Überwachung bis ins Innerste: Der Kapitalismus im Kopf

Unternehmen überwachen ihre Mitarbeiter mit immer perfideren Methoden. Der US-Paketlieferdienst UPS hat seine Lieferwagen schon vor Jahren mit Sensoren ausgestattet, um zu sehen, wann die Fahrer die Türen öffnen und schliessen, den Motor starten und ob sie angeschnallt sind. Die Investmentbank Barclays liess unter den Schreibtischen ihrer Mitarbeiter Bewegungsmelder installieren, die mit Wärme und Bewegungssensoren erkennen, ob jemand gerade an seinem Platz sitzt. Im Disneyland Resort Hotel in California wird die Arbeitsleistung des Reinigungspersonals, etwa die Zahl der gewaschenen und getrockneten Handtücher, per elektronischer Überwachung kontrolliert. Wer zurückliegt, dessen Name leuchtet für alle sichtbar rot auf. Die Folge dieses brutalen Wettbewerbsdrucks ist, dass Angestellte auf ihre Pausen verzichten, um nicht zurückzufallen. Amazon hat derweil ein Patent auf Überwachungsarmbänder angemeldet, die mithilfe von Ultraschall präzise die Armbewegungen der Warenhausmitarbeiter tracken und sie mittels Vibrationen in eine bestimmte Richtung leiten können. Der Mitarbeiter wird zu einer ferngesteuerten Maschine. In China müssen Angestellte in staatlichen Betrieben, öffentlichen Verkehrsmitteln und Militäreinrichtungen spezielle Uniformhüte tragen, welche ihre Gehirnwellen und ihren emotionalen Zustand überwachen. Wie die «South China Morning Post» berichtete, sind in den Sicherheitshelmen und Hüten drahtlose Sensoren eingebaut, welche die Gehirnströme messen und die Daten ans Computernetz streamen, wo sie auf Anomalien untersucht werden.

(Tagblatt, 21. Dezember 2018)

Der unaufhörlich sich verschärfende Konkurrenzkampf zwischen Firmen und zwischen Angestellten einerseits und die technische Entwicklung anderseits haben das Unmögliche möglich gemacht: Der Kapitalismus ist drauf und dran, die letzten ethischen Grenzen zu sprengen und den Menschen immer mehr in einen durchtechnisierten Sklaven zu verwandeln. Was George Orwell in seinem Zukunftsroman «1984» beschrieb, ist von der Realität bereits überholt worden. Kaum vorzustellen, wohin das alles noch führen mag…