In dunklen und wirren Zeiten die Hoffnung nicht verlieren: „Vielleicht wird ja nicht alles schlimmer, sondern besser.“

Sterben bei einem russischen Drohnenangriff zwei ukrainische Kinder, wird garantiert augenblicklich in fast allen westlichen Medien ausführlichst darüber berichtet, meist verbunden mit dem Hinweis darauf, dass nur ein so abgrundtief böser Mensch wie der russische Präsident Putin so gewissenlos sein könne, solche „Kriegsverbrechen“ anzuordnen. Sterben zur gleichen Zeit im Gazastreifen infolge eines israelischen Luftangriffs hundert oder hundertfünfzig palästinensische Kinder, sucht man eine vergleichbare Berichterstattung vergebens. Und findet man nach langem Suchen dennoch irgendwo am Rande einer Zeitungsseite einen winzigen Hinweis darauf, dann wird dort kaum je zu lesen sein, dass nur ein so abgrundtief böser und gewissenloser Mensch wie der israelische Premierminister Netanyahu fähig sein könne, für solche Verbrechen die Hauptverantwortung zu tragen.

Rational erklären lässt sich das nicht. Die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die dortige Zivilbevölkerung seit dem Februar 2022 lassen sich nicht im Allerentferntesten vergleichen mit der Zerstörungswut und dem menschlichen Elend, das Netanyahu im Gazastreifen innerhalb von eineinhalb Jahren angerichtet hat. An dieser Stelle irgendwelche Vergleichszahlen anführen zu wollen, wäre völlig müssig, jedes Kind kennt sie, sie übersteigen jegliches einigermassen humane Vorstellungsvermögen um ein Vielfaches. Dennoch ist der eine, Putin, aus der Sicht des Westens einer der schlimmsten Kriegsverbrecher, den man so schnell wie nur irgend möglich für immer hinter Gittern sehen möchte. Während der andere, Netanyahu, von den gleichen westlichen Regierungen mit allen Ehren empfangen wird, ihm rote Teppiche ausgerollt werden, ihm unter dem Blitzlichtgewitter Dutzender Journalisten minutenlang die Hand geschüttelt und ihm ganz offiziell dafür gedankt wird, sich unerschütterlich von seiner an „demokratischen Werten“ orientierten Regierungspolitik durch niemanden und durch nichts abbringen zu lassen.

Dass es bei alledem um nichts anderes geht als um nackte westlich-kapitalistisch-imperialistische Machtpolitik, die mit „Demokratie“ und „Menschenrechten“ nicht das Geringste zu tun hat – um dies zu erkennen, braucht es weder viel Intelligenz, noch viel Phantasie. Es müsste also, rein theoretisch, die Möglichkeit bestehen, die ganze Scheinheiligkeit und Unehrlichkeit der westlichen Machtpolitik zu entlarven und breiteste Bevölkerungsschichten dazu zu bringen, sich gegen deren Vorherrschaft aufzulehnen und sie zu Fall zu bringen, besteht doch ansonsten, wenn man sie weiterhin gewähren lässt, in letzter Konsequenz die allergrösste Gefahr eines dritten Weltkriegs, der dann, wie Bertolt Brecht dereinst so treffend schrieb, nicht nur den goldenen Wagen, auf dem die Reichen sitzen, sondern auch die den Wagen ziehenden „schwitzenden Zugtiere mit in den Abgrund reissen“ würde.

Trotz alledem scheint ein solcher Volksaufstand zurzeit noch in weiter Ferne zu liegen. Ganz im Gegenteil neigen die Menschen in den westlichen Ländern mehrheitlich immer noch dazu – und sei es nur durch ihr Schweigen und ihre Passivität -, die Politik jener mitzutragen, von denen sie täglich ausgebeutet, instrumentalisiert und über den Tisch gezogen werden. Dies deutet darauf hin, dass es etwas anderes geben muss, was stärker ist als alle Intelligenz, alle Vernunft und aller gesunde Menschenverstand. Dieses Stärkere muss so tief im Denken und Fühlen der Menschen verankert sein, dass es zum Vornherein ihre Meinungen, ihre Einstellungen, ihre Denkweise und ihr Handeln dermassen systematisch und allumfassend auf einen einzigen gangbaren Weg reduziert, dass ihnen der Zugang zu grundsätzlich anderen, davon abweichenden Wegen offensichtlich gar nicht mehr denkbar erscheint.

Was aber könnte dieses „Andere“ sein? Eine mögliche Antwort auf diese Frage erschliesst sich auf höchst erschreckende und zugleich erhellende Weise, wenn wir Aussagen westlicher und europäischer Politiker in Bezug auf das russische und das palästinensische Volk miteinander vergleichen: In Bezug auf beide Volksgruppen ist nämlich Immer wieder die Rede von „Tieren“, „Hunden“ oder anderen „nichtmenschlichen“ Kreaturen. So etwa sagte Yoaw Gallant, bis 2024 israelischer Verteidigungsminister: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend.“ Ähnliche Aussagen sind auch immer wieder von anderen israelischen Spitzenpolitikern zu hören, so etwa von Ezra Yachim, einem bekannten Armeeveteranen, der zur „Vernichtung aller Palästinenserinnen und Palästinenser“ und zur „Auslöschung sämtlicher Erinnerungen an dieses Volk“ aufrief, denn „diese Tiere dürfen nicht länger leben.“ Das Bild einer „höherwertigen“ jüdischen Kultur und Zivilisation gegenüber einem „minderwertigen“ Volk von Tieren, Barbaren oder rückständigen „Wilden“ zieht sich durch alles hindurch und gipfelt in der Aussage Netanyahus, die Juden seien das „Volk des Lichts“ und die Palästinenser das „Volk der Finsternis“ – von hier ist es nur ein winziger Schritt bis hin zur Schlussfolgerung, dass es sozusagen der göttliche Auftrag dieses „Volks des Lichtes“ sei, das „Volk der Finsternis“ für immer auszulöschen, und zwar so gründlich, dass, wie es der Likud-Abgeordnete Moshe Feiglin forderte, „nicht ein einziges Kind in Gaza übrig bleiben“ dürfe und „sämtliche Babys bereits möglichst früh nach der Geburt getötet werden müssen“.

Fast identisch tönt es, wenn sich westliche Politiker über das russische Volk äussern, wenn auch oft nur hinter vorgehaltener Hand, möchte man doch nicht des blanken Rassismus bezichtigt werden. Aber, stets ein wenig verschnörkelt und abgemildert, ist es im Grunde dennoch nichts anderes als blanker Rassismus, wenn Bilder von Russen als Horden von Vergewaltigern und potenziellen Mördern an die Wand gemalt werden, die gesamte, vom Westen mitverantwortete Vorgeschichte des Ukrainekriegs systematisch ausgeklammert und der Öffentlichkeit vorenthalten wird, oder wenn über friedliche und unschuldige russische Sportlerinnen und Künstler gnadenlos Boykotte verhängt und tausendfach hoffnungsvolle Lebensträume zerstört werden und jedes von einer russischen Drohne getötete Kind mehr Empörung und mediale Wirkung erfährt als der gleichzeitige Tod von Hunderten durch israelische Bomben oder Raketen getötete Kinder im Gazastreifen.

Würden sich die westlichen Hardliner getrauen, ganz offen das auszusprechen, was sie tatsächlich denken, dann käme wohl etwa das heraus, was der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan in seinem Buch „Himmel über Charkiw“ geschrieben hat: „Brennt in der Hölle, ihr Schweine!“, schreibt er und meint damit die Russen, welche er dann im Folgenden zusätzlich auch noch als „Hunde“, „Verbrecher“, „Tiere“ und „Unrat“ bezeichnet, sowie als „Barbaren, die gekommen sind, um unsere Geschichte, unsere Kultur und unsere Bildung zu vernichten.“ Dieses Buch hat Serhij Zhadan nicht etwa eine Anklage wegen Rassismus, Verleumdung oder Volksverhetzung eingebracht, sondern – man höre und staune – den Friedenspreis 2022 des Deutschen Buchhandels! Ob sich wohl Analena Baerbock, bis vor kurzem deutsche Aussenministerin und inzwischen zur Präsidentin für die 8. Sitzungsperiode der UNO-Generalversammlung gewählt, von Zhadans Buch inspirieren liess? Oder ob sie ganz von selber auf die glorreiche Idee gekommen ist, in einer ihrer letzten Reden als deutsches Regierungsmitglied den russischen Aussenminister Sergei Lawrov als „Hund“ zu bezeichnen, ausgerechnet ihn, einen der klügsten, erfahrensten und besonnensten Spitzenpolitiker in so wirren Zeiten.

Genau so, wie Netanyahu aus der Herabwürdigung und Verachtung des palästinensischen Volks den göttlichen Auftrag ableitet, dieses Volk von „Tieren“ auszulöschen, genau so leitet offensichtlich auch der sich als Inbegriff des „Guten“ verstehende „Wertewesten“ die Legitimation ab, Russland zu zerschlagen. Absurder und widersprüchlicher geht es nicht: Die westlichen Regierungen schüren in der Bevölkerung – ohne hierfür auch nur über die geringsten konkreten Beweise zu verfügen – mithilfe einer nunmehr fast gänzlich durchgepaukten Gleichschaltung der Medien zunehmend die Angst vor einem baldigen Angriff Russlands gegen den Westen. Tatsächlich aber sind sie es selber, die gegenüber Russland eine extrem aggressive und bedrohliche Position einnehmen und – angeblich zu „Verteidigungszwecken“ – eine militärische Aufrüstung in historisch nie dagewesenem Ausmass vorantreiben, obwohl die NATO jetzt schon rund zehn Mal mehr Geld für ihre Streitkräfte ausgibt als Russland.

Wer bedroht eigentlich wen? Wird geheimhin Russland als „böser und gefährlicher Aggressor“ hingestellt, der nicht nur Europa, sondern möglicherweise die gesamte Welt mit seinem imperialistischen Machtgehabe bedrohe, kommt man schnell zu einem gänzlich anderen Bild, wenn man sich die Aussagen namhafter westlicher Politikerinnen und Politiker im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte etwas genauer anschaut: „Um Amerikas Vormachtstellung in Eurasien zu sichern“, so der frühere US-Sicherheitsberater Zbignew Brzezinski, „braucht es die NATO-Osterweiterung. Eurasien ist das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.“ Ebenfalls von Brzensinski stammt diese Aussage: „Die neue Weltordnung wird gegen Russland errichtet, auf den Ruinen Russlands und auf Kosten Russlands.“ Madeleine Albright, frühere US-Aussenministerin, befand bereits vor über 20 Jahren: „Russlands Bodenschätze sind zu gewaltig, als dass sie den Russen allein gehören dürfen.“ Auch für Ben Hodges, den ehemaligen Befehlshaber der US-Armee in Europa, ist klar: „Ziel der USA muss Russlands Spaltung und Zerfall sein.“ Und genau gleich tönt es von Paul Wolfowitz, dem ehemaligen US-Unterstaatssekretär und persönlichen Berater von Präsident George W. Bush: „Die USA müssen in jeder Region der Welt die militärische Vormachtstellung innehaben und den aufstrebenden regionalen Mächten entgegentreten, die eines Tages die globale oder regionale Vorherrschaft der USA herausfordern könnten, vor allem Russland und China. Zu diesem Zweck sollte das US-Militär in Hunderten von Militärstützpunkten auf der ganzen Welt in Stellung gebracht werden und die USA sollten darauf vorbereitet sein, bei Bedarf Kriege nach Wahl zu führen. “ Was die Ukraine, das angeblich unschuldige Opfer der russischen Kriegsmaschinerie, betrifft, so erfahren wir vom früheren US-Sicherheitsberater Douglas McGregor Folgendes: „Denken Sie daran, wir haben acht Jahre damit verbracht, diese Armee in der Ukraine zu dem einzigen Zweck aufzubauen, um Russland anzugreifen. Dafür wurde sie entwickelt. Deshalb haben die Russen sie angegriffen.“ Nicht anders Jens Stoltenberg, der ehemalige NATO-Generalsekretär: „Seit 2014 haben wir die Ukraine massiv mit Waffen versorgt. Das ist natürlich eine sehr bewusste, starke Provokation. Es war uns bewusst, uns in einen Bereich einzumischen, den jeder russische Führer als untragbar ansehen muss. Mit einem Bruchteil des amerikanischen Verteidigungsbudgets konnten wir die russische Armee erheblich beschädigen und degradieren. Und deshalb sollten wir damit auch weitermachen.“ Und auch die neuesten Aussagen deutscher Spitzenpolitiker sprechen genau die gleiche Sprache. „Ich hätte nicht gedacht“, so Sigmar Gabriel, ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD und früherer deutscher Vizekanzler, „das einmal sagen zu müssen: Aber wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben.“ Der CDU-Politiker Roderick Kiesewetter fordert: „Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, damit die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände.“ Auch für Johann Wadephul, den neuen deutschen Aussenminister, ist klar: „Russland wird immer ein Feind für uns bleiben.“ Und selbst der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz erkennt keinerlei Nutzen in möglichen Friedensverhandlungen, denn: „Kriege enden nur mit militärischer Erschöpfung.“

Eine derart aggressive Kriegspolitik müsste, rational betrachtet, unüberhörbares Entsetzen und eine nie dagewesene Empörung in all jenen europäischen Ländern auslösen, wo die Menschen jetzt schon bald mittels höherer Steuern, eingeschränkter Sozialleistungen, reduzierter Renten, Sparmassnahmen bei den öffentlichen Diensten und Infrastrukturen und weiteren schmerzlichen Einschnitten bei der sozialen Sicherheit auf Generationen hinaus nur deshalb so viele Opfer erbringen werden müssen, weil ihre Regierungen zurzeit einer friedlichen Konfliktlösung nicht die geringste Chance geben, sondern alles auf die Karte Krieg setzen, und sei es nur, um sich gegen einen möglichen durch ihre eigene Aggressionspolitik provozierten Militärschlag Russlands zu „verteidigen“. Etwas so zutiefst Irrationales ist nur möglich, wenn etwas anderes stärker ist als jede Vernunft: Und genau das eben ist die systematische menschliche Herabwürdigung des potenziellen „Gegners“, bis auch dem Hinterletzten klar ist: Die Welt kann nur gerettet werden, wenn man sich dieser „gefährlichen“, „brutalen“, „primitiven“ und mehr Tieren als Menschen gleichenden Völker so rasch und gründlich wie möglich für immer entledigt, seien es nun die Russen oder die Palästinenser oder irgend ein anderes „minderwertig“ Volk von „Hunden“, das früher oder später noch aufzufinden sein wird. Es ist exakt die gleiche Taktik, die bereits Hitler so erfolgreich angewendet hatte, indem er in Bezug auf die Völker des Ostens nie von etwas anderem sprach als von „Untermenschen“, „Unrat“, „Ungeziefer“, die Juden als „Judenschweine“ bezeichnete und durch diese systematische Entmenschlichung der zukünftigen Opfer den Boden dafür vorbereitete, dass deutsche Soldaten, Angehörige eines hoch gebildeten und kulturell hochstehenden europäischen Volks, scheinbar ohne schlechtes Gewissen in einen Krieg ziehen konnten gegen Menschen, die aus der Sichtweise eben dieses „Kulturvolks“ gar keine wirklichen Menschen waren. So gesehen muss man zum Schluss gelangen, dass sich, so „extrem“ diese Behauptung auf den ersten Blick auch erscheinen mag, die meisten derzeitigen westlichen Regierungen, inklusive die Schweiz, ganz schön brav auf den Spuren Hitlers und dessen nationalsozialistischen Gedankenguts bewegen, gleichzeitig selber aber keine Mühe scheuen, im Sinne einer Projektions- und Ablenkungsstrategie ihre politischen Gegner als „Nazis“ zu diffamieren und sich auf diese Weise ihre eigene Weste sauber zu halten.

Die Entmenschlichung ist der Schlüsselpunkt. Man kann keine Kriege führen, ohne zuvor die potenziellen Opfer systematisch entmenschlicht zu haben. Denn der Mensch ist in seinem Innersten zu gut, als dass er gegen andere Menschen kämpfen oder sie töten möchte, das haben zahllose Experimente und Studien eindeutig bewiesen. Der Mensch ist von Natur aus ein friedfertiges Wesen. Will man Krieg, muss man ihn zur „Kriegstüchtigkeit“ systematisch erziehen. Das einfachste Mittel zu einer solchen Umerziehung besteht darin, den Menschen einzubläuen, dass sie nicht gegen andere Menschen kämpfen werden, sondern gegen Tiere, Hunde, Ratten, Kakerlaken, Ungeziefer, Unrat. Dann sind alle Hemmschwellen weg und es kann so richtig losgehen – jetzt gerade live zu verfolgen, wenn sich israelische Soldaten auf ihren Videobotschaften grölend, derbste Witze reissend, sich die Schenkel klopfend und sich gegenseitig zuprostend präsentieren, während im Hintergrund die Häuser von palästinensischen Dörfern brennen. Die Entmenschlichung der Opfer geht Hand in Hand mit der Entmenschlichung der Täter…

Das ist nichts Neues. Stets war die Entmenschlichung der erste entscheidende Schritt zur Verwirklichung der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Angefangen mit der von den europäischen Kolonialmächten sogar angeblich „wissenschaftlich“ bewiesenen These, bei der indigenen Urbevölkerung Amerikas handle es sich nicht um wirkliche Menschen, sondern eher um eine Art von Tieren, bei denen, wie es der angesehene französische Graf Buffon im ersten Jahrhundert der Kolonialisierung Amerikas durch Spanien, Portugal, England und Frankreich formulierte, „keinerlei Anzeichen von Seele“ festzustellen sei. Auch der berühmte französische Philosoph Montesquieu sprach im Zusammenhang mit den Indios von „degradierten“ Menschen. Selbst der als einer der grössten Denker in die Geschichte der westlichen Wertewelt eingegangene deutsche Philosoph Friedrich Hegel unterstellte den Indios „körperliche und geistige Impotenz“. Auch für Thomas Jefferson, US-Präsident von 1801 bis 1809, stand fest, dass die indigene Urbevölkerung Nordamerikas „auf einer früheren Stufe der Menschheitsentwicklung stehen geblieben“ sei und erst der europäische Mensch „die höchste Stufe dieser Entwicklung erreicht“ hätte. US-Aussenminister Henry Clay sagte im Jahre 1826, „vollblütige Indianer“ seien „von Natur aus minderwertig“ und ihr „Verschwinden aus der menschlichen Familie“ wäre „kein grosser Verlust für die Menschheit“.

Nicht anders erging es den afrikanischen Ureinwohnerinnen und Ureinwohnern. Auch sie wurden nicht als eigentliche Menschen betrachtet, sondern im besten Falle als Arbeitstiere auf den Plantagen und in den Bergwerken der europäischen Kolonisten in Nord- und Südamerika, wo sie so gnadenlos ausgebeutet wurden, dass die meisten von ihnen schon nach wenigen Jahren durch Erschöpfung starben, oder aber, wenn nicht durch Zwangsarbeit, dann durch grausamste Folterungen bis zum Tod wegen geringsten Ungehorsams oder anderer klitzekleiner Vergehen. Alle diese an der amerikanischen und afrikanischen Urbevölkerung während rund 500 Jahren begangenen Verbrechen stiessen nur deshalb nicht einmal bei europäischen Rechtsgelehrten, Schriftstellern und Philosophen auf grösseren Widerstand, weil „Wissenschaftler“ aufgrund medizinischer Untersuchungen zum Schluss gekommen waren, das Gehirn nichtweisser Menschen sei gegenüber jenem der weissen Menschen dermassen klein und unterentwickelt, dass man die beiden Volksgruppen gar nicht der gleichen Kategorie Lebewesen zuordnen könne.

Die Geschichte der Entmenschlichungen im Laufe der Jahrhunderte ist endlos und würde zahllose Bibliotheken füllen, die aus allen Nähten platzen würden. Es soll, stellvertretend für Abertausende andere Fälle, nur kurz an zwei paar besonders krasse Beispiele erinnert werden: Etwa an das von US-amerikanischen Bomberpiloten mit „Entenjagden“ verglichene Niedermähen von Vietcongkämpfern im Vietnamkrieg oder von Heerscharen fliehender irakischer Soldaten im Krieg von 2003. Oder an die Foltermethoden im US-Gefangenenlager von Abu Greib, wo gefangene Irakis, von denen sich die allermeisten nicht des geringsten Vergehens schuldig gemacht hatten und bis heute nie rechtmässig verurteilt worden sind, gezwungen wurden, zum Ergötzen der zuschauenden US-Soldaten gefesselt und nur mit Windeln bekleidet wie Hunde am Boden herumzukriechen – hatte man diese Menschen bereits vor ihrer Festnahme zu Tieren degradiert, war es nur logisch, sie nun auch in der Gefangenschaft als Tiere zu behandeln, ganz so, wie es der frühere israelische Verteidigungsminister Gallant gesagt hat: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend.“

Auch eines der allergrössten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit, nämlich die Machtergreifung der Männer gegen die Frauen, die weltweite Errichtung des bis zur Stunde mit allem nur erdenklichen Leiden verbundenen Patriarchats, beruht letztlich auf nichts anderem als auf Entmenschlichung. Schon der im 4. Jahrhundert vor Christus lebende griechische Philosoph Aristoteles definierte Frauen als „unvollkommene Männer“. Über Jahrtausende hinweg wurde gepredigt, Frauen seien weniger wert als Männer und deshalb dazu bestimmt, sich dem Willen der Männer unterzuordnen. Auch reiche ihre Intelligenz nicht dazu aus, sich politisch zu betätigen oder in irgendeiner anderen Weise am öffentlichen Leben teilzunehmen – ein Dogma, das selbst in einem so „fortschrittlichen“ und „aufgeklärten“ Land wie der Schweiz zur Folge hatte, dass Frauen erst im Jahre 1971 (!) das politische Stimm- und Wahlrecht zugesprochen wurde.

Seinen wohl grausamsten Höhepunkt erreichte die Entmenschlichung der Frauen und die Errichtung des Patriarchats in den sogenannten „Hexenprozessen“, denen allein zwischen 1550 und 1650 rund 50’000 Frauen auf bestialischste Weise, meist nach wochen- oder monatelanger Folterung und der anschliessenden Verbrennung auf dem Scheiterhaufen, zum Opfer fielen, und dies mitten in Europa zu einer Zeit, die in den Geschichtsbüchern bis heute als „Aufbruch in ein neues Zeitalter“ und „Beginn der Moderne“ gefeiert wird. Die Verfolgung und Vernichtung der sogenannten „Hexen“, deren einziges „Verbrechen“ darin bestand, besonders starke und mutige Frauen zu sein, zeigt auf ganz besonders drastische Weise einen zweiten Aspekt der Entmenschlichung, der über die Jahrhunderte hinweg neben der Herabwürdigung ganzer Volksgruppen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion oder ethnischen Herkunft eine mindestens so wichtige Rolle spielte: Die Zuschreibung des sogenannten „Bösen“. Frauen, und insbesondere starke und emanzipierte Frauen, waren aus Sicht des patriarchalen Machtsystems nicht nur, im Vergleich zum Mann, „minderwertige“ Geschöpfe, sondern zugleich auch der Inbegriff des „Teuflischen“, direkt mit Satan Verbündete, die nicht nur über die gefährliche und zerstörerische Gabe verfügten, mit ihren weiblichen Reizen Männer zu verführen und zu Ehebruch anzustiften, sondern auch unheimliche magische Kräfte besassen, um beispielsweise kleine Kinder oder die Kühe im Stall zu vergiften oder gar Blitze, Unwetter, Überschwemmungen, Brände oder andere Katastrophen herbeizuzaubern.

Und jetzt ist es perfekt. Denn wenn die Entmenschlichung in Form von blankem Rassismus und der Herabwürdigung ganzer Volks- und Menschengruppen noch nicht genug wirkungsvoll ist, um ihre Vernichtung zu rechtfertigen, dann wird wohl die Zuschreibung des „Bösen“ auch noch die letzten Zweifel aus dem Weg schaffen. Ja, „Minderwertiges“, „Unrat“, „Ungeziefer“ muss vernichtet werden, aber das „Böse“ erst recht, da steht ja schon in den heiligen Schriften und ist Pflicht jedes „guten“ Menschen, wenn er nicht selber zum Komplizen des Bösen werden will.

Und so wurden sie dann alle erfunden, über die Jahrhunderte hinweg, alle diese Märchen von den „Guten“ und von den „Bösen“, und dass das „Gute“ das „Böse“ vernichten müsse und dass das „Gute“ am Ende immer über das „Böse“ siegen werde. Das Märchen von jüdischen Ärzten in Deutschland, die unter ihren Glaubensgenossen Giftmischungen verteilt hätten, mit denen das Trinkwasser verseucht worden sei, was zum Ausbruch der grossen Pestepidemie zwischen 1347 und 1350 geführt hätte – als Rechtfertigung für die erste grosse Judenverfolgung und das Verbrennen der angeblichen „Giftmischer“ auf öffentlichen Plätzen. Das Märchen von den afrikanischen Kannibalen, die ihre eigenen Kinder aufessen – als Rechtfertigung für die Weissen, im Zuge der Eroberung und Kolonialisierung Afrikas gegenüber der dortigen Bevölkerung ebenso grausam vorzugehen wie diese angeblich gegenüber ihren eigenen Artgenossen, wohingegen längst erwiesen ist, dass „Kannibalismus“ in der Geschichte der Menschheit bis heute nur in ganz seltenen Fällen in Form des Verzehrs von Leichenteilen zu medizinischen Zwecken vorgekommen ist, und zwar nicht nur in Afrika, sondern weltweit, nicht zuletzt auch bei den Vorfahren der heutigen Europäer. Das frei erfundene Märchen eines angeblichen Angriffs nordvietnamesischer Schnellboote auf zwei US-Kriegsschiffe im Golf von Tonkin am 2. und 4. August 1964 – als Rechtfertigung für den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg mit insgesamt über vier Millionen Todesopfern, zur Hauptsache Zivilpersonen. Das ebenfalls reiner Phantasie entsprungene und jeglicher Realität entbehrende Märchen, wonach irakische Soldaten bei der Invasion Kuweits im August 1990 Frühgeborene aus ihren Brutkästen gerissen und auf dem Boden hätten sterben lassen – als Rechtfertigung für das militärische Eingreifen der USA in den Grenzkonflikt zwischen Kuweit und dem Irak. Die ebenfalls von der US-Administration frei erfundene und bis heute nicht bewiesene Behauptung, Osama bin Laden sei der Hauptdrahtzieher hinter den Anschlägen auf das WTC-Center vom 11. September 2001 gewesen – als Rechtfertigung für die ein ganzes Land in den Abgrund stürzende US-Invasion in Afghanistan, wo sich bin Laden angeblich versteckt gehalten hätte. Das von der gleichen US-Administration nur zwei Jahre später gegenüber der Weltöffentlichkeit als – wie man heute weiss – reine Lüge aufgetischte „Beweismaterial“ für die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen durch den irakischen Diktator Saddam Hussein – als Rechtfertigung für einen zweiten grossen Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak, mit insgesamt rund einer weiteren Million von Todesopfern und Millionen von Schwerverletzten. Das Märchen von den Hamaskämpfern, die beim Überfall auf grenznahe jüdische Siedlungen anfangs Oktober 2023 Babys bei lebendigem Leib die Köpfe abgeschlagen hätten, ohne dass dies jemals hatte bewiesen werden können – als Rechtfertigung dafür, dass die israelische Armee innerhalb der folgenden eineinhalb Jahr bereits rund 70’000 Menschen, etwa ein Drittel davon Kinder, im Gazastreifen ermordet hat. Das vor wenigen Wochen erneut aufgewärmte Märchen von der Entwicklung einer iranischen Atombombe – als Rechtfertigung für die Bombardierung weiter Teile des Landes durch die Luftwaffe ausgerechnet jenes Staates Israel, der selber seit Jahrzehnten über mindestens 200 Atombomben verfügt, im Bunde mit den USA, wohl nicht so sehr, um das angebliche iranische „Atomwaffenprogramm“ zu vernichten, als vielmehr zu dem einzigen und alleinigen Zweck, die militärische Vorherrschaft des Westens im Nahen Osten auf Dauer zu sichern und zu festigen, das, was der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz als „Drecksarbeit“ bezeichnete, und weswegen er sich gegenüber Israel so dankbar zeigte, weil dieser Staat einen Job erfülle, den eigentlich die ganze westliche Welt erfüllen müsste, die Zeit dafür aber offensichtlich noch nicht ganz reif sei.

Dazu all die hartnäckig aufrechterhaltenen Märchen, Lügen und künstlich aufgebauten Feindbilder, wonach jeder Moslem ein potenzieller „Terrorist“ sei, Menschen aus „weniger entwickelten Ländern“ im Gegensatz zu anderen „bildungsfern“ oder „kulturlos“ seien und Flüchtlinge sowie ganz generell „Ausländerinnen“ und „Ausländer“ grundsätzlich „kriminell“ seien – man beachte, dass es analog zum Begriff der „Ausländerkriminalität“ keinen entsprechenden Begriff der „Inländerkriminalität“ gibt und auch das Wort „Männergewalt“ in den Medien höchst selten anzutreffen ist, obwohl der Anteil von Gewalttaten, die von Männern begangen werden, im Vergleich zu von Frauen begangenen Gewalttaten um ein Vielfaches höher ist als der Anteil der von „ausländischen“ Personen begangenen Gewalttaten im Vergleich zu den von Einheimischen begangenen Gewalttaten.

Besonders aufschlussreich ist auch der unter anderen vom früheren US-Präsident benutzte Begriff des „Reichs des Bösen“ in Bezug auf die Sowjetunion. Sah Reagan das „Böse“ insbesondere in der Ideologie des Kommunismus als Bedrohung des Kapitalismus, so hätte eigentlich logischerweise mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dem Amtsantritt Putins und dessen Angebot einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstruktur ein neues Zeitalter in der Beziehung zu einem neuen, nicht mehr kommunistisch, sondern sogar geradezu überbordend kapitalistisch ausgerichteten Russland erfolgen müssen. Tatsächlich aber gilt Russland nach wie vor in der Rhetorik der führenden westlichen Politiker als ein „Reich des Bösen“, woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass es auch zu Zeiten Reagans und der Sowjetunion aus der Sicht des Westens augenscheinlich nicht so sehr um die Systemkonkurrenz zwischen Kommunismus und Kapitalismus ging, sondern viel mehr um diese dumpfe, unbewusste, rassistische Glorifizierung der „höherwertigen“ eigenen Kultur gegenüber „minderwertigeren“ Kulturen des Ostens oder des Südens. Besser als die „Sicherheitsexpertin“ Florence Gaub, von ihren Bewunderern auch „wunderbare wissenschaftliche Diva“ genannt, kann man diese Haltung nicht auf den Punkt bringen. Florence Gaub nämlich sagte im Rahmen einer Diskussionssendung auf ZDF anfangs April 2022 Folgendes: „Wir dürfen nicht vergessen, dass Russen, obwohl sie europäisch aussehen, keine Europäer im wahrsten Sinne des Wortes sind. Sie behandeln das Leben nämlich nicht als modernes liberales postmodernes Projekt.“

Dass sich der Westen nicht zu schade ist, immer dann, wenn es um die Diffamierung Russlands geht, selbst mit Rassisten übelster Sorte gemeinsame Sache zu machen, zeigt das Beispiel von Alexei Nawalny, der von den westlichen Regierungen während langer Zeit zu dem Verfechter von Demokratie und Menschenrechten im Kampf gegen das Regime Putins hochgejubelt und im Jahre 2021 sogar mit dem EU-Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Dass der gleiche Nawalny gegenüber ethnischen Minderheiten innerhalb Russlands eine extrem rassistische Haltung einnahm, Tiflis als „Hauptstadt der Nagetiere“ bezeichnete, welche „mit Marschflugkörpern zerstört werden“ müsste, und der „nordkaukasischen Gesellschaft“ zum Vorwurf machte, sie hätten „den Wunsch, wie Vieh zu leben“, weshalb man „nicht normal mit diesen Völkern koexistieren“ könne und man diese und auch „alles andere, was uns stört, unbeirrt per Deportation entfernen“ müsse, schien offensichtlich die von Russophobie angetriebenen Eliten des Westens nicht weiter zu stören, auch nicht, dass Nawalny wegen seiner rassistischen Äusserungen aus der demokratisch-oppositionellen Jabloko-Partei ausgeschlossen und ihm selbst von Amnesty International der Status eines politisch Verfolgten aberkannt worden war. Dass die Wahrheit nicht ans Licht kommen darf, habe ich selber ganz direkt erfahren, indem kein einziger meiner Leserbriefe, in der ich auf diese Doppelrolle Nawalnys hinzuweisen versuchte, jemals von irgendeiner der grösseren Schweizer Tageszeitungen veröffentlicht wurde und ich auf mehrere Nachfragen, ob es nicht im Interesse demokratischer Meinungsbildung liegen müsste, nicht nur halbe, sondern ganze Wahrheiten offenzulegen, bis heute nie eine Antwort bekommen habe.

Die Zuschreibung des Bösen an andere und der systematische Aufbau von negativ besetzten Feindbildern dient nicht nur der Verunglimpfung des potenziellen aktuellen oder zukünftigen Opfers eigener Machtpolitik, sondern gleichzeitig auch dazu, permanent von den eigenen Missetaten und Verbrechen abzulenken. Im Gegensatz zu all den Märchen, Lügen und anderen erfundenen Geschichten über „nichtweisse“ oder „nichteuropäische“ Unmenschen, sind in Tat und Wahrheit die allerschlimmsten und grausamsten Verbrechen ausgerechnet von Trägern jener „Kultur“ begangen worden, die sich selber bei jeder Gelegenheit als etwas scheinbar „Höherwertiges“ definiert. Von der Behandlung irakischer Gefangener im US-Gefängnis von Abu Greib und von den jegliches menschliches Vorstellungsvermögen sprengenden Grausamkeiten, die an den sogenannten „Hexen“ begangen wurden, war schon die Rede. Zahllose weitere ähnliche Geschichten könnte man erzählen, sie würden endlose Bibliotheken füllen. An dieser Stelle nur zwei weitere, besonders drastische Beispiele, auch sie nicht aus der Kategorie der Phantasie und der Märchen, sondern einwandfrei historisch belegt. So etwa praktizierten die Sklavenhalter auf den Kaffeeplantagen Haitis noch im 19. Jahrhundert ein besonders bestialisches „Spiel“: Sie machten sich einen Spass daraus, widerspenstigen Sklaven Schwarzpulver in den After zu pressen und dieses dann zu entzünden, was sie „einen Neger hüpfen lassen“ nannten. Das zweite Beispiel betrifft das Terrorregime der Belgier im Kongo, wo auf Befehl des belgischen Königs noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts jeweils am Ende des Arbeitstags jenen Arbeitern, welche das geforderte Tagessoll an gesammeltem Kautschuk nicht erfüllt hatten, die Hände abgehackt wurden.

Gemäss der allgemein verbreiteten Ansicht, bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der von den europäischen Seefahrern und Kolonisten „entdeckten“ Länder handle es sich nicht um eigentliche Menschen, sondern eher um eine Art von Tieren, wurden auch deren Lebensgebiete durch keinen Geringeren als den Papst als höchster Instanz für „Recht“ und „Moral“ zu sogenannter „Terra nullius“ erklärt, „Niemandsland“ also, das niemandem gehörte und von den europäischen Eindringlingen ganz offiziell zu deren eigenem Staatsgebiet erklärt werden durfte. Wie sehr sich solche Denkvorstellungen über die Jahrhunderte bis in unsere Gegenwart weitergerettet haben, zeigte sich auf schockierende Weise im Februar 2025, als US-Präsident Trump allen Ernstes vorschlug, die gesamte palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen wegzuschaffen, um dort die schönste und luxuriöseste Feriendestination aller Zeiten in Form einer „Riviera“ für die Reichsten der Reichen zu bauen. Die Idee der „Terra nullius“, dass die Palästinenser, die es offiziell ja gar nicht gibt und sowieso eher Tiere als Menschen sind, kein Anrecht auf einen eigenen Staat haben sollen und nicht einmal darauf , dort zu leben, wo sie geboren wurden und aufgewachsen sind, scheint noch immer so aktuell zu sein wie zur Zeit der Kolonialisierung Amerikas, Afrikas und Südostasiens, sonst wäre der Aufschrei gegen diesen Plan in den westlichen Medien nicht dermassen zaghaft ausgefallen. Ganz im Gegenteil: Die schweizerische „Sonntagszeitung“ widmete sogar ganze zwei Seiten einem Interview mit dem niederländisch-jüdischen Schriftsteller Leo de Winter, welcher 2002 mit dem „Weltliteraturpreis“ ausgezeichnet wurde. In diesem Interview schwärmt Leo de Winter von Donald Trump als einem „Dichter“, der sogar „neue Wörter“ kreiere, in dessen „ganz grossen Träumen“ es „keine Grenzen“ mehr gäbe und der „höchst intelligent“ sei. Auf den Ruinen der zerstörten palästinensischen Wohnhäuser die „besten, schönsten und grössten Hotels, die es je auf der Welt gegeben hat“, zu bauen, findet Leo de Winter einen „schönen Gedanken“. Und dem Vorschlag Trumps, die verbliebenen Palästinenserinnen und Palästinenser nach Indonesien zu verfrachten, wo es noch „Tausende sehr schöne,  unbewohnte Inseln“ gäbe, würde er sich ebenfalls vorbehaltlos anschliessen. Dieses Interview stand einfach so Wort für Wort im grössten Schweizer Sonntagsblatt, ohne jeglichen kritischen Kommentar seitens der Redaktion. Es ist an Widersprüchlichkeit wohl kaum zu übertreffen, dass auf der einen Seite in jedem einigermassen seriösen Schulbuch kein guter Faden gelassen wird an der um 1500 vom Papst erlassenen Doktrin der „Terra nullius“, mehr als 500 Jahre später offensichtlich in breiten Kreisen westlicher „Eliten“ kaum Anstoss daran genommen wird, dass die Phantasien Trumps nichts anderes sind als eine Wiedererweckung genau dieser gänzlich menschenverachtenden Ideologie.

An dieser Stelle kommen wir nicht umhin, schliesslich auch noch die ganz grundsätzliche Frage aufzuwerfen, auf was für einem Weltbild denn eigentlich die „Logik“ beruht, dass man Menschen, wenn man sie zu „Hunden“, „Enten“ oder „Kakerlaken“ degradiert, einfacher, schneller, leichter und mit weniger schlechtem Gewissen sollte töten dürfen, als wenn es sich um „richtige“ Menschen handeln würde. Es spricht daraus nicht nur eine abgrundtiefe Verachtung und Entwürdigung der betroffenen Volksgruppen, sondern zugleich eine abgrundtiefe Verachtung und Entwürdigung der Schöpfung insgesamt, dürften doch Tiere, bloss weil sie von den „Herren der Schöpfung“ als etwas „Minderwertiges“ angeschaut werden, ebenso wenig sinnlosem Morden ausgeliefert werden wie Menschen. Was hier praktiziert wird, ist eine zutiefst respekt- und würdelose Normalisierung all dessen, was in Form von Tiertransporten unter katastrophalen Bedingungen, schmerzvollsten Tierexperimenten und Massentötungen in Tierfabriken bereits heute tagtäglich millionenfach mehr als zur Genüge erfolgt. Ein unfassbarer Rückfall in finsterste Vergangenheiten. Müsste doch, wenn sich die Menschheit nur ein ganz klein wenig in positiver Weise weiterentwickeln möchte, genau das Gegenteil stattfinden: Nicht die Entwertung von Menschen dadurch, dass man sie mit Tieren vergleicht. Sondern der Aufbau und die Heranbildung einer Haltung allumfassenden Respekts und tiefster Ehrfurcht vor all den Wundwerken der Schöpfung, mit denen wir – und an vorderster Stelle die westlich-kapitalistische „Wertewelt“ mit ihren Dogmen der Profitmaximierung um jeden Preis und eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums mit unabsehbaren Folgen auf zukünftige Generationen – bereits so viel Schaden angerichtet haben, dass immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kaum mehr daran glauben, dass sich dieser ganze Schaden überhaupt jemals noch rechtzeitig wieder gut machen lässt. „Der Tag wird kommen“, sagte Leonardo da Vinci, eines der grössten Universalgenies aller Zeiten, schon vor über 500 Jahren, „an dem das Töten eines Tiers genauso als Verbrechen betrachtet wird wie das Töten eines Menschen.“

Das Einzige, was uns weiterbringen würde, wäre, aus der Geschichte zu lernen. Tragischerweise ist zurzeit genau das Gegenteil der Fall: Im Gazastreifen findet unter den Augen der Weltöffentlichkeit, Tag und Nacht über sämtliche Medien im Sekundentakt live ins Haus geliefert, ein Völkermord statt, wie es ihn seit Jahrhunderten kaum mehr gegeben hat, und kein einziger der „Koryphäen“ unter den Politikern und Wortführern der westlichen „Wertewelt“ scheint über das minimalste Mass an Empathie zu verfügen, dieses Verbrechen angesichts seiner unbeschreiblichen Ausmasse an Zerstörungskraft in aller Deutlichkeit als das zu benennen und zu verurteilen, was es ist: Ein planmässiger Völkermord, in nichts weniger grausam und verbrecherischer als der von den Nationalsozialisten begangene Völkermord an Juden, Roma, Sinti und anderen ethnischen Minderheiten, von denen heute schon gar niemand mehr spricht. Gleichzeitig rufen fast alle europäischen Regierungen blindlings zu einer immer stärker sich selber potenzierenden und sich in Richtung Unendlichkeit bewegender „Kriegstüchtigkeit“ auf, als hätte es nie einen Zweiten Weltkrieg gegeben und als hätte niemals selbst ein CSU-Politiker wie Franz Josef Strauss, der spätere langjährige Ministerpräsident Bayerns, noch im Jahre 1949 eindringlich davor gewarnt, jemals wieder die gleichen Fehler zu begehen wie in der Vergangenheit, und dies mit folgenden Worten: „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“ Weshalb gehen die tiefsten Weisheiten, die kluge Menschen schon seit Hunderten von Jahren immer wieder kund getan haben, stets wieder vergessen, und weshalb holt man an deren Stelle aus der Mottenkiste der Vergangenheit ausgerechnet immer wieder all jene Lügen, Trugschlüsse und falschen Heilsversprechen hervor, die schon tausende Male versagt haben und tausende Male gescheitert sind?

Ja, weshalb? Der Grund dürfte, und damit komme ich zum Anfang dieses Artikels zurück, eben genau darin liegen, dass irgendetwas anderes stärker sein muss als alle Vernunft und jeglicher gesunde Menschenverstand: Die gezielte und planmässige Entmenschlichung und Zuschreibung des Bösen an jene Volksgruppen, die man in Zukunft ohne jegliches schlechte Gewissen diskriminieren, bekämpfen oder sogar liquidieren möchte. Wie subtil und nahezu unbemerkt von der grossen Mehrheit der Bevölkerung dies geschieht, hat sich gerade unlängst, nämlich Ende April 2025, wieder einmal gezeigt, als die Zahlen über die im Jahre 2024 schweizweit begangenen rassistischen Vorfälle veröffentlicht wurden. In diesem Jahr gab es in der Schweiz insgesamt 1211 registrierte Vorfälle von Rassismus. 66 davon betrafen Jüdinnen und Juden, die übrigen 1145 betrafen Schwarze sowie Muslime oder Personen aus dem arabischen Raum. Dennoch weigert sich der Bundesrat, der vor etwa einem halben Jahr auf Drängen der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats eine Vollzeitstelle für einen Antisemitismus-Beauftragten geschaffen hat, bis heute, analog dazu auch Stellen für Fachpersonen zu schaffen, welche für die Bekämpfung und Aufklärung von Rassismus gegen Schwarze, Moslems und Menschen aus dem arabischen Raum zuständig wären. Was für eine schreiende Ungerechtigkeit anhand dieser offen auf dem Tisch liegenden Zahlen. Aber es scheint eben diskriminierte Minderheiten zu geben, die eine sehr starke Lobby haben bis hin zu den die öffentliche Meinung nachhaltig prägenden Medienschaffenden, und andere diskriminierte Minderheiten, welche nur eine schwache oder überhaupt keine Lobby haben. Viel weiter sind wir in den 500 Jahren seit der Entdeckung und Eroberung Amerikas, wo die europäischen Eindringlinge bloss auf Tiere stiessen, die so aussahen wie Menschen, offensichtlich nicht einmal in jenem Land gekommen, das sich der Welt so gerne als „demokratisches Musterland“ präsentiert. Und wenn sich dann jemand wie ich darüber empört und dieser Aussenpolitischen Kommission einen ganz netten Brief schreibt, um sich zu erkundigen, ob nebst dem Antisemitismusbeauftragten auch vergleichbare Stellen zum Schutz anderer Minderheiten geplant seien, funktioniert diese „Demokratie“ tatsächlich ganz „mustergültig“: Man bekommt einfach keine Antwort, nicht einmal von den Vertreterinnen und Vertretern der „linken“ und „grünen“ Parteien in der Kommission.

Neueste Meldung vom 27. Juni 2025: Mitten im feuchtheissen Sumpf der Everglades will die Regierung von Florida ein Lager für auszuweisende Immigranten bauen. „Es scheint eine Art Wettbewerb ausgebrochen zu sein unter den Heimatschützern von Donald Trump“, schreibt der „Tagesanzeiger“, „wer wohl die zynischste und sadistischste Idee hat.“ Der Name des Projekts, „Alligator Alcatraz“, soll an das ehemalige Inselgefängnis in der Bucht von San Francisco erinnern, von wo aus jeder Fluchtversuch zum Vornherein zum Scheitern verurteilt war, da ausserhalb der Gefängnismauern nichts war ausser reissenden Meeresströmungen voller Haie. Beim neu geplanten Lager für auszuweisende Immigranten werden das, was beim Inselgefängnis die Haie waren, nun Sümpfe, Boas und Krokodile sein – „Die Betreiber“, so der „Tagesanzeiger“, „sind ganz begeistert.“ Im Netz kann man sich bereits eine Animation des Projekts anschauen. Das Video ist mit wuchtigen Beats unterlegt. Gebaut werden soll an einem verlassenen Flughafen in dem Feuchtgebiet, damit Häftlinge eingeflogen werden können. In dem Clip sind auch Szenen von Festnahmen zusammengeschnitten, bei denen die Beamten der Einwanderungsbehörde ICE landesweit zu Razzien ausrücken, ihre bevorzugten Ziele sind Latinos. Viele von ihnen werden behandelt wie Schwerverbrecher, auch wenn sie sich keinerlei Vergehens schuldig gemacht haben. Selbst bestimmte Motive von Tattoos genügen schon, um sich verdächtig zu machen. Mindestens 3000 Menschen sollen jeden Tag aufgegriffen werden – die grösste Ausweisungsaktion in der Geschichte der USA, direkt angeordnet vom obersten Chef, Donald Trump, der im Zusammenhang mit „illegal“ sich in den USA aufhaltenden Immigranten – wen wunderts noch – von „Tieren“ spricht, welche „das Blut des Landes vergiften“ würden.

Eigentlich wäre es ganz einfach: Die Menschen müssten nur herausfinden, was sie im tiefsten Grunde ihres Wesens eigentlich sind: Durch und durch friedfertige, genügsame, soziale und empathische Wesen – wie es uns jedes neu geborene Kind, immer und immer wieder, weltweit vier Mal pro Sekunde, unablässig aufs Neue zu beweisen versucht, auf die Erde geschickt von einem lieben Gott, von den Engeln oder von wem auch immer, in der trotz allem immer noch nicht aufgegebenen Hoffnung darauf, dass die Menschen endlich zur Vernunft kommen. Es wäre so einfach. Wir müssten nichts Neues erfinden, sondern bloss all den über Jahrhunderte auf unseren Seelen aufgetürmten Schutt beiseite räumen, um all die Behauptungen von „guten“ und „bösen“ Menschen, von „wertvollen“ und „wertlosen“, von „höherwertigen“ und „minderwertigen“ Lebewesen als das zu entlarven, was sie tatsächlich sind: reine Lügen im Interesse jener, die sich Macht und Privilegien auf Kosten anderer angeeignet haben und, um diese Macht und diese Privilegien nicht zu verlieren, vor keinem so noch schlimmen Verbrechen zurückschrecken, ja nicht einmal davor, die gesamte Menschheit in einen alles vernichtenden Weltkrieg zu stürzen, im irren Glauben daran, dass sie selber, geschützt in bombensicheren und mit all dem über Jahrhunderte von ihnen angehäuften Raubgut angefüllten Festungen, zu keinerlei Schaden kämen. Es wäre wirklich sehr einfach, dies alles zu verstehen. Aber gerade weil es so einfach wäre, haben die Mächtigen dieser Welt so grosse Angst davor, dass die Wahrheit bald schon ans Licht kommen könnte.

All die Verrücktheiten, die wir in immer schnellerem Tempo tagtäglich erleben, all die Drohungen, Schuldzuweisungen, künstlich aufgebauten Feindbilder, die ganze Angstmacherei, das ganze Kriegsgeheul, all das, was uns in die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte zurückzuwerfen versucht, all das ist nichts anderes als das hoffentlich letzte Aufbäumen einer Epoche in der Geschichte der Menschheit, die sich unweigerlich immer mehr ihrem Ende nähert. Es ist, wie der italienische Schriftsteller Antonio Gramsci so treffend sagte, die Zeit, „in der die alte Welt stirbt, während die neue noch darum kämpft, geboren zu werden – es ist die Zeit der Monster.“ Wenn alle, welche die Hoffnung auf den Beginn dieser neuen Zeit inzwischen aufgegeben haben, wieder zurückkehren und sich mit aller Leidenschaft am Aufbau dieser neuen Zeit beteiligen, dann ist es machbar, vielleicht viel einfacher und viel schneller, als wir uns das heute, in einer so verrückten Zeit, überhaupt vorzustellen vermögen. Doch die Kraft des Guten kann, wenn man daran glaubt, ebenso viel oder wohl noch viel mehr in Bewegung als die Kraft des Bösen. „Hoffnung“, so die deutsche Schriftstellerin Sybille Berg, „geben mir die Menschen, die Tiere und die Bäume und all die Dinge, die schön sind und zum Teil auch immer gut. Und die feste Überzeugung, dass die meisten Menschen Frieden wollen und ihre Ruhe, und dass die Kinder es gut haben und die Nachbarn auch. Vielleicht wird ja nicht alles schlimmer, sondern besser. Die Chancen sind gleich gross.“

(Ergänzung am 6. Juli 2025: Auch der argentinische Präsident Milei bedient sich der Methode der Entmenschlichung im Umgang mit seinen politischen Gegnern. Die unbequeme Journalistin Maria O’Donell bezeichnete er als „Äffin“ und alle, die mit seinen politischen Ideen nicht einverstanden seien, nannte er „dreckige Ratten“.)