Mittagsnachrichten am Schweizer Radio vom 29. August 2025: Höchst tendenziöse Berichterstattung zu Gaza…

Schweizer Medien – Radio, Fernsehen, Tageszeitungen – rühmen sich einer ganz besonders „ausgewogenen“ Berichterstattung über internationale Ereignisse und grenzen sich damit oft auch von „ausländischen“, „weniger objektiven“ oder gar „propagandistischen“ Formen der Nachrichtenvermittlung ab.

Doch entspricht diese auch von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung geteilte Sicht tatsächlich der Realität? Schauen wir uns an, wie Radio SRF in den Mittagsnachrichten vom 29. August 2025 über den Einmarsch der israelischen Armee in die grösste Stadt in Gaza, Gazastadt, berichtete…

Die israelische Armee hat Gazastadt zur Kampfzone erklärt…

Mit anderen Worten: Wenn Israel ein bestimmtes Territorium als „Kampfzone“ bezeichnet, dann findet dort logischerweise Krieg statt. Begründen muss man das ja nicht unbedingt weiter, weil es ja sozusagen ein offizieller, sogar transparenter und offensichtlich „legitimer“ Entscheid einer demokratisch gewählten Regierung ist, die schon wissen wird, wie sie zu diesem Entscheid gekommen ist.

Ab heute gäbe es dort keine taktischen Kampfpausen mehr, teilte das israelische Militär mit…

Aha. „Kampfpausen“ wären bloss ein „taktisches“ Instrument. Vielleicht, um die betroffene Bevölkerung kurz im Glauben zu lassen, die Angriffe würden aufhören, bloss um sie sodann noch viel heftiger weiterzuführen? Oder vielleicht, um den eigenen Soldaten jeweils eine kleine Verschnaufspause zu verschaffen? Oder vielleicht, um mit den zur Verfügung stehenden Waffen nicht allzu verschwenderisch umzugehen?

Gazastadt stelle eine gefährliche Kampfzone dar…

„Gefährlich“ für wen? Für Israel? Für die israelische Armee, die aus der Luft Bomben abwirft? Oder gar für die in Gazastadt lebenden Menschen, die seit Monaten Tag und Nacht in panischer Angst leben, kaum mehr etwas zu essen und zu trinken haben und schon seit Wochen auch nicht mehr über die grundlegendste medizinische Versorgung verfügen?

Bisher gab es in der grössten Stadt im Gazastreifen tagsüber Zeiten, in denen die israelische Armee ihre Kämpfe unterbrach, damit Hilfswerke die Menschen vor Ort versorgen konnten…

Wie lieb von der israelischen Armee. Also so schlimm, wie man oft hört, scheint sie nun doch nicht zu sein…

Die israelische Armee werde auch weiterhin humanitäre Bemühungen unterstützen, während sie Operationen zum Schutz von Israel durchführe…

Aha. Endlich erfahren wir, dass die israelische Armee im Grunde genommen eine humanitäre Organisation ist und ihr humanitäres Engagement auch weiterhin unbeirrt fortsetzen wird, selbst wenn die ganze übrige Welt das Gegenteil behauptet. Und dass ja alles nur zum Wohl der Menschen geschieht, zu ihrem „Schutz“, zu ihrer „Sicherheit“, und dass es gar nicht Völkermord ist, sondern nur „Operationen“ sind (und das kann ja nicht wirklich etwas Schlechtes sein), und dass man ja gar nicht wirklich tötet, sondern nur „durchführt“, was demokratisch beschlossen wurde.

Mitte August hatte Israel angekündigt, auch Gazastadt einzunehmen, um die Terrororganisation Hamas zu zerstören. Die Ankündigung sorgte international für Kritik…

„Ankündigen“ tönt in der Tat nicht schlecht, ist sogar ganz besonders rücksichtsvoll, gab man damit ja sogar den Menschen in Gazastadt die Gelegenheit, ihre Häuser rechtzeitig zu verlassen und an sicherere Orte zu gehen, auch wenn es diese schon längst gar nicht mehr gibt. Nett auch, alles so frühzeitig anzukündigen, damit die Menschen nicht den Schock erleben müssten, mitten in der Nacht von den Bomben überrascht zu werden, sondern fast zwei Wochen Zeit hatten, sich auf diesen Moment vorzubereiten. Doch abgesehen von alledem: Wenn das Ziel darin besteht, eine „Terrororganisation“ zu zerstören, dann muss man ja eigentlich alles andere gar nicht mehr rechtfertigen, denn dann sind sowieso alle Mittel recht, um das Ziel zu erreichen, ganz so, wie es der ehemalige israelische Geheimdienstchef Aharon Haliva unlängst mit diesen erschreckenden Worten formulierte: „Die Tatsache, dass es in Gaza bereits 50‘000 Tote gibt, ist notwendig und erforderlich für zukünftige Generationen. Für alles, was am 7. Oktober 2023 passiert ist, für jeden am 7. Oktober getöteten Menschen müssen 50 Palästinenser sterben. Es spielt jetzt keine Rolle, ob es sich um Kinder handelt. Sie brauchen hin und wieder eine Lehre.“ Alles klar. Denn es wäre ja auch völlig vermessen, die israelische Regierung, die inzwischen schon fast 100’000 Menschenleben auf dem Gewissen hat, auch nur im Entferntesten mit der Hamas zu vergleichen, die an jenem ominösen 7. Oktober rund 1400 Menschen tötete. Und erst recht wäre es jenseits aller „Ausgewogenheit“ und „Objektivität“, käme auch nur ein einziger Mensch auf die Idee, die israelische Regierung als „Terrororganisation“ zu bezeichnen, obwohl das Wort „Terror“ nichts anderes bedeutet als „Schrecken“ und es eigentlich nicht allzu grosser Phantasie bedarf, um sich vorzustellen zu können, dass wohl kaum ein anderes Wort dermassen genau das beschreibt, worunter die Bewohnerinnen und Bewohner von Gazastadt derzeit zu leiden haben.

Wenigstens erfolgte in den Mittagsnachrichten von Radio SRF am 29. August ganz zuletzt noch die Aussage, die Ankündigung der israelischen Regierung, Gazastadt „einzunehmen“ (im Klartext: dem Erdboden gleichzumachen), hätte international für „Kritik“ gesorgt. Mehr Untertreibung ist nun wirklich kaum mehr möglich, ist „Kritik“ doch der denkbar schwächste Ausdruck für jenen millionenfachen Schrei der Empörung, den diese „Ankündigung“, zwar nicht so sehr bei den Regierungen, aber vor allem und umso mehr bei breitesten Bevölkerungsschichten, insbesondere in den Ländern des Globalen Südens, ausgelöst hatte.

Schauen wir uns die Berichterstattung von SRF zu diesem Thema zusammenfassend noch einmal an, so müssen wir zum Schluss kommen, dass es sich hier eigentlich bloss um so etwas wie ein Pressecommuniqué der israelischen Militärführung handelt. Zitiert wird niemand ausser der israelischen Armeeführung (mit den entsprechenden „taktischen“ und „humanitären“ Ausführungen), keine einzige Stimme aus der UNO ist zu hören, keine Stimme aus einer friedenspolitischen Organisation oder einem in Gaza tätigen Hilfswerk, keine Stimme aus einer israelkritischen Regierung, keine Stimme aus der betroffenen Bevölkerung, keine einzige Stimme eines Mannes, einer Frau oder eines Kindes, das vor zwei oder drei Tagen vielleicht noch gelebt hätte und jetzt schon tot ist.

Das also ist die „Objektivität“ westlicher Berichterstattung, am Beispiel des Schweizer Radios SRF am 29. August 2025, die schon so „ausgewogen“ ist, dass sie tendenziöser gar nicht mehr sein könnte. Und erst noch vorgetragen von einer angenehm klingenden Frauenstimme, in genau derselben Tonlage, in der auch die weiteren Meldungen über die Höhe von Spenden an die einzelnen politischen Parteien der Schweiz und die anstehenden Strompreissenkungen im Kanton Zürich verlesen werden.

Was für ein Kontrast zu tatsächlicher „Objektivität“, wenn man sich, bloss um ein einziges Beispiel zu erwähnen, den Bericht eines Schweizer Arztes vor Augen führt, der vor wenigen Tagen von einem Einsatz in Gaza in die Schweiz zurückgekehrt ist: „Ich habe in den zerbombten und vom Hunger heimgesuchten Krankenhäusern gearbeitet und kann von Dingen berichten, die kein Mensch jemals sehen, geschweige denn selbst erleben sollte. Babys und Kinder, die nur noch Haut und Knochen sind, viele mit abgerissenen Gliedmassen. Mütter, die zu schwach sind, um ihre Neugeborenen zu füttern. Sogar das Krankenhauspersonal bricht vor Hunger zusammen. Schaut nicht weg. Wechselt nicht das Thema. Denn in einem anderen Leben könnten auch wir es sein, die vor Bomben fliehen, für Essensreste Schlange stehen und die Welt anflehen, etwas zu tun.“

Ich habe einen Vorschlag an die für die Berichterstattung über internationale Ereignisse Verantwortlichen von Radio SRF: Verzichtet auf „objektive“ Meldungen, die nahezu identisch sind mit Pressecommuniqués rein interessengesteuerter Staaten oder anderer Machtsysteme. Taucht hinunter zu den Menschen, die unter diesen Machtinteressen leiden und ihnen zum Opfer fallen. Ihr werdet sicher einwenden, dass es neben den offiziellen Nachrichtensendungen zur vollen und halben Stunde auch andere Sendegefässe gäbe, die vertiefter hinter die Oberfläche schauen. Und doch bilden sich viele Menschen ihre Meinung in erster Linie durch die Kurznachrichten zu den Haupttageszeiten und haben meist auch zu wenig Zeit, um sich ausführlichere Reportagen anzuhören.

Der oben zitierte Bericht des aus Gaza zurückgekehrten Schweizer Arztes mag als Beispiel dienen für einen Text, der auch im Rahmen von „Hauptnachrichten“ einen Platz finden könnte. Und dann bitte nicht von einer allzu „angenehmen“ Stimme lesen lassen, ohne jegliche Emotion. Warum sollte persönliche Betroffenheit nicht auch zum Ausdruck kommen dürfen? Warum sollte nicht auch einmal ein Moderator oder eine Moderatorin beim Lesen solcher Berichte in Tränen ausbrechen, und weshalb sollte ihr vielleicht nicht auch mal die Stimme versagen? Und wie wäre es, solche Sendungen nicht nur in sterilen Räumen ohne auch nur geringste „Nebengeräusche“ aufzunehmen, sondern wenn man stattdessen im Hintergrund den Lärm von Bombardierungen, Gewehrschüssen oder Schreien verzweifelter Menschen hören würde?

Schon eine harmlose Zirkusnummer ruft eine Moralapostelin auf den Plan…

„Die aktuelle Nummer des mexikanischen Clowns Chistirrin im neuen Programm des Circus Knie“, so lese ich in der „Sonntagszeitung“ vom 24. August 2025, „sorgt für Diskussionen. Chistirrin spielt darin einen Musicclown mit Saxofon, der erfolglos immer wieder versucht, sich einer Saxofonistin, die zusammen mit ihm auftritt, anzunähern. Dabei macht er wiederholt einen übertriebenen Kussmund in ihre Richtung und einen langen Rrrr-Zungenroller.“

Worüber sich die Zirkusbesucherinnen und Zirkusbesucher amüsieren, ist bei Agota Lavoyer, Autorin und Expertin für sexualisierte Gewalt, ganz und gar nicht gut angekommen. Sie spricht von „wiederholten, hartnäckigen Annäherungsversuchen“ gegenüber der Saxofonistin, kritisiert die „Aufdringlichkeit des Clowns gegenüber der Frau“ und findet die Nummer insbesondere darum problematisch, weil sie „übergriffiges Verhalten in einer humorvollen Verpackung präsentiert“ und weil auf diese Weise „sexuelle Belästigung als romantisches Begehren verschleiert“ werde. Dass man sich „über gewaltvolle Situationen lustig macht“, so Lavoyer, trage zur „Normalisierung der Gewalt bei“.

Wie verklemmt und humorlos wollen wir eigentlich noch werden. Werfen wir doch einen Blick ins Tierreich: Viele Vogelarten zeigen komplizierte Balzrituale wie das Trällern von Liedern oder das Präsentieren von farbenprächtigen Federn. Männliche Baumgrillen erzeugen durch Aneinanderreiben ihrer Flügel zum Anlocken von Weibchen einen besonderen Gesang und bieten ihnen als Hochzeitsgeschenk Nährstoffe aus speziellen Flügelpolstern. Hirsche schwenken ihr mächtiges Geweih, um Weibchen zu imponieren. Hasen versuchen, Weibchen mit Boxkämpfen und Verfolgungsjagden zu beeindrucken.

Zum Glück können Tiere nicht lesen, was gewisse Sittenwächter und Moralapostelinnen in Büchern und Zeitungsartikeln schreiben, und treiben ihr buntes Liebesspiel fröhlich weiter wie die beiden Clowns im Zirkus Knie, über die man so richtig herzhaft lachen kann.

Lasst euch das Leben nicht vermiesen, es ist schon schwer genug.

Der Trumpsche Zollhammer und die Schweiz: Heilsamer Schock, um über ein paar Dinge nachzudenken…

„Schock“, „Demütigung“, „Tritt in die Magengegend“ – mit solchen und ähnlichen Schlagzeilen kommentierten die Medien die von US-Präsident Donald Trump der Schweiz ausgerechnet am 1. August, ihrem Nationalfeiertag, aufgebrummten Zölle von 39 Prozent. Nur ein paar wenige Länder, unter anderem Brasilien, bedachte Trump mit noch höheren Zöllen. Niemals hätte die Schweiz, bisher eines der kapitalistischen Lieblingskinder der USA, damit gerechnet, dermassen hart bestraft zu werden. Es war wie ein jähes Erwachen aus einem jahrzehntelangen Traum, in dem fast immer nur Milch und Honig geflossen waren. Und da vermochten nicht einmal mehr zwei unmittelbar nach diesem Entscheid nach Washington ausgeflogene schweizerische Regierungsmitglieder etwas daran zu ändern. Die ganze Titelseite einer der meistgelesenen Schweizer Tageszeitungen, des „Blicks“, war von oben bis unten schwarz, darin riesengross die Zahl 39. Einige sagten sogar, es sei der schwärzeste Tag gewesen in der Geschichte unseres Landes. Etwas Vergleichbares hatte es noch nie gegeben. Nicht einmal der Untergang eines ganzen Dorfes vor wenigen Wochen unter einer gigantischen Schuttlawine hatte einen so grossen schweizweiten Schock ausgelöst…

Dabei ist, bei Lichte besehen, das, was der Schweiz durch den Trumpschen Zollhammer widerfahren ist, nur ein winziger Teil dessen, was für andere Länder oder ganze Kontinente der ganz alltägliche „Normalfall“ ist, und dies oft schon seit Jahrhunderten. Für all jene nicht oder wenig industrialisierten Länder des Globalen Südens etwa, die seit Jahrhunderten gezwungen sind, ihre wertvollen Bodenschätze und Rohstoffe für wenig Geld zu verscherbeln, um sich zu einem ungleich viel höheren Preis aus den reichen Ländern des Nordens die für ihre eigene Entwicklung notwendigen Industrieprodukte zu beschaffen, was zwangsläufig dazu führt, dass diese Länder darauf angewiesen sind, immer wieder Kredite vom IWF, von der Weltbank oder anderen Finanzinstituten aufzunehmen, die sie wiederum mit hohen Zinsen zurückzahlen müssen, worauf ihre Verschuldung noch weiter ansteigt und ihre Abhängigkeit von den jeweiligen Geldgebern noch weiter zunimmt, weil sie, um jeweils wieder weitere Kredite zu bekommen, laufend noch drastischere Sparprogramme umsetzen müssen, von welcher in erster Linie die sowieso schon am meisten benachteiligten Bevölkerungsschichten am allermeisten betroffen sind, was wiederum dazu führt, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich sowohl innerhalb jedes einzelnen der davon betroffenen Länder, aber auch zwischen den Industrieländern des Nordens und den Agrarländern des Südens insgesamt immer noch weiter und weiter vertieft. Wie „erfolgreich“ die Schweiz an vorderster Front an diesem Geschäft permanenter Bereicherung der Reichen durch Verarmung der Armen beteiligt ist, zeigt sich aufgrund einer Expertise der Entwicklungsorganisation Oxfam, die ausgerechnet hat, dass die Schweiz im Handel mit sogenannten „Entwicklungsländern“ mehr als 50 Mal höhere Profite erwirtschaftet, als sie diesen Ländern in Form von „Entwicklungshilfe“ wieder zurückgibt. Da diese Zahl schon ein paar Jahre zurückliegt, dürfte sie heute, nachdem die Schweiz die Gelder für die „Entwicklungshilfe“ noch weiter reduziert hat, sogar noch um einiges höher liegen.

Doch das ist längst noch nicht alles. Ausgerechnet viele der benachteiligten und unterprivilegierten Länder des Südens sind zudem häufig Opfer von Wirtschaftssanktionen, welche an vorderster Front von den USA gegenüber missliebigen Regierungen verfügt werden und an denen sich in aller Regel auch die übrigen westlichen Länder inklusive die Schweiz beteiligen, so etwa, um nur einige wenige zu nennen, gegenüber Kuba, Venezuela, dem Iran, Syrien oder dem Irak, wo allein zwischen 1991 und 1995 als Folge US-Wirtschaftssanktionen über eine halbe Million Kinder sterben mussten, was die damalige US-Aussenministerin Madeleine Albright in einem Interview mit einem TV-Reporter mit einer Aussage kommentierte, die zynischer nicht sein könnte. Auf die Frage nämlich, was sie zum Tod dieser halben Million Kinder meine, sagte sie, der Tod dieser Kinder habe sich gelohnt, weil er dazu beigetragen habe, die politischen und wirtschaftlichen Ziele der US-Aussenpolitik gegenüber dem Irak erfolgreich durchzusetzen.

Ja, es macht schon einen Unterschied, ob man zu den Siegern oder zu den Verlierern des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems gehört, die Welt sieht dann, je nachdem, ob man von oben nach unten schaut oder von unten nach oben, schon ganz gehörig anders aus. So gesehen könnte man den von US-Präsident Trump über die Schweiz verfügten Zollhammer auch als so etwas wie einen heilsamen Schock sehen, der die bisher so verwöhnte, sich stets auf der Seite der Sieger befindliche Schweiz ein ganz klein wenig aufwachen und spüren lassen könnte, wie sich das Leben auf der gegenüberliegenden Seite dieses Grabens anfühlen muss und wie schmerzlich es sein kann, der Machtdemonstration eines Stärkeren mehr oder weniger ohnmächtig ausgeliefert zu sein.

Ein heilsamer Schock, der Anlass dazu sein könnte, für einmal darüber nachzudenken, warum ausgerechnet die Schweiz, einer der an Bodenschätzen und Rohstoffen ärmsten Flecken der Erde, dennoch das reichste Land der Welt geworden ist. Was hat die Schweiz so reich gemacht? Zum Beispiel Schokolade. Zum Beispiel Kaffee. Zum Beispiel Baumwolle. Zum Beispiel Erdöl. Zum Beispiel Gold, Eisen, Kupfer, Lithium, Kobalt. Zum Beispiel Diamanten. Alles Rohstoffe und Bodenschätze, von denen kein einziges Gramm und kein einziger Tropfen aus Schweizer Boden stammt, mit deren Kaufen, „Veredeln“, „Transformieren“ und Weiterverkaufen aber die Schweiz bzw. hier ansässige Rohstoff- und Nahrungsmittelkonzerne grössere Gewinne erzielen als fast alle anderen Länder der Welt. Nicht harte Arbeit und übermenschlicher Fleiss ist es. Vielmehr die Kunst, aus möglichst wenig möglichst viel zu machen und so reich zu werden dadurch, dass andere im Elend versinken. Ausgerechnet Länder wie Nigeria und Libyen, aus deren Böden jährlich jene Millionen Tonnen Erdöl herausgepresst werden, welche schweizerische Geldtöpfe bis zum Bersten füllen, verwandeln sich mehr und mehr in Zonen des Todes, wo nur schon das nackte Überleben zum puren Luxus geworden ist. Von den elf Franken, die man bei Starbucks in Zürich oder Basel für einen Crème Brulée Brown Sugar Frappuccino bezahlt, bekommt die Kaffeebäuerin, die sich von früh bis spät auf irgendeiner fernen Kaffeeplantage in Costa Rica oder Äthiopien bei weit über 40 Grad in der prallen Sonne von früh bis spät fast zu Tode schuftet, bloss gerade mal, wenn es gut kommt, fünf Rappen. Allein in den ersten eineinhalb Monaten des Jahres 2025 sind im Ostkongo, wo Rebellenverbände, Söldnertruppen und Mörderbanden als Vorhut der hinter ihnen im Unsichtbaren agierenden Regierungen und Konzerne im gegenseitigen Konkurrenzkampfe um die Aneignung besonders gewinnbringender Bodenschätze gegeneinander kämpfen, rund 7000 Menschen getötet worden, 450’000 Menschen sind obdachlose Binnenflüchtlinge im eigenen Land und 2,8 Millionen Menschen haben bereits ihre ursprünglichen Wohngebiete verlassen müssen, doch kein einziger Schweizer, der sich beim Morgenkaffee die neuesten Börsenkurse zu Gemüte führt, erfährt jemals, wie viele Menschen geopfert wurden, damit er, ohne einen Finger zu rühren, über Nacht um 2000 oder 5000 Franken reicher geworden ist. Ja, wenn man sich das alles vor Augen führt und noch dazu kommt, dass die Schweiz immer noch einer der weltweit wichtigsten Finanzplätze ist und bekanntlich nichts so hilfreich ist, um Reichtum zu schaffen, als schon möglichst viel davon zu besitzen, dann verwundert es eigentlich nicht mehr besonders, dass der Genfer Soziologe und Schriftsteller Jean Ziegler schon vor vielen Jahren in einem seiner Bücher die Schweiz als das „Gehirn des kapitalistischen Monsters“ bezeichnet hat. Vielleicht verstehen viele, die damals darüber bloss den Kopf geschüttelt haben, heute immer besser, dass das nicht übertrieben war, sondern die reine Wahrheit.

Der heilsame Schock des Trumpschen Zollhammers könnte daher auch Anlass dazu sein, sich über eine andere Weltwirtschaftsordnung Gedanken zu machen, die nicht mehr auf Ausbeutung, grenzenlosem Wirtschaftswachstum und dem Recht des Stärkeren beruhen würde, sondern auf einer global fairen und gerechten Verteilung der vorhandenen Ressourcen und Güter, auf Gemeinwohl, Frieden und sozialer Gerechtigkeit, auf gegenseitigen Handelsbeziehungen, bei denen alle Beteiligten auf gleicher Augenhöhe miteinander umgehen und über die gleich langen Spiesse verfügen.

Und so weitergedacht, käme man vielleicht auf eine zunächst als ganz verrückt erscheinende Idee, die sich aber bei näherem Hinsehen als durchaus realistisch, vernünftig und zukunftsträchtig erweisen könnte. Nämlich, dass die Schweiz das Lager wechseln und als erstes europäisches Land dem Bündnis der BRICS-Länder beitreten würde. Wie zukunftsträchtig das wäre, wird schnell deutlich, wenn man sich folgende Zahlen anschaut: Betrug im Jahre 1990 der Anteil der G7-Länder am weltweit gemessenen BIP (nach Kaufkraftparität) noch 47%, jener der BRICS-Länder 16%, so lagen die beiden Zahlen zwölf Jahre später bei 43% bzw. 19% und zwanzig Jahre später, nämlich 2022, bei 30% bzw. 32%, mit anderen Worten: Der Anteil aller BRICS-Länder am weltweiten BIP liegt heute bereits über jenem der G7-Länder. Zudem leben 48% der heutigen Weltbevölkerung in BRICS-Staaten – und es werden von Jahr zu Jahr mehr -, während in den G7-Staaten gerade mal 11% der Weltbevölkerung beheimatet sind. Zukunftsträchtig aber vor allem auch deshalb, weil zwar die Wirtschaftsweise der BRICS-Staaten ebenfalls grundsätzlich eine kapitalistische ist, aber viel stärker auf gegenseitige Solidarität zwischen Starken und Schwachen ausgerichtet ist, denn diese Länder haben eine grundsätzlich andere Geschichte, einen grundsätzlich anderen Erfahrungshintergrund, gehörten sie doch während den letzten 500 Jahren kolonialistischer Ausbeutung des Südens durch den Norden – von Brasilien über Südafrika, Äthiopien, Ägypten bis zu Indien und Indonesien – nicht zu den Siegern, sondern stets zu den Verlierern der Weltgeschichte.

Auf keinen Fall, so Remo Reginold, Direktor des Swiss Institute for Global Affairs, dürfe man die BRICS-Staatengruppe unterschätzen, ganz im Gegenteil: „Ich sehe die BRICS als ein Symbol für eine Entwicklung, die ein neues weltpolitisches Zeitalter einläutet.“ Reginold sieht in den BRICS-Staaten ein Konglomerat, eine Zusammenballung verschiedener Materialien unterschiedlicher Struktur, Grösse und Eigenschaften. Ziel der BRICS-Staaten sei es, durch eine Reform der UNO, der Weltbank und des IWF die Interessen des Globalen Südens besser zu repräsentieren. Es solle eine neue Form der internationalen Zusammenarbeit geschaffen werden, die sich nicht am westlichen Regelwerk orientiere. Die Schweiz müsse, so Reginold, genau wie alle anderen Länder des Westens, ihre „westliche Brille“ abnehmen, um die BRICS zu verstehen und ihre Zeichen richtig zu lesen. Stimmen wie eine solche von Remo Reginold sind leider in der schweizerischen Öffentlichkeit kaum je zu hören.

Und ja. Die Schweiz als erstes europäisches BRICS-Mitglied. Es wäre sogar, wenn man es sich recht überlegt, so etwas wie eine Rückkehr und eine Rückbesinnung auf die urschweizerischen Grundwerte von Gemeinschaftsdenken und Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren. Es würde die vom Westen bisher konsequent auf die Spitze getriebenen Fronten zwischen den Siegern und den Verlierern aufbrechen und wäre gerade für die Schweiz eine in ihrer Bedeutung gar nicht genug hoch einzuschätzende Chance, vieles von früher begangenem Unrecht wieder gut zu machen und sich mit all ihren zur Verfügung stehenden Kräften am Aufbau einer neuen, gerechten, friedlichen und ausbeutungsfreien zukünftigen Weltwirtschaftsordnung aktiv zu beteiligen. Es mag noch verrückt klingen und vermutlich noch lange nicht mehrheitsfähig sein. Aber sind nicht gerade die verrücktesten Ideen genau jene , die – wie einst der deutsche Philosoph Schopenhauer sagte – zunächst zwar belächelt werden, eine Zeitlang vielleicht sogar bekämpft, aber früher oder später doch zu einer Selbstverständlichkeit geworden sein werden, bei der man sich nur wundern wird, weshalb man nicht schon früher darauf gekommen ist…

7. Juli 2025: Sommersalat, Heilbutt, der nächste Friedensnobelpreis und Kinder ohne Füsse, ohne Beine, ohne Hände…

Es war der 7. Juli 2025 als
auch noch das allerletzte Wort in der
Sprache der Menschen
ausgegangen war
das allerletzte Wort um gerade noch knapp das
Unaussprechliche auszusprechen
fortan
gab es
keine Worte mehr und
selbst wenn sie noch so tief unter den
Trümmern zerbombter Städte Dörfer Landschaften
vorhanden gewesen wären
selbst dann hätte man jedem einzelnen dieser Worte
tausend weitere hinzufügen müssen die in
keiner einzigen der bisher bekannten Sprachen je
zu finden sind
Wieder
als wäre nichts geschehen
sassen die längst in alle Winde verjagt Geglaubten am
gleichen Tisch wie
vor tausend Jahren
Tafelrunden auf den Burgen längst vergangener Zeiten nach
geschlagener Schlacht das Festmahl
ES WAR DIE ZEIT DER MONSTER
hatte ein italienischer Freiheitskämpfer in hellster Klarsicht
zutiefst erschaudernd ob der eigenen Erkenntnis schon
vor beinahe hundert Jahren in sein Tagebuch geschrieben
als hätte er so weit in die Zukunft blicken können
ES WAR DIE ZEIT DER MONSTER
DIE ALTE ZEIT LAG IM STERBEN
DOCH DIE NEUE ZEIT
KÄMPFTE ERST GERADE DARUM
GEBOREN ZU WERDEN
An diesem 7. Juli 2025 liess der
mächtigste Mann der Welt
im Blue Room des Weissen Hauses in Washington
zu Ehren seiner auserwählten Gäste
Sommersalat und gebratenen Heilbutt auftragen
den erlesensten Fisch und dazu die Gläser voll
köstlichsten Weins
wieder eine reine Männerrunde
als hätte es nie etwas anderes gegeben
wo sind die Frauen
wo sind die Kinder?
An diesem 7. Juli 2025 waren
in Gaza
vier Fünftel aller Blumen
aller Bäume aller
Tiere für immer
verbrannt
die Schmerzensschreie
Zehntausender Kinder unter den tonnenschweren
Trümmern aller ihrer
Kindheitsträume von einer bunten Zukunft voller
Liebe und voller Lachen und voller Lebensfreude
für immer
verstummt
An diesem 7. Juli 2025
morgens um drei
als die Mächtigsten der Mächtigen noch in
tiefstem Schlaf lagen
das Festmahl vom Vorabend schwer verdauend
hatte es angefangen
Tausende Männer Frauen Kinder mit
leergebrannten Bäuchen
staubtrockener Kehle
von hinten auf sie einschlagend bis an die
Zähne bewaffnete Soldaten
vorwärtsgeprügelt in Richtung der Ausgabestellen für ein paar
wenige Essenspakete die nur für die
Stärksten und Schnellsten von ihnen
zu ergattern waren
und von vorne das Kanonenrohr eines sich ihnen
langsam und bedrohlich nähernden Panzers
dann
auf einmal
Schreie die man eigentlich bis zum
anderen Ende der Welt hätte
hören müssen als der
Kugelregen im Dunkeln unsichtbarer
Maschinengewehre auf sie
niederprasselte
Schreie die man
eigentlich bis ans
andere Ende der
Welt hätte hören müssen
Bis zu diesem 7. Juli 2025 als
im Blue Room des Weissen Hauses in Washington
Sommersalat und gebratener Heilbutt aufgetragen wurden
waren es in den davor liegenden bloss fünf Wochen schon
über 700 Kinder Frauen Männer gewesen
mit ihren leergebrannten Bäuchen und der staubtrockenen Kehle
beim Anstehen um ein paar bitter ersehnte Essensbrocken
totgeschossen
mehr als 5000 darüber hinaus
verstümmelt
zerfetzt
von den letzten überlebenden sich kaum mehr auf den
Beinen haltenden Sanitätern zu jenen
Steinhaufen geschleppt die einst
Spitäler gewesen waren
Kinder ohne Füsse
ohne Beine
ohne Hände
Babys mit von Kopf bis Fuss verbrannter Haut notdürftig in
ein paar dreckige Lumpen gehüllt
An diesem 7. Juli 2025
500 Jahre nachdem er sie ausgesprochen hatte war die
Prophezeiung des englischen Dramatikers William Shakespeare
in nie erahnter Gründlichkeit zu Wirklichkeit geworden
DIE HÖLLE WAR LEER DENN ALLE TEUFEL WAREN JETZT AUF DER ERDE
waren jetzt auf der Erde verkleidet als
ehrenwerte Männer mit dem
göttlichen Auftrag die Welt von allem
Bösen zu befreien
ALLES WAS VON GAZA ÜBRIG GEBLIEBEN IST VERNICHTEN WIR
hatte der israelische Finanzminister keinen Monat zuvor gesagt und
ES IST UNSERE HEILIGE PFLICHT DIE MENSCHEN DORT VERHUNGERN ZU LASSEN
pflichtete ihm einer seiner Gesinnungsgenossen im israelischen Parlament bei und
WIR WERDEN NICHT EIN EINZIGES GRAMM HILFSGÜTER DORTHIN SCHICKEN BIS DIE GANZE BEVÖLKERUNG AUF DIE KNIE FÄLLT UND FLEHT – GAZA MUSS DEM ERDBODEN GLEICHGEMACHT WERDEN DENN SO ETWAS WIE UNSCHULDIGE MENSCHEN GIBT ES DORT NICHT
liess der bis vor Kurzem amtierende israelische Minister für Sicherheit verlauten und JEDES BABY IN GAZA IST UNSER FEIND
sagte auch einer seiner besten Kollegen aus der gleichen Partei der selbsternannten Gotteskämpfer
und dennoch
stand die Erde nicht still sondern
drehte sich weiter als wäre nichts geschehen
Schaut den Mann rechts auf dem Bild und
schaut den Mann links auf dem Bild
Der eine überreicht dem andern einen Briefumschlag und der andere tut so als
wüsste er nicht was darin geschrieben ist obwohl er den Brief höchstwahrscheinlich
sogar selber geschrieben hatte um als
Friedensfürst in die Geschichte einzugehen in der Galerie der Träger eines
Friedensnobelpreises ganz so
wie sein vielgerühmter Vorgänger Barack Obama der
jeden Morgen schon vor dem Frühstück mit leichtem Knopfdruck die
nichtsahnenden Opfer des
eben gerade angefangenen neuen Tages ausgewählt hatte damit die
Steuerungssysteme der Drohnen auch rechtzeitig mit allen
notwendigen Daten bestückt werden konnten um den
vermeintlichen Terroristen unweit eines Brunnens inmitten einer
winzigen Dorfgemeinschaft weitab in der afghanischen Wüste
punktgenau zu treffen und dabei halt auch
ein paar unweit davon spielende Kinder ebenfalls in den Tod zu reissen oder
wenn es sein musste auch mal eine ganze Hochzeitsgesellschaft
ICH BIN EBEN GUT IM TÖTEN
hatte Obama ganz offiziell und mit triumphierendem Blick vor gar nicht
langer Zeit verkündet doch
wer will sich in dieser sich immer schneller drehenden Welt noch daran erinnern
Denn noch feiert die Geschichte die Sieger und
nicht die Verlierer noch feiert sie die
Täter und nicht ihre
Opfer
Doch es ging an diesem 7. Juli 2025
im Blue Room des Weissen Hauses in Washington
nicht nur um
Sommersalat Heilbutt und den nächsten Friedensnobelpreis
es ging auch um den
PLAN RAFAH
um die logistische Herausforderung einer
Zwangsumsiedlung der in Gaza noch übrig gebliebenen
zwei Millionen Männer Frauen Kinder aus der Hölle des
Nordens in die Hölle der im südlichsten Teil des Landes gelegenen
Stadt Rafah wo ebenfalls jetzt schon kein Stein mehr auf dem
anderen geblieben ist
so zusammengepfercht in eine
einzige Stadt ohne jegliche Überlebenschance und hermetisch dort abgeriegelt so dass kein Fuss jemals diesen Ort wieder wird verlassen können
EIN KONZENTRATIONSLAGER FÜR ZWEI MILLIONEN TODGEWEIHTE
unter diesen Umständen also sodann
sollen diese Todgeweihten
zuletzt
so der Mann mit dem lächelnden Gesicht auf der
rechten Seite des Bildes
FREI ENTSCHEIDEN KÖNNEN
OB SIE DORT BLEIBEN WOLLEN ODER VIELLEICHT DOCH
LIEBER DIESE STADT VERLASSEN MÖCHTEN
NIEMAND WERDE SIE VON DIESEM FREIEN ENTSCHEID ABHALTEN
DENN SCHLIESSSLICH SEI DIES DAS DEMOKRATISCHE RECHT JEDES EINZELNEN
IM LANDE ISRAEL DER EINZIGEN WIRKLICHEN DEMOKRATIE IM NAHEN OSTEN
Die weitere Umsiedlung allfällig noch Lebender in
andere Länder sei
als weiterer logistischer Schritt ebenfalls bereits
INTERNATIONAL ABGESPROCHEN
und werde zweifellos
ALLEN PALÄSTINENSERN EINE BESSERE ZUKUNFT BIETEN
was doch das einzige wirkliche Ziel der Regierung Israels sei und auch vom Mann auf der linken Seite des Bildes voll und ganz bestätigt wurde mit den Worten
ETWAS GUTES WIRD PASSIEREN
Aber es müsse
rasch gehen denn die multinationalen
Konzerne der Bau- und Tourismusindustrie wollen nicht länger
unnötig warten bis sie endlich an der Stelle wo einst Gaza war die
grösste Riviera aller Zeiten mit den schönsten Badestränden und den luxuriösesten Hotels und den teuersten Restaurants für die
Reichsten der Reichen aus aller Welt
bauen können
und länger unnötig warten wollen auch nicht all die weltweit Millionen von Aktionären die sich
eben noch berauscht von ihren Milliardengewinnen aus den Exporten israelischer
Waffen und Militärtechnologie in fast alle westlichen Länder aufgrund dessen dass sich
israelische Rüstungstechnik dermassen erfolgreich bewährt hat und weiterhin bewährt im Kampf gegen Kinder und Blumen schon nach dem
nächsten grossen und vielleicht noch viel grösseren Rausch sehnen wie
Raubtiere die
je dicker sie werden
umso gefrässiger sind und
ihr Appetit nur immer noch weiter zunimmt denn je mehr die einen Reichtum schaffen indem sie ganze Länder dem Erdboden gleichmachen umso mehr Reichtum schaffen die anderen um auf den zurückgebliebenen Ruinen hernach wieder
alles neu aufzubauen
und ja
nicht die lächelnden Männer
im Blue Room des Weissen Hauses in Washington bei Sommersalat und Heilbutt
werden die Schaufeln und Presslufthämmer in die Hand nehmen und in
glühenden Steinwüsten ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen um die in den
klimatisierten Grossraumbüros internationaler Stararchitekten entworfenen Pläne der grössten Riviera aller Zeiten in die Wirklichkeit umzusetzen
Denn die edlen Herren selber werden indessen gewiss in irgendeinem Land am
anderen Ende der Welt noch ein weiteres ausgehungertes Volk finden wo der Entscheid jedes Einzelnen ob er leben oder lieber sterben möchte die Menschen dazu verdammt
auch noch die entwürdigendsten und erbärmlichsten Arbeitsbedingungen in
Kauf zu nehmen
dann
zwischen den endlosen Trümmern die zuerst einmal
beiseitegeschafft werden müssen und vielleicht ja sogar zu einer Art Vergnügungshügeln mit Seilbahnen und riesigen Rutschbahnen für die Kinder der Reichen aus Amerika Indien oder der Schweiz oder sogar Skipisten oder Biketrails aufgetürmt werden
dann
zwischen den endlosen Trümmern werden sie
vielleicht wieder
ans Tageslicht kommen
winzige
Kinderfüsse
Kinderhände vom
7. Juli 2025 und so vielen anderen Nächten zwischen drei und vier in der Zeit davor
Doch selbst ohne den Krieg in Gaza und selbst ohne alle anderen
derzeit weltweit wütenden fast 60 Kriege von Ecuador über die Westsahara Nigeria den Sudan und Myanmar bis nach Papua-Neuguinea an die man sich offensichtlich schon
so sehr gewöhnt hat dass kaum irgendwer davon noch spricht
Es wäre selbst ohne alle diese Kriege immer noch
unvorstellbar verheerend genug denn
alle drei Sekunden ein Kind
weltweit 15’000 Kinder jeden Tag erleiden vor dem Erreichen ihres fünften Lebensjahrs den erdenklich qualvollsten Tod durch Verhungern weil sie
seit ihrer Geburt nie genug zu essen bekamen
nicht weil es insgesamt auf der Erde zu wenig Nahrung gäbe sondern nur
weil die Güter nicht dorthin fliessen wo sie
am dringendsten gebraucht werden sondern dorthin wo die
Reichen und Mächtigen ihren
bereits in sinnlosem Übermass vorhandenen Reichtum immer noch
weiter und weiter ins
Unermessliche steigern
Nein
nicht in einer finsteren Höhle
hoch in den Bergen Afghanistans
nicht in einem von verzweifelten Händen geschaufelten
unterirdischen Tunnel an der Grenze zwischen Palästina und Ägypten
nicht an einem geheimen
Sammelort todesmutiger Guerrilleros irgendwo im
Dschungel Boliviens oder Ecuadors ist
das Böse
nein
Das Böse manifestiert sich ganz offen und ohne jede Scham in den
ganz offiziellen und legalen Zentren des Wohlstands an den alles entscheidenden
Schalthebeln und Zentren der
Macht und des über Jahrhunderte zusammengestohlenen Reichtums
nicht unter Kopftüchern oder Turbanen
nicht hinter finsteren Masken oder
eingehüllt in schwarze Tücher
treibt es sein Unwesen
nein
seine Zeichen sind weder Messer noch Kalaschnikows
und seine Kämpfer gehen nicht zu Fuss sondern
reisen im Privatflugzeug von Metropole zu Metropole
gierig und süchtig nach allem
was noch lebt
dezent schwarze und dunkelblaue Anzüge
Krawatten in allen Farben
Aktenkoffer sind ihre Zeichen und
flink herbeieilende Bedienstete welche die Türen zu ihren
schwarzen Staatskarrossen öffnen und schliessen
der Heilbutt im Blue Room des Weissen Hauses
meterlange Bankette mit aus aller Welt zusammengestohlenen Köstlichkeiten
die zu letzter Perfektion getriebene Kunst des Lügens
Doppelmoral und Scheinheiligkeiten und das permanente
Verdrehen der Wahrheit in ihr Gegenteil das
Auslöschen jeglicher
unangenehmer und verdächtiger Erinnerungen und Spuren der Vergangenheit
dies alles sind die Rückzugsgebiete in denen sich das Böse
in das Gute verkleidet sich vor der Wahrheit
versteckt hat und sein Unwesen treibt
wilder und ungebändigter denn je
Massenmörder im Nadelstreifenanzug
Sitzungsräume in den hell erleuchteten obersten Etagen multinationaler Konzerne wo
nicht nur die Vernichtung der Gegenwart sondern gleich auch noch die
Vernichtung jeglicher Zukunft planmässig vorangetrieben wird
DAS BÖSE VON HEUTE
schrieb der italienische Schriftsteller Umberto Eco
HAT ÄUSSERLICH NICHTS MIT DEM BÖSEN AUS DER VERGANGENHEIT ZU TUN ABER DER GEIST DER DAHINTERSTECKT DIE TOTALE KONTROLLE UND AUSBEUTUNG IST IMMER NOCH DERSELBE DAZU BRAUCHT ES WEDER UNIFORMEN NOCH STECHSCHRITT NOCH DEN EROBENEN GRUSS DENN ES IST SO MODERN UND SO RAFFINIERT VERPACKT UND WIRD MIT DERMASSEN ALLEN MITTELN DER VERFÜHRUNG DER ZENSUR UND DER LÜGEN SO ERFOLGREICH VERKAUFT DASS DIE MENSCHEN LÄNGST NICHT MEHR WAHRZUNEHMEN VERMÖGEN WELCHES SEINE TATSÄCHLICHEN TREIBENDEN KRÄFTE SIND
Und während dieses Böse immer unverschämter und
auch noch die alleräussersten Grenzen sprengend sein
Unwesen treibt
haben am gleichen 7. Juli 2025
in den reichen Ländern des Nordens die
Sommerschulferien angefangen
In Windeseile als ginge es ums nackte Überleben wurden die Koffer gepackt bis sie
fast aus den Nähten platzten
Kleider für den Strand
Kleider für das Windsurfen
Kleider für das Tête-à-Tête an der Hotelbar
Kleider für die Dinnerpartys
Kleider für den Tennisplatz für den Golfplatz für das Fitnesstraining für die Stadtbesichtigung und für das Shoppen
Liebesromane Kriminalromane Rezeptbücher und Anleitungen für mehr Lebensgenuss und
fast noch euphorischer als die Aktionäre der Waffenfabriken und der Baukonzerne werden auch in diesem Sommer wieder die
Aktionäre der Flugunternehmen der globalen Hotelketten und der in immer schnellerem Tempo aus den letzten verbliebenen Paradiesen schiessenden Tourismusdestinationen jubeln vielleicht sogar mit
Sommersalat und Heilbutt
wer weiss
DIE WELT
sagte Albert Einstein
IST VIEL ZU GEFÄHRLICH UM DARIN ZU LEBEN
NICHT NUR WEGEN DER MENSCHEN DIE BÖSES TUN
SONDERN VOR ALLEM AUCH WEGEN DER MENSCHEN DIE
DANEBEN STEHEN UND SIE
GEWÄHREN LASSEN…

Entmenschlichung und Schuldzuschreibungen als Voraussetzung für den Krieg der „Guten“ gegen die „Bösen“…

Sterben bei einem russischen Drohnenangriff zwei ukrainische Kinder, wird garantiert augenblicklich in fast allen westlichen Medien ausführlichst darüber berichtet, meist verbunden mit dem Hinweis darauf, dass nur ein so abgrundtief böser Mensch wie der russische Präsident Putin so gewissenlos sein könne, solche „Kriegsverbrechen“ anzuordnen. Sterben zur gleichen Zeit im Gazastreifen infolge eines israelischen Luftangriffs hundert oder hundertfünfzig palästinensische Kinder, sucht man eine vergleichbare Berichterstattung vergebens. Und findet man nach langem Suchen dennoch irgendwo am Rande einer Zeitungsseite einen winzigen Hinweis darauf, dann wird dort kaum je zu lesen sein, dass nur ein so abgrundtief böser und gewissenloser Mensch wie der israelische Premierminister Netanyahu fähig sein könne, für solche Verbrechen die Hauptverantwortung zu tragen.

Rational erklären lässt sich das nicht. Die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die dortige Zivilbevölkerung seit dem Februar 2022 lassen sich nicht im Allerentferntesten vergleichen mit der Zerstörungswut und dem menschlichen Elend, das Netanyahu im Gazastreifen innerhalb von eineinhalb Jahren angerichtet hat. An dieser Stelle irgendwelche Vergleichszahlen anführen zu wollen, wäre völlig müssig, jedes Kind kennt sie, sie übersteigen jegliches einigermassen humane Vorstellungsvermögen um ein Vielfaches. Dennoch ist der eine, Putin, aus der Sicht des Westens einer der schlimmsten Kriegsverbrecher, den man so schnell wie nur irgend möglich für immer hinter Gittern sehen möchte. Während der andere, Netanyahu, von den gleichen westlichen Regierungen mit allen Ehren empfangen wird, ihm rote Teppiche ausgerollt werden, ihm unter dem Blitzlichtgewitter Dutzender Journalisten minutenlang die Hand geschüttelt und ihm ganz offiziell dafür gedankt wird, sich unerschütterlich von seiner an „demokratischen Werten“ orientierten Regierungspolitik durch niemanden und durch nichts abbringen zu lassen.

Dass es bei alledem um nichts anderes geht als um nackte westlich-kapitalistisch-imperialistische Machtpolitik, die mit „Demokratie“ und „Menschenrechten“ nicht das Geringste zu tun hat – um dies zu erkennen, braucht es weder viel Intelligenz, noch viel Phantasie. Es müsste also, rein theoretisch, die Möglichkeit bestehen, die ganze Scheinheiligkeit und Unehrlichkeit der westlichen Machtpolitik zu entlarven und breiteste Bevölkerungsschichten dazu zu bringen, sich gegen deren Vorherrschaft aufzulehnen und sie zu Fall zu bringen, besteht doch ansonsten, wenn man sie weiterhin gewähren lässt, in letzter Konsequenz die allergrösste Gefahr eines dritten Weltkriegs, der dann, wie Bertolt Brecht dereinst so treffend schrieb, nicht nur den goldenen Wagen, auf dem die Reichen sitzen, sondern auch die den Wagen ziehenden „schwitzenden Zugtiere mit in den Abgrund reissen“ würde.

Trotz alledem scheint ein solcher Volksaufstand zurzeit noch in weiter Ferne zu liegen. Ganz im Gegenteil neigen die Menschen in den westlichen Ländern mehrheitlich immer noch dazu – und sei es nur durch ihr Schweigen und ihre Passivität -, die Politik jener mitzutragen, von denen sie täglich ausgebeutet, instrumentalisiert und über den Tisch gezogen werden. Dies deutet darauf hin, dass es etwas anderes geben muss, was stärker ist als alle Intelligenz, alle Vernunft und aller gesunde Menschenverstand. Dieses Stärkere muss so tief im Denken und Fühlen der Menschen verankert sein, dass es zum Vornherein ihre Meinungen, ihre Einstellungen, ihre Denkweise und ihr Handeln dermassen systematisch und allumfassend auf einen einzigen gangbaren Weg reduziert, dass ihnen der Zugang zu grundsätzlich anderen, davon abweichenden Wegen offensichtlich gar nicht mehr denkbar erscheint.

Was aber könnte dieses „Andere“ sein? Eine mögliche Antwort auf diese Frage erschliesst sich auf höchst erschreckende und zugleich erhellende Weise, wenn wir Aussagen westlicher und europäischer Politiker in Bezug auf das russische und das palästinensische Volk miteinander vergleichen: In Bezug auf beide Volksgruppen ist nämlich Immer wieder die Rede von „Tieren“, „Hunden“ oder anderen „nichtmenschlichen“ Kreaturen. So etwa sagte Yoaw Gallant, bis 2024 israelischer Verteidigungsminister: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend.“ Ähnliche Aussagen sind auch immer wieder von anderen israelischen Spitzenpolitikern zu hören, so etwa von Ezra Yachim, einem bekannten Armeeveteranen, der zur „Vernichtung aller Palästinenserinnen und Palästinenser“ und zur „Auslöschung sämtlicher Erinnerungen an dieses Volk“ aufrief, denn „diese Tiere dürfen nicht länger leben.“ Das Bild einer „höherwertigen“ jüdischen Kultur und Zivilisation gegenüber einem „minderwertigen“ Volk von Tieren, Barbaren oder rückständigen „Wilden“ zieht sich durch alles hindurch und gipfelt in der Aussage Netanyahus, die Juden seien das „Volk des Lichts“ und die Palästinenser das „Volk der Finsternis“ – von hier ist es nur ein winziger Schritt bis hin zur Schlussfolgerung, dass es sozusagen der göttliche Auftrag dieses „Volks des Lichtes“ sei, das „Volk der Finsternis“ für immer auszulöschen, und zwar so gründlich, dass, wie es der Likud-Abgeordnete Moshe Feiglin forderte, „nicht ein einziges Kind in Gaza übrig bleiben“ dürfe und „sämtliche Babys bereits möglichst früh nach der Geburt getötet werden müssen“.

Fast identisch tönt es, wenn sich westliche Politiker über das russische Volk äussern, wenn auch oft nur hinter vorgehaltener Hand, möchte man doch nicht des blanken Rassismus bezichtigt werden. Aber, stets ein wenig verschnörkelt und abgemildert, ist es im Grunde dennoch nichts anderes als blanker Rassismus, wenn Bilder von Russen als Horden von Vergewaltigern und potenziellen Mördern an die Wand gemalt werden, die gesamte, vom Westen mitverantwortete Vorgeschichte des Ukrainekriegs systematisch ausgeklammert und der Öffentlichkeit vorenthalten wird, oder wenn über friedliche und unschuldige russische Sportlerinnen und Künstler gnadenlos Boykotte verhängt und tausendfach hoffnungsvolle Lebensträume zerstört werden und jedes von einer russischen Drohne getötete Kind mehr Empörung und mediale Wirkung erfährt als der gleichzeitige Tod von Hunderten durch israelische Bomben oder Raketen getötete Kinder im Gazastreifen.

Würden sich die westlichen Hardliner getrauen, ganz offen das auszusprechen, was sie tatsächlich denken, dann käme wohl etwa das heraus, was der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan in seinem Buch „Himmel über Charkiw“ geschrieben hat: „Brennt in der Hölle, ihr Schweine!“, schreibt er und meint damit die Russen, welche er dann im Folgenden zusätzlich auch noch als „Hunde“, „Verbrecher“, „Tiere“ und „Unrat“ bezeichnet, sowie als „Barbaren, die gekommen sind, um unsere Geschichte, unsere Kultur und unsere Bildung zu vernichten.“ Dieses Buch hat Serhij Zhadan nicht etwa eine Anklage wegen Rassismus, Verleumdung oder Volksverhetzung eingebracht, sondern – man höre und staune – den Friedenspreis 2022 des Deutschen Buchhandels! Ob sich wohl FDP-„Sicherheitspolitikerin“ Agnes Strack-Zimmermann von Zhadans Buch inspirieren liess? Oder ob sie ganz von selber auf die glorreiche Idee gekommen ist, unlängst den russischen Aussenminister Sergei Lawrov als „Hund“ zu bezeichnen, ausgerechnet ihn, einen der klügsten, erfahrensten und besonnensten Spitzenpolitiker in so wirren Zeiten.

Genau so, wie Netanyahu aus der Herabwürdigung und Verachtung des palästinensischen Volks den göttlichen Auftrag ableitet, dieses Volk von „Tieren“ auszulöschen, genau so leitet offensichtlich auch der sich als Inbegriff des „Guten“ verstehende „Wertewesten“ die Legitimation ab, Russland zu zerschlagen. Absurder und widersprüchlicher geht es nicht: Die westlichen Regierungen schüren in der Bevölkerung – ohne hierfür auch nur über die geringsten konkreten Beweise zu verfügen – mithilfe einer nunmehr fast gänzlich durchgepaukten Gleichschaltung der Medien zunehmend die Angst vor einem baldigen Angriff Russlands gegen den Westen. Tatsächlich aber sind sie es selber, die gegenüber Russland eine extrem aggressive und bedrohliche Position einnehmen und – angeblich zu „Verteidigungszwecken“ – eine militärische Aufrüstung in historisch nie dagewesenem Ausmass vorantreiben, obwohl die NATO jetzt schon rund zehn Mal mehr Geld für ihre Streitkräfte ausgibt als Russland.

Wer bedroht eigentlich wen? Wird geheimhin Russland als „böser und gefährlicher Aggressor“ hingestellt, der nicht nur Europa, sondern möglicherweise die gesamte Welt mit seinem imperialistischen Machtgehabe bedrohe, kommt man schnell zu einem gänzlich anderen Bild, wenn man sich die Aussagen namhafter westlicher Politikerinnen und Politiker im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte etwas genauer anschaut: „Um Amerikas Vormachtstellung in Eurasien zu sichern“, so der frühere US-Sicherheitsberater Zbignew Brzezinski, „braucht es die NATO-Osterweiterung. Eurasien ist das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.“ Ebenfalls von Brzensinski stammt diese Aussage: „Die neue Weltordnung wird gegen Russland errichtet, auf den Ruinen Russlands und auf Kosten Russlands.“ Madeleine Albright, frühere US-Aussenministerin, befand bereits vor über 20 Jahren: „Russlands Bodenschätze sind zu gewaltig, als dass sie den Russen allein gehören dürfen.“ Auch für Ben Hodges, den ehemaligen Befehlshaber der US-Armee in Europa, ist klar: „Ziel der USA muss Russlands Spaltung und Zerfall sein.“ Und genau gleich tönt es von Paul Wolfowitz, dem ehemaligen US-Unterstaatssekretär und persönlichen Berater von Präsident George W. Bush: „Die USA müssen in jeder Region der Welt die militärische Vormachtstellung innehaben und den aufstrebenden regionalen Mächten entgegentreten, die eines Tages die globale oder regionale Vorherrschaft der USA herausfordern könnten, vor allem Russland und China. Zu diesem Zweck sollte das US-Militär in Hunderten von Militärstützpunkten auf der ganzen Welt in Stellung gebracht werden und die USA sollten darauf vorbereitet sein, bei Bedarf Kriege nach Wahl zu führen. “ Was die Ukraine, das angeblich unschuldige Opfer der russischen Kriegsmaschinerie, betrifft, so erfahren wir vom früheren US-Sicherheitsberater Douglas McGregor Folgendes: „Denken Sie daran, wir haben acht Jahre damit verbracht, diese Armee in der Ukraine zu dem einzigen Zweck aufzubauen, um Russland anzugreifen. Dafür wurde sie entwickelt. Deshalb haben die Russen sie angegriffen.“ Nicht anders Jens Stoltenberg, der ehemalige NATO-Generalsekretär: „Seit 2014 haben wir die Ukraine massiv mit Waffen versorgt. Das ist natürlich eine sehr bewusste, starke Provokation. Es war uns bewusst, uns in einen Bereich einzumischen, den jeder russische Führer als untragbar ansehen muss. Mit einem Bruchteil des amerikanischen Verteidigungsbudgets konnten wir die russische Armee erheblich beschädigen und degradieren. Und deshalb sollten wir damit auch weitermachen.“ Und auch die neuesten Aussagen deutscher Spitzenpolitiker sprechen genau die gleiche Sprache. „Ich hätte nicht gedacht“, so Sigmar Gabriel, ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD und früherer deutscher Vizekanzler, „das einmal sagen zu müssen: Aber wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben.“ Der CDU-Politiker Roderick Kiesewetter fordert: „Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, damit die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände.“ Auch für Johann Wadephul, den neuen deutschen Aussenminister, ist klar: „Russland wird immer ein Feind für uns bleiben.“ Und selbst der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz erkennt keinerlei Nutzen in möglichen Friedensverhandlungen, denn: „Kriege enden nur mit militärischer Erschöpfung.“

Eine derart aggressive Kriegspolitik müsste, rational betrachtet, unüberhörbares Entsetzen und eine nie dagewesene Empörung in all jenen europäischen Ländern auslösen, wo die Menschen jetzt schon bald mittels höherer Steuern, eingeschränkter Sozialleistungen, reduzierter Renten, Sparmassnahmen bei den öffentlichen Diensten und Infrastrukturen und weiteren schmerzlichen Einschnitten bei der sozialen Sicherheit auf Generationen hinaus nur deshalb so viele Opfer erbringen werden müssen, weil ihre Regierungen zurzeit einer friedlichen Konfliktlösung nicht die geringste Chance geben, sondern alles auf die Karte Krieg setzen, und sei es nur, um sich gegen einen möglichen durch ihre eigene Aggressionspolitik provozierten Militärschlag Russlands zu „verteidigen“. Etwas so zutiefst Irrationales ist nur möglich, wenn etwas anderes stärker ist als jede Vernunft: Und genau das eben ist die systematische menschliche Herabwürdigung des potenziellen „Gegners“, bis auch dem Hinterletzten klar ist: Die Welt kann nur gerettet werden, wenn man sich dieser „gefährlichen“, „brutalen“, „primitiven“ und mehr Tieren als Menschen gleichenden Völker so rasch und gründlich wie möglich für immer entledigt, seien es nun die Russen oder die Palästinenser oder irgend ein anderes „minderwertig“ Volk von „Hunden“, das früher oder später noch aufzufinden sein wird. Es ist exakt die gleiche Taktik, die bereits Hitler so erfolgreich angewendet hatte, indem er in Bezug auf die Völker des Ostens nie von etwas anderem sprach als von „Untermenschen“, „Unrat“, „Ungeziefer“, die Juden als „Judenschweine“ bezeichnete und durch diese systematische Entmenschlichung der zukünftigen Opfer den Boden dafür vorbereitete, dass deutsche Soldaten, Angehörige eines hoch gebildeten und kulturell hochstehenden europäischen Volks, scheinbar ohne schlechtes Gewissen in einen Krieg ziehen konnten gegen Menschen, die aus der Sichtweise eben dieses „Kulturvolks“ gar keine wirklichen Menschen waren. So gesehen muss man zum Schluss gelangen, dass sich, so „extrem“ diese Behauptung auf den ersten Blick auch erscheinen mag, die meisten derzeitigen westlichen Regierungen, inklusive die Schweiz, ganz schön brav auf den Spuren Hitlers und dessen nationalsozialistischen Gedankenguts bewegen, gleichzeitig selber aber keine Mühe scheuen, im Sinne einer Projektions- und Ablenkungsstrategie ihre politischen Gegner als „Nazis“ zu diffamieren und sich auf diese Weise ihre eigene Weste sauber zu halten.

Die Entmenschlichung ist der Schlüsselpunkt. Man kann keine Kriege führen, ohne zuvor die potenziellen Opfer systematisch entmenschlicht zu haben. Denn der Mensch ist in seinem Innersten zu gut, als dass er gegen andere Menschen kämpfen oder sie töten möchte, das haben zahllose Experimente und Studien eindeutig bewiesen. Der Mensch ist von Natur aus ein friedfertiges Wesen. Will man Krieg, muss man ihn zur „Kriegstüchtigkeit“ systematisch erziehen. Das einfachste Mittel zu einer solchen Umerziehung besteht darin, den Menschen einzubläuen, dass sie nicht gegen andere Menschen kämpfen werden, sondern gegen Tiere, Hunde, Ratten, Kakerlaken, Ungeziefer, Unrat. Dann sind alle Hemmschwellen weg und es kann so richtig losgehen – jetzt gerade live zu verfolgen, wenn sich israelische Soldaten auf ihren Videobotschaften grölend, derbste Witze reissend, sich die Schenkel klopfend und sich gegenseitig zuprostend präsentieren, während im Hintergrund die Häuser von palästinensischen Dörfern brennen. Die Entmenschlichung der Opfer geht Hand in Hand mit der Entmenschlichung der Täter…

Das ist nichts Neues. Stets war die Entmenschlichung der erste entscheidende Schritt zur Verwirklichung der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Angefangen mit der von den europäischen Kolonialmächten sogar angeblich „wissenschaftlich“ bewiesenen These, bei der indigenen Urbevölkerung Amerikas handle es sich nicht um wirkliche Menschen, sondern eher um eine Art von Tieren, bei denen, wie es der angesehene französische Graf Buffon im ersten Jahrhundert der Kolonialisierung Amerikas durch Spanien, Portugal, England und Frankreich formulierte, „keinerlei Anzeichen von Seele“ festzustellen sei. Auch der berühmte französische Philosoph Montesquieu sprach im Zusammenhang mit den Indios von „degradierten“ Menschen. Selbst der als einer der grössten Denker in die Geschichte der westlichen Wertewelt eingegangene deutsche Philosoph Friedrich Hegel unterstellte den Indios „körperliche und geistige Impotenz“. Auch für Thomas Jefferson, US-Präsident von 1801 bis 1809, stand fest, dass die indigene Urbevölkerung Nordamerikas „auf einer früheren Stufe der Menschheitsentwicklung stehen geblieben“ sei und erst der europäische Mensch „die höchste Stufe dieser Entwicklung erreicht“ hätte. US-Aussenminister Henry Clay sagte im Jahre 1826, „vollblütige Indianer“ seien „von Natur aus minderwertig“ und ihr „Verschwinden aus der menschlichen Familie“ wäre „kein grosser Verlust für die Menschheit“.

Nicht anders erging es den afrikanischen Ureinwohnerinnen und Ureinwohnern. Auch sie wurden nicht als eigentliche Menschen betrachtet, sondern im besten Falle als Arbeitstiere auf den Plantagen und in den Bergwerken der europäischen Kolonisten in Nord- und Südamerika, wo sie so gnadenlos ausgebeutet wurden, dass die meisten von ihnen schon nach wenigen Jahren durch Erschöpfung starben, oder aber, wenn nicht durch Zwangsarbeit, dann durch grausamste Folterungen bis zum Tod wegen geringsten Ungehorsams oder anderer klitzekleiner Vergehen. Alle diese an der amerikanischen und afrikanischen Urbevölkerung während rund 500 Jahren begangenen Verbrechen stiessen nur deshalb nicht einmal bei europäischen Rechtsgelehrten, Schriftstellern und Philosophen auf grösseren Widerstand, weil „Wissenschaftler“ aufgrund medizinischer Untersuchungen zum Schluss gekommen waren, das Gehirn nichtweisser Menschen sei gegenüber jenem der weissen Menschen dermassen klein und unterentwickelt, dass man die beiden Volksgruppen gar nicht der gleichen Kategorie Lebewesen zuordnen könne.

Die Geschichte der Entmenschlichungen im Laufe der Jahrhunderte ist endlos und würde zahllose Bibliotheken füllen, die aus allen Nähten platzen würden. Es soll, stellvertretend für Abertausende andere Fälle, nur kurz an zwei paar besonders krasse Beispiele erinnert werden: Etwa an das von US-amerikanischen Bomberpiloten mit „Entenjagden“ verglichene Niedermähen von Vietcongkämpfern im Vietnamkrieg oder von Heerscharen fliehender irakischer Soldaten im Krieg von 2003. Oder an die Foltermethoden im US-Gefangenenlager von Abu Greib, wo gefangene Irakis, von denen sich die allermeisten nicht des geringsten Vergehens schuldig gemacht hatten und bis heute nie rechtmässig verurteilt worden sind, gezwungen wurden, zum Ergötzen der zuschauenden US-Soldaten gefesselt und nur mit Windeln bekleidet wie Hunde am Boden herumzukriechen – hatte man diese Menschen bereits vor ihrer Festnahme zu Tieren degradiert, war es nur logisch, sie nun auch in der Gefangenschaft als Tiere zu behandeln, ganz so, wie es der frühere israelische Verteidigungsminister Gallant gesagt hat: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend.“

Auch eines der allergrössten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit, nämlich die Machtergreifung der Männer gegen die Frauen, die weltweite Errichtung des bis zur Stunde mit allem nur erdenklichen Leiden verbundenen Patriarchats, beruht letztlich auf nichts anderem als auf Entmenschlichung. Schon der im 4. Jahrhundert vor Christus lebende griechische Philosoph Aristoteles definierte Frauen als „unvollkommene Männer“. Über Jahrtausende hinweg wurde gepredigt, Frauen seien weniger wert als Männer und deshalb dazu bestimmt, sich dem Willen der Männer unterzuordnen. Auch reiche ihre Intelligenz nicht dazu aus, sich politisch zu betätigen oder in irgendeiner anderen Weise am öffentlichen Leben teilzunehmen – ein Dogma, das selbst in einem so „fortschrittlichen“ und „aufgeklärten“ Land wie der Schweiz zur Folge hatte, dass Frauen erst im Jahre 1971 (!) das politische Stimm- und Wahlrecht zugesprochen wurde.

Seinen wohl grausamsten Höhepunkt erreichte die Entmenschlichung der Frauen und die Errichtung des Patriarchats in den sogenannten „Hexenprozessen“, denen allein zwischen 1550 und 1650 rund 50’000 Frauen auf bestialischste Weise, meist nach wochen- oder monatelanger Folterung und der anschliessenden Verbrennung auf dem Scheiterhaufen, zum Opfer fielen, und dies mitten in Europa zu einer Zeit, die in den Geschichtsbüchern bis heute als „Aufbruch in ein neues Zeitalter“ und „Beginn der Moderne“ gefeiert wird. Die Verfolgung und Vernichtung der sogenannten „Hexen“, deren einziges „Verbrechen“ darin bestand, besonders starke und mutige Frauen zu sein, zeigt auf ganz besonders drastische Weise einen zweiten Aspekt der Entmenschlichung, der über die Jahrhunderte hinweg neben der Herabwürdigung ganzer Volksgruppen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion oder ethnischen Herkunft eine mindestens so wichtige Rolle spielte: Die Zuschreibung des sogenannten „Bösen“. Frauen, und insbesondere starke und emanzipierte Frauen, waren aus Sicht des patriarchalen Machtsystems nicht nur, im Vergleich zum Mann, „minderwertige“ Geschöpfe, sondern zugleich auch der Inbegriff des „Teuflischen“, direkt mit Satan Verbündete, die nicht nur über die gefährliche und zerstörerische Gabe verfügten, mit ihren weiblichen Reizen Männer zu verführen und zu Ehebruch anzustiften, sondern auch unheimliche magische Kräfte besassen, um beispielsweise kleine Kinder oder die Kühe im Stall zu vergiften oder gar Blitze, Unwetter, Überschwemmungen, Brände oder andere Katastrophen herbeizuzaubern.

Und jetzt ist es perfekt. Denn wenn die Entmenschlichung in Form von blankem Rassismus und der Herabwürdigung ganzer Volks- und Menschengruppen noch nicht genug wirkungsvoll ist, um ihre Vernichtung zu rechtfertigen, dann wird wohl die Zuschreibung des „Bösen“ auch noch die letzten Zweifel aus dem Weg schaffen. Ja, „Minderwertiges“, „Unrat“, „Ungeziefer“ muss vernichtet werden, aber das „Böse“ erst recht, da steht ja schon in den heiligen Schriften und ist Pflicht jedes „guten“ Menschen, wenn er nicht selber zum Komplizen des Bösen werden will.

Und so wurden sie dann alle erfunden, über die Jahrhunderte hinweg, alle diese Märchen von den „Guten“ und von den „Bösen“, und dass das „Gute“ das „Böse“ vernichten müsse und dass das „Gute“ am Ende immer über das „Böse“ siegen werde. Das Märchen von jüdischen Ärzten in Deutschland, die unter ihren Glaubensgenossen Giftmischungen verteilt hätten, mit denen das Trinkwasser verseucht worden sei, was zum Ausbruch der grossen Pestepidemie zwischen 1347 und 1350 geführt hätte – als Rechtfertigung für die erste grosse Judenverfolgung und das Verbrennen der angeblichen „Giftmischer“ auf öffentlichen Plätzen. Das Märchen von den afrikanischen Kannibalen, die ihre eigenen Kinder aufessen – als Rechtfertigung für die Weissen, im Zuge der Eroberung und Kolonialisierung Afrikas gegenüber der dortigen Bevölkerung ebenso grausam vorzugehen wie diese angeblich gegenüber ihren eigenen Artgenossen, wohingegen längst erwiesen ist, dass „Kannibalismus“ in der Geschichte der Menschheit bis heute nur in ganz seltenen Fällen in Form des Verzehrs von Leichenteilen zu medizinischen Zwecken vorgekommen ist, und zwar nicht nur in Afrika, sondern weltweit, nicht zuletzt auch bei den Vorfahren der heutigen Europäer. Das frei erfundene Märchen eines angeblichen Angriffs nordvietnamesischer Schnellboote auf zwei US-Kriegsschiffe im Golf von Tonkin am 2. und 4. August 1964 – als Rechtfertigung für den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg mit insgesamt über vier Millionen Todesopfern, zur Hauptsache Zivilpersonen. Das ebenfalls reiner Phantasie entsprungene und jeglicher Realität entbehrende Märchen, wonach irakische Soldaten bei der Invasion Kuweits im August 1990 Frühgeborene aus ihren Brutkästen gerissen und auf dem Boden hätten sterben lassen – als Rechtfertigung für das militärische Eingreifen der USA in den Grenzkonflikt zwischen Kuweit und dem Irak. Die ebenfalls von der US-Administration frei erfundene und bis heute nicht bewiesene Behauptung, Osama bin Laden sei der Hauptdrahtzieher hinter den Anschlägen auf das WTC-Center vom 11. September 2001 gewesen – als Rechtfertigung für die ein ganzes Land in den Abgrund stürzende US-Invasion in Afghanistan, wo sich bin Laden angeblich versteckt gehalten hätte. Das von der gleichen US-Administration nur zwei Jahre später gegenüber der Weltöffentlichkeit als – wie man heute weiss – reine Lüge aufgetischte „Beweismaterial“ für die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen durch den irakischen Diktator Saddam Hussein – als Rechtfertigung für einen zweiten grossen Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak, mit insgesamt rund einer weiteren Million von Todesopfern und Millionen von Schwerverletzten. Das Märchen von den Hamaskämpfern, die beim Überfall auf grenznahe jüdische Siedlungen anfangs Oktober 2023 Babys bei lebendigem Leib die Köpfe abgeschlagen hätten, ohne dass dies jemals hatte bewiesen werden können – als Rechtfertigung dafür, dass die israelische Armee innerhalb der folgenden eineinhalb Jahr bereits rund 70’000 Menschen, etwa ein Drittel davon Kinder, im Gazastreifen ermordet hat. Das vor wenigen Wochen erneut aufgewärmte Märchen von der Entwicklung einer iranischen Atombombe – als Rechtfertigung für die Bombardierung weiter Teile des Landes durch die Luftwaffe ausgerechnet jenes Staates Israel, der selber seit Jahrzehnten über mindestens 200 Atombomben verfügt, im Bunde mit den USA, wohl nicht so sehr, um das angebliche iranische „Atomwaffenprogramm“ zu vernichten, als vielmehr zu dem einzigen und alleinigen Zweck, die militärische Vorherrschaft des Westens im Nahen Osten auf Dauer zu sichern und zu festigen, das, was der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz als „Drecksarbeit“ bezeichnete, und weswegen er sich gegenüber Israel so dankbar zeigte, weil dieser Staat einen Job erfülle, den eigentlich die ganze westliche Welt erfüllen müsste, die Zeit dafür aber offensichtlich noch nicht ganz reif sei.

Dazu all die hartnäckig aufrechterhaltenen Märchen, Lügen und künstlich aufgebauten Feindbilder, wonach jeder Moslem ein potenzieller „Terrorist“ sei, Menschen aus „weniger entwickelten Ländern“ im Gegensatz zu anderen „bildungsfern“ oder „kulturlos“ seien und Flüchtlinge sowie ganz generell „Ausländerinnen“ und „Ausländer“ grundsätzlich „kriminell“ seien – man beachte, dass es analog zum Begriff der „Ausländerkriminalität“ keinen entsprechenden Begriff der „Inländerkriminalität“ gibt und auch das Wort „Männergewalt“ in den Medien höchst selten anzutreffen ist, obwohl der Anteil von Gewalttaten, die von Männern begangen werden, im Vergleich zu von Frauen begangenen Gewalttaten um ein Vielfaches höher ist als der Anteil der von „ausländischen“ Personen begangenen Gewalttaten im Vergleich zu den von Einheimischen begangenen Gewalttaten.

Besonders aufschlussreich ist auch der unter anderen vom früheren US-Präsident benutzte Begriff des „Reichs des Bösen“ in Bezug auf die Sowjetunion. Sah Reagan das „Böse“ insbesondere in der Ideologie des Kommunismus als Bedrohung des Kapitalismus, so hätte eigentlich logischerweise mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dem Amtsantritt Putins und dessen Angebot einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstruktur ein neues Zeitalter in der Beziehung zu einem neuen, nicht mehr kommunistisch, sondern sogar geradezu überbordend kapitalistisch ausgerichteten Russland erfolgen müssen. Tatsächlich aber gilt Russland nach wie vor in der Rhetorik der führenden westlichen Politiker als ein „Reich des Bösen“, woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass es auch zu Zeiten Reagans und der Sowjetunion aus der Sicht des Westens augenscheinlich nicht so sehr um die Systemkonkurrenz zwischen Kommunismus und Kapitalismus ging, sondern viel mehr um diese dumpfe, unbewusste, rassistische Glorifizierung der „höherwertigen“ eigenen Kultur gegenüber „minderwertigeren“ Kulturen des Ostens oder des Südens. Besser als die „Sicherheitsexpertin“ Florence Gaub, von ihren Bewunderern auch „wunderbare wissenschaftliche Diva“ genannt, kann man diese Haltung nicht auf den Punkt bringen. Florence Gaub nämlich sagte im Rahmen einer Diskussionssendung auf ZDF anfangs April 2022 Folgendes: „Wir dürfen nicht vergessen, dass Russen, obwohl sie europäisch aussehen, keine Europäer im wahrsten Sinne des Wortes sind. Sie behandeln das Leben nämlich nicht als modernes liberales postmodernes Projekt.“

Dass sich der Westen nicht zu schade ist, immer dann, wenn es um die Diffamierung Russlands geht, selbst mit Rassisten übelster Sorte gemeinsame Sache zu machen, zeigt das Beispiel von Alexei Nawalny, der von den westlichen Regierungen während langer Zeit zu dem Verfechter von Demokratie und Menschenrechten im Kampf gegen das Regime Putins hochgejubelt und im Jahre 2021 sogar mit dem EU-Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Dass der gleiche Nawalny gegenüber ethnischen Minderheiten innerhalb Russlands eine extrem rassistische Haltung einnahm, Tiflis als „Hauptstadt der Nagetiere“ bezeichnete, welche „mit Marschflugkörpern zerstört werden“ müsste, und der „nordkaukasischen Gesellschaft“ zum Vorwurf machte, sie hätten „den Wunsch, wie Vieh zu leben“, weshalb man „nicht normal mit diesen Völkern koexistieren“ könne und man diese und auch „alles andere, was uns stört, unbeirrt per Deportation entfernen“ müsse, schien offensichtlich die von Russophobie angetriebenen Eliten des Westens nicht weiter zu stören, auch nicht, dass Nawalny wegen seiner rassistischen Äusserungen aus der demokratisch-oppositionellen Jabloko-Partei ausgeschlossen und ihm selbst von Amnesty International der Status eines politisch Verfolgten aberkannt worden war. Dass die Wahrheit nicht ans Licht kommen darf, habe ich selber ganz direkt erfahren, indem kein einziger meiner Leserbriefe, in der ich auf diese Doppelrolle Nawalnys hinzuweisen versuchte, jemals von irgendeiner der grösseren Schweizer Tageszeitungen veröffentlicht wurde und ich auf mehrere Nachfragen, ob es nicht im Interesse demokratischer Meinungsbildung liegen müsste, nicht nur halbe, sondern ganze Wahrheiten offenzulegen, bis heute nie eine Antwort bekommen habe.

Die Zuschreibung des Bösen an andere und der systematische Aufbau von negativ besetzten Feindbildern dient nicht nur der Verunglimpfung des potenziellen aktuellen oder zukünftigen Opfers eigener Machtpolitik, sondern gleichzeitig auch dazu, permanent von den eigenen Missetaten und Verbrechen abzulenken. Im Gegensatz zu all den Märchen, Lügen und anderen erfundenen Geschichten über „nichtweisse“ oder „nichteuropäische“ Unmenschen, sind in Tat und Wahrheit die allerschlimmsten und grausamsten Verbrechen ausgerechnet von Trägern jener „Kultur“ begangen worden, die sich selber bei jeder Gelegenheit als etwas scheinbar „Höherwertiges“ definiert. Von der Behandlung irakischer Gefangener im US-Gefängnis von Abu Greib und von den jegliches menschliches Vorstellungsvermögen sprengenden Grausamkeiten, die an den sogenannten „Hexen“ begangen wurden, war schon die Rede. Zahllose weitere ähnliche Geschichten könnte man erzählen, sie würden endlose Bibliotheken füllen. An dieser Stelle nur zwei weitere, besonders drastische Beispiele, auch sie nicht aus der Kategorie der Phantasie und der Märchen, sondern einwandfrei historisch belegt. So etwa praktizierten die Sklavenhalter auf den Kaffeeplantagen Haitis noch im 19. Jahrhundert ein besonders bestialisches „Spiel“: Sie machten sich einen Spass daraus, widerspenstigen Sklaven Schwarzpulver in den After zu pressen und dieses dann zu entzünden, was sie „einen Neger hüpfen lassen“ nannten. Das zweite Beispiel betrifft das Terrorregime der Belgier im Kongo, wo auf Befehl des belgischen Königs noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts jeweils am Ende des Arbeitstags jenen Arbeitern, welche das geforderte Tagessoll an gesammeltem Kautschuk nicht erfüllt hatten, die Hände abgehackt wurden.

Gemäss der allgemein verbreiteten Ansicht, bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der von den europäischen Seefahrern und Kolonisten „entdeckten“ Länder handle es sich nicht um eigentliche Menschen, sondern eher um eine Art von Tieren, wurden auch deren Lebensgebiete durch keinen Geringeren als den Papst als höchster Instanz für „Recht“ und „Moral“ zu sogenannter „Terra nullius“ erklärt, „Niemandsland“ also, das niemandem gehörte und von den europäischen Eindringlingen ganz offiziell zu deren eigenem Staatsgebiet erklärt werden durfte. Wie sehr sich solche Denkvorstellungen über die Jahrhunderte bis in unsere Gegenwart weitergerettet haben, zeigte sich auf schockierende Weise im Februar 2025, als US-Präsident Trump allen Ernstes vorschlug, die gesamte palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen wegzuschaffen, um dort die schönste und luxuriöseste Feriendestination aller Zeiten in Form einer „Riviera“ für die Reichsten der Reichen zu bauen. Die Idee der „Terra nullius“, dass die Palästinenser, die es offiziell ja gar nicht gibt und sowieso eher Tiere als Menschen sind, kein Anrecht auf einen eigenen Staat haben sollen und nicht einmal darauf , dort zu leben, wo sie geboren wurden und aufgewachsen sind, scheint noch immer so aktuell zu sein wie zur Zeit der Kolonialisierung Amerikas, Afrikas und Südostasiens, sonst wäre der Aufschrei gegen diesen Plan in den westlichen Medien nicht dermassen zaghaft ausgefallen. Ganz im Gegenteil: Die schweizerische „Sonntagszeitung“ widmete sogar ganze zwei Seiten einem Interview mit dem niederländisch-jüdischen Schriftsteller Leo de Winter, welcher 2002 mit dem „Weltliteraturpreis“ ausgezeichnet wurde. In diesem Interview schwärmt Leo de Winter von Donald Trump als einem „Dichter“, der sogar „neue Wörter“ kreiere, in dessen „ganz grossen Träumen“ es „keine Grenzen“ mehr gäbe und der „höchst intelligent“ sei. Auf den Ruinen der zerstörten palästinensischen Wohnhäuser die „besten, schönsten und grössten Hotels, die es je auf der Welt gegeben hat“, zu bauen, findet Leo de Winter einen „schönen Gedanken“. Und dem Vorschlag Trumps, die verbliebenen Palästinenserinnen und Palästinenser nach Indonesien zu verfrachten, wo es noch „Tausende sehr schöne,  unbewohnte Inseln“ gäbe, würde er sich ebenfalls vorbehaltlos anschliessen. Dieses Interview stand einfach so Wort für Wort im grössten Schweizer Sonntagsblatt, ohne jeglichen kritischen Kommentar seitens der Redaktion. Es ist an Widersprüchlichkeit wohl kaum zu übertreffen, dass auf der einen Seite in jedem einigermassen seriösen Schulbuch kein guter Faden gelassen wird an der um 1500 vom Papst erlassenen Doktrin der „Terra nullius“, mehr als 500 Jahre später offensichtlich in breiten Kreisen westlicher „Eliten“ kaum Anstoss daran genommen wird, dass die Phantasien Trumps nichts anderes sind als eine Wiedererweckung genau dieser gänzlich menschenverachtenden Ideologie.

An dieser Stelle kommen wir nicht umhin, schliesslich auch noch die ganz grundsätzliche Frage aufzuwerfen, auf was für einem Weltbild denn eigentlich die „Logik“ beruht, dass man Menschen, wenn man sie zu „Hunden“, „Enten“ oder „Kakerlaken“ degradiert, einfacher, schneller, leichter und mit weniger schlechtem Gewissen sollte töten dürfen, als wenn es sich um „richtige“ Menschen handeln würde. Es spricht daraus nicht nur eine abgrundtiefe Verachtung und Entwürdigung der betroffenen Volksgruppen, sondern zugleich eine abgrundtiefe Verachtung und Entwürdigung der Schöpfung insgesamt, dürften doch Tiere, bloss weil sie von den „Herren der Schöpfung“ als etwas „Minderwertiges“ angeschaut werden, ebenso wenig sinnlosem Morden ausgeliefert werden wie Menschen. Was hier praktiziert wird, ist eine zutiefst respekt- und würdelose Normalisierung all dessen, was in Form von Tiertransporten unter katastrophalen Bedingungen, schmerzvollsten Tierexperimenten und Massentötungen in Tierfabriken bereits heute tagtäglich millionenfach mehr als zur Genüge erfolgt. Ein unfassbarer Rückfall in finsterste Vergangenheiten. Müsste doch, wenn sich die Menschheit nur ein ganz klein wenig in positiver Weise weiterentwickeln möchte, genau das Gegenteil stattfinden: Nicht die Entwertung von Menschen dadurch, dass man sie mit Tieren vergleicht. Sondern der Aufbau und die Heranbildung einer Haltung allumfassenden Respekts und tiefster Ehrfurcht vor all den Wundwerken der Schöpfung, mit denen wir – und an vorderster Stelle die westlich-kapitalistische „Wertewelt“ mit ihren Dogmen der Profitmaximierung um jeden Preis und eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums mit unabsehbaren Folgen auf zukünftige Generationen – bereits so viel Schaden angerichtet haben, dass immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kaum mehr daran glauben, dass sich dieser ganze Schaden überhaupt jemals noch rechtzeitig wieder gut machen lässt. „Der Tag wird kommen“, sagte Leonardo da Vinci, eines der grössten Universalgenies aller Zeiten, schon vor über 500 Jahren, „an dem das Töten eines Tiers genauso als Verbrechen betrachtet wird wie das Töten eines Menschen.“

Das Einzige, was uns weiterbringen würde, wäre, aus der Geschichte zu lernen. Tragischerweise ist zurzeit genau das Gegenteil der Fall: Im Gazastreifen findet unter den Augen der Weltöffentlichkeit, Tag und Nacht über sämtliche Medien im Sekundentakt live ins Haus geliefert, ein Völkermord statt, wie es ihn seit Jahrhunderten kaum mehr gegeben hat, und kein einziger der „Koryphäen“ unter den Politikern und Wortführern der westlichen „Wertewelt“ scheint über das minimalste Mass an Empathie zu verfügen, dieses Verbrechen angesichts seiner unbeschreiblichen Ausmasse an Zerstörungskraft in aller Deutlichkeit als das zu benennen und zu verurteilen, was es ist: Ein planmässiger Völkermord, in nichts weniger grausam und verbrecherischer als der von den Nationalsozialisten begangene Völkermord an Juden, Roma, Sinti und anderen ethnischen Minderheiten, von denen heute schon gar niemand mehr spricht. Gleichzeitig rufen fast alle europäischen Regierungen blindlings zu einer immer stärker sich selber potenzierenden und sich in Richtung Unendlichkeit bewegender „Kriegstüchtigkeit“ auf, als hätte es nie einen Zweiten Weltkrieg gegeben und als hätte niemals selbst ein CSU-Politiker wie Franz Josef Strauss, der spätere langjährige Ministerpräsident Bayerns, noch im Jahre 1949 eindringlich davor gewarnt, jemals wieder die gleichen Fehler zu begehen wie in der Vergangenheit, und dies mit folgenden Worten: „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“ Weshalb gehen die tiefsten Weisheiten, die kluge Menschen schon seit Hunderten von Jahren immer wieder kund getan haben, stets wieder vergessen, und weshalb holt man an deren Stelle aus der Mottenkiste der Vergangenheit ausgerechnet immer wieder all jene Lügen, Trugschlüsse und falschen Heilsversprechen hervor, die schon tausende Male versagt haben und tausende Male gescheitert sind?

Ja, weshalb? Der Grund dürfte, und damit komme ich zum Anfang dieses Artikels zurück, eben genau darin liegen, dass irgendetwas anderes stärker sein muss als alle Vernunft und jeglicher gesunde Menschenverstand: Die gezielte und planmässige Entmenschlichung und Zuschreibung des Bösen an jene Volksgruppen, die man in Zukunft ohne jegliches schlechte Gewissen diskriminieren, bekämpfen oder sogar liquidieren möchte. Wie subtil und nahezu unbemerkt von der grossen Mehrheit der Bevölkerung dies geschieht, hat sich gerade unlängst, nämlich Ende April 2025, wieder einmal gezeigt, als die Zahlen über die im Jahre 2024 schweizweit begangenen rassistischen Vorfälle veröffentlicht wurden. In diesem Jahr gab es in der Schweiz insgesamt 1211 registrierte Vorfälle von Rassismus. 66 davon betrafen Jüdinnen und Juden, die übrigen 1145 betrafen Schwarze sowie Muslime oder Personen aus dem arabischen Raum. Dennoch weigert sich der Bundesrat, der vor etwa einem halben Jahr auf Drängen der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats eine Vollzeitstelle für einen Antisemitismus-Beauftragten geschaffen hat, bis heute, analog dazu auch Stellen für Fachpersonen zu schaffen, welche für die Bekämpfung und Aufklärung von Rassismus gegen Schwarze, Moslems und Menschen aus dem arabischen Raum zuständig wären. Was für eine schreiende Ungerechtigkeit anhand dieser offen auf dem Tisch liegenden Zahlen. Aber es scheint eben diskriminierte Minderheiten zu geben, die eine sehr starke Lobby haben bis hin zu den die öffentliche Meinung nachhaltig prägenden Medienschaffenden, und andere diskriminierte Minderheiten, welche nur eine schwache oder überhaupt keine Lobby haben. Viel weiter sind wir in den 500 Jahren seit der Entdeckung und Eroberung Amerikas, wo die europäischen Eindringlinge bloss auf Tiere stiessen, die so aussahen wie Menschen, offensichtlich nicht einmal in jenem Land gekommen, das sich der Welt so gerne als „demokratisches Musterland“ präsentiert. Und wenn sich dann jemand wie ich darüber empört und dieser Aussenpolitischen Kommission einen ganz netten Brief schreibt, um sich zu erkundigen, ob nebst dem Antisemitismusbeauftragten auch vergleichbare Stellen zum Schutz anderer Minderheiten geplant seien, funktioniert diese „Demokratie“ tatsächlich ganz „mustergültig“: Man bekommt einfach keine Antwort, nicht einmal von den Vertreterinnen und Vertretern der „linken“ und „grünen“ Parteien in der Kommission.

Neueste Meldung vom 27. Juni 2025: Mitten im feuchtheissen Sumpf der Everglades will die Regierung von Florida ein Lager für auszuweisende Immigranten bauen. „Es scheint eine Art Wettbewerb ausgebrochen zu sein unter den Heimatschützern von Donald Trump“, schreibt der „Tagesanzeiger“, „wer wohl die zynischste und sadistischste Idee hat.“ Der Name des Projekts, „Alligator Alcatraz“, soll an das ehemalige Inselgefängnis in der Bucht von San Francisco erinnern, von wo aus jeder Fluchtversuch zum Vornherein zum Scheitern verurteilt war, da ausserhalb der Gefängnismauern nichts war ausser reissenden Meeresströmungen voller Haie. Beim neu geplanten Lager für auszuweisende Immigranten werden das, was beim Inselgefängnis die Haie waren, nun Sümpfe, Boas und Krokodile sein – „Die Betreiber“, so der „Tagesanzeiger“, „sind ganz begeistert.“ Im Netz kann man sich bereits eine Animation des Projekts anschauen. Das Video ist mit wuchtigen Beats unterlegt. Gebaut werden soll an einem verlassenen Flughafen in dem Feuchtgebiet, damit Häftlinge eingeflogen werden können. In dem Clip sind auch Szenen von Festnahmen zusammengeschnitten, bei denen die Beamten der Einwanderungsbehörde ICE landesweit zu Razzien ausrücken, ihre bevorzugten Ziele sind Latinos. Viele von ihnen werden behandelt wie Schwerverbrecher, auch wenn sie sich keinerlei Vergehens schuldig gemacht haben. Selbst bestimmte Motive von Tattoos genügen schon, um sich verdächtig zu machen. Mindestens 3000 Menschen sollen jeden Tag aufgegriffen werden – die grösste Ausweisungsaktion in der Geschichte der USA, direkt angeordnet vom obersten Chef, Donald Trump, der im Zusammenhang mit „illegal“ sich in den USA aufhaltenden Immigranten – wen wunderts noch – von „Tieren“ spricht, welche „das Blut des Landes vergiften“ würden.

Eigentlich wäre es ganz einfach: Die Menschen müssten nur herausfinden, was sie im tiefsten Grunde ihres Wesens eigentlich sind: Durch und durch friedfertige, genügsame, soziale und empathische Wesen – wie es uns jedes neu geborene Kind, immer und immer wieder, weltweit vier Mal pro Sekunde, unablässig aufs Neue zu beweisen versucht, auf die Erde geschickt von einem lieben Gott, von den Engeln oder von wem auch immer, in der trotz allem immer noch nicht aufgegebenen Hoffnung darauf, dass die Menschen endlich zur Vernunft kommen. Es wäre so einfach. Wir müssten nichts Neues erfinden, sondern bloss all den über Jahrhunderte auf unseren Seelen aufgetürmten Schutt beiseite räumen, um all die Behauptungen von „guten“ und „bösen“ Menschen, von „wertvollen“ und „wertlosen“, von „höherwertigen“ und „minderwertigen“ Lebewesen als das zu entlarven, was sie tatsächlich sind: reine Lügen im Interesse jener, die sich Macht und Privilegien auf Kosten anderer angeeignet haben und, um diese Macht und diese Privilegien nicht zu verlieren, vor keinem so noch schlimmen Verbrechen zurückschrecken, ja nicht einmal davor, die gesamte Menschheit in einen alles vernichtenden Weltkrieg zu stürzen, im irren Glauben daran, dass sie selber, geschützt in bombensicheren und mit all dem über Jahrhunderte von ihnen angehäuften Raubgut angefüllten Festungen, zu keinerlei Schaden kämen. Es wäre wirklich sehr einfach, dies alles zu verstehen. Aber gerade weil es so einfach wäre, haben die Mächtigen dieser Welt so grosse Angst davor, dass die Wahrheit bald schon ans Licht kommen könnte.

All die Verrücktheiten, die wir in immer schnellerem Tempo tagtäglich erleben, all die Drohungen, Schuldzuweisungen, künstlich aufgebauten Feindbilder, die ganze Angstmacherei, das ganze Kriegsgeheul, all das, was uns in die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte zurückzuwerfen versucht, all das ist nichts anderes als das hoffentlich letzte Aufbäumen einer Epoche in der Geschichte der Menschheit, die sich unweigerlich immer mehr ihrem Ende nähert. Es ist, wie der italienische Schriftsteller Antonio Gramsci so treffend sagte, die Zeit, „in der die alte Welt stirbt, während die neue noch darum kämpft, geboren zu werden – es ist die Zeit der Monster.“ Wenn alle, welche die Hoffnung auf den Beginn dieser neuen Zeit inzwischen aufgegeben haben, wieder zurückkehren und sich mit aller Leidenschaft am Aufbau dieser neuen Zeit beteiligen, dann ist es machbar, vielleicht viel einfacher und viel schneller, als wir uns das heute, in einer so verrückten Zeit, überhaupt vorzustellen vermögen. Doch die Kraft des Guten kann, wenn man daran glaubt, ebenso viel oder wohl noch viel mehr in Bewegung als die Kraft des Bösen. „Hoffnung“, so die deutsche Schriftstellerin Sybille Berg, „geben mir die Menschen, die Tiere und die Bäume und all die Dinge, die schön sind und zum Teil auch immer gut. Und die feste Überzeugung, dass die meisten Menschen Frieden wollen und ihre Ruhe, und dass die Kinder es gut haben und die Nachbarn auch. Vielleicht wird ja nicht alles schlimmer, sondern besser. Die Chancen sind gleich gross.“

(Ergänzung am 6. Juli 2025: Auch der argentinische Präsident Milei bedient sich der Methode der Entmenschlichung im Umgang mit seinen politischen Gegnern. Die unbequeme Journalistin Maria O’Donell bezeichnete er als „Äffin“ und alle, die mit seinen politischen Ideen nicht einverstanden seien, nannte er „dreckige Ratten“.)

21. Montagsgespräch vom 16. Juni 2025: Ist eine Welt ohne Geld vorstellbar?

Am Buchser Montagsgespräch vom 16. Juni stellte Eric Zaindl, Ökonom und Buchautor, seine Vision einer „Welt ohne Geld“ vor, die er auch in Buchform veröffentlicht hat. Durch seine intensiven Recherchen und beruflichen Erfahrungen – vom Sachbearbeiter bis zum Geschäftsführer in verschiedenen Unternehmen – sei er zur Erkenntnis gelangt, dass eine geldfreie Welt möglich wäre. Oder dann eine Welt mit einem gerechteren Geldsystem, als das heute der Fall sei.

Zaindl zitierte den US-amerikanischen Unternehmer Henry Ford: „Würde die Menschheit das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ In der Tat beruhe die Macht des herrschenden Geldsystems auf dem Nichtwissen der breiten Bevölkerung über die Mechanismen, die hinter der Geldschöpfung stecken. Über 90 Prozent der Gesamtmenge an Geld existiere gar nicht in physischer Form, sei reines Buchgeld, das auf der Basis von Krediten von Banken oder anderen Finanzinstitutionen geschaffen würde. Dabei ginge es oft um so gigantische Beträge, dass diese gar nie zurückbezahlt werden könnten, während kleinere, an KMU oder Privatpersonen verliehene Kredite stets samt Zins zurückzuerstatten seien. Gleichzeitig werde öffentlich der Anschein erweckt, als dass Geld Mangelware sei, was es im Alltag vieler Menschen auch tatsächlich sei, allerdings nicht für die geldschöpfenden Institutionen. Dieses Mangeldenken werde dann zur Ausrede genommen, zu wenig Geld für wichtige öffentliche Aufgaben zu haben, wie z.B. für die seit Jahrzehnten hinausgeschobene Lösung des Hungerproblems in sogenannten Entwicklungsländern. Viele der heutigen sozialen und wirtschaftlichen Probleme seien eine unmittelbare Folge dieses ungleichen Zugangs zu Geld. Es brauche daher grundlegend neue Ansätze, denn, wie auch Albert Einstein gesagt hätte: Probleme liessen sich nicht mit der gleichen Denkweise lösen, mit welcher sie entstanden seien.

Würden die Menschen überhaupt noch arbeiten, wenn der Anreiz, damit Geld zu verdienen, nicht mehr vorhanden wäre? Eine Diskussionsteilnehmerin wies darauf hin, dass der Mensch ein zutiefst soziales Wesen sei und nicht von Natur aus egoistisch und habgierig. Es würde wohl ein Füreinander und Miteinander entstehen, wenn das Gelddenken wegfallen und der Leistungsdruck, sprich das Müssen, durch ein Dürfen ersetzt würde. Ein Wirtschaftssystem ohne Geld, so Zaindl, würde zudem zu einem viel nachhaltigeren Umgang mit den vorhandenen Ressourcen führen, da das Ziel der Produktion dann nicht mehr in einer möglichst gewinnbringenden Vermarktung der Güter und damit verbundenem Überkonsum liegen würde, sondern in der Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse weltweit. Es brauche angesichts der immensen Herausforderungen unserer Zeit dringend neue Ideen, so ein Diskussionsteilnehmer, der in diesem Zusammenhang an ein bekanntes Zitat des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer erinnerte: „Ein neuer Gedanke wird zuerst verlacht, dann bekämpft, bis er nach längerer Zeit als selbstverständlich gilt.“

Macht den Platz in den Gefängnissen frei für die wahren Übeltäter unserer Zeit…

Weltweit macht man Jagd auf Taschendiebe, Obdachlose, Ausgehungerte, Flüchtlinge, die sich in purer Verzweiflung bloss einen winzigen Teil dessen, was ihnen und ihren Vorfahren über Jahrhunderte geraubt wurde, zurückzuholen versuchen. Alles ein gigantisches Ablenkungsmanöver. Holt sie alle raus aus den Gefängnissen! Damit endlich der Platz frei wird für die wahren Übeltäter unserer Zeit. Für Politiker, die aus purer Liebe zur Macht nicht einmal davor zurückschrecken, Zehntausende unschuldiger Kinder in den Tod zu schicken. Für all jene, die in diesen Tagen nichts Gescheiteres wissen, als einen nächsten grossen Krieg vorzubereiten, vernichtender, zerstörerischer, tödlicher denn alle anderen Kriege je zuvor. Für all jene Unsichtbaren und Namenlosen, die, von den steigenden Aktienkursen der Rüstungskonzerne profitierend, auf fernen Inseln aus dem Blut und den Seelen getöteter Kinder ihre Villen bauen, ausschweifendste Partys feiern und sich rund um die Uhr von den Leidensgenossinnen und Leidensgenossen all jener bedienen, verwöhnen und füttern lassen, die man an anderen Ecken der Welt in Minen tief unter der Erde, auf glühendheissen Baustellen, auf endlosen Plantagen und dicht an dicht eingesperrt in riesigen Fabrikhallen so hart, so lange und so erbarmungslos schuften lässt, bis sie eines viel zu frühen Todes sterben.

Mittagsnachrichten vom 25. Mai 2025 am Schweizer Radio SRF: Zwei Bilder suchen den Weg in die Köpfe der Menschen, das eine führt in den Krieg, das andere in den Frieden…

Hätte noch jemand die Illusion gehabt, wenigstens die offiziellen Schweizer Medien würden einigermassen objektiv und ausgewogen über das aktuelle Tagesgeschehen berichten, müsste sich diese Illusion spätestens heute, am 25. Mai 2025, in Nichts aufgelöst haben…

Denn das bekamen an diesem Tag die Hörerinnen und Hörer der Mittagsnachrichten auf Radio SRF zu hören:

Die Ukraine hat einen der grössten Angriffe seit Beginn des russischen Angriffskriegs hinter sich. Russland griff die Ukraine die zweite Nacht in Folge aus der Luft an. Der ukrainische Präsident Selenski spricht von Terror. Aus Kiew berichtet Peter Sowitzki von der ARD: „Wieder hat Russland die Ukraine massiv aus der Luft angegriffen. Die Attacken mit etwa 300 Drohnen sowie 70 Raketen und Marschflugkörpern forderten mindestens zwölf Todesopfer, über 60 Personen wurden verletzt. Unter den Toten sind mindestens drei Kinder. Im Zuge der Luftangriffe gab es ebenso Schäden an Gebäuden, darunter ein Studentenwohnheim in Kiew. Der ukrainische Präsident Selenski rief einmal mehr zu einem härteren Vorgehen gegen Russland auf. Ohne starken internationalen Druck, vor allem der USA und Europas, könne die russische Führung nicht gestoppt werden, schrieb Selenski in seinem Telegramkanal. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas zeigt sich erschüttert über die neuesten Angriffe und dass dabei auch Kinder gestorben seien. Dies zeige, dass Russland weiteres Leid und die Vernichtung der Ukraine anstrebe. Es brauche den stärksten internationalen Druck auf Russland, um den Krieg zu beenden.“

Und ausserdem noch das:

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben eine Rakete abgefangen, die aus dem Jemen abgefeuert worden war. Zuvor hatte es in mehreren Teilen Israels Luftalarm gegeben, etwa in Jerusalem. Seit Beginn des Gazakriegs feuern jemenitische Huthi-Rebellen immer wieder Raketen auf Israel. Die Rebellen bezeichnen dies als Solidaritätsbekundung für die Hamas im Gazastreifen. Zum neuesten Raketenbeschuss äussern sich die Huthis nicht. Die israelische Luftabwehr hat bisher die meisten Huthi-Raketen abgefangen oder sie im Meer versenkt, bevor sie Israel erreichten.

Mehr gab es weder zum Ukrainekonflikt noch zur Lage im Nahen Osten zu hören, noch zum übrigen Weltgeschehen.

Doch in dieser gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2025, da in der Ukraine zwölf Menschen durch russische Drohnenangriffe getötet wurden, verloren im Gazastreifen gemäss unterschiedlicher Schätzungen 300 bis 500 Menschen, davon mehrheitlich Frauen und Kinder, ihr Leben infolge der erneut intensivierten Bombardierungen durch die israelische Luftwaffe nach dem einseitigen und unbegründeten Abbruch der Waffenruhe durch die israelische Regierung vor wenigen Tagen, inmitten unabsehbarer Trümmerfelder, in denen kaum mehr ein Stein auf dem andern steht, selbst fast alle Spitäler dem Erdboden gleichgemacht wurden und Zehntausende von Kindern unter unvorstellbaren Schmerzen von unmittelbarem Hungertod bedroht sind. In der gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai geschah eine weitere unvorstellbare Tragödie: Es trafen rund 4000 Menschen, die aus der vom Krieg total verwüsteten sudanesischen Region Zamzam geflüchtet waren, nach einem mehrtägigen Gewaltmarsch in der Ortschaft Tawila ein, besser gesagt jene, welche die Flucht überlebt hatten und nicht auf dem Weg dorthin liegen geblieben waren, weil ihre Kraft nicht mehr ausgereicht hatte, um auch nur einen einzigen Schritt weiterzugehen – die in Tawila Angekommenen hatten tagelang weder etwas gegessen noch etwas getrunken, befanden sich zum allergrössten Teil in einem lebensgefährlichen Zustand von Dehydrierung und Erschöpfung, konnten sich teils nur noch auf dem Boden kriechend fortbewegen und es war ihnen nichts geblieben ausser den Kleidern an ihrem Leib, oft nicht einmal das. In der gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2025 wurden zudem, wie seit Monaten auch in allen anderen Nächten zuvor, erneut Dutzende von Flüchtlingen, darunter auch Frauen und Kinder, in Kleinbussen, eng aneinander gepfercht, von Tunesien aus an die Grenze zur libyschen Wüste gekarrt, dort angelangt durch bis an die Zähne bewaffnete Frontex-Sicherheitsleute aus den Bussen gerissen und in ein bitterkaltes und tiefdunkles Niemandsland hinausgeprügelt, aus welchem die wenigsten von ihnen jemals wieder lebendig zurückkehren würden – ein mit EU-Geldern in Millionenhöhe gesponsertes „Sicherheitsprogramm“, von dem die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei seiner Lancierung vor zwei Jahren geschwärmt hatte, dass es sich um eine ganz besonders „humane“ Massnahme handle, um Europa von einer zu grossen Anzahl von aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und afrikanischen Ländern Geflüchteten zu verschonen. Und in der gleichen Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2025 starben, zusätzlich zu den unzähligen Opfern in den derzeit rund 60 Kriegsgebieten von der Westsahara über den Ostkongo bis nach Myanmar, wie an jedem einzelnen auch aller anderen Tage, erneut weltweit rund 7’000 Kinder vor dem Erreichen ihres fünften Lebensjahrs unter unvorstellbaren Qualen, weil sie in ihrem ganzen bisherigen, viel zu kurzen Leben auch nicht einen einzigen Tag lang genug zu essen bekommen hatten.

Es versteht sich von selber, dass auch das Schweizer Radio SRF, selbst wenn es sich noch so viel Mühe gäbe, in einer etwa fünfminütigen Nachrichtensendung nicht annähernd über all das berichten könnte, was sich in den 24 Stunden zuvor weltweit an Verbrechen, kriegerischen Ereignissen, Todesopfern durch Armut, Hunger oder politischer Verfolgung ereignet hat, von der schleichend zunehmenden, die gesamte Zukunft der Menschheit bedrohenden Klimaerwärmung ganz zu schweigen. Doch gäbe es ja nebst den Mittagsnachrichten um 12.30 Uhr jede halbe Stunde von früh bis spät weitere Nachrichtensendungen, in denen man jeweils wieder andere Themenschwerpunkte setzen und andere wichtige Ereignisse stichwortartig ergänzen könnte. Auch wenn nicht sämtliche Radiohörerinnen und Radiohörer alle diese Sendungen lückenlos zu Ohr bekämen, ergäbe sich auf solche Weise dennoch insgesamt ein weitaus umfassenderes, objektiveres Bild des aktuellen Tagesgeschehens, als wenn die oben zitierte Berichterstattung, in der es ausschliesslich um die russischen Drohnenangriffe auf die Ukraine und die erfolgreiche Abwehr von jemenitischen Raketen durch Israel ging, zwanzig Mal in nahezu identischer Ausführung wiederholt wird. Man könnte zwar einwenden, unterschiedlichste Themen würden sehr wohl in der grossen Palette sämtlicher Radiosendegefässe berücksichtigt, jedoch haben die offiziellen Nachrichten zu jeder halben Stunde ein ganz besonderes Gewicht: Viele, die sich nur kurz über das Allerwichtigste informieren möchten und keine Zeit haben, stundenlang am Radio zu sitzen, machen sich aufgrund dieser äusserst knapp gehaltenen Informationen ihr Bild über das, was zur Zeit gerade an wirklich „Wichtigem“ und „Wesentlichem“ abläuft. Und das ist dann schliesslich auch das, was in den meisten Köpfen über längere Zeit hinweg hängenbleibt.

Das ist die erste Erkenntnis: Dass Nachrichtensendungen in dieser Kürze nur einen winzigsten Splitter der Gesamtrealität vermitteln können und es völlig willkürlich ist, welche dieser Splitter in den Vordergrund gestellt werden und welche nicht. Wäre es an diesem 25. Mai 2025 tatsächlich darum gegangen, jenen Ereignissen am meisten Raum zu gewähren, welche die allermeisten Todesopfer und die allermeisten Zerstörungen zur Folge gehabt hatten, dann hätte die Meldung über zwölf Todesopfer infolge russischer Drohnenangriffe auf die Ukraine selbst in einer Nachrichtensendung, die hundert Stunden gedauert hätte, ohne allen Zweifel keinen Platz finden können.

Die zweite Erkenntnis aber, und diese ist fast noch erschreckender, besteht darin, auf welche Weise, mit was für Worten, Absichten, emotionalen Beeinflussungsmitteln und versteckten Botschaften Nachrichtensendungen solcher Art ausgestaltet werden. Schauen wir uns den Wortlaut und seine jeweilige Wirkung am Beispiel der Schweizer Radio-Mittagsnachrichten vom 25. Mai 2025 im Einzelnen etwas genauer an…

Erstens: „Einen der grössten Angriffe“ ganz zu Beginn der Meldungen suggeriert, dass es hier um etwas geht, was alles Bisherige, aber auch alles andere, was weltweit gerade geschieht, bei Weitem übertrifft, sonst würde man es ja nicht gleich am Anfang der Sendung erwähnen. Zweitens: Dass in westlichen Medien im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine nie einfach nur von einem „Krieg“ die Rede ist, sondern stets von einem „russischen Angriffskrieg“, zeigt die heimliche, nicht offen deklarierte Absicht, jeglichen Gedanken daran, dass auch der Westen eine Mitschuld am Ausbruch dieses Kriegs tragen könnte, zum Vornherein gar nicht erst aufkommen zu lassen. Drittens: Der vom ukrainischen Präsidenten Selenski im Zusammenhang mit den russischen Drohnenangriffen stets ganz bewusst und gezielt verwendete Begriff des „Terrors“ wird hier offensichtlich ganz gezielt zitiert, gibt es doch nur wenige andere Wörter, welche so starke negative Emotionen auszulösen vermögen. Wenn aber der von russischen Drohnen verursachte Tod von zwölf Menschen als „Terror“ bezeichnet wird, mit welchem Wort müsste man dann die von der israelischen Luftwaffe verübten Bombardierungen des Gazastreifens bezeichnen, welche bis zur Stunde nahezu 100’000 Menschen, grösstenteils Frauen und Kindern, das Leben gekostet hat? Und müsste man minimalster Ausgewogenheit zuliebe nicht beispielsweise auch Aussagen wie jene des ehemaligen israelischen Parlamentsmitglieds Moshe Feiglin erwähnen, der am 20. Mai 2025 auf dem israelischen TV-Sender Channel 14 Folgendes zum Besten gab: „Jedes Kind, jedes Baby in Gaza ist unser Feind. Der Feind ist nicht die Hamas. Wir müssen Gaza erobern und kolonialisieren und kein einziges Kind aus Gaza dort lassen. Es gibt keinen anderen Sieg.“ Viertens: Weshalb wird fast der gesamte Nachrichtenblock zum Thema Ukraine auf dem Schweizer Radio ausgerechnet von einem ARD-Korrespondenten bestritten, obwohl man doch wissen müsste, dass Deutschland im gegenwärtigen Spannungsfeld zwischen der Ukraine und Russland die mit Abstand härteste und kompromissloseste Haltung aller westlichen Länder einnimmt und sämtliche deutsche Mainstreammedien mit dieser einseitigen, ausschliesslich auf eine militärische Lösung fixierten Haltung mehr oder weniger gleichgeschaltet sind. Werden also auch die Schweizer Medien zusehends zu kritikfreien Sprachrohren und Echokammern deutscher und weiterer europäischer Medien? Gehören so etwas wie schweizerische Eigenständigkeit, Sorgfalt und journalistische Seriosität bereits endgültig der Vergangenheit an? Fünftens: Dass unter den Toten „mindestens drei Kinder“ gewesen seien, soll wohl als besonders schreckliche und unmenschliche Folge des russischen „Terrors“ interpretiert werden. Keine Frage, dass jedes getötete Kind eines zu viel ist. Aber was ist dann mit all den anderen Abertausenden Kindern, die weltweit während des gleichen Zeitraums durch Hunger, Krieg, Zerstörung oder andere Formen von Gewalt ihr Leben verloren haben? Was ist mit jenem Vater und jener Mutter in einem bis auf den Erdboden zerbombten Dorf im Norden des Gazastreifens, die in der gleichen Nacht, als in der Ukraine drei Kinder durch einen russischen Drohnenangriff getötet wurden, neun von ihren zehn Kindern innerhalb einer einzigen Minute durch eine israelische Bombe verloren haben? Warum werden diese neun Kinder in keiner westlichen Nachrichtensendung jemals erwähnt? Ist ein palästinensisches Leben so viel weniger wert als ein ukrainisches oder schweizerisches?

Sechstens: Dass in der Ukraine auch ein „Studentenheim“ beschädigt wurde, ist gewiss höchst verwerflich, aber was ist mit den Dutzenden von Schulen, Bibliotheken, Lebensmittelgeschäften, Kulturzentren, Moscheen und Krankenhäusern im Gazastreifen, die nicht nur beschädigt, sondern sogar komplett zerstört wurden? Siebtens: Dass Selenski aus seiner Sicht ein „härteres Vorgehen gegen Russland“ und „mehr internationalen Druck“ fordert, kann man aus seiner Sicht ja verstehen, doch lassen fast sämtliche westliche Medien vergleichbare Forderungen gegenüber dem israelischen Kabinett von Benjamin Netanyahu, was zweifellos noch weit mehr auf der Hand liegen müsste, nahezu gänzlich vermissen. Achtens: Dass die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas an dieser Stelle zitiert wird, kann wohl ebenso wenig ein Zufall sein, gilt sie doch unter den europäischen Politikerinnen und Politikern im Zusammenhang mit dem Ukrainekonflikt als eine der vehementesten und aggressivsten Hardlinerinnen. Müsste man minimaler Objektivität zuliebe dann nicht etwa auch einen Politiker wie den SPD-Mann Rolf Mützenich zitieren, der unablässig und eindringlich davor warnt, den Ukrainekonflikt ausschliesslich mit militärischen Mitteln lösen zu wollen und damit im schlimmsten Fall die Gefahr eines dritten Weltkriegs heraufzubeschwören? Weshalb werden massiv kriegstreibende Aussagen wie jene von Selenski oder Kallas einfach so im Raum stehen gelassen, ohne dass auch nur ein einziges kritisches Wort in Form eines unabhängigen redaktionellen Kommentars dazu angebracht wird? Neuntens: Dass, wie Kallas behauptet, Russland die „Vernichtung der Ukraine“ anstrebe, ist eine glatte Lüge, für die es keinen einzigen vertrauenswürdigen Beweis gibt und die einfach so unbesehen über das Schweizer Radio weiterverbreitet wird. Was Russland tatsächlich fordert, ist einzig und allein, dass die Ukraine nicht ein Mitglied der NATO werden und dass die ukrainische Regierung von Mitgliedern jener rechtsextremen Kräften befreit werden soll, unter deren rassistischer Politik, Diskriminierung, Bevormundung und gewalttätigen Ausschreitungen die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine seit mehr als zehn Jahren massiv leiden musste. Auch für die in sämtlichen Mainstreammedien, wiederum vor allem in Deutschland, aber zunehmend auch in der Schweiz und anderen europäischen Ländern im Zuge einer immer stärker geschürten Kriegseuphorie verbreiteten Behauptung, das Ziel Russlands sei die Eroberung ganz Europas, gibt es keinen einzigen glaubwürdigen Beleg, sie dient einzig und allein der Angstmacherei und der daraus resultierenden Rechtfertigung für ein nie dagewesenes Mass an militärischer Aufrüstung, welche die von Russland für seine Armee aufgebrachten Finanzen um ein Vielfaches übertrifft. Wenn es ein Land gibt, dessen Ziel es ist, eine anderes Land vollkommen auszulöschen, dann ist dies zurzeit nicht Russland, sondern Israel, dessen Regierungspolitik ganz unverblümt und „offiziell“ die vollständige Vernichtung des Gazastreifens verfolgt, inklusive der Ermordung selbst aller eben dort zur Welt gekommener Babys.

Zehntens: Wer nun erwartet hätte, dass in den Mittagsnachrichten des Schweizer Radios nach der Verurteilung der russischen Kriegspolitik auch die israelische Kriegspolitik und der von dieser an palästinensischen Kindern, Frauen und Männern seit dem 7. Oktober 2023 begangene Völkermord angemessen verurteilt würde, sieht sich erst recht enttäuscht. In einer grandiosen, nur schon den geringsten Anflug von Objektivität und Realitätsbezug ausschliessenden Täter-Opfer-Umkehr wird Israels Bedrohung durch aus Jemen von Huthi-Rebellen abgefeuerte Raketen, die allesamt hätten abgefangen werden können und kein einziges Todesopfer unter der israelischen Zivilbevölkerung zur Folge gehabt hätten, offenbar als so wichtig eingestuft, dass über die unbeschreiblichen Leiden, die dem palästinensischen Volk derzeit durch eben dieses dieses Israel zugefügt werden, auch nicht ein einziges Wort verloren wird. Hingegen wird festgehalten, dass die Huthis sich zum „neuesten Raketenbeschuss“ nicht einmal „geäussert haben“ – als hätte sich der israelische Ministerpräsident Netanyahu, der noch vor wenigen Tagen vom neuen deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz in allen Ehren empfangen wurde, jemals zur Vernichtung von bald 100’000 Menschen im Gazastreifen auch nur mit einem einzigen Wort geäussert, oder wenn, dann höchstens in der Weise, dass es sich dabei um ein „legitimes Recht“ seines Landes handle, sich gegen Angriffe von aussen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr zu setzen…

Zusammenfassend kann man wohl ohne jegliche Übertreibung zum Schluss gelangen, dass die Schweizer Radiozuhörerschaft am 25. Mai 2025 ebenso gut Nachrichten eines ukrainischen oder israelischen Propagandasenders hätte hören können und in etwa ziemlich genau in der gleichen Art und Weise „informiert“ worden wäre wie durch das angeblich so objektive und „wahrheitsgetreue“ Nachrichtenmedium eines scheinbar neutralen Staates wie der Schweiz. In Tat und Wahrheit ist das, was unsere scheinbar „objektiven“ Mainstreammedien betreiben, fast noch schlimmer als jede in Diktaturen verbreitete einseitige und tendenziöse Staatspropaganda. Denn während sich in Diktaturen lebende, kritisch denkende Menschen wenigstens bewusst sind, dass sie den offiziellen Berichterstattungen ihrer staatlichen Medien nicht über den Weg trauen dürfen, wiegt sich in den westlichen „Demokratien“ die Mehrheit der Bevölkerung immer noch in der Illusion, durch die eigenen Medien umfassend und wahrheitsgetreu informiert zu werden. Insbesondere Menschen mit persönlichen Kontakten und Begegnungen zu den in unseren Medien zu Inbegriffen des Bösen hochstilisierten Feindbildern weisen immer wieder eindringlich auf die Gefährlichkeit solcher extremen Schwarzweissmalerei hin, so etwa Yves Rossier, langjähriger Schweizer Botschafter in Moskau: „Wir dürfen nicht alles glauben, was uns im Westen erzählt wird.“

Dieses hier propagierte und völlig tendenziös gemalte Bild, wonach es beim grossen aktuellen Weltgeschehen vor allem um einen „Kampf“ zwischen dem vermeintlich „Guten“ und dem vermeintlich „Bösen“ handelt, beherrscht derzeit auf erschreckende Weise nahezu die gesamten europäischen Mainstreammedien. Das „Gute“ in dieser Weltsicht verkörpern dabei selbstverständlich die sogenannten westlichen „Demokratien“, welche angeblich die einzigen wirklichen Garanten für Freiheit und Menschenrechte seien, beim „Bösen“ dagegen handelt es sich um Diktaturen wie Russland oder China bzw. Autokraten wie Putin, welche diesem „Guten“ mit allen Mitteln den Garaus zu machen versuchten. Ganz so, wie es US-Präsident Joe Biden im März 2022 mit folgenden Worten unmissverständlich zum Ausdruck brachte: „Es geht um die grosse Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer, die von brutaler Gewalt bestimmt ist. Wir müssen dabei klar sehen: Diese Schlacht wird nicht in Tagen geschlagen werden oder in Monaten. Wir müssen uns für einen langen Kampf stählen.“

Doch in Tat und Wahrheit ist das nichts anderes als ein riesiges, künstlich aufgeblasenes Lügengebäude, das jeglichen Realitätsbezug verloren hat, denn diese sogenannten westlichen „Demokratien“ sind schon längst nicht mehr oder waren es wahrscheinlich noch gar nie echte Demokratien im ursprünglichen Sinne der Bedeutung von „Volksherrschaft“. „Demokratie“, so Jean-Jacques Rousseau, „existiert erst dort, wo niemand so reich ist, dass er den anderen kaufen kann, und niemand so arm, dass er sich verkaufen muss.“ Echte Demokratie als „Volksherrschaft“ setzt soziale Gerechtigkeit voraus. Wenn diese nicht vorhanden ist, dann verkommt die vermeintliche „Demokratie“ zur puren Diktatur der Reichen gegen die Armen, der Mächtigen gegen die Machtlosen, der Besitzenden gegen die Besitzlosen, der Ausbeuter gegen die Ausgebeuteten, der sogenannt „Gebildeten“ gegen die sogenannt „Ungebildeten“, der Einheimischen, Ansässigen und Besitzstandwahrenden gegen „Eindringlinge“, „Auswärtige“ und „Fremde“, derer, die über Krieg oder Frieden entscheiden, gegen jene, die aufs Schlachtfeld geschickt werden, um dort für die Interessen anderer ihr Leben zu lassen. Und da diese Ungleichheiten, Abhängigkeiten, Ausbeutungsverhältnisse und der damit verbundene Machtmissbrauch mit der fortschreitenden „Perfektionierung“ des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems immer drastischer werden, die Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Demokratie immer deutlicher zutage tritt und einer stetig wachsenden Zahl der Zukurzgekommenen die Augen für alle diese Zusammenhänge immer mehr aufzugehen drohen, müssen die oben an der Spitze, um einen auch für sie selber sich katastrophal auswirkenden Zusammenbruch des gesamten Systems zu verhindern oder mindestens so lange wie möglich hinauszuschieben, alles daran setzen, den schon längst rein irrational gewordenen Kampf des „Guten“ gegen das „Böse“ bis zum bitteren Ende aufrechtzuerhalten. Und das geht eben nur, wenn alle eigenen Fehler, Missstände, Versäumnisse und Verbrechen auf einen künstlich konstruierten äusseren Feind projiziert werden, als den sich nun gerade Russland mit Putin an der Spitze optimal anbietet, anknüpfend an die bereits während des Kalten Kriegs über Jahrzehnte bediente und stets neu geschürte Definition von Russland bzw. der Sowjetunion als „Reich des Bösen“, obwohl durch Kriege, die seit 1945 von den USA und ihren Verbündeten angezettelt wurden, insgesamt weitaus mehr Menschen ums Leben gekommen sind als durch Kriege, welche von der Sowjetunion bzw. von Russland ausgelöst wurden. „Putin“, so der US-Journalist und Pulitzer-Preisträger Chris Hedges, „hat noch einen langen Weg vor sich, bevor er das Ausmass an Kriegsverbrechen erreicht, die wir in Ländern wie dem Irak, Syrien, Libyen und Afghanistan begangen haben.“

Dieses weitgehend auf Lügen aufgebaute Bild des „guten“ Westens, der sich gerade zur letzten entscheidenden Schlacht gegen alle seine „bösen“ Widersacher auf den Weg macht, kann allerdings nur aufrechterhalten werden, solange möglichst viel Druck auf das Volk ausgeübt wird, möglichst „einheitlich“ und „obrigkeitsgläubig“ zu denken. Zuwiderlaufende Meinungsäusserungen sind nicht erwünscht und werden systematisch unterdrückt, so wie wir es zurzeit vor allem in Deutschland immer drastischer erleben, wo kritische Stimmen in den Medien kaum mehr zu hören sind und sogar schon erste Berufsverbote gegen Andersdenkende verhängt wurden. „Je näher ein Land seinem Untergang kommt“, hatte schon der römische Staatsmann Cicero vor über 2000 Jahren erkannt, „desto verrückter werden seine Gesetze.“ George Orwell schrieb: „Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.“ Und der deutsche Autor Thomas Pfitzer schrieb schon vor vielen Jahren: „Der Aufbau von Feindbildern ist die wirksamste Methode zur Manipulation der Massen.“ Der Glauben, nicht das Wissen und die Suche nach der Wahrheit werden dergestalt zur obersten Staatsmaxime: „Wenn du die Wahrheit suchst“, so Julian Assange, „geh los und suche sie. Genau davor haben sie Angst.“ Sie bauen lieber unter dem Deckmantel der Staatsgewalt Lügen auf, um die Wahrheit in Schach zu halten, wie auch der frühere US-Präsident Thomas Jefferson es beschrieb: „Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit kann von alleine aufrecht stehen.“ Das ganze System, so brachte es auch Edward Snowden auf genau den selben Punkt, beruhe auf der „Idee, dass man der Mehrheit alles einreden kann, solange man es nur genug laut und oft wiederholt.“ Es sei „leichter, eine Lüge zu glauben“, so auch der frühere US-Präsident Abraham Lincoln, „die man tausendmal hört, als die Wahrheit, die man nur ein einziges Mal hört.“ Auf diese Weise wird, wie Franz Kafka es sagte, „die Lüge zur Weltordnung gemacht“. Und auch Albert Einstein schien geradezu prophetisch vorauszusehen, wohin sich das sogenannt „aufgeklärte“ Europa zurzeit geradezu in schwindelerregendem Tempo bewegt: „Die Minderheit der jeweils Herrschenden hat vor allem die Schulen, die Presse und meistens auch die religiösen Organisationen in ihrer Hand. Durch diese Mittel beherrscht und leitet sie die Gefühle der grossen Masse und macht diese zu ihrem willenlosen Werkzeug.“ Das beschreibt auch Hanna Arendt mit ganz ähnlichen Worten: „Und ein solches Volk, das sich seiner Macht, zu denken und zu urteilen, beraubt sieht, ist auch, ohne zu wissen und zu wollen, dem Gesetz der Lüge vollständig unterworfen. Mit einem solchen Volk kann man dann machen, was man will.“

Doch es gibt Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Denn es gibt neben diesem einen, alles verzerrenden und weitgehend auf Lügen aufgebauten Bild eines „Endzeitkampfes“ zwischen dem „guten“ Westen und seinen „bösen“ Widersachern gleichzeitig ein zweites Bild, das diesem geradezu diametral gegenübersteht und es zutiefst widerlegt. Dieses zweite Bild ist das Bild eines über Jahrhunderte währenden, unbeschreiblichen Leidens, mit dem die sogenannte „Neuzeit“ ums Jahr 1500 eingeläutet wurde, der Anfang des Paradieses für einige wenige und der Hölle für alle anderen, angefangen mit der Auslöschung eines grossen Teils der amerikanischen Urbevölkerung und der Versklavung fast aller Überlebender durch die europäischen Kolonialherren, um dann stets in die gleiche Richtung weiterzugehen: Zweitens mit der gewaltsamen Deportation von über 15 Millionen Kindern, Frauen und Männer von Afrika nach Amerika und deren Versklavung zwecks Anhäufung der für das nunmehr explosionsartig weltweit sich ausbreitende kapitalistische Ausbeutungssystem notwendigen Finanz- und Machtmittel. Drittens mit der Ausplünderung und Beraubung des gesamten afrikanischen Kontinents und der meisten anderen Länder und Regionen des globalen Südens zwecks Schaffung eines nie dagewesenen Reichtums für die oberen und obersten Gesellschaftsschichten in den immer reicher werdenden Ländern des Nordens. Viertens mit dem Auftürmen immer grösserer Waffenarsenale in den Händen der Mächtigen zur Absicherung all des mit Gewalt angeeigneten Raubgutes, Hand in Hand mit dem Aufbauen immer höherer Mauern und immer schärferer Gesetze, um die über Jahrhunderte Beraubten mit allen Mitteln davon abzuhalten, sich wenigstens einen winzigen Teil des ihnen Geraubten wieder zurückzuholen. Fünftens mit der unerbittlich bis heute weltweit anhaltenden Instrumentalisierung, Unterjochung und Versklavung von Frauen durch Männer und der von klein auf systematisch anerzogener „Normalisierung“ patriarchalen Machtdenkens bis in die innersten Gehirnzellen nicht nur bei den Tätern, sondern auch bei den allermeisten ihrer Opfer. Fünftens mit brutalsten Feldzügen, vergleichbar der Vernichtung durch Bomben und Raketen, gegen die Schwächsten der Schwachen, die Kinder und Jugendlichen, schon von frühestem Alter an, in Form von Erniedrigung, Demütigung und Bevormundung, seelischer und körperlicher Gewalt, sexueller Ausbeutung, Obdachlosigkeit und dem Zwang zu viel zu langer und schwerer Arbeit für ihre zerbrechlichen, gerade erst zum Leben erwachten Körper. Sechstens mit der Auspressung von Arbeitskraft bis zu totaler Erschöpfung und viel zu frühem Tod aus all jenen Abermillionen Namenloser, die nichts anderes besitzen als ihren eigenen Körper, auf glühendheissen, endlosen Plantagen vom Morgengrauen bis in die tiefe Nacht, in Bergwerken tief unter der Erde, voller tödlicher Gefahren, wo schon jeder einzelne Atemzug wie ein Feuer durch den ganzen Körper brennt, in Fleischfabriken, Textilfabriken, Spielzeugfabriken, Chipfabriken, Seite an Seite aneinandergepfercht wie Häftlinge in den schlimmsten Gefängnissen, unter der ständigen Kontrolle und Überwachung durch den Vorgesetzten, der nur darauf wartet, bis es die Arbeiterin an der Nähmaschine oder am Fliessband auch mit dem besten Willen nicht mehr schafft, gegen so viel Müdigkeit ihre Augen offenzuhalten, um mit aller Kraft auf sie einzuprügeln und sich auf diese Weise zusätzliche Bonuspunkte und eine mögliche spätere Gehaltserhöhung von seinem eigenen Vorgesetzten zu ergattern und so seinen Beitrag dafür zu leisten, dass an den anderen Enden der weltweiten Ausbeutungsketten immer mehr Menschen dank der aus den Arbeiterinnen und Arbeitern weltweit herausgepressten Profite selber nicht einmal mehr einen minimalsten Anteil an produktiver Arbeit übernehmen müssen und dennoch in den schönsten Villen an den schönsten Plätzen der Welt, rund um die Uhr bedient von weiteren Dutzenden bis zum Äussersten Ausgepresster, für sich und ihre Kinder ein paradiesisches Leben in Anspruch nehmen, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres. Mit einem Bildungssystem, das den Kindern schon von klein auf ihr natürliches, schöpferisches und selbstbestimmtes Lernen austreibt, wie wenn man Blumen oder Bäumen, die gerade erst zu wachsen angefangen haben, ihre Wurzeln ausreissen würde, und dieses freie und natürliche Lernen durch eine Art von Kastenordnung ersetzt hat, in der es bloss noch darum geht, sich unter Aufbietung aller Selbstverleugnung von Stufe zu Stufe hochzuhangeln, um mit wachsender „Bildung“ wachsende Macht zu gewinnen, also eigentlich das pure Gegenteil dessen, was wahrhaftige Bildung im Sinne von Wissen, Aufklärung, Emanzipation, Selbstbestimmung und Befreiung aus jeglicher Art von Bevormundung und Fremdbestimmung eigentlich sein müsste. Mit einem beschönigend als „freie Marktwirtschaft“ bezeichnenden Wirtschaftssystem, in dem jegliche „Freiheit“ bloss in der beinahe unbegrenzten Freiheit der Reichen und Mächtigen besteht, die Armen und Machtlosen möglichst umfassend auszubeuten und auf ihre Kosten ein gutes Leben zu haben, und der „Markt“ – im Gegensatz zur ursprünglichen Idee eines gegenseitigen Warentauschs zu möglichst fairen Bedingungen – bloss noch darin besteht, alle Güter nicht etwa dorthin zu schaffen, wo sie am dringendsten gebraucht würden, sondern dorthin, wo sich mit ihrem Verkauf am meisten Geld verdienen lässt, sodass sich in einer Welt, wo sich auf der einen Seite eine Milliarde Menschen jeden Abend hungrig schlafen legen, auf der anderen Seite Lebensmittel in nie dagewesener Fülle anhäufen, dass man sich dort sogar den Luxus leisten kann, einen Drittel davon ungebraucht fortzuwerfen. Mit einem geradezu wahnwitzigen Glauben daran, alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme liessen sich früher oder später mit rein technischen Mitteln lösen, obwohl schon längst bekannt ist, dass jede rein technische „Problemlösung“ ohne grundlegende Veränderungen traditioneller Denkweisen bloss Ursachen für weitere, noch grössere Probleme sind, welche dann wiederum mit einem noch grösseren Aufwand an Technik und Ressourcenverschleiss bekämpft werden müssen. Mit der alles überragenden und kaum je in Frage gestellten Grundüberzeugung, wonach dem Menschen als „höchstem“ Wesen der Schöpfung ganz selbstverständlich das Recht zukäme, sich den Rest dieser Schöpfung untertan zu machen, innerhalb jeder einzelnen Minute weltweit mehr als 1300 Tiere zu ermorden, obwohl er sich problemlos vegetarisch ernähren könnte, und die Hauptverantwortung dafür zu tragen, dass jeden Tag 150 Tier- und Pflanzenarten für immer aussterben, und er also drauf und dran ist, diese wunderbare Schöpfung, deren „höchstes“ Wesen er angeblich sein soll, nach und nach auszulöschen. Und nicht zuletzt mit dem irrwitzigen Glauben an die Notwendigkeit eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums, welches früher oder später zu einem endgültigen Verschwinden sämtlicher natürlicher Ressourcen und – Hand in Hand mit der zunehmenden Klimaerwärmung – gar zur Zerstörung der Lebensgrundlagen sämtlicher zukünftiger Generationen führen muss.

Die Zukunft der Menschheit, so krass muss man es wohl sagen, hängt aller Voraussicht nach höchstwahrscheinlich tatsächlich davon ab, welches dieser beiden Bilder sich stärker in den Köpfen der Menschen durchzusetzen vermag. Dasjenige eines „Endzeitkampfes“ zwischen dem vermeintlich „guten“ Westen und den vermeintlich „bösen“ Autokraten, welche diesen zu zerstören trachten, oder dasjenige einer umfassenden Aufklärung über sämtliche historische und ideologische Zusammenhänge und Hintergründe als Instrument, um aus der Vergangenheit zu lernen und daraus all jene notwendigen Einsichten zu schöpfen, die dazu verhelfen könnten, eine friedlichere und gerechtere Welt aufzubauen, die nicht mehr auf Machtverhältnissen, gegenseitiger Ausbeutung, Profitsucht, Wachstumswahnsinn und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen beruht, sondern auf der gegenseitigen Rücksichtnahme und dem Mitgefühl sowohl von Mensch zu Mensch wie auch innerhalb der gesamten Schöpfung. Führt das erste Bild, aufgebaut auf Hass, Gewalt, Machtansprüchen und Feindbildern, in letzter Konsequenz zum Krieg und zu einer möglichen Auslöschung der gesamten Menschheit, so führt das zweite Bild im Gegensatz dazu durch tiefere Erkenntnisse und ein höheres geistiges Bewusstsein, zu Ende gedacht, zu einem umfassenden und dauerhaften Frieden, den man wohl ohne Übertreibung als die Verwirklichung der schon so unendlich lange ersehnten Vision einer Verwirklichung des Paradieses auf auf der Erde bezeichnen kann. Damit dies aber geschieht, „müssen sich jene, die den Frieden lieben“, so der US-amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, „ebenso wirkungsvoll organisieren wie jene, die den Krieg lieben.“ Auch im „Brief an einen Studenten am 14. Juli 1941“ von Albert Einstein lesen wir : „Gegen organisierte Macht gibt es nur organisierte Gegenmacht; ich sehe kein anderes Mittel, so sehr ich es auch bedauere.“ Dies aber heisst auch, dass sich niemand dieser Verantwortung entziehen kann, denn, so der frühere UN-Generalsekretär Kofi Anan: „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit.“

Vieles – auch wenn es momentan noch nicht den Anschein macht – spricht dafür, dass sich das zweite Bild, das Bild des Friedens, nach und nach stärker durchsetzen wird. Denn die Wahrheit ist, wie der deutsche Schriftsteller Frank Thiess schreibt, „eine unzerstörbare Pflanze. Man kann sie ruhig unter einem Felsen begraben, sie stösst sich trotzdem durch, wenn es an der Zeit ist.“ Dass diese Zeit tatsächlich gekommen zu sein scheint, wird mir seit Monaten fast täglich immer deutlicher bewusst, im Gespräch mit so vielen wunderbaren Menschen, die ebenfalls dieses tiefe Gefühl verspüren, dass zurzeit tiefgehende Veränderungen, die wir wohl vorerst nur leise zu ahnen vermögen, im Gange sind. Immer mehr Menschen erzählen auch von Engeln und von täglichen Begegnungen und Erfahrungen, die kaum zufällig sein können und die man sich kaum rein rational zu erklären vermag. Auch ich mache fast täglich solche Erfahrungen, begegne Menschen, die mich auf wundersame Weise wiederum zu anderen Menschen geleiten, welche mich genau an dem Punkt weiterbringen, wo ich gerade stecken geblieben war, sei es in der Begleitung von Flüchtlingen oder von anderen Menschen am Rande unserer vermeintlichen „Wohlstandsgesellschaft“, in denen ich immer wieder aufs Neue so viel Tiefe und Reichtum entdecke, dass mir, um das alles zu beschreiben, oft richtiggehend die Worte dafür fehlen. Bisherige Oberflächlichkeiten lösen sich auf einmal auf und ich habe mit Menschen, die ich früher kaum kannte und mit denen ich kaum viel mehr als einen „Guten Morgen!“ oder „Viel Spass!“ austauschte, auf einmal stundenlange Gespräche bis tief in die Nacht. Als würde jede Tür, die sich öffnet, ganz von selber den Zugang zu vielen weiteren Türen öffnen.

Ich bin zuversichtlich. Ich glaube daran, dass eine neue Zeit im Anflug ist. Die Zeit der Engel. Doch auch wenn sie in stetig noch so wachsender Zahl herumschwirren, werden sie es alleine nicht schaffen. Sie brauchen, um ihr Werk zu vollbringen, uns Menschen. Sie oben und wir unten, nur gemeinsam können wir es schaffen.

Eine neue Zeit kommt. Aber sie kommt nicht von selber. Damit sie kommen kann, braucht es unsere Hände, unsere Phantasie, unsere ganz banalen täglichen guten Taten, unsere Aufmerksamkeit, unser Mitgefühl, unsere Lebensfreude, unseren Optimismus, unsere Begeisterungsfähigkeit, unseren Idealismus, unsere Anteilnahme am Leiden anderer, unsere Opferbereitschaft und den Verzicht auf Privilegien, die nicht erarbeitet, sondern uns bloss zuteil wurden, weil wir zur „richtigen“ Zeit am „richtigen“ Ort geboren wurden, das gegenseitige Mutmachen und unsere deutlichen, unüberhörbaren Stimmen gegen alle Formen von Machtmissbrauch, Ausbeutung und Bevormundung. „Scheut euch nicht, eure Stimme für Ehrlichkeit und Wahrheit und Mitgefühl gegen Ungerechtigkeit und Lüge und Gier zu erheben“, schrieb der US-amerikanische Schriftsteller William Faulkner, „wenn die Menschen auf der ganzen Welt dies täten, würde das die Erde tiefgreifend verändern.“

Doch an allererster Stelle braucht es unsere Liebe, das höchste aller Güter, die wirkungsvollste Kraft für gesellschaftliche Veränderungen zum Guten. Und dann, da bin ich mir fast ganz sicher, wird sich tatsächlich, auch wenn heute noch so viele Menschen daran zweifeln mögen, in den Köpfen und in den Herzen der Menschen immer stärker das zweite Bild, das Bild des Friedens, gegenüber dem ersten Bild, dem Bild des Kriegs, durchzusetzen vermögen. Ganz einfach deshalb, weil im tiefsten Inneren aller Menschen nicht das Böse liegt, sondern das Gute. „Das Böse“, sagte Hanna Arendt, „ist immer nur extrem, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe. Es kann die ganze Welt verwüsten wie ein Pilz, der an der Oberfläche wuchert. Tief aber und radikal ist immer nur das Gute.“

Von der guten alten Glühbirne zur modernen Hightech-Lampenwelt: Manchmal so etwas wie Nostalgie…

Als wir vor etwa zwölf Jahren in unserem Haus eine neue Küche einbauen liessen, hatten wir uns für einen passenden Kochherd, Backofen und Kühlschrank ziemlich rasch entscheiden können. Weitaus am meisten Zeit aber brauchten wir für die Auswahl der Deckenbeleuchtung, da uns hierfür fast unendlich viele unterschiedliche Varianten angeboten wurden: Ein grosser Beleuchtungskörper in der Mitte der Decke, kompakt oder mit Spots, die nach verschiedenen Seiten ausgerichtet werden konnten, mindestens zwei Dutzend unterschiedlich geformte, kugel- oder ringförmige Lämpchen, ein traditioneller, nüchterner Neonleuchtkörper oder extrem futuristische, winzige Leuchtstäbe mit wechselndem Licht, etwa 20 verschieden stark und in verschiedenen Tönen leuchtende Glühbirnchen, und das ganze Dekor erst noch in etwa 50 verschiedenen Farbtönen, dazu verschiedenste Arten von Steuerung der Lichtquellen, manuell, automatisch oder sogar ferngesteuert oder nach einem bestimmten, einmal pro Woche eingegebenen Plan. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Schliesslich entschieden wir uns für eine relativ einfache Variante: Zwölf über die ganze Küchendecke verteilte und in sie eingelassene runde Fassungen, die dazu passenden LED-Lämpchen von mittelstarker Leuchtkraft mit einem warmen, gelblichen Licht. Billig war es zwar nicht gerade, aber der Küchenfachmann versicherte uns, dass diese Leuchtkörper der allerneuesten Generation extrem umweltfreundlich seien, fast ewig lange halten würden und wir vermutlich eher die gesamte Küche erneuern müssten, bevor auch nur eines dieser teuren Lämpchen zu ersetzen wäre.

Er hatte fast Recht gehabt. Aber doch nur fast. Denn vor etwa drei Wochen hat nun doch eines dieser winzigen Birnchen seinen Geist aufgegeben. Die Frau im Elektrofachgeschäft beäugte das kaputte Ding ziemlich verzweifelt, wusste sie doch nur zu gut, dass es Birnchen solcher Art zu Dutzenden gibt, die sich nur durch kleine Details voneinander unterscheiden. Nur schon der Abstand zwischen den beiden Stäbchen, mit denen das Birnchen in die Steckdose eingeführt wird, dann auch die Form, die Länge, die Dicke und – vor allem – die Leuchtkraft. Diese hätte man zwar eigentlich von einer kleinen, am unteren Ende des Birnchens angebrachten Aufschrift ablesen können, diese war aber so klein, dass sie nicht einmal mit einer Lupe gelesen werden konnte. Die Frau suchte nun die an einer Wand hinter dem Verkaufstisch an kleinen Haken aufgehängten schätzungsweise 50 verschiedenen Birnchen der Reihe nach ab, fand aber kein einziges, das genau gleich aussah wie das kaputte. Sie müsse es wohl bestellen, meinte sie. In Ermangelung einer Bestellnummer beschrieb sie bei der via Internet vorgenommenen Bestellung in einem Kästchen mit der Überschrift „Bemerkungen“ das Lämpchen mit sämtlichen Details möglichst genau, fotografierte es sogar zusätzlich noch und fügte das Foto der Bestellung bei.

Zwei Tage später traf das Birnchen ein. Doch schon beim Auspacken bedurfte es keines besonders scharfen Blickes, um zu erkennen, dass es sich hier unmöglich um das gewünschte Produkt handeln konnte. Das Birnchen war mindestens doppelt so dick und auch um einiges länger und würde daher keinesfalls in die vorhandene Fassung hineinpassen, auch wenn der Abstand zwischen den beiden Kontaktstäbchen gepasst hätte.

Wieder zwei Tage später konnte ich im Elektrofachgeschäft ein neu bestelltes Birnchen abholen, das dem alten tatsächlich zu gleichen schien. Als ich es jedoch in die Fassung gesteckt und eingeschaltet hatte, warf das neue Birnchen ein dermassen starkes und grelles Licht von sich, dass ich für einen kurzen Moment geradezu geblendet war. Von der stimmungsvollen, gedämpften, gemütlichen Wärme, von welcher der Küchenfachmann vor zwölf Jahren so begeistert geschwärmt hatte, war nichts übrig geblieben.

Als ich erneut im Elektrofachgeschäft auftauchte, kümmerten sich dieses Mal zusätzlich zu der Frau vom letzten Mal zwei weitere Angestellte um mein Anliegen. Nachdem alle drei das Birnchen während längerer Zeit wortlos angestarrt hatten, sagte der eine von ihnen, es sei gar nicht so einfach. Sie gaben aber nicht auf. Weder im Internet noch in einem dicken Katalog mit gewiss mehr als 500 Seiten konnten sie jedoch eine weniger leuchtkräftige Variante des Birnchens finden. Es tue ihnen Leid, es gäbe halt immer wieder Produkte, die aus dem Sortiment entfernt würden, wenn die Nachfrage über längere Zeit zu gering sei. Und da fast täglich neue Produkte auf den Markt kämen, sei es unmöglich, alle bereits früher hergestellten immer wieder nachzuliefern, aus Kapazitätsgründen, aus Kostengründen und rein auch aus Platzgründen.

Auf dem Nachhauseweg erinnerte ich mich, wie der Küchenfachmann damals vom technischen Fortschritt begeistert gewesen war. Die alten und die neuen Birnchen seien, ökologisch betrachtet, nicht im Entferntesten miteinander zu vergleichen, es lägen Welten dazwischen, und dabei sei man noch nicht einmal am Ende einer Entwicklung angelangt, die in immer schnellerem Tempo erfolge. Doch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dies alles so viel umweltfreundlicher ist, wenn jetzt wohl Zehntausende unterschiedlicher Leuchtkörper produziert werden müssen, von denen jedoch Abertausende auf den Regalen von Elektrofachgeschäften oder Verteilzentren früher oder später liegen bleiben, gar nie gebraucht werden und mit grossem Aufwand wieder entsorgt werden müssen, während gleichzeitig schon wieder, erneut mittels gewaltiger Mengen an Zeit, Ressourcen und Energie, neue Produkte entwickelt werden, die dann – mithilfe der erforderlichen Werbeanstrengungen in Form aufwendig gestalteter Internetauftritte oder fünfhundertseitiger Kataloge – gegenseitig um die Gunst der Kundinnen und Kunden buhlen müssen, von denen dann einige, wie ich gerade, entweder stundenlang im Internet herumirren oder aber zwei oder drei Mal hintereinander das nächste Elektrofachgeschäft aufsuchen müssen, um am Ende doch nicht das Gewünschte zu bekommen, was ja alles stets mit einem riesigen Aufwand an Energie und den damit verbundenen schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden ist, was aber vollkommen ausgeklammert und verschwiegen wird, wenn dir dann am Ende auf der Packung ein grünes Gesichtlein entgegenlacht, das dir vorgaukelt, du hättest jetzt gerade einen riesigen Beitrag gegen den drohenden Klimawandel und für die Rettung unseres Planeten geleistet. Ganz abgesehen davon, dass heute wohl jede einigermassen „moderne“ Küche im Vergleich zu einer Küche des 20. Jahrhunderts von einer unvergleichlich viel höheren Anzahl von Lampen und Lämpchen erhellt wird, von denen zwar jedes einzelne zweifellos viel weniger Energie verbraucht als seine Vorgänger, in der Summe dann aber möglicherweise dennoch ein weit höherer Energieverbrauch anfällt, vor allem auch unter Einbezug des hierfür erforderlichen zeitlichen und materiellen Aufwands zur Gestaltung der Decke, der Installation der zahlreichen Fassungen und dem Verlegen der Drähte und Bereitstellen der notwendigen Anschlüsse.

Jetzt leuchtet dieses eine neue Birnchen in unserer Küche so unverschämt hell, dass die anderen elf eigentlich überflüssig geworden sind. Die angenehme, gedämpfte Stimmung in unserer Küche über beinahe zwölf Jahre hinweg ist nun wohl für immer dahin. Und höchstwahrscheinlich wird das ja nicht das letzte Birnchen gewesen sein, das im Verlaufe der nächsten zwei, drei Jahre zu ersetzen sein wird. Das ist zwar alles nicht so schlimm und, wie man so schön sagt, Jammern auf hohem Niveau. Und dennoch sehne ich mich gerade ein bisschen nach der guten alten Zeit zurück, als in jedem Zimmer des Hauses in der Mitte der Decke eine einfache Lampe hing, in die überall die genau gleiche Glühbirne hineinpasste, die man überall kaufen konnte und die stets auf Lager war, ohne dass man sich stunden- und tagelang mit euphorischen Lampenverkäufern, 500seitigen Katalogen, mehreren Dutzend Webseiten und verzweifelten und frustrierten Angestellten im Elektrofachgeschäft herumschlagen musste…

Daran, dass weltweit über 700 Millionen Menschen weder supermoderne LED-Leuchten haben noch eine einzige nackte Glühbirne, sondern überhaupt keinen Zugang zu jeglicher Stromversorgung, wage ich schon gar nicht zu denken…

„Lebenszeit“ und „Bildschirmzeit“: Weshalb die Sichtweise, wonach die sozialen Medien an allem Schuld seien, der falsche Ansatz ist…

Eine ganze Generation verliere ihre Zuversicht, lese ich im „Tagesanzeiger“ vom 6. Mai 2025. Dies vor allem wegen der schrumpfenden „Lebenszeit“ bei gleichzeitig immer weiter wachsender „Bildschirmzeit“.

Doch macht man es sich wohl zu einfach, die Schuld vor allem bei den sozialen Medien zu sehen, welche die Jugendlichen davon abhielten, Lebensfreude in der „realen Welt“ zu finden. Denn das eigentliche Hauptproblem sind nicht die sozialen Medien, sondern vielmehr diese sogenannte „reale Welt“. Diese ist nämlich alles andere als eine Quelle echter Lebensfreude, sondern mittlerweile dermassen stark von übermässigem Leistungsdruck und einem immer härteren gegenseitigen Konkurrenzkampf geprägt, während Lebensfreude und Lebensgenuss sowie Wertschätzung, Anerkennung und Ermutigung, ohne die ein junger Mensch seine Persönlichkeit und seine individuellen Begabungen nicht wirklich erfolgreich entfalten kann, immer mehr auf der Strecke bleiben.

Die sozialen Medien sind leider für viele fast noch der einzige Ort, wo sie schöne, spannende und fröhliche Dinge jenseits von Leistungsdruck, zwischenmenschlicher Kälte und Fremdbestimmung erleben können. Es ist nicht die „Bildschirmzeit“, welche sich auf Kosten der „Lebenszeit“ immer weiter ausbreitet, sondern genau umgekehrt: Die „Bildschirmzeit“ breitet sich gerade deshalb immer weiter aus, weil die „Lebenszeit“ für lebenshungrige, entdeckungsfreudige, abenteuerlustige und nach persönlicher Selbstverwirklichung strebende junge Menschen immer mehr an Attraktivität verliert.

Würde man die „Bildschirmzeit“ künstlich einschränken oder gar – zum Beispiel durch Handyverbote an den Schulen – geradezu verbieten, nähme man den Jugendlichen ausgerechnet auch noch das Letzte weg, was ihr Leben ein wenig spannender und abwechslungsreicher zu gestalten vermag. Wer die „Bildschirmzeit“ ernsthaft reduzieren möchte, müsste daher konsequenterweise alles daran setzen, den gesellschaftlichen, sozialen und beruflichen Alltag so attraktiv, freudvoll, humorvoll, wertschätzend, aufbauend, sinnvoll und mit so wenig Leistungsdruck, persönlichen Misserfolgen, sinnlosen Beschäftigungen und monotonen Arbeitsabläufen wie nur irgend möglich zu gestalten. Dann würde sich auf ganz natürliche Weise die „Bildschirmzeit“ ganz von selber nach und nach auf ein gesundes Mass reduzieren.