Pandemie, Klimawandel, Armut und Hunger: Alles hängt mit allem zusammen

 

Mit grösster Wahrscheinlichkeit, so das Ende März 2021 bekanntgegebene Resultat eines internationalen Untersuchungsausschusses, ist das Coronavirus ursprünglich in der chinesischen Provinz Wuhan von der Fledermaus auf den Menschen übertragen worden. Expertinnen und Experten befürchten nun, dass sich weitere Pandemien dieser Art in der Zukunft häufen könnten. Denn, so Gertraud Schüpbach, Veterinärin und Epidemiologin an der Universität Bern, in der Sendung „10 vor 10“ am Schweizer Fernsehen vom 30. März 2021: „Wir beobachten in den letzten zwanzig Jahren, dass Pandemien immer häufiger vorkommen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Welt ist eindeutig kleiner geworden. Zum einen nimmt der Reiseverkehr sehr stark zu. Auch der Handel mit Tieren und Wildtieren nimmt stark zu. Und der Mensch dringt immer weiter in unberührte Lebensräume der Natur vor und es kommt zu immer häufigeren Kontakten zwischen Menschen, exotischen Tieren und Viren.“ Schüpbach fordert daher ein „weltweites Frühwarnsystem, das Menschen, Tiere und die Natur mit einbezieht.“ Es ist vielleicht kein Zufall, dass dieser Tage eines der weltweit grössten Containerschiffe im Suezkanal stecken geblieben ist, Hunderte von Frachtschiffen während Tagen blockiert waren und unzählige globale Lieferketten kurz vor dem Zusammenbruch standen. Es ist wahrscheinlich auch kein Zufall, dass der Amazonasurwald schon wieder brennt, weite Teile Afrikas von Dürre und Hunger heimgesucht werden, Taifune und Wirbelstürme weltweit Küstengebiete verwüsten, die Gletscher immer schneller dahinschmelzen, der Meeresspiegel unaufhaltsam ansteigt und die Zahl der Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben ihre von Krieg, Armut und Hunger versehrte Heimat verlassen, immer weiter anwächst. Ja, Gertraud Schüpbach hat Recht: Wir brauchen ein weltweites Frühwarnsystem. Aber nicht eines bloss gegen zukünftige Pandemien und ein anderes gegen den Klimawandel und wieder eines gegen Ausbeutung, Rassismus, Kriege, Armut und Hunger. Nein, wir brauchen ein einziges grosses, umfassendes Frühwarnsystem gegen alles zusammen. Denn wo wir auch hinschauen, ob auf die brennenden Wälder in Brasilien, ob auf all jene, die weltweit am Coronavirus verstorben sind oder auf die eine oder andere Weise unsäglich darunter leiden, ob auf die Flüchtlinge auf Lesbos oder jene an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, ob auf die Kinder Afrikas, die millionenfach schon vor ihrem fünften Lebensjahr vor Hunger, Durst oder Erschöpfung sterben, ob auf die unsäglich leidenden Tiere in viel zu engen Laderäumen auf Lastwagen und in Schiffen, geschlagen, zerschunden, gequält: Alles hängt mit allem zusammen. Die Erde brennt, die Menschen bluten, die Natur leidet ohne Ende. Es wäre eine unverzeihliche Illusion, davon auszugehen, wir könnten den Ausbruch zukünftiger Pandemien erfolgreich verhindern, ohne nicht gleichzeitig auch alle anderen Wunden, unter denen unsere Erde, die Menschen und die Tiere leiden, zu heilen. Entweder wird alles zusammen heil oder es geht alles zusammen unter. Ohne eine radikale Überwindung des herrschenden Wirtschaftssystems, das immer noch und mehr denn je auf endlose Profitmaximierung, gnadenlose Ausbeutung von Mensch und Natur und einen blinden, jeglichem gesunden Menschenverstand spottenden Wachstumsglauben ausgerichtet ist, werden wir kein einziges der sozialen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und ökologischen Probleme, die uns heute bedrohen, dauerhaft lösen können. Denn, wie schon der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: „Was alle angeht, können nur alle lösen.“ 

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