, wenn sie ihrer Zeit weit voraus sind, heisst das doch nichts anderes, als dass diese Zeit irgendwann auch tatsächlich kommen wird. Diese Zeit, in der trotz allem eines Tages die Traurigkeit und die Hoffnung in den Augen der Kinder, die Tränen der Freude und die Tränen der Trauer, die Liebe, das Mitgefühl mit Schwächeren, die Feindesliebe, die alles durchklingenden Kräfte der Musik, der Künste und der Phantasie und der Glaube an das Gute im Innersten aller Kreatur stärken geworden sein werden als alles andere und in einem neuen, grossen Ganzen durch Millionen unsichtbarer Fäden der Liebe miteinander verbunden sein werden.
Doch nicht nur die Kinder. Durch alles hindurch fällt in diesen Zeiten auf, dass die stärkste Sehnsucht nach einer friedlichen und gerechten Zukunft, so wie sie von Papst Franziskus verkörpert wurde, vor allem auch bei älteren Menschen spürbar ist, die, so scheint es, in höherem Alter ihre ursprünglichen, kindlichen, mit dem Paradies verbundenen Wurzeln wieder neu entdecken, gepaart mit Jahrzehnten wertvoller Lebenserfahrung: „Wir brauchen“ – auch diese Worte von Papst Franziskus müssen wir für immer in unseren Herzen aufbewahren – „ein neues Bündnis zwischen den Jungen und den Älteren, damit der Lebenssaft derer, die eine lange Lebenserfahrung haben, die Triebe der Hoffnung der Heranwachsenden nährt. So lernen wir die Schönheit des Lebens kennen und schaffen gemeinsam eine geschwisterliche Zukunft.“
Die Schweiz, das „Musterland“ der Demokratie, der Meinungs- und Gedankenfreiheit. In keinem anderen Land der Welt würden die Menschen durch die Medien so ausgewogen und objektiv informiert wie hierzulande, heisst es meist im Brustton tiefster Überzeugung. Doch wir brauchen nur irgendeine beliebige Zeitungsseite aufzuschlagen, um sogleich festzustellen, dass dieses Bild nichts anderes ist als reines Wunschdenken. Die Art und Weise, wie westliche Medien ihr Publikum manipulieren, ist vermutlich sogar noch viel raffinierter als jene plumpen „Holzhammermethoden“, welche in Diktaturen oder rigiden Einparteiensystemen an der Tagesordnung sind. Und deshalb nicht weniger, sondern vielleicht sogar noch gefährlicher. Denn wenn man sich beim Lesen oder Hören einer Nachricht nicht einmal bewusst ist, dass man manipuliert wird, können Lügen viel leichter und schneller zu vermeintlichen „Wahrheiten“ heranwachsen, als wenn man Gelesenem und Gehörtem grundsätzlich misstraut.
Zum Beispiel Seite 7 des „St. Galler Tagblatts“ vom 14. April 2025. Scheinbar „objektiv“ wird auf der gleichen Zeitungsseite sowohl über einen russischen Raketenschlag gegen die ukrainische Stadt Sumy wie auch über einen israelischen Luftangriff gegen Ziele im Gaza-Streifen berichtet. Doch schauen wir uns die beiden Meldungen etwas genauer an…
Zunächst die Länge: Der links abgedruckte Artikel über die Attacke auf Sumy ist ungefähr drei Mal so lang wie der rechts abgedruckte über die Angriffe im Gaza-Streifen. Da beim Lesen unbewusst die Länge eines Artikels mit der Bedeutung der betreffenden Nachricht in Verbindung gebracht wird, bedeutet dies im Klartext: Was in Sumy geschehen ist, muss drei Mal schlimmer gewesen sein als das, was im Gaza-Streifen geschehen ist. Auch alle weiteren Unterschiede in der Gewichtung der beiden Ereignisse unterstreichen diese Aussage, die sich somit der Leserschaft gleich auf mehreren unterschiedlichen Ebenen nachhaltig einprägt.
Zweitens die Visualisierung: Im linken Artikel nimmt das Bild so viel Raum ein wie der gesamte Text des rechten Artikels, in welchem eine Visualisierung in Form eines Bildes sogar gänzlich fehlt. Das Bild über die Attacke auf Sumy zeigt riesige schwarze Rauchschwaden, lichterloh brennende Fahrzeuge, eine völlig zerschossene Häuserfassade, tote und lädierte Baumstämme, herumliegende Gebäudereste, eine mit Trümmern übersäte Strasse und einen einzelnen schwarz gekleideten Mann, der fassungslos daneben steht – selbst all denen, die den zugehörigen Text bloss überfliegen bzw. gar nicht zur Kenntnis nehmen, um rasch weiterzublättern, wird sich ein solches Bild zweifellos tief einprägen, zumal es noch mit der Legende, dass es sich dabei um eine „Zerstörung“ und eine „verheerende“ russische Raketenattacke gehandelt habe, versehen ist. Man kann nur erahnen, was auf einem Bild im rechten Artikel zu sehen gewesen wäre, hätte man die beiden Nachrichten auch nur ein ganz winziges bisschen neutraler und ausgewogener darzustellen versucht.
Drittens die Grösse und der Inhalt der beiden Titel: Der linke Titel ist mit einer mehr als drei Mal so grossen Schrift gedruckt. Zudem weckt er starke Emotionen, wenn von einem „Blutbad“ die Rede ist. Ganz im Gegensatz zum Titel des rechten Artikels, der nicht nur in einer viel kleineren Schrift erscheint, sondern auch völlig „sachlich“ und emotionslos formuliert ist: „Israel greift über 90 Ziele im Gaza-Streifen an“. 90 Ziele, man stelle sich das einmal vor. Das war dann höchstwahrscheinlich nicht bloss ein einziges Blutbad, sondern geradezu ein Meer von Blut!
Viertens der Untertitel. Gleich vierfach – wie wenn einmal nicht genug wäre – wird der Leserin und dem Leser eingehämmert, wie schlimm der russische Angriff gewesen sein muss: Er hat die „kriegsgeplagte“ Stadt Sumy getroffen, es war eine „Attacke“, diese war „verheerend“ und forderte „über 30 Tote“. Der rechte Artikel hingegen weist überhaupt keinen Untertitel auf. Untertitel sind aber in der Wirkung auf die lesende Person von grösster Wichtigkeit. Flüchtig und oberflächlich Lesende verschaffen sich häufig bloss aufgrund von Titel und Untertitel eine Meinung und nehmen den Text selber gar nicht zur Kenntnis. Fehlt, wie im rechten Artikel, ein Untertitel, bleibt bei der lesenden Person nicht einmal ein flüchtiger, sondern überhaupt kein Eindruck zurück.
Fünftens die Zahl der Opfer. Während im linken Artikel präzise die Zahl von 32 Toten genannt wird, fehlt im rechten Artikel jegliche Zahlenangabe. Die Rede ist nur von „90 Zielen“. Die Angriffe hätten sich auf „Waffenlager“, „Terrorzellen“ und „militärische Anlagen“ beschränkt – wobei solche sogenannte „chirurgische“ Angriffe, wie allgemein bekannt ist, stets auch verheerende Auswirkungen haben auf Wohngebiete oder zivile Einrichtungen in ihrem näheren und weiteren Umfeld. Zudem sei die laufende Bodenoffensive im Süden des Gaza-Streifens fortgesetzt worden und zuvor sei noch ein Krankenhauskomplex im Norden des Gaza-Streifens angegriffen worden. Zählt man die Opfer der 90 „Ziele“, der Bodenoffensive sowie der Attacke auf den Krankenhauskomplex zusammen, kommt man selbst bei vorsichtigen Schätzungen auf eine Zahl, die vermutlich die Opfer der russischen Attacke auf Sumy um mindestens das Zehnfache, wenn nicht das Zwanzigfache übertreffen dürfte. Dass dabei so ganz nebenbei auch noch ein Krankenhauskomplex ins Visier des israelischen Bombardements geriet, wird auch nicht mit einem einzigen Wort kritisch kommentiert, obwohl man hierfür objektiverweise wohl noch weitaus drastischere Begriffe verwenden müsste als das im linken Artikel genannte „Blutbad“.
Sechstens die Beschreibung der Opfer. Im linken Artikel werden die Opfer und die an ihnen begangenen Taten detailliert beschrieben, vermutlich, um an das Mitgefühl der lesenden Person zu appellieren und zugleich Hass- und Rachegefühle gegen die Täter zu erzeugen. Unter den 32 Toten seien auch „zwei Kinder“ gewesen, unter den 84 Verletzten „acht Kinder“. Die Menschen seien „am Palmsonntag“, also an einem heiligen Tag, in der Stadt gewesen, als die Raketen eingeschlagen hätten. Die Raketen hätten „Sprengsätze mit Streubomben“ getragen.“ Viele Menschen seien „mitten auf der Strasse, in Autos und öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Häusern“ verletzt worden. Auf Bildern hätte man „leblose Körper auf Strassen“ gesehen. Rettungskräfte hätten Menschen „mit blossen Händen“ getragen. Im rechten Artikel dagegen sucht man vergeblich nach vergleichbaren Details. Kein Hinweis darauf, ob es auch – was höchst wahrscheinlich ist – Opfer unter Kindern gegeben hat. Kein Hinweis darauf, wo und wie die Menschen getötet oder verletzt wurden. Kein Hinweis darauf, was für Waffen eingesetzt wurden. Alles schön emotionslos, „sachlich“, um nur ja nicht gegen die für diese Gewalttaten verantwortlichen israelischen Machthaber ähnliche Hass- oder Rachegefühle aufkommen zu lassen wie gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, an dem westliche Medien geradezu schon notorisch nie auch nur den kleinsten guten Faden lassen.
Siebtens die Parteinahme. Zwar wird sie nicht offen ausgesprochen, ist aber auf Schritt und Tritt zwischen den Zeilen wahrzunehmen. Der Autor des linken Artikels steht unverkennbar auf der Seite der Ukraine. Der Angriff auf Sumy hätte „international Entsetzen ausgelöst“. Russland habe „eine möglichst hohe Zahl an Zivilpersonen treffen wollen“, der ukrainische Aussenminister hätte von einem „Kriegsverbrechen“ gesprochen, der deutsche Bundeskanzler hätte gesagt, solche Angriffe zeigten, „wie es um die angebliche russische Friedensbereitschaft bestellt“ sei. Und dass es Russland einzig und allein nur darum gehe, „seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine erbarmungslos fortzusetzen“. Auch Frankreichs Präsident Macron hätte geschrieben, dass „Russland menschlichem Leben keinen Wert beimisst“ und „den Krieg weiterführen will“. Der ukrainische Aussenminister Sybiha hätte gar vom „absoluten Bösen“ gesprochen, und das „an einem wichtigen christlichen Feiertag in einer friedlichen ukrainischen Stadt“. Er und Selenski würden „eine entschlossene Reaktion der internationalen Verbündeten fordern“, denn sonst „würde Russland seinen Terror immer mehr ausweiten“. Sybiha fordere zudem die westlichen Partner auf, „die Ukraine mit zusätzlichen Flugabwehrkapazitäten auszustatten und den Druck auf Moskau zu erhöhen“. Im rechten Artikel über die Angriffe der israelischen Luftwaffe sucht man dergleichen Zuspitzungen vergebens, obwohl diese israelische Militäraktion ohne alle Zweifel weitaus mehr Tote und Verletzte gefordert hatte als der russische Angriff auf Sumy. Kein Wort darüber, dass man das Zerstörungswerk Israels im Gazastreifen, wenn man schon den russischen Angriff auf Sumy als „Kriegsverbrechen“ bezeichnet, konsequenterweise als mindestens so schweres, wenn nicht noch schwereres Kriegsverbrechen bezeichnen müsste. Kein Wort darüber, dass, wenn die Ereignisse von Sumy „internationales Entsetzen ausgelöst“ hätten, dies für die Luftangriffe Israels auf 90 Ziele im Gaza-Streifen mindestens so sehr angebracht gewesen wäre. Kein Wort darüber, dass auch die israelische Regierung „menschlichem Leben“ offenbar „keinen Wert“ beimesse. Kein Wort darüber, dass die israelische Regierung vor wenigen Tagen den zwischen ihr und der Hamas ausgehandelten Waffenstillstand einseitig und ohne Begründung gebrochen hatte. Stattdessen wird nur hervorgehoben, dass die israelische Armee „die Einwohner von Chan Junis im Süden des Küstenstreifens vor einem bevorstehenden Angriff gewarnt“ und sie aufgefordert hätte, „sich zu den Schutzräumen zu begeben“. Auch das Personal des bombardierten Krankenhauskomplexes sei „vorab gewarnt und zur Evakuierung des Gebäudes aufgefordert“ worden. Und „vor der Attacke“ seien „Massnahmen“ ergriffen worden, „um die Schäden möglichst gering zu halten, etwa durch Warnungen und den Einsatz von Präzisionsmunition“. Mit anderen Worten: Alle, die durch die Angriffe Israels getötet oder verletzt worden sind, sind selber Schuld, sie hätten ja den Warnungen seitens des Militärs nur Folge leisten müssen. Was für ein grenzenloser Zynismus! Nicht nur, dass man damit jegliche noch so grenzenlose Brutalität und Missachtung elementarster Menschenrechte rechtfertigen kann – sie sind ja selber Schuld, sie hätten nur auf die Warnungen hören müssen -, sondern auch, weil ja die Evakuierung eines Spitals inmitten eines total verwüsteten Gebiets, indem kaum mehr ein Stein auf dem andern steht, nichts ist als reine Augenwischerei. Wohin sollen die Kranken und Schwerverletzten denn gebracht werden, wo soll man die medizinischen Geräte installieren, mit was für Material und Instrumenten soll das Personal denn arbeiten? Die „Warnungen“ sind doch nichts anderes als ein grenzenlos unverschämter Propagandatrick, um sich allenfalls zu befürchtete internationale Kritik möglichst vom Hals zu schaffen, indem man den Spiess umdreht und die Opfer zu Tätern macht: Selber Schuld, sie hätten ja nur den so gut gemeinten Ratschlägen ihrer potenziellen Mörder Folge leisten müssen. Und der Schweizer Journalist, der diesen Artikel geschrieben hat, spielt das üble Spiel brav und willfährig mit und äussert nicht einen Funken Kritik an einer dermassen perfiden, skrupellosen und aller minimalster Menschlichkeit entbehrenden Kriegsführung.
Achtens die zitierten Personen. Im Artikel über die russische Attacke in Sumy werden mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski, dem ukrainischen Kanzleichef Jermak, dem ukrainischen Innenminister Klymenko, dem ukrainischen Aussenminister Sybiha, dem deutschen Bundeskanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Macron fast ausschliesslich Personen zitiert, welche völlig einseitig und voreingenommen die Position der Ukraine vertreten. Neben diesen Stimmen werden nur noch jene des Kremlsprechers Peskow und jene von US-Präsident Trump erwähnt, nicht aber im Sinne einer Gegendarstellung. Peskow wird nur im Zusammenhang mit den laufenden Verhandlungen zwischen Russland und den USA zitiert, und von Trump wird nur die Aussage erwähnt, dass sich Russland „bewegen muss“, seien in diesem „schrecklichen und sinnlosen Krieg“ doch bereits „zu viele Menschen gestorben, Tausende pro Woche“. Im Artikel über die israelischen Luftangriffe hingegen wird mit einem israelischen Militärsprecher und anderen Wortführern der israelischen Armee ausschliesslich die israelische Position aufgezeigt, es fehlt gänzlich an Aussagen von Personen bzw. Organisationen, welche dieser Militäraktion oder allgemein der offiziellen israelischen Kriegspolitik kritisch gegenüber stehen oder sie sogar verurteilen. Selbst der Direktor des betroffenen Krankenhauskomplexes wird ausschliesslich mit der Aussage zitiert, das Personal sei „vorab gewarnt und zur Evakuierung des Spitals aufgefordert worden“, kein Wort über das unermessliche Leiden, das den Patientinnen und Patienten des Spitals angetan worden war, kein Zitat vom Internationalen Roten Kreuz, von Amnesty International oder von einer anderen NGO, welche militärische Anschläge auf Spitäler grundsätzlich als Kriegsverbrechen bezeichnen.
Neuntens die Rechtfertigung der Taten. Im Artikel über die Attacke in Sumy finden wir ausschliesslich die Aussage von Selenski, wonach es Russland bei diesem Anschlag nur darum gegangen sei, „eine möglichst hohe Anzahl an Zivilisten zu treffen“. Die Position Russlands, wonach der Angriff einem Treffen ukrainischer Offiziere gegolten habe und die Zivilbevölkerung bloss als „Schutzschild“ missbraucht worden sei, wird nicht erwähnt. Es mag ja legitim sein, diese Behauptung Russlands in Frage zu stellen, jedoch müsste sie im Rahmen einer einigermassen objektiven Berichterstattung zumindest Erwähnung finden. Auch das Zitat des Kreml-Sprechers Peskow, wonach die russische Armee ausschliesslich „militärische und mit dem Militär in Verbindung stehende Ziele angreift“, dürfte bei aller Skepsis gegenüber einer solchen Aussage doch zumindest Erwähnung finden, alles andere kann man nicht anders bezeichnen denn als Zensur und Bevormundung der Leserschaft. Sogar Wolodymyr Artjuch, Gouverneur des Gebiets Sumy, hat gemäss ARD inzwischen bestätigt, in der Stadt habe zur Zeit des russischen Angriffs eine Versammlung hochrangiger Militärs stattgefunden. Artjuch selber distanzierte sich vom Entscheid, dieses Treffen in Sumy abzuhalten. Es sei nicht seine Initiative gewesen, er sei nur eingeladen worden, über den Initiator des Treffens könne er keine Angaben machen, das sei „ein anderes Thema“. Kein Wort davon in der angeblich so neutralen und objektiven Schweizer Tageszeitung. Höchst bezeichnend ist auch, dass die identische Aussage, wonach Zivilpersonen häufig als Schutzschilde gegen militärische Attacken missbraucht würden, die man der russischen Seite offensichtlich nicht abnimmt, von den gleichen westlichen Medien, wenn sie von der israelischen Seite im Zusammenhang mit Angriffen auf die Hamas ins Feld geführt wird, kaum je kritisch hinterfragt wird. Bezeichnenderweise findet man daher im Artikel über die israelische Militäraktion im Gaza-Streifen die Aussage der israelischen Armeeführung, wonach die Luftschläge einer „Kommandozentrale der Hamas innerhalb des Spitals“ gegolten hätten, von der aus „die militant-islamistische Gruppe Anschläge auf israelische Zivilpersonen und Soldaten geplant“ habe. Das identische Argument also, dass der jeweilige Anschlag gar nicht Zivilpersonen, sondern einem militärischen Ziel gedient hätte, wird im Falle von Sumy nicht einmal erwähnt, im Falle der israelischen Luftschläge jedoch kommentarlos übernommen. Einseitiger und tendenziöser geht es nun wirklich nicht mehr.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich, wie das Beispiel des „St. Galler Tagblatts“ vom 14. April 2025 exemplarisch zeigt, die westliche Berichterstattung über zwei der zurzeit brisantesten Konfliktherde, die Ukraine und den Gaza-Streifen, durch alles andere auszeichnet als durch Objektivität und Ausgewogenheit. Im Gegenteil: Die meisten Politiker wie auch die allermeisten Medienschaffenden scheinen schon zum Vornherein auf ihrer Nase eine Brille sitzen zu haben, durch die sie die eine Seite nur in positivem Licht sehen, die andere nur in negativem. In diesem Licht braucht Putin bloss zwei Raketen abzuschiessen und 32 Menschen zu töten und schon ist das ein weiterer Beweis dafür, dass er nichts anderes ist als der Inbegriff des absolut „Bösen“, vergleichbar bestenfalls mit Hitler oder gar dem Teufel. Gleichzeitig kann der israelische Ministerpräsident Netanyahu Zehntausende von Kindern abschlachten und gilt dennoch nach wie vor als der Repräsentant der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“. Gemäss Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte OHCHR hat der Ukrainekrieg bis jetzt innerhalb von drei Jahren 12’910 zivile Todesopfer gefordert, im Gazastreifen wurden hingegen innerhalb von eineinhalb Jahren bereits über 70’000 Menschen getötet, einigen Schätzungen zufolge schon gegen 100’000, 70 Prozent davon Frauen und Kinder, über 10’000 noch unter den Trümmern verschüttete, noch nicht gefundene Tote nicht einmal mitgezählt. Was im Klartext nichts anderes heisst, als dass im Gaza-Streifen durchschnittlich täglich fast 20 Mal mehr Zivilpersonen getötet werden als in der Ukraine. Doch während auf der einen Seite stets vom russischen „Angriffskrieg“ gegen die Ukraine die Rede ist und die gesamte Vorgeschichte des Konflikts mit der NATO-Osterweiterung und sämtlichen weiteren Provokationen durch den Westen systematisch ausgeblendet wird, spricht man im Zusammenhang mit dem von Israel an den palästinensischen Männern, Frauen und Kindern begangenen Völkermord als einem von Israel rechtmässig in Anspruch genommenen „Recht auf Verteidigung“. Wobei auch der Begriff des „Terrorismus“ stets nur auf nichtstaatliche Rebellen oder Widerstandskämpfer angewendet wird, nie aber auf Staaten wie Israel oder die USA, welche zweifellos für die in ihrem Ausmass mit nichts anderem zu vergleichenden schwersten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen der jüngeren Geschichte verantwortlich sind – rufe man sich doch nur kurz die über 40 seit 1945 von den USA angezettelten, grösstenteils völkerrechtswidrigen Kriege und Militäraktionen in Erinnerungen, mit insgesamt 50 Millionen Toten und 500 Millionen Verletzten, von Vietnam, Laos, Honduras, El Salvador über Jugoslawien bis zu Afghanistan. Libyen und dem Irak.
Ganz abgesehen davon, dass sich die Zustände in der Ukraine und jene im Gazastreifen ohnehin auch nicht annähernd miteinander vergleichen lassen. Während die Ukraine immer noch über eine weitgehend intakte Infrastruktur, ein funktionierendes Gesundheitswesen, einigermassen sichere Strassenverbindungen verfügt und niemand hungern muss, ist der Gazastreifen, wo inzwischen etwa drei Viertel aller Häuser dem Erdboden gleichgemacht wurden, das gesamte Gesundheitssystem zusammengebrochen ist und Millionen von Menschen vom Hungertod bedroht sind, im Vergleich dazu die wahre Hölle. Aber auch das ist noch nicht genug. Als Folge einer total verzerrten und die Realität geradezu ins Gegenteil verdrehenden Propaganda ist es den westlichen Machthabern gelungen, für die Ukraine zivile und militärische Unterstützung in Milliardenhöhe aufzubringen, inklusive Zusicherungen, nach dem Krieg alles wieder neu aufzubauen. Während auf der anderen Seite sogar die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt die finanzielle Unterstützung für das palästinensische Hilfswerk UNRWA um Haaresbreite gestrichen und damit den Hungertod von Millionen von Menschen bewusst in Kauf genommen hätte. Und US-Präsident Trump unter betretenem Schweigen des gesamten Westens die geradezu an Hybris grenzende Vision kundtat, sämtliche Palästinenserinnen und Palästinenser für immer aus ihrer Heimat zu vertreiben und an deren Stelle eine Riviera mit Strassencafés, Vergnügungslokalen, Spezialitätenrestaurants und Luxushotels für die Reichsten aus aller Welt aufzubauen.
Zufällig findet sich auf der gleichen Seite 7 des „St. Galler Tagblatts“ auch ein Artikel zu den bevorstehenden Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran. US-Präsident Trump drängt auf ein Abkommen, um den Iran an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Die iranische Führung beteuert zwar, die Atomenergie nur für friedliche Zwecke nutzen zu wollen, dennoch hat Trump unlängst mit der Bombardierung des Iran gedroht, sollte es zu keinem Einlenken kommen. Was – wieder werden wir ganz leise und sanft manipuliert – mit keinem Wort erwähnt wird: Dass sich Israel bereits seit 1967 im Besitz von Atomwaffen befindet. Aber das ist halt eben etwas ganz anderes. Israel gehört ja zu den Guten und darf das, der Iran aber gehört zu der sogenannten „Achse des Bösen“, zu welcher der Westen auch Russland zählt, darf das deshalb eben nicht und müsste sogar damit rechnen, zur Strafe dafür dem Erdboden gleich gemacht zu werden. Vielleicht ja sogar noch mithilfe Israels. Man stelle sich mal das Gegenteil vor: Putin würde Israel auffordern, seine Atomwaffen zu verschrotten, andernfalls würde er erwägen, das Land in Schutt und Asche zu legen…
Muss der Westen seine Lügengebäude wohl deshalb mit allen Mitteln dermassen weit in die Höhe bauen und dermassen systematisch seine Bürgerinnen und Bürger manipulieren und blenden, weil die Wahrheit, wenn sie denn ans Licht käme, so unerträglich wäre, dass niemand vorausahnen kann, was für gesellschaftliche und politische Umwälzungen bis hin zum Zusammenbruch der gesamten kapitalistisch-imperialistischen „Weltordnung“ dies zur Folge haben könnte?
Diesen Artikel habe ich am 20. April 2025 auch an die Chefredaktion des „St. Galler Tagblatts“ geschickt, ergänzt mit der Frage, welche Richtlinien bezüglich Ausgewogenheit, journalistischer Sorgfaltspflicht und Objektivität der redaktionellen Arbeit zugrunde liegen und mit welchen Instrumenten die Einhaltung solcher Richtlinien überprüft werde.Ich habe nie eine Antwort bekommen.
(Ergänzung am 22. 4.25: Seltene Ausnahmen gibt es noch. Sie zeigen erst recht, wie einseitig und manipulativ die weitaus überwiegende Mehrzahl der Mainstreammedien „informiert“. So las und hörte ich in Bezug auf die von Putin über die Ostertage 2025 ausgerufene Waffenruhe in der Ukraine in sämtlichen Medien nur immer, es habe sich bloss um einen „Propagandatrick“ gehandelt und Russland selber habe sich überhaupt nicht an diese Waffenruhe gehalten, sondern sie im Gegenteil dazu benutzt, seine Angriffe unvermindert fortzusetzen. Bis ich auf diese Meldung im „Tagesanzeiger“ vom 22.4. stiess: „Moskau beschuldigte die Ukraine, die Pause, die 30 Stunden hätte dauern sollen, 4900-mal verletzt zu haben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr erklärte seinerseits, die Russen hätten die Pause 2935-mal verletzt.“ Manchmal findet die Wahrheit auch in der dicksten Mauer der versuchten Manipulation noch ein Schlupfloch…)
(Kommentar von Walter Tauber, Journalist und Filmemacher, am 22.4.25: „Danke für die tolle Analyse der beiden Zeitungsartikel im „St. Galler Tagblatt“ vom 14. April 2025. So etwas sollte man flächendeckend zu allen Leitmedien und ständig machen – aber wer hat dazu die Zeit? Vielleicht als Kollektiv?“)
(„Die wichtigsten Soldaten moderner Kriege sind die Journalisten. Es gibt keinen Krieg ohne eine arglistig täuschende Regierung und einen auf ihre Weisung lügnerisch und gewalttätig werdenden Staatsapparat. Und dieser braucht zu seinem Schutz eine verblendete Öffentlichkeit, die nur sieht, was sie sehen kann, ohne die Abschaffung der Zivilisation zu bemerken. Wo Krieg herrscht, da sind vorher Journalisten Soldaten geworden.“ Michael Andrick, Philosoph, Berliner Zeitung im Mai 2025)
(Ergänzung am 14. Juni 2025: Täglich findet man in den Medien Beispiele für tendenziöse Berichterstattung, so zum Beispiel im Gratisblatt „20minuten“ vom 24.6. Grosse Schlagzeile auf der Frontseite ganz oben: Schweizer Rekruten „bereit für die Front“. Einstimmen ins allgemeine Kriegsgeheul, wie es sich für ein richtig Mainstreammedium gehört. Liest man allerdings den unterhalb der Schlagzeile stehenden Text, findet man dort genau das Gegenteil, nämlich den Satz: „Lust auf Krieg hat keiner, das machen viele der jungen Männer klar.“)
Im „St. Galler Tagblatt“ vom 23. Januar 2025 äusserst du dich zur Schweizer Asylpolitik 2024 wie folgt: „Wir sind in verschiedenen Bereichen den europäischen Ländern deutlich voraus. Die Asylzahlen waren im September 40 Prozent tiefer als im September 2023. Die Zahl der Pendenzen sinkt. Wir haben 2024 25 Prozent von ihnen abbauen können. Auch die Rückkehrzahlen steigen, mit einer Rückführungsquote von annähernd 60 Prozent steht die Schweiz in Europa an der Spitze. Das SEM macht eine hervorragende Arbeit. Wir sind auf dem richtigen Weg. Doch wir sind noch nicht zufrieden. Der immer noch zu grosse Pendenzenberg muss rascher abgebaut werden.“
Aus meiner Sicht sind solche Aussagen zynisch und der humanitären Tradition der Sozialdemokratie unwürdig. Als Mitglied der SP seit 40 Jahren ist das wieder einmal so ein Moment, an dem ich mir ernsthaft überlege, ob ich weiterhin noch Mitglied einer Partei sein kann, die einen Bundesrat stellt, der sich mit solchen Worten öffentlich äussert.
Ich habe innerhalb der vergangenen neun Monate am Beispiel von zwei asylsuchenden Personen hautnah erlebt, wie sich die aktuelle schweizerische Asylpolitik auf die unmittelbar davon Betroffenen auswirkt. Ich fasse meine Erfahrungen im Folgenden kurz zusammen. Die Namen sind geändert.
Halime ist eine 25jährige Afghanin. Ihre Leidensgeschichte beginnt mit Zwangsverheiratung im Alter von 16 Jahren und schweren Misshandlungen durch ihren Ex-Mann, geht weiter mit der Flucht über den Iran und die Türkei mit zahlreichen weiteren Gewalterfahrungen und endet in Griechenland, wo sie den Flüchtlingsschutzstatus und damit das Bleiberecht erhält. Da die Verhältnisse für Flüchtlinge in Griechenland bekanntermassen katastrophal sind, nach 30 Tagen jegliche staatliche Unterstützung erlischt und viele Flüchtlinge in Elend und Obdachlosigkeit landen, wo sie weiteren unzumutbaren Gewalterfahrungen ausgesetzt sind, ersucht Halime in der Schweiz um Asyl, insbesondere auch deshalb, weil sie befürchtet, ihr Ex-Mann oder Verwandte von ihm könnten sich ebenfalls bereits in Griechenland aufhalten und ihr nach dem Leben trachten. Schwer traumatisierte junge Frauen aus Afghanistan, die alleine unterwegs sind, erhielten bis vor etwa zwei Jahren in aller Regel in der Schweiz eine F-Aufenthaltsbewilligung, auch wenn sie über ein Bleiberecht in Griechenland verfügten. Diese Praxis wurde in den vergangenen zwei Jahren drastisch verschärft. Halimes Asylgesuch wird am 4. Oktober 2024 mit Bezugnahme auf das Dublin-Abkommen trotz der schweren Traumatisierung der jungen Frau und ihrer Todesängste vom SEM abgelehnt.
Im Gegensatz zu deiner Aussage, das SEM leiste „hervorragende“ Arbeit, ist das Argumentarium, mit dem Halimes Asylgesuch abgelehnt wird, an unzulässigen und widersprüchlichen Aussagen nicht zu übertreffen. Jede Aussage von Halime, auch wenn sie sie noch so glaubwürdig und überzeugend darlegt, wird mit der Begründung zurückgewiesen, sie könne sie „nicht beweisen“. Doch wie soll sie, um nur ein Beispiel zu nennen, die von ihrem Ex-Mann ausgesprochenen Morddrohungen beweisen, wenn ihr das Handy, wo die entsprechenden Nachrichten gespeichert waren, an der türkisch-griechischen Grenze gewaltsam entrissen wurde? Zudem nimmt das Argumentarium mehrfach Bezug auf eine Aussage des Bundesrates aus dem Jahre 2008 (!), wonach Griechenland ein „sicherer Drittstaat“ sei, was von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und anderen NGOs mit zahlreichen Studien in der Zwischenzeit mehrfach widerlegt wurde. Auch erscheint die schwere Traumatisierung der schwergeprüften Frau an keiner einzigen Stelle des Argumentariums als mögliche Begründung für ein Bleiberecht in der Schweiz. Im Gegenteil: Mehrfach wird betont, es handle sich bei Halime um eine „junge, gesunde Frau“, die „keinerlei Probleme“ haben werde, in Griechenland eine Unterkunft und einen Job zu finden – obwohl allgemein bekannt ist, dass die Arbeitslosigkeit in Griechenland zurzeit bei etwa 12 Prozent liegt und eine Frau, die weder über eine Berufsausbildung noch über Kenntnisse der Landessprache verfügt, bestenfalls die Chance auf einen Job in der Schattenwirtschaft hat, mit allen damit verbundenen Gefahren von Ausbeutung und Missbrauch.
Besonders stossend ist, dass sich die Anwältin, die Halime zugeteilt wurde, keinen Deut um das Schicksal ihrer Mandantin kümmert, obwohl das doch eigentlich ihre Aufgabe wäre. Auch habe ich mir sagen lassen, dass die Bearbeitung von Asylgesuchen stark vom jeweiligen Kanton abhängt, der den Fall führt, und ebenso stark von den jeweils zuständigen Mitarbeitenden des SEM. Eine reine Lotterie mit unter Umständen geradezu tödlichen Folgen.
Auch eine von mir unterstützte Beschwerde Halimes gegen den SEM-Entscheid, fristgerecht eingereicht ans Bundesgericht, wird abgewiesen. Anstelle einer erhofften seriösen Neubeurteilung übernimmt das Bundesverwaltungsgericht nahezu wortwörtlich die Argumentation des SEM. Und so muss Halime trotz bedenklichen gesundheitlichen Zustands mit hohem Fieber, Magenkrämpfen und nach mehreren schlaflosen Nächten infolge ihrer Ängste und Traumatisierungen und ohne jegliche medizinische, psychologische und finanzielle Unterstützung anfangs November 2024 die Schweiz verlassen. Hätte sie ihr Asylgesuch zwei Jahre früher eingereicht, so wurde mir von mehreren Fachpersonen, die im Asylwesen tätig sind, unabhängig voneinander bestätigt, wäre es höchstwahrscheinlich positiv beantwortet worden – während früherer Jahre fanden aus der Schweiz sogar überhaupt keine Rückschaffungen nach Griechenland statt. So massiv hat sich die schweizerische Asylpolitik in kurzer Zeit auf Druck der Rechtsparteien, insbesondere der SVP, verschärft. Und dies nicht nur in diesem Aspekt. Über fünf Mal ist die schweizerische Asylpolitik auf Druck der SVP und einer systematisch von ihr heraufbeschworenen fremdenfeindlichen Stimmung in der Bevölkerung im Verlaufe der vergangenen zehn Jahre immer restriktiver geworden.
Das zweite Beispiel ist eine afrikanische Flüchtlingsfamilie, die aufgrund ihres negativen, aus verschiedenen Gründen noch nicht vollzogenen Asylentscheids seit acht Jahren täglich mit der Angst leben muss, von einem Tag auf den anderen gewaltsam ausgeschafft zu werden. Alle paar Tage bekommen sie mit, wie Asylsuchende frühmorgens von der Polizei aus ihren Betten geholt und in Handschellen abgeführt werden. Die 13jährige Chantal ist inzwischen so schwer traumatisiert, dass sie nächtelang wach und schweissgebadet in ihrem Bett liegt und sich immer wieder mit dem Gedanken herumschlägt, sich das Leben zu nehmen.
2024 wurden 7205 Asylsuchende aus der Schweiz in ihre Herkunftsländer zurückgeschafft, zwei Drittel von ihnen zwangsweise, gegen ihren Willen, täglich also rund zwölf Menschen, in Handschellen oder Ganzkörperfesselung, als handle es sich um Schwerverbrecherinnen und Schwerverbrecher.
Mir ist klar, dass die Schweiz nicht sämtliche Personen aufnehmen kann, die hier Asyl suchen. Aber ist eines der reichsten Länder der Welt tatsächlich mit durchschnittlich nicht einmal einem einzigen anerkannten Flüchtling pro 100 Einwohnerinnen und Einwohner schon am Limit? Wo ist die Solidarität mit anderen Ländern und Weltregionen? In Griechenland, wohin Menschen zurückgeschafft werden und das selbst mit massiven sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat, gibt es pro 100 Einheimische doppelt so viele Flüchtlinge wie in der Schweiz. Im Libanon kommt auf jede einheimische Person ein Flüchtling. Bangladesch musste innerhalb eines einzigen Jahrs mit einer ganzen Million Flüchtlingen aus Myanmar fertigwerden. In Afrika gibt es Millionen von Binnenflüchtlingen. Und wir sind schon mit einem einzigen Flüchtling pro 100 Einheimische überfordert?
Dazu kommt, dass durch die grosszügige Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen der Druck, aus anderen Ländern noch weniger Flüchtlinge aufzunehmen, zusätzlich verstärkt wurde. Weshalb werden Flüchtlinge so unterschiedlich behandelt je nach dem Land, wo sie herkommen? Sind Menschenrechte nicht universell, gelten sie nicht für alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion?
„Wenn das Unrecht zu Recht wird“, sagte Bertolt Brecht, „dann wird Widerstand zur Pflicht.“ Wie lange wollen wir als SP uns noch von der SVP in eine Richtung hetzen lassen, mit der wir uns von den ursprünglichen Idealen der Sozialdemokratie immer weiter entfernen? Wie lange noch lassen wir uns instrumentalisieren und lassen es zu, die schmutzige Arbeit für andere zu erledigen, die sich, wenn es drauf und dran kommt, vornehm zurücklehnen und so tun, als hätten sich nichts damit zu tun? Wann endlich gelingt es uns, die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass nicht die „Linken“ schuld sind an den globalen Flüchtlingsbewegungen, sondern das kapitalistische Weltwirtschaftssystem, das im Verlaufe der vergangenen 500 Jahre eine immer tiefere Kluft aufgerissen hat zwischen armen, ausgebeuteten Weltregionen und reichen, von dieser Ausbeutung profitierenden?
Hätte man auf die Linken gehört – etwa auf die Forderung nach Beibehaltung des Botschaftsasyls, gerechte Preise für Rohstoffe, Konzernverantwortung, ressourcenschonende Wirtschaft, faire Handelsbeziehungen zwischen Norden und Süden, etc. –, dann hätten wir heute nicht mehr, sondern viel weniger Flüchtlinge, weil nämlich kein Mensch einen Grund hat, seine Heimat zu verlassen, wenn er unter menschenwürdigen Bedingungen dort leben kann.
„… wird der Widerstand zur Pflicht…“ Müsste ein SP-Justizminister als Repräsentant der Sozialdemokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenwürde nicht aufstehen und öffentlich erklären, dass sein Gewissen es nicht länger zulasse, dieses grausame Spiel mitzuspielen? Wieso brüstet man sich sogar noch damit, innerhalb eines Jahres mehr Flüchtlinge ausgeschafft zu haben als in allen Jahren zuvor? Erringt man europäische Spitzenwerte neuerdings dadurch, dass man möglichst viele Träume von einem schöneren Leben zerstört? Kann man sich mit Humanität, Menschenfreundlichkeit und Gastfreundschaft heute nicht mehr profilieren, sondern nur noch mit möglichst hohen Zahlen abgewiesener Flüchtlinge?
Die SVP hat es geschafft, uns durch permanentes Schüren von Feindbildern und von Fremdenhass und vom Aufbauschen einzelner von Asylsuchenden begangener Delikte einzureden, wir würden von Flüchtlingen „bedroht“, „überflutet“ und das „Boot“ sei längst schon „voll“. Zu dieser von Hass und Fremdenfeindlichkeit geprägten Stimmungswelle, die mittlerweile schon geradezu zur kaum mehr hinterfragten gesellschaftlichen „Normalität“ geworden ist, braucht es dringendst eine mindestens so starke Gegenbewegung. Die Ausrede, die anderen europäischen Länder betrieben ja genau die gleiche oder sogar noch härtere Flüchtlingspolitik, kann das begangene Unrecht nicht rechtfertigen. Im Gegenteil: Mit ihrer humanitären Tradition wäre die Schweiz sogar in ganz besonderem Ausmass moralisch verpflichtet, an die Werte von Mitmenschlichkeit und Solidarität zu erinnern und sich für ihre Bewahrung tatkräftig einzusetzen, vielleicht sogar als Vorbild für andere. Sonst wird die Gefahr immer grösser, dass über Jahrzehnte hart erarbeitete Werthaltungen scheibchenweise nach und nach immer mehr verloren gehen, bis am Ende nichts mehr davon übrig bleibt.
Das Mindeste wäre, dass der Bundesrat seine 2008 gemachte und seither x-fach widerlegte Aussage, Griechenland sei ein „sicherer Drittstaat“, endlich widerrufen würde. Damit das SEM wenigstens dieses Argument, um Flüchtlinge ohne ernsthafte individuelle Überprüfung ihrer Gesuche möglichst rasch abzuschieben, nicht mehr verwenden könnte.
Es geht mir nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen. Aber die Gefahr ist gross, dass man, wenn man einfach seinen „Job“ macht, dadurch möglicherweise – ohne es eigentlich zu wollen – Unrecht begeht. Ich finde, darüber muss man mindestens offen und ehrlich diskutieren, gerade innerhalb einer politischen Partei, bei der doch die menschlichen Werte an oberster Stelle stehen müssten.
Eine Kopie dieses Schreibens ging am 15. April 2025 an das Zentralsekretariat der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz.
Am 1. Mai 2025 erhielt ich folgende Antwort von Bundesrat Beat Jans:
Lieber Peter, ich danke dir für deinen Brief vom 15. April 2025. Deine Zeilen habe ich mit Interesse gelesen. Ich kann nachvollziehen, dass solche Einzelfälle berühren und aufwühlen… Ich kann dir versichern: Auch ich will ein menschliches Asylsystem. Letztlich geht es immer um Menschen – wer Anspruch auf Schutz hat, soll bei uns Schutz bekommen. Wir halten uns dabei an unsere internationalen Verpflichtungen wie die Genfer Flüchtlingskonvention. Für diese Grundwerte stehe ich ein. Gleichzeitig stellt das hohe Migrationsaufkommen grosse Anforderungen an die Schweiz – ebenso wie an viele andere europäische Staaten. Unser Asylsystem muss deshalb sowohl fair als auch glaubwürdig bleiben… Jeder Entscheid wird im rechtlich vorgegebenen Rahmen individuell geprüft, kann angefochten und von unabhängigen Gerichten beurteilt werden. Die von dir kritisierte Praxis der Rückführungen, insbesondere im Rahmen der Dublin-Verordnungen, beruht auf internationalen Abkommen, die die Schweiz zusammen mit anderen europäischen Staaten eingegangen ist. Diese Abkommen sind nicht politisches Kalkül, sondern Teil eines solidarischen und regelbasierten Systems, das sowohl Schutzbedürftigen als auch den Aufnahmestaaten Verlässlichkeit gibt. Gerade auch in Griechenland erfolgt die Rückführung nur unter der Voraussetzung, dass die dortige Betreuung gewährleistet ist… Dass das SEM Fortschritte beim Abbau der Pendenzen und bei den Rückführungen erzielen konnte, bedeutet nicht, dass der humanitäre Ansatz verloren gegangen wäre. Es zeigt vielmehr, dass Verfahren effizienter gestaltet und unzumutbare Wartezeiten für Asylsuchende verkürzt werden können. Der Schutz von besonders vulnerablen Personen bleibt dazu ein zentrales Anliegen. Wo Härtefälle bestehen, gibt es zudem die Möglichkeit von humanitären Aufenthaltsbewilligungen… Die Asylpolitik ist ein laufender Balanceakt zwischen Humanität und Rechtsstaatlichkeit. Ich nehme deine Kritik ernst, ebenso deine Ermahnung, die humanitären Werte nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Werte bleiben Grundlage unseres Handelns.
Schon das Titelbild des neuen Buches von Frank Urbaniok („Schattenseiten der Migration“) sagt alles: Zu sehen ist ein Messer – obwohl Urbaniok zweifellos weiss, dass nur 1,2 Prozent der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung Straftaten begehen und bei den Asylsuchenden die entsprechende Rate bei 4,4 Prozent liegt. Aber wie gewisse politische Hardliner scheint auch Urbaniok lieber den Fokus auf die kleine Minderheit Straffälliger zu richten statt auf die überwiegende Mehrheit derer, die sich nicht des geringsten Vergehens schuldig machen.
Dass der Anteil straffälliger Personen bei Asylsuchenden über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt liegt, hat weniger mit der jeweiligen Nationalität zu tun, als damit, dass in diesem Bevölkerungssegment der Anteil junger, alleinstehender Männer mit schlechten Zukunftsperspektiven überproportional hoch ist. Auch bei den Schweizern ist dieses Bevölkerungssegment überdurchschnittlich delinquent. Es kommt dazu, dass die meisten Asylsuchenden in ihrer früheren Heimat und während der Flucht zahlreichen Gewalterfahrungen ausgesetzt waren, was mit ein Grund dafür sein kann, dass sie sich selber gegenüber anderen gewalttätig verhalten.
Mit dem auch von Urbaniok häufig verwendeten Begriff der „Ausländerkriminalität“ wird suggeriert, dass jeder Ausländer ein potentieller Krimineller ist, obwohl dies nur für eine verschwindend kleine Minderheit zutrifft. Nähme man aber nicht die Nationalität zum Massstab, sondern das Geschlecht, dann wären die Vergleichszahlen unvergleichlich viel dramatischer. Männer begehen nämlich nicht doppelt oder drei Mal, sondern sage und schreibe 189 Mal häufiger schwere Straftaten als Frauen, und dies über alle Nationalitäten hinweg. Dennoch spricht seltsamerweise niemand von „Männerkriminalität“. Und auch bei Straftaten wie Steuerhinterziehung, mit der dem schweizerischen Fiskus jährlich über 65 Milliarden Franken entzogen werden, kommt niemandem in den Sinn, von „Inländerkriminalität“ zu sprechen.
Am schlimmsten aber ist, dass Urbaniok ganze Nationalitäten pauschal in Sippenhaft nimmt. So weist er darauf hin, dass Menschen aus Kamerun in der Schweiz am häufigsten straffällig sind, ohne zu erwähnen, dass in fast keinem anderen Land die Menschenrechte dermassen mit Füssen getreten werden und Folter sowie Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren dort an der Tagesordnung sind.
Urbaniok geht sogar noch weiter und fordert, dass aus „gewaltbereiten“ Ländern wie Afghanistan zukünftig weniger Flüchtlinge aufgenommen werden sollten als bisher. Was nichts anderes bedeuten würde, als dass ausgerechnet für Frauen aus Afghanistan, die zu den weltweit am meisten von Gewalt betroffenen Menschen gehören, das Recht auf Asyl in der Schweiz erschwert oder gar verunmöglicht werden sollte.
Ich frage mich, mit welcher Absicht Urbaniok dieses Buch wohl geschrieben hat. Zu einer sachlichen und fundierten Diskussion trägt es gewiss nicht das Geringste bei, sondern zementiert nur bereits vorhandene Vorurteile und Schuldzuweisungen.
Von einem „Handelskrieg“ mit unabsehbaren Folgen schreibt die „Sonntagszeitung“ vom 13. April 2025 im Zusammenhang mit Donald Trumps aggressiver und rücksichtsloser Zollpolitik. Im Interview mit der Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher ist die Rede von einbrechenden Finanzmärkten, unterbrochenen Lieferketten und einem drohenden Zusammenbruch der gesamten Weltkonjunktur.
Erstaunlich ist die grosse Empörung über die jüngsten Ereignisse. Als wäre zuvor alles friedlich und problemlos gewesen. Dabei ist kapitalistische Wirtschaftspolitik doch seit eh und je nichts anderes als eine andere Form von Krieg. Nur war es vorher nicht so augenfällig und offensichtlich. Indem Trump alles dermassen auf die Spitze treibt, öffnet er nun sozusagen auch noch den letzten gutgläubigen Verfechtern einer möglichst „freien“ Marktwirtschaft die Augen. Einer Wirtschaftsweise, die noch nie etwas anderes war als eine möglichst raffinierte Ausbeutung der Armen durch die Reichen, der Agrarländer durch die Industrieländer, des Südens durch den Norden, der Natur durch die Menschen, der Arbeit durch das Kapital.
Kapitalistische Wirtschaftspolitik ist nichts anderes als eine andere Art von Krieg. Eine scheinbar harmlosere, in Tat und Wahrheit aber mit noch viel zahlreicheren Opfern, als es „richtige“ Kriege fordern. Denken wir nur an die zurzeit weltweit wütenden rund 60 Kriege. Fast in jedem dieser Kriege geht es um Rohstoffe und Bodenschätze und darum, dass der gegenseitige Kampf um diese Güter mit immer härteren Bandagen ausgefochten werden muss, weil einerseits die Weltwirtschaft weiterhin ungebremst wachsen soll, anderseits aber die hierfür notwendigen Ressourcen gleichzeitig immer knapper werden. Oder denken wir daran, dass jeden Tag weltweit rund 15‘000 Kinder vor dem Erreichen ihres fünften Lebensjahrs sterben, weil sie nicht genug zu essen haben – nicht weil insgesamt zu wenig Nahrung vorhanden wäre, sondern nur, weil die Güter nicht dorthin wandern, wo sie am dringendsten gebraucht werden, sondern dorthin, wo sie möglichst gewinnbringend verkauft werden können. Nicht einmal alle Kriege weltweit zusammen fordern auch nur annähernd so viele Opfer wie die auf reine Profitmaximierung ausgerichtete Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel. Und all dies geschieht ganz still und heimlich und ohne dass es in der Öffentlichkeit auch nur ansatzweise jene Empörung auslösen würde, die sich zurzeit angesichts der „zerstörerischen“ Wirtschaftspolitik von Donald Trump manifestiert.
Aus einer kriegerischen Wirtschaftspolitik wird noch lange nicht eine friedliche, indem Zölle wieder auf ein „vernünftiges“ Mass hinunterschraubt, immer mehr bilaterale Freihandelsabkommen abgeschlossen oder dem globalen Warenfluss weniger Hindernisse in den Weg gestellt werden. Von einer wirklich friedlichen und gerechten Wirtschaftspolitik könnten wir erst dann sprechen, wenn ihre Grundlage nicht mehr das Recht der Stärkeren und der gegenseitige Konkurrenzkampf um Macht und Profite wäre, sondern das Wohlergehen aller durch eine möglichst gerechte Verteilung sämtlicher vorhandener Güter nicht nur für die heute lebenden, sondern auch alle zukünftigen Generationen.