Nestlé-Chef Mark Schneider: „Hier tut sich etwas Gewaltiges“

 

Wie Nestlé-Chef Mark Schneider in einem Interview mit dem „Tagesanzeiger“ vom 18. Oktober 2021 berichtet, gibt es heute bei den Vitaminen in den USA bereits personalisierte Angebote: Die Kundinnen und Kunden füllen einen umfangreichen Fragebogen aus und bekommen dann Beutelchen mit den Vitaminen, die auf sie abgestimmt sind. Ganz generell werde die Personalisierung von Nahrung zukünftig eine immer grössere Rolle spielen, da zum Beispiel jemand, der verengte Herzkrankgefässe habe, auf keinen Fall rotes Fleisch essen sollte, oder jemand, der einen Eisenmangel habe, unbedingt eisenhaltige Nahrung zu sich nehmen sollte. Schneider schwebt sogar eine Smartwatch vor, die durch die Haut lesen kann, um wichtige medizinische Daten permanent zu überprüfen. Doch nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Haustieren nimmt die Personalisierung der Nahrung laufend an Bedeutung zu. So verfüge Nestlé bereits heute über ein Tierfutter-Start-up, das Hundebesitzern Nahrung nach Hause schickt, die auf das eigene Tier abgestimmt sei. Denn ein Hund brauche je nach Grösse, Alter und Bewegung anderes Futter. Auch spiele es eine Rolle, ob ein Hund vor allem im Garten oder hauptsächlich in einem kleinen Apartment lebe. – Ich lese nochmals den Titel des zweiseitigen Interviews mit Mark Schneider: „Hier tut sich etwas Gewaltiges“ und den Untertitel „Interview zur Ernährung“. Kann es tatsächlich sein, dass dieses „Gewaltige“ einzig und allein darin besteht, die Nahrung für eine wohlhabende Minderheit der Weltbevölkerung mit immer raffinierteren Mitteln zu „personalisieren“, während mit keinem einzigen Wort erwähnt wird, dass eine Milliarde Menschen vor lauter Hunger nicht eine einzige Nacht gut schlafen können und jeden Tag weltweit zehntausend Kinder vor dem Erreichen ihres fünften Lebensjahrs sterben, weil sie nicht genug zu essen haben? Sollte das „Gewaltige“, von dem der Chef des grössten multinationalen Nahrungsmittelkonzerns spräche, nicht darin bestehen, dass weltweit kein einziger Mensch mehr Hunger leiden müsste – bevor man an die Erfüllung von Luxusbedürfnissen für eine satte Minderheit der Weltbevölkerung auch nur im Entferntesten denken könnte? Aber ja, da habe ich mich gewaltig getäuscht. Denn wir leben ja nicht in einer Welt, in der das Wohlergehen aller Menschen die oberste Priorität hat. Wir leben in einer kapitalistischen Welt, in der die Güter schon lange nicht mehr dorthin fliessen, wo sie am dringendsten gebraucht werden, sondern nur noch dorthin, wo die Menschen am meisten Geld haben, um sie auch tatsächlich kaufen zu können. Und es ist ja noch viel schlimmer: Unzählige Rohstoffe und Nahrungsmittel, die in den reichen Ländern „veredelt“ und gewinnbringend verkauft werden, stammen aus Ländern, wo die Menschen auf den Feldern, Plantagen und in den Minen zu Hungerlöhnen schwerste Arbeit verrichten und auf fast alles verzichten müssen, was für die Menschen in den reichen Ländern des Nordens selbstverständlich ist. Man spricht so gerne von der Globalisierung und meint, aus der Sicht all jener, die davon profitieren, meistens durchaus etwas Positives. Aber diese Globalisierung ist fast ausschliesslich eine Globalisierung der Konzerngewinne und der Verwandlung von Blut, Tränen und Schweiss am einen Ende der Welt in das Gold und in den Luxus am anderen Ende der Welt. Wann endlich wird auch der Chef eines multinationalen Lebensmittelkonzerns nicht mehr ruhig schlafen können, wenn ihm bewusst geworden ist, welches die Opfer sind, denen er seine Profite verdankt? Und wann endlich wird das „Gewaltige“, über das gesprochen wird, nicht mehr eine immer weiter voranschreitende Globalisierung von Konzerngewinnen und eine immer grössere Kluft zwischen Arm und Reich sein, sondern eine Globalisierung der sozialen Gerechtigkeit und des guten Lebens für ALLE?

 

„Squid Game“ – eine ins Tödliche übersteigerte Form des Ultrakapitalismus

 

111 Millionen Haushalte hat die Netflix-Serie „Squid Game“ bereits erreicht, so die „NZZ am Sonntag“ vom 17. Oktober 2021. In „Squid Game“ kämpfen Menschen, die von der Leistungsgesellschaft ausgeschieden wurden, ums nackte Überleben, getrieben von der Hoffnung, ein gigantisches Preisgeld zu gewinnen, um damit wieder in die Gesellschaft zurückzukehren – wenn sie das nicht schaffen, werden sie kaltschnäuzig hingerichtet. Doch trotz aller Brutalität ist im Film nie Blut zu sehen – die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben gleichsam „steriles“ Töten und sollen offensichtlich nicht auf den Gedanken kommen, es könnte etwas Leidvolles und Schmerzliches sein. „Squid Game“, so der Filmwissenschafter Marcus Steinegger, „ist eine ins Tödliche übersteigerte Form des Ultrakapitalismus, wie wir ihn in unserer Gesellschaft erleben: In der heutigen Berufswelt müssen wir alle Top of the Game sein, an der Spitze stehen. Wenn wir das nicht schaffen, sind wir weg. Und diesem Wettkampf sind schon die Kinder und die Jugendlichen von klein auf ausgesetzt.“ Ich frage mich, was für einen Nutzen Filme wie „Squid Game“ haben sollen – ausser natürlich für die Produzenten des Films und aller anderen, die damit Geld verdienen. Es ist die uralte Frage: Wird das Aggressionspotenzial, das in jedem Menschen auf die eine oder andere Weise schlummert, durch den Konsum solcher Medienprodukte abgebaut und „unschädlich“ gemacht, oder doch eher zusätzlich angeheizt? Das Beispiel einer belgischen Primarschule, wo die Kinder auf dem Pausenplatz „Squid Game“ nachgespielt und ihre Kolleginnen und Kollegen, die beim Spiel verloren hatten, verprügelt haben, deutet doch eher darauf hin, dass Verhaltensmuster von Ausgrenzung und Gewalt als Folge der entsprechenden „Vorbilder“ eher verstärkt als in harmlose Bahnen gelenkt werden. Grundsätzlich ist ja davon auszugehen, dass jedes Kind von Natur aus eine „fürsorgliche“ wie auch eine latent „feindselige“ Seite hat. Da müsste doch, wenn wir an das Zusammenleben der Menschen und die gegenseitige Solidarität im Kleinen wie auch im Grossen denken, alles unternommen werden, um die fürsorgliche Seite der Menschen zu stärken und zu fördern. Diese Forderung steht freilich in absolutem Gegensatz zur Medienindustrie, der es um nichts anderes geht, als – im Sinne des Kapitalismus – in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verdienen. Das ist in doppeltem Sinne fragwürdig: Zum einen, indem die latent vorhandene Aggressivität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen schamlos ausgenützt und zu Geld gemacht wird, zum einen aber auch dadurch, dass gerade Filme wie „Squid Game“ durch das Glorifizieren gewalttätiger „Helden“ genau dieses kapitalistische Muster einer gnadenlosen Klassengesellschaft, der die Menschen hilflos ausgeliefert sind, zusätzlich anheizt und als das „Normale“ erscheinen lässt – ohne auch nur im Entferntesten eine Alternative dazu aufzuzeigen. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann einen Film mit dem Titel „Squid Game, Teil zwei“. In dieser Fortsetzungsgeschichte gäbe es keine Waffen, nur die Waffen der Liebe. Es gäbe keine Ausgrenzungen, nur die Macht gegenseitiger Solidarität. Es gäbe auch keine Siegerpodeste, keine Wettbewerbe, keine Siege und keine Niederlagen, nur eine Welt, in der jeder Mensch voller Selbstvertrauen, voller Wertschätzung und gegenseitiger Anerkennung leben könnte… 

Roger Köppel und das „Recht auf Hass im Internet“

 

Unter dem Titel „Hass, ein Plädoyer“ schreibt SVP-Nationalrat Roger Köppel in der „Weltwoche“ vom 12. Oktober 2021: „Es vergeht kaum eine Woche, in der Zeitungen oder Politiker nicht die Abschaffung des Hasses im Internet fordern. Ich dagegen fordere Fairness für den Hass. Ich plädiere fürs Hassen. Denn die Hassrede ist genauso Teil des freien demokratischen Gesprächs wie die Liebeserklärung. Doch die Hass-Verbieter und Hans-Bekämpfer möchten, dass es nur noch Liebeserklärungen gibt. Ich wage die Behauptung: Dieses Unterfangen wird scheitern. Wer hasst, sagt aus tiefster Seele nein. Das dürfen wir uns von niemandem verbieten lassen. Es darf kein Hassverbot geben. Im Gegenteil, wir sollten die Leute ermutigen, ihren Hass auf den sozialen Medien auszuleben. Das ist besser, als wenn sie zum Küchenmesser greifen oder sich eine Pistole oder ein automatisches Gewehr kaufen.“ Herrschte bislang weitgehend der Konsens, dass Hass im Internet etwas Verwerfliches sei, fordert uns nun also tatsächlich ein Nationalrat und Chefredaktor einer Wochenzeitung dazu auf, lustvoll im Internet möglichst viel Hass zu verbreiten. Als gäbe es so etwas wie ein Recht auf Hass. Gleichzeitig zieht Köppel das Gegenteil, die Liebe, oder, wie er es nennt, die „Liebeserklärung“, ins Lächerliche, so als wäre das bloss etwas für allzu Sentimentale und Weicheier. Besonders stossend die Argumentation, dass die Menschen, wenn das Verbreiten von Hass im Internet verboten würde, dann halt zum Küchenmesser oder zum automatischen Gewehr greifen würden. So etwas wie eine Drohung: Lasst uns unseren Hass im Internet verbreiten, sonst, wenn ihr uns das verbieten wollt, greifen wir zu gröberem Geschütz. Völlig daneben auch Köppels Behauptung, wer Hass verbreite, sage „aus tiefster Seele Nein“. Damit unterstellt Köppel jedem Kind, das nicht gehorcht, und jeder Klimaaktivistin, welche gegen eine zu lasche Klimapolitik protestiert, dass ihr „Nein“ einzig und allein purem Hass entspringe. Dabei hat das eine mit dem anderen auch nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil: Die meisten Menschen, die sich mit Leidenschaft gegen Missstände oder Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen, lehnen Hass und Gewalt aus Überzeugung ab. Nein, man kann es drehen und wenden, wie man will: Es bleibt am Ende kein stichhaltiges Argument übrig, das die Verbreitung von Hass im Internet und den sozialen Medien rechtfertigen könnte. Ob sich Köppel seiner höchst gefährlichen Rhetorik nicht bewusst ist? Gehören Beleidigungen gröbster Art, Beschimpfungen bis hin zu Morddrohungen, gehört das alles noch zum „Recht auf Hass“, das man den Menschen nicht wegnehmen sollte? Nur in einem Punkt gebe ich Roger Köppel Recht: Man wird den Hass im Internet nicht verbieten können. Aber man sollte wenigstens alles Erdenkliche tun um die Menschen darüber aufzuklären und mit ihnen darüber zu diskutieren, wie schädlich das Verbreiten von Hass im Internet ist, wie wenig Konstruktives damit erreicht werden kann und wie viel Unheil damit schon angerichtet worden ist. Dies erwarte ich von einem verantwortungsvollen Politiker und Chefredaktor und nicht, dass er das Verbreiten von Hassbotschaften im Internet sogar noch salonfähig macht und glorifiziert. Wer das Recht auf freie Meinungsäusserung hoch hält und gleichzeitig das „Recht auf Hass“, muss früher oder später einsehen, dass sich beides zusammen gleichzeitig nicht vereinbaren lässt.

In meiner Stadt ist etwas los: Der ganz normale tägliche Wahnsinn

 

In meiner Stadt ist etwas los. Als wären sie über Nacht eingeflogen und plötzlich standen sie da: Vier in den Himmel ragende Bauvisiere haben eines der Geschäftshäuser an der Bahnhofstrasse förmlich in die Zange genommen. Geschätztes Volumen des ausgesteckten Neubaus: etwa das Doppelte des bisherigen Gebäudes, alle jetzt noch vorhandenen Gehbereiche und Grünflächen aufgeschluckt, jeder Quadratmillimeter dem renditesüchtigen Kapital unterworfen. Ich kann es immer noch nicht glauben: Ein Gebäude, das wahrscheinlich gut und gerne auch noch die nächsten hundert Jahre überstehen würde, mit guter Bausubstanz und einer gefälligen Architektur mit terrassenförmig abgestuften Wohngeschossen auf den obersten Etagen, soll tatsächlich dem Erdboden gleichgemacht werden? Wo jetzt Menschen ihre Einkäufe tätigen, andere ihrer Arbeit nachgehen und es sich wieder andere in ihren Wohnungen gemütlich gemacht haben – von all dem soll nichts anderes übrig bleiben als ein riesiger Schutthaufen, der mit einem immensen Aufwand an Energie zerkleinert, abtransportiert und entsorgt werden muss? Und was ist mit all den Rohstoffen, dem Baumaterial, der Energie, die erforderlich sein wird, um das neue, doppelt so grosse Gebäude zu errichten? Dies alles würde ja vielleicht dann noch Sinn machen, wenn der Bedarf an zusätzlicher Fläche für Geschäfte, Büros, Arztpraxen oder gewerbliche Nutzung in unserer Stadt tatsächlich so gross wäre, doch genau das Gegenteil ist der Fall: Seit Jahren stehen zahlreiche Lokalitäten für Geschäfte, Büros und Kleingewerbe leer und konnten trotz intensivster Bemühungen nicht vermietet werden. Gleichzeitig fehlt es an allen Ecken und Enden an preisgünstigen Wohnungen, während immer mehr Wohnungen im höchste Preissegment gebaut werden. Wie heisst es so schön: Der Freie Markt regle alles am besten zum Wohle der Menschen. Wie lange noch glauben wir dieses Märchen?

 

Gesundheitswesen: Der Markt regle alles zum Besten? Schön wäre es…

 

Martin Pfister, Gesundheitsdirektor des Kantons Zug, scheint an der Pflegeinitiative des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, über die am 28. November 2021 abgestimmt wird, keine Freude zu haben. In der Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 12. Oktober 2021 sagte er: „Wenn man Bundesvorgaben machen würde für die Löhne, dann glauben wir nicht, dass hier eine deutliche Verbesserung erzielt werden könnte.“ Noch widersprüchlicher und fadenscheiniger geht’s nun wirklich nicht. Wer, wenn nicht der Bund, soll denn faire Löhne durchsetzen, nachdem seit Jahrzehnten alle bisherigen Anstrengungen, Bemühungen und Initiativen auf betrieblicher und kantonaler Ebene nichts gefruchtet haben? Wer, wenn nicht der Bund, sollte garantieren, dass das Gesundheitssystem endlich zu einer Institution wird, die nicht nur um das Wohl der Patientinnen und Patienten besorgt ist, sondern ebenso um das Wohl des Pflegepersonals? Wer, wenn nicht der Bund, sollte dafür sorgen, dass die derzeit 11’000 offenen Stellen in der Pflege möglichst bald besetzt und die bis 2029 benötigten 70’000 zusätzlichen Pflegenden rechtzeitig ausgebildet werden können? Der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister ist freilich nicht der einzige Gegner der Pflegeinitiative, der den Nutzen und den Sinn „staatlicher“ Eingriffe und Vorgaben in Frage stellt. Die Angst davor, der Staat könnte übermässig in etwas eingreifen, was ohne ihn viel besser funktionieren würde, entspringt dem unbeirrbaren Glauben, der „Markt“ regle früher oder später alles zum Besten. Genau dieser „Markt“ hat aber bis zur Stunde ganz kläglich versagt und es ist eigentlich unfassbar, dass trotzdem immer noch eifrig an diesem Irrglauben festgehalten wird. Gut, bietet uns die Pflegeinitiative für einmal die Gelegenheit, das Schiff in eine neue Richtung zu lenken…

 

 

 

Wirtschaftsnobelpreis in kapitalistisch-patriarchalem Mainstream

 

Der Wirtschaftsnobelpreis 2021 geht an die drei in den USA forschenden Ökonomen David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens. Card erhält den Preis für seine „empirischen Beiträge zur Arbeitsökonomie“, die beiden anderen für ihre „methodischen Beiträge zur Analyse von Kausalzusammenhängen“. Drei Männer, aber keine Frau. Alle in den USA tätig. Bloss ein Zufall? Wohl kaum. Der Kapitalismus und das Patriarchat feiern sich einmal mehr wieder selber. Wetten, dass sich die Forschungstätigkeit der drei Preisträger schön brav im kapitalistischen Mainstream bewegt, der Titel ihrer Arbeiten lässt wohl kaum etwas anderes erwarten. Dabei ist der Kapitalismus doch, wenn wir ehrlich sind, angesichts aller von ihm verursachten sozialen, ökonomischen und ökologischen Zerstörungen definitiv ein Auslaufmodell und nichts wäre daher in der heutigen Zeit so dringend wie die Entwicklung eines alternativen Wirtschaftsmodells, welches Mensch und Natur wieder in Einklang bringt, alle Formen von Ausbeutung überwindet und ein gutes Leben für alle Menschen auf diesem Planeten Wirklichkeit werden lässt. Gibt es wirklich weltweit keinen einzigen Forscher, keine einzige Forscherin, die auf diesem Gebiet tätig ist? Und wenn es tatsächlich niemanden gäbe, müsste dann ehrlicherweise mit der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises nicht zugewartet werden, bis ein Ökonom oder eine Ökonomin gefunden wäre, die auf diesem Gebiet forschen würde? Doch der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis ist nicht nur ein Preis für drei Männer, nicht nur ein Preis für den Kapitalismus und nicht nur ein Preis für die USA, wo die drei Ökonomen tätig sind. Es ist auch ein Preis für drei Männer, die zweifellos auf der obersten Etage der weltweiten gesellschaftlichen Machtpyramide leben und arbeiten, gesegnet mit unzähligen Privilegien, von denen 99 Prozent der Weltbevölkerung nur träumen können. Wirtschaft – das ist in ihrem Verständnis und im Verständnis des Nobelpreiskomitees ein „Forschungsprojekt“, etwas für „Gescheite“ und „Studierte“, etwas, was an Universitäten vermittelt, worüber Bücher geschrieben werden und wofür man Preise, Ansehen, Prestige, Lorbeeren und Berühmtheit erringen kann. Schon der Titel ihrer Forschungsprojekte tönt so „hochgestochen“, dass der Durchschnittsbürger, die Durchschnittsbürgerin schon gar nicht auf die Idee kommt, sich näher damit zu befassen. Doch eigentlich wäre Wirtschaft das Alltäglichste unseres Lebens. Wir alle sind Ökonominnen und Ökonomen. Und am allermeisten beherrschen diese Kunst ausgerechnet jene Menschen, die am weitesten, ja geradezu Lichtjahre weit von irgendwelche Universitätsdozenten, tausendseitigen Fachbüchern und Nobelpreisen entfernt sind: die alleinerziehende Verkäuferin hierzulande, die auf den Rappen genau berechnen muss, ob das gewünschte Duschgel, eine kleine Stoffpuppe für die Kinder oder eine Fahrradklingel im Haushaltsbudget noch drin liegen, um am Ende des Monats noch genug Geld zu haben für das Brot und die Milch; der norwegische Fischer, der knallhart kalkulieren muss, wie viele Fische er fangen und zu welchem Preis er sie zu verkaufen hat, um eine längst fällige Reparatur an seinem Boot vornehmen zu können; der brasilianische Kakaobauer, der auf den Real genau berechnen muss, wie viele Pestizide er sich leisten kann, um für seine Ernte noch einen Gewinn verbuchen zu können; die tansanische Gemüsebäuerin, die auf dem Markt ihre Produkte feilhält und das wenige Ersparte unter Verzicht auf alles „Überflüssige“ dafür aufwenden muss, dass ihre Kinder die Schule besuchen können. Führen wir uns das privilegierte Leben von Ökonomieprofessoren auf der einen Seite und den täglichen Überlebenskampf, dem eine überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung tagtäglich ausgeliefert ist, auf der anderen Seite vor Augen, dann wäre es doch zweifellos aller höchste Zeit, den nächsten Wirtschaftsnobelpreis jener namenlosen Frau und jenem namenlosen Mann zu verleihen, die sich Tag für Tag alle Beine ausreissen, um sich und ihre Familien über Wasser zu halten, mit aller Kunst der Ökonomie, die auch vom gescheitesten Universitätsprofessor niemals übertroffen werden könnte… 

Damit bloss nicht die Ordnung der Reichen gestört wird…

 

Ich habe Brot gekauft und die Bäckerin bedankt sich bei mir freundlich für das bezahlte Geld – aber müsste nicht eigentlich ich mich bei ihr für das Brot bedanken, das sie früh am Morgen, als ich noch schlief, gebacken hatte? Und müsste nicht eigentlich die Kundin sich bei der Friseuse für die schöne neue Frisur bedanken und nicht die Friseuse für das bezahlte Geld? Und müssten nicht eigentlich die Gäste im Restaurant sich bei der Kellnerin für das gute Essen und die freundliche Bedienung bedanken und nicht die Kellnerin für das winzige Trinkgeld, das, zusammen mit ihrem Lohn, dennoch kaum zum Leben reicht? Ein altes alevitisches Sprichwort sagt: „Den Armen wird Dankbarkeit entgegengebracht, damit die Ordnung der Reichen nicht gestört wird.“ So ist es. Wer über das nötige Geld verfügt, kann jede beliebige Dienstleistung in Anspruch nehmen, andere für sich arbeiten lassen und am Ende, wenn er seinen Geldbeutel zückt, erst noch das Gefühl haben, besonders grosszügig zu sein. Dabei ist es doch einzig und allein die Lage der Minderbemittelten, die sie dazu zwingt, in den Dienst der Reichen zu treten, so wie die Putzfrau sich in den Dienst des reichen Ärzteehepaars begibt oder die Prostituierte in den Dienst des Freiers – nicht freiwillig, sondern weil ihnen schlicht und einfach gar nichts anderes übrigbleibt. Nur verhältnismässig, aber nicht grundsätzlich unterscheiden sich solche Abhängigkeitsverhältnisse von der Sklaverei früherer Jahrhunderte, die wir längs überwunden glaubten. Aber im Grunde ist es nichts anderes, auch die Sklavinnen und Sklaven mussten ihren Herren am Ende eines unmenschlichen Arbeitstages dafür dankbar sein, einen Teller Suppe zu bekommen. Vollends absurd wird es, wenn wir an das „Trinkgeld“ denken, das zum Beispiel eine Friseuse, eine Kellnerin oder ein Hotelzimmermädchen von ihrem Gast bekommen. Führen wir uns vor Augen, dass die grossen Lohnunterschiede ja nichts anderes sind als die Folge einer permanenten kapitalistischen Umverteilung und einer alles durchdringenden kapitalistischen Klassengesellschaft, dann bedeutet dies, dass höhere Löhne nichts anderes sind als gestohlenes Geld – gestohlen denen, die wenig oder fast gar nichts verdienen. Wenn nun also der Gast im Restaurant dem Kellner ein „Trinkgeld“ gibt, dann bedeutet das nichts anderes, als dass er bloss einen winzigen Teil dessen, was er dem Kellner zuvor gestohlen hatte, ihm nun in Form des „Trinkgeldes“ wieder zurückgibt. Dass der Kellner dafür auch noch dankbar sein muss, ist nur die letzte Konsequenz dieser Ungeheuerlichkeit. Dies lässt sich vergleichen mit dem, was man „Entwicklungshilfe“ nennt: Die Entwicklungsorganisation Oxfam hat berechnet, dass die Schweiz im Handel mit so genannten „Entwicklungsländern“ einen 48mal höheren Gewinn erwirtschaftet, als den „Entwicklungsländern“ wieder in Form von „Entwicklungshilfe“ zurückgegeben wird, ganz so wie ein „Trinkgeld“, das den 48mal schlimmer beraubten Ländern „grosszügig“ zurückerstattet wird und für das sie dann auch gefälligst dankbar zu sein haben. Und so schieben wir das Erbe längst vergangener Zeiten immer noch hartnäckig vor uns her, mit all den Lügen, Verdrehungen und dem falschen Denken in unseren Köpfen. Erst wenn alle Güter und aller Reichtum gerecht unter allen Menschen verteilt sind und das Geld nicht mehr Mittel zu Macht und Ausbeutung ist, sondern einzig und allein ein reines Tauschmittel für Waren und Dienstleistungen von Mensch zu Mensch, von Land zu Land, erst dann wird sich von Grund auf etwas verändern und wo die „Ordnung der Reichen“ war, wird eine Ordnung der Gerechtigkeit sein.

Arme und Reiche, Arbeitende und Besitzende: Wer profitiert von wem?

 

„Die Reichen“, so Mitte-Ständerätin Andrea Gmür in der „Arena“ des Schweizer Fernsehens vom 9. Oktober 2021 zum Thema Steuerpolitik, „finanzieren zu einem grossen Teil den Sozialstaat. Umverteilung darf nicht überstrapaziert werden.“ Diese Aussage von Andrea Gmür zeigt, dass eine Behauptung nicht bloss deshalb wahrer wird, wenn man sie bis zum Geht-nicht-mehr wiederholt. Nein, liebe Andrea Gmür, nicht die Reichen finanzieren den Sozialstaat, sondern die Arbeitenden finanzieren die Besitzenden. Das lässt sich einfach erklären: Der Reichtum der Reichen entspringt, auf was für verschlungenen und unsichtbaren Wegen auch immer, letztlich nichts anderem als dem Blut, dem Schweiss und den Tränen all jener Menschen, die täglich schwerste Arbeit verrichten und dennoch viel weniger verdienen, als ihre Arbeit eigentlich Wert wäre. Die Früchte dieser Arbeit finden sich wieder in Unternehmensgewinnen, Dividenden, Erbschaften, Wohnungsmieten und in allen weiteren Formen von Kapitalbeteiligung – kurz in all jenem Geld, das von den Vermögenden „verdient“ wird, ohne dass diese auch nur einen Finger dafür krumm machen müssen. Reich wird nicht, wer viel arbeitet. Reich wird, wer viel besitzt. Und so ist es auch alles andere als ein Zufall, dass das reichste Prozent der Bevölkerung 43 Prozent des Gesamtvermögens besitzt  – ein Anteil, der sich sogar laufend noch vergrössert. Wenn Andrea Gmür findet, dass die „Umverteilung nicht überstrapaziert“ werden dürfe, dann hat damit sie vollkommen Recht, nur nicht in dem Sinne, wie sie es meint. Tatsächlich findet die Umverteilung nicht von oben nach unten statt, sondern von unten nach oben. Nur so ist zu erklären, dass die 300 reichsten Schweizerinnen und Schweizer 709 Milliarden Franken besitzen und ihr Vermögen in den letzten zehn Jahren sogar verdoppeln konnten, während rund 700’000 Schweizerinnen und Schweizer knapp oder sogar unter dem Existenzminimum leben müssen. Sollten Politikerinnen und Politiker nicht Interessensvertreterinnen und Interessensvertreter der gesamten Bevölkerung sein und nicht bloss Interessensvertreterinnen und Interessensvertreter von Wirtschaftsverbänden, multinationalen Konzernen und Milliardären?

Digitalisierung um jeden Preis – mit unabsehbaren Folgen…

 

Ob „linke“, „rechte“ oder „grüne“ Parteien, ob die USA, Europa, Russland oder China: Bei nichts herrscht so grosse Einmütigkeit, so viel Übereinstimmung wie beim Ziel, die Digitalisierung voranzutreiben. Vollends absurd wird diese Forderung, wenn gleichzeitig der Kampf gegen den Klimawandel als vorrangiges Ziel genannt wird, ist die Digitalisierung doch einer der grössten Klimakiller. Dazu ein paar Zahlen, entnommen der „Wochenzeitung“ vom 7. Oktober 2021: Die globale Digitalisierung verbraucht soviel Wasser, Rohstoffe und Energie, dass ihr ökologischer Fussabdruck dreimal so gross ist wie der von Ländern wie Frankreich oder Grossbritannien. Die digitalen Technologien benötigen inzwischen einen Zehntel des weltweit erzeugten Stroms und sind für fast vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich – knapp doppelt so viel wie der weltweite zivile Luftverkehr! Für die Herstellung eines PCs, der zwei Kilo wiegt, braucht es 22 Kilo Chemikalien und 1,5 Tonnen sauberes Wasser. Und zur Herstellung eines Smartphones, das 150 Gramm wiegt, braucht es sogar 183 Kilo Rohstoffe. Die grössten Energieschleudern sind die Rechenzentren. Diese mit Servern vollgestopften Betonbunker vermehren sich zusammen mit den Daten, die das digitale Universum fluten: Das weltweite Sammeln aller möglichen Daten wird bereits in nächster Zukunft den Bedarf an Rechenzentren verzehnfachen. Schon heute nehmen Rechenzentren gigantische Ausmasse an, so etwa beträgt die Grundfläche des weltweit grössten Rechenzentrums südlich von Peking 600’000 Quadratmeter, was etwa 100 Fussballfeldern entspricht. Dazu kommt, dass die Anlagen rund um die Uhr gleichmässig gekühlt werden müssen, wofür wiederum Unmengen an Wasser und Strom verbraucht werden. So stehen auf den Dächern mehrerer Rechenzentren mitten in New York Kühlwassertürme für die Klimaanlage, Reservewassertanks für den Notfall und Kräne, mit denen Dieselgeneratoren von der Strasse in die Höhe gehievt werden können. In den Kellergeschossen befinden sich mehrere tausend Liter fassende Heizöltanks zur Versorgung der Generatoren. Um die digitalen Netze jederzeit zu garantieren, werden heute Serveranlagen auf verschiedenen Erdplatten gespiegelt, das heisst, eine Serveranlage mit den genau gleichen Daten gibt es mehrfach, damit die Daten zum Beispiel im Falle eines Erdbebens gesichert sind und keine Übermittlungsunterbrüche erfolgen können. So gibt es zum Beispiel den E-Mail-Dienst Gmail in insgesamt sechs Kopien. Und für Chatvideos gilt die Regel, dass sie in mindestens sieben Rechenzentren an verschiedenen Orten der Welt gespeichert werden. Kein Wunder, nimmt der Stromverbrauch der Rechenzentren kontinuierlich zu. Allein im Grossraum Paris wird bereits ein Drittel der gesamten Elektrizität von Rechenzentren verbraucht. Und mit der Einführung der neuen 5G-Technologie wird die Datenmenge um einen weiteren Quantensprung explodieren… Keine Frage, die Digitalisierung ist ein Meilenstein auf dem Weg der technischen Fortschritte, welche die Menschheit im Laufe der Zeit entwickelt hat. Und doch wird der Preis, den wir dafür bezahlen, immer höher. Eines Tages werden wir schlicht und einfach nicht mehr genug Strom haben, um alle Rechenzentren und die, welche den heutigen noch folgen werden, zu betreiben. Eines Tages werden die Rohstoffe, die man benötigt, um Computer und Smartphones herzustellen, aufgebraucht sein. Eines Tages werden die weltweit miteinander verknüpften Datennetze und die Flut der gespeicherten Informationen so gross sein, dass schon die kleinste Panne zum Einsturz des Ganzen führen kann, mit unabsehbaren Folgen. Im gleichen Artikel der „Wochenzeitung“, dem ich obige Zahlen entnommen habe, wird auch über die neuesten Entwicklungen in der Robotertechnik berichtet. Bereits sind Roboter im Investmentbanking im Einsatz und sollen bald schon eigenständige Entscheide über Finanzinvestitionen tätigen können. Und schon im Jahre 2017 wurde in einem Hongkonger Finanzinstitut ein Roboter in den Vorstand berufen. Und dann frage ich mich: Muss denn wirklich alles, was technisch machbar ist, früher oder später auch Wirklichkeit werden? Oder bräuchte es nicht, als Gegengewicht zum Fortschritt der Technik, so etwas wie politische, wissenschaftliche und ethische Leitplanken, um den technischen Fortschritt in Bahnen zu lenken, die dem guten Leben für alle Menschen, im Respekt gegenüber der Natur und gegenüber den Lebensbedürfnissen zukünftiger Generationen, dienlich sind. Das wünschte ich mir von jenen Politikern und Politikerinnen, die heute alle in so seltener Einmütigkeit ein möglichst rasches und ungehindertes Fortschreiten der Digitalisierung im gegenseitigen Wettrennen zwischen Ländern und Kontinenten propagieren… 

„Lohnteilen“ – Modell für die zukünftige Arbeitswelt?

 

Auslöserin des Projekts „Lohnteilen“ war die Coronakrise – so berichtet die „Wochenzeitung“ vom 7. Oktober 2021. „Lohnteilen“ geht auf eine Initiative von vier Schülerinnen aus Bern zurück. Die Idee ist einfach: Wer kann, gibt von seinem Lohn, wer aufgrund von Corona in eine finanzielle Notsituation geraten ist, bekommt etwas. Erstaunlicherweise meldeten sich auf einen ersten Aufruf viele, die ihren Lohn teilen wollten, aber niemand, der Geld wollte. Erst nach und nach trafen Gesuche für finanzielle Unterstützung ein, das Ganze kam immer mehr ins Rollen. Trotzdem ist das Projekt aus Sicht der Initiantinnen bloss ein erster kleiner Tropfen auf einen riesigen heissen Stein. „Eigentlich könnte es so einfach sein“, so das Fazit von Nora, einer der Begründerinnen von „Lohnteilen“. Und auch ich denke: Ja, so einfach könnte es sein. So einfach wie damals in Afrika, bevor die weissen Kolonialherren den Kontinent unter ihre Gewalt brachten: Am Morgen gingen die Männer des Dorfes zur Jagd. Gegen Abend kehrten sie mit ihrer Beute nach Hause. Die einen hatten zwei oder drei Affen erlegt, andere nur einen und wieder andere gar keinen. Nun legten alle Männer des Dorfes ihre Beute zusammen und alles Fleisch wurde in gleich grossen Stücken an alle Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner verteilt. Wäre dies nicht ein wunderbares Modell für eine zukünftige Gesellschaftsordnung, die nicht mehr auf individualistisches Streben nach Profit und Reichtum, sondern auf das Wohlergehen aller ausgerichtet wäre? Wo immer, im Kleinen wie im Grossen, finanzielle Profite erwirtschaftet werden, haben unzählige Menschen, sichtbar oder unsichtbar, kleinere und grössere Leistungen erbracht, um diese Profite überhaupt erst möglich zu machen. Nehmen wir eine Bank. Gäbe es kein Gebäude, in dem die Bank untergebracht ist, dann könnte sie auch keinen einzigen Franken Gewinn erzielen. Also haben die Bauarbeiter, die das Gebäude errichtet haben, einen unverzichtbaren Beitrag geleistet an den späteren wirtschaftlichen Erfolg der Bank, ohne allerdings an diesem beteiligt zu sein. Oder die Putzfrau, welche die Räumlichkeiten der Bank auf Hochglanz trimmt. Oder die Verkäuferinnen im Supermarkt, wo die Angestellten der Bank ihr Essen kaufen. Oder der Automechaniker, der dafür sorgt, dass die Fahrzeuge der Bankangestellten stets einwandfrei funktionieren und sie immer pünktlich bei ihren Kundinnen und Kunden sind. Oder die Briefträgerinnen und Briefträger, dank denen die Kundschaft der Bank stets fristgerecht ihre Post erhält. Sie alle und noch viele mehr leisten einen unverzichtbaren Beitrag an den Gewinn, den die Bank zum Jahresende erzielen wird, müssen sich aber mit Löhnen zufrieden geben, die weit unter dem liegen, was die Angestellten der Bank verdienen – von den Managern, Aktionärinnen und Aktionären schon gar nicht zu reden. Vieles, ja alles spricht dafür, dass ein „Lohnteilen“ die vernünftigste und sozialste Sache der Welt wäre. Wie ein Kuchen, den alle miteinander gebacken haben und von dem am Ende auch alle wieder ein gleich grosses Stück erhalten müssten. Und es ist ja nicht nur die Bank. Es ist die gesamte Wirtschaft und Arbeitswelt, wo alles mit allem zusammenhängt und kein noch so geringster Gewinn eines Unternehmens möglich wäre ohne das Zutun zahlreicher Menschen, die viel schwere Arbeit verrichten und dennoch von den Früchten dieser Arbeit weitgehend ausgeschlossen bleiben. Logische Konsequenz wäre ein Einheitslohn über alle Wirtschaftszweige hinweg. Das genau gleich grosse Stück Fleisch, das am Ende des Tages unter allen Bewohnerinnen und Bewohnern des afrikanischen Dorfes verteilt wurde. Dies genau und auch wie es umsetzen wäre, haben die Schülerinnen des Projekts „Lohnteilen“ vorgemacht: Wer überdurchschnittlich viel verdient, zahlt das überdurchschnittlich Verdiente in eine gemeinsamen Topf ein, wer unterdurchschnittlich wenig verdient, erhält aus diesem Topf die Differenz zum Durchschnittslohn. Ein reines Hirngespinst? Eine Utopie? Eine Illusion? Eine Träumerei? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. „Ein neuer Gedanke“, sagte Arthur Schopenhauer, „wird zuerst verlacht, dann bekämpft, bis er nach längerer Zeit als selbstverständlich gilt.“