Der Supermarkt, wo Herr K. einkaufen geht, wurde kürzlich umgebaut. Gründlich, von A bis Z: Alle Regale wurden herausgerissen und durch neue ersetzt, die einzelnen Abteile umgebaut, das alte Dekorationsmaterial durch neues ersetzt, eine neue Beleuchtung eingebaut und anstelle der alten Kassen neue installiert. Fast eine Woche lang ein Riesenstress für das Personal, das gleichzeitig Tausende von Artikeln aus den alten Gestellen in die neuen umsortieren, Fehlendes nachfüllen und die Kassen bedienen musste. Zwischen den hin- und herstiebenden Angestellten fünf Männer in Anzug und Krawatte, welche laufend Anweisungen gaben, in welche Regale welche Produkte einzuordnen waren. Fünf Männer, die man in diesem Supermarkt noch nie gesehen hatte und wohl auch lange nicht mehr sehen würde, sitzen sie doch vermutlich für gewöhnlich auf den höheren Etagen des Unternehmens, dort, wo wahrscheinlich auch beschlossen worden war, dass sämtliche Filialen alle paar Jahre gänzlich umgebaut werden müssten, nicht etwa, weil das Material oder die Einrichtungen reparationsbedürftig geworden wären, sondern schlicht und einfach deshalb, weil auch die Konkurrenz alle paar Jahre ein solches „Facelifting“ vornehme und man es sich auf keinen Fall leisten könne, im Wettbewerb um die Kundschaft hintennach zu hinken. Als Herr K. den Trümmerhaufen an Tablaren, Metallgestellen, Abdeckplatten und Beleuchtungskörpern sah, der sich neben dem Eingang zum Supermarkt von Tag zu Tag weiter auftürmte, musste er unwillkürlich an die schönen Worte in den von seinem Supermarkt herausgegebenen Werbebroschüren denken, wo sich das Unternehmen vollmundig seiner einzigartigen Nachhaltigkeit rühmt. Doch nicht nur Regale, Dekorationsmaterial und Beleuchtungskörper werden fortgeworfen, sondern, noch viel schlimmer, auch die Menschen. Waren früher die Kassen, der Kiosk, die Blumenecke und die Fleischabteilung regelmässig personell besetzt, während andere mit dem Auffüllen der Gestelle beschäftigt waren, so wurde zwischenzeitlich eine Art „Springersystem“ eingeführt, bei dem die Angestellten stets dorthin beordert werden, wo gerade der grösste Bedarf besteht, Ruhepausen gibt es da keine mehr und eine kleinere Anzahl Angestellter muss ein Pensum bewältigen, das zuvor auf viel mehr Mitarbeitende verteilt gewesen war. Und noch etwas ist neu: Seit Kurzem dürfen Kundinnen und Kunden mittels einer eigens hierfür geschaffenen App das Personal bewerten und zwischen je eines bis maximal fünf Sternchen vergeben, je nachdem, wie zufrieden sie mit der Bedienung waren. Sternchen, die wie ein Damoklesschwert über den wenigen noch verbliebenen Angestellten schweben und wahrscheinlich auch früher oder später wieder bei den fünf Herren in Anzug und Krawatte auf den höheren Etagen des Unternehmens landen, damit denen nur ja nicht die Arbeit ausgeht. Schöne neue Welt…