Archiv des Autors: Peter Sutter

15. April 2025: Ein Brief an den Schweizer Bundesrat und Justizminister Beat Jans zum Thema Asylpolitik

Lieber Beat

Im „St. Galler Tagblatt“ vom 23. Januar 2025 äusserst du dich zur Schweizer Asylpolitik 2024 wie folgt: „Wir sind in verschiedenen Bereichen den europäischen Ländern deutlich voraus. Die Asylzahlen waren im September 40 Prozent tiefer als im September 2023. Die Zahl der Pendenzen sinkt. Wir haben 2024 25 Prozent von ihnen abbauen können. Auch die Rückkehrzahlen steigen, mit einer Rückführungsquote von annähernd 60 Prozent steht die Schweiz in Europa an der Spitze. Das SEM macht eine hervorragende Arbeit. Wir sind auf dem richtigen Weg. Doch wir sind noch nicht zufrieden. Der immer noch zu grosse Pendenzenberg muss rascher abgebaut werden.“

Aus meiner Sicht sind solche Aussagen zynisch und der humanitären Tradition der Sozialdemokratie unwürdig. Als Mitglied der SP seit 40 Jahren ist das wieder einmal so ein Moment, an dem ich mir ernsthaft überlege, ob ich weiterhin noch Mitglied einer Partei sein kann, die einen Bundesrat stellt, der sich mit solchen Worten öffentlich äussert.

Ich habe innerhalb der vergangenen neun Monate am Beispiel von zwei asylsuchenden Personen hautnah erlebt, wie sich die aktuelle schweizerische Asylpolitik auf die unmittelbar davon Betroffenen auswirkt. Ich fasse meine Erfahrungen im Folgenden kurz zusammen. Die Namen sind geändert.

Halime ist eine 25jährige Afghanin. Ihre Leidensgeschichte beginnt mit Zwangsverheiratung im Alter von 16 Jahren und schweren Misshandlungen durch ihren Ex-Mann, geht weiter mit der Flucht über den Iran und die Türkei mit zahlreichen weiteren Gewalterfahrungen und endet in Griechenland, wo sie den Flüchtlingsschutzstatus und damit das Bleiberecht erhält. Da die Verhältnisse für Flüchtlinge in Griechenland bekanntermassen katastrophal sind, nach 30 Tagen jegliche staatliche Unterstützung erlischt und viele Flüchtlinge in Elend und Obdachlosigkeit landen, wo sie weiteren  unzumutbaren Gewalterfahrungen ausgesetzt sind, ersucht Halime in der Schweiz um Asyl, insbesondere auch deshalb, weil sie befürchtet, ihr Ex-Mann oder Verwandte von ihm könnten sich ebenfalls bereits in Griechenland aufhalten und ihr nach dem Leben trachten. Schwer traumatisierte junge Frauen aus Afghanistan, die alleine unterwegs sind, erhielten bis vor etwa zwei Jahren in aller Regel in der Schweiz eine F-Aufenthaltsbewilligung, auch wenn sie über ein Bleiberecht in Griechenland verfügten. Diese Praxis wurde in den vergangenen zwei Jahren drastisch verschärft. Halimes Asylgesuch wird am 4. Oktober 2024 mit Bezugnahme auf das Dublin-Abkommen trotz der schweren Traumatisierung der jungen Frau und ihrer Todesängste vom SEM abgelehnt.

Im Gegensatz zu deiner Aussage, das SEM leiste „hervorragende“ Arbeit, ist das Argumentarium, mit dem Halimes Asylgesuch abgelehnt wird, an unzulässigen und widersprüchlichen Aussagen nicht zu übertreffen. Jede Aussage von Halime, auch wenn sie sie noch so glaubwürdig und überzeugend darlegt, wird mit der Begründung zurückgewiesen, sie könne sie „nicht beweisen“. Doch wie soll sie, um nur ein Beispiel zu nennen, die von ihrem Ex-Mann ausgesprochenen Morddrohungen beweisen, wenn ihr das Handy, wo die entsprechenden Nachrichten gespeichert waren, an der türkisch-griechischen Grenze gewaltsam entrissen wurde? Zudem nimmt das Argumentarium mehrfach Bezug auf eine Aussage des Bundesrates aus dem Jahre 2008 (!), wonach Griechenland ein „sicherer Drittstaat“ sei, was von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und anderen NGOs mit zahlreichen Studien in der Zwischenzeit mehrfach widerlegt wurde. Auch erscheint die schwere Traumatisierung der schwergeprüften Frau an keiner einzigen Stelle des Argumentariums als mögliche Begründung für ein Bleiberecht in der Schweiz. Im Gegenteil: Mehrfach wird betont, es handle sich bei Halime um eine „junge, gesunde Frau“, die „keinerlei Probleme“ haben werde, in Griechenland eine Unterkunft und einen Job zu finden – obwohl allgemein bekannt ist, dass die Arbeitslosigkeit in Griechenland zurzeit bei etwa 12 Prozent liegt und eine Frau, die weder über eine Berufsausbildung noch über Kenntnisse der Landessprache verfügt, bestenfalls die Chance auf einen Job in der Schattenwirtschaft hat, mit allen damit verbundenen Gefahren von Ausbeutung und Missbrauch.

Besonders stossend ist, dass sich die Anwältin, die Halime zugeteilt wurde, keinen Deut um das Schicksal ihrer Mandantin kümmert, obwohl das doch eigentlich ihre Aufgabe wäre. Auch habe ich mir sagen lassen, dass die Bearbeitung von Asylgesuchen stark vom jeweiligen Kanton abhängt, der den Fall führt, und ebenso stark von den jeweils zuständigen Mitarbeitenden des SEM. Eine reine Lotterie mit unter Umständen geradezu tödlichen Folgen.

Auch eine von mir unterstützte Beschwerde Halimes gegen den SEM-Entscheid, fristgerecht eingereicht ans Bundesgericht, wird abgewiesen. Anstelle einer erhofften seriösen Neubeurteilung übernimmt das Bundesverwaltungsgericht nahezu wortwörtlich die Argumentation des SEM. Und so muss Halime trotz bedenklichen gesundheitlichen Zustands mit hohem Fieber, Magenkrämpfen und nach mehreren schlaflosen Nächten infolge ihrer Ängste und Traumatisierungen und ohne jegliche medizinische, psychologische und finanzielle Unterstützung anfangs November 2024 die Schweiz verlassen. Hätte sie ihr Asylgesuch zwei Jahre früher eingereicht, so wurde mir von mehreren Fachpersonen, die im Asylwesen tätig sind, unabhängig voneinander bestätigt, wäre es höchstwahrscheinlich positiv beantwortet worden – während früherer Jahre fanden aus der Schweiz sogar überhaupt keine Rückschaffungen nach Griechenland statt. So massiv hat sich die schweizerische Asylpolitik in kurzer Zeit auf Druck der Rechtsparteien, insbesondere der SVP, verschärft. Und dies nicht nur in diesem Aspekt. Über fünf Mal ist die schweizerische Asylpolitik auf Druck der SVP und einer systematisch von ihr heraufbeschworenen fremdenfeindlichen Stimmung in der Bevölkerung im Verlaufe der vergangenen zehn Jahre immer restriktiver geworden.

Das zweite Beispiel ist eine afrikanische Flüchtlingsfamilie, die aufgrund ihres negativen, aus verschiedenen Gründen noch nicht vollzogenen Asylentscheids seit acht Jahren täglich mit der Angst leben muss, von einem Tag auf den anderen gewaltsam ausgeschafft zu werden. Alle paar Tage bekommen sie mit, wie Asylsuchende frühmorgens von der Polizei aus ihren Betten geholt und in Handschellen abgeführt werden. Die 13jährige Chantal ist inzwischen so schwer traumatisiert, dass sie nächtelang wach und schweissgebadet in ihrem Bett liegt und sich immer wieder mit dem Gedanken herumschlägt, sich das Leben zu nehmen.

2024 wurden 7205 Asylsuchende aus der Schweiz in ihre Herkunftsländer zurückgeschafft, zwei Drittel von ihnen zwangsweise, gegen ihren Willen, täglich also rund zwölf Menschen, in Handschellen oder Ganzkörperfesselung, als handle es sich um Schwerverbrecherinnen und Schwerverbrecher.

Mir ist klar, dass die Schweiz nicht sämtliche Personen aufnehmen kann, die hier Asyl suchen. Aber ist eines der reichsten Länder der Welt tatsächlich mit durchschnittlich nicht einmal einem einzigen anerkannten Flüchtling pro 100 Einwohnerinnen und Einwohner schon am Limit? Wo ist die Solidarität mit anderen Ländern und Weltregionen? In Griechenland, wohin Menschen zurückgeschafft werden und das selbst mit massiven sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat, gibt es pro 100 Einheimische doppelt so viele Flüchtlinge wie in der Schweiz. Im Libanon kommt auf jede einheimische Person ein Flüchtling. Bangladesch musste innerhalb eines einzigen Jahrs mit einer ganzen Million Flüchtlingen aus Myanmar fertigwerden. In Afrika gibt es Millionen von Binnenflüchtlingen. Und wir sind schon mit einem einzigen Flüchtling pro 100 Einheimische überfordert?

Dazu kommt, dass durch die grosszügige Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen der Druck, aus anderen Ländern noch weniger Flüchtlinge aufzunehmen, zusätzlich verstärkt wurde. Weshalb werden Flüchtlinge so unterschiedlich behandelt je nach dem Land, wo sie herkommen? Sind Menschenrechte nicht universell, gelten sie nicht für alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion?

 „Wenn das Unrecht zu Recht wird“, sagte Bertolt Brecht, „dann wird Widerstand zur Pflicht.“ Wie lange wollen wir als SP uns noch von der SVP in eine Richtung hetzen lassen, mit der wir uns von den ursprünglichen Idealen der Sozialdemokratie immer weiter entfernen? Wie lange noch lassen wir uns instrumentalisieren und lassen es zu, die schmutzige Arbeit für andere zu erledigen, die sich, wenn es drauf und dran kommt, vornehm zurücklehnen und so tun, als hätten sich nichts damit zu tun? Wann endlich gelingt es uns, die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass nicht die „Linken“ schuld sind an den globalen Flüchtlingsbewegungen, sondern das kapitalistische Weltwirtschaftssystem, das im Verlaufe der vergangenen 500 Jahre eine immer tiefere Kluft aufgerissen hat zwischen armen, ausgebeuteten Weltregionen und reichen, von dieser Ausbeutung profitierenden?

Hätte man auf die Linken gehört – etwa auf die Forderung nach Beibehaltung des Botschaftsasyls, gerechte Preise für Rohstoffe, Konzernverantwortung, ressourcenschonende Wirtschaft, faire Handelsbeziehungen zwischen Norden und Süden, etc. –, dann hätten wir heute nicht mehr, sondern viel weniger Flüchtlinge, weil nämlich kein Mensch einen Grund hat, seine Heimat zu verlassen, wenn er unter menschenwürdigen Bedingungen dort leben kann.

„… wird der Widerstand zur Pflicht…“ Müsste ein SP-Justizminister als Repräsentant der Sozialdemokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenwürde nicht aufstehen und öffentlich erklären, dass sein Gewissen es nicht länger zulasse, dieses grausame Spiel mitzuspielen? Wieso brüstet man sich sogar noch damit, innerhalb eines Jahres mehr Flüchtlinge ausgeschafft zu haben als in allen Jahren zuvor? Erringt man europäische Spitzenwerte neuerdings dadurch, dass man möglichst viele Träume von einem schöneren Leben zerstört? Kann man sich mit Humanität, Menschenfreundlichkeit und Gastfreundschaft heute nicht mehr profilieren, sondern nur noch mit möglichst hohen Zahlen abgewiesener Flüchtlinge?

Die SVP hat es geschafft, uns durch permanentes Schüren von Feindbildern und von Fremdenhass und vom Aufbauschen einzelner von Asylsuchenden begangener Delikte einzureden, wir würden von Flüchtlingen „bedroht“, „überflutet“ und das „Boot“ sei längst schon „voll“. Zu dieser von Hass und Fremdenfeindlichkeit geprägten Stimmungswelle, die mittlerweile schon geradezu zur kaum mehr hinterfragten gesellschaftlichen „Normalität“ geworden ist, braucht es dringendst eine mindestens so starke Gegenbewegung. Die Ausrede, die anderen europäischen Länder betrieben ja genau die gleiche oder sogar noch härtere Flüchtlingspolitik, kann das begangene Unrecht nicht rechtfertigen. Im Gegenteil: Mit ihrer humanitären Tradition wäre die Schweiz sogar in ganz besonderem Ausmass moralisch verpflichtet, an die Werte von Mitmenschlichkeit und Solidarität zu erinnern und sich für ihre Bewahrung tatkräftig einzusetzen, vielleicht sogar als Vorbild für andere. Sonst wird die Gefahr immer grösser, dass über Jahrzehnte hart erarbeitete Werthaltungen scheibchenweise nach und nach immer mehr verloren gehen, bis am Ende nichts mehr davon übrig bleibt.

Das Mindeste wäre, dass der Bundesrat seine 2008 gemachte und seither x-fach widerlegte Aussage, Griechenland sei ein „sicherer Drittstaat“, endlich widerrufen würde. Damit das SEM wenigstens dieses Argument, um Flüchtlinge ohne ernsthafte individuelle Überprüfung ihrer Gesuche möglichst rasch abzuschieben, nicht mehr verwenden könnte.

Es geht mir nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen. Aber die Gefahr ist gross, dass man, wenn man einfach seinen „Job“ macht, dadurch möglicherweise – ohne es eigentlich zu wollen – Unrecht begeht. Ich finde, darüber muss man mindestens offen und ehrlich diskutieren, gerade innerhalb einer politischen Partei, bei der doch die menschlichen Werte an oberster Stelle stehen müssten.

Eine Kopie dieses Schreibens ging am 15. April 2025 an das Zentralsekretariat der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz.

Am 1. Mai 2025 erhielt ich folgende Antwort von Bundesrat Beat Jans:

Lieber Peter, ich danke dir für deinen Brief vom 15. April 2025. Deine Zeilen habe ich mit Interesse gelesen. Ich kann nachvollziehen, dass solche Einzelfälle berühren und aufwühlen… Ich kann dir versichern: Auch ich will ein menschliches Asylsystem. Letztlich geht es immer um Menschen – wer Anspruch auf Schutz hat, soll bei uns Schutz bekommen. Wir halten uns dabei an unsere internationalen Verpflichtungen wie die Genfer Flüchtlingskonvention. Für diese Grundwerte stehe ich ein. Gleichzeitig stellt das hohe Migrationsaufkommen grosse Anforderungen an die Schweiz – ebenso wie an viele andere europäische Staaten. Unser Asylsystem muss deshalb sowohl fair als auch glaubwürdig bleiben… Jeder Entscheid wird im rechtlich vorgegebenen Rahmen individuell geprüft, kann angefochten und von unabhängigen Gerichten beurteilt werden. Die von dir kritisierte Praxis der Rückführungen, insbesondere im Rahmen der Dublin-Verordnungen, beruht auf internationalen Abkommen, die die Schweiz zusammen mit anderen europäischen Staaten eingegangen ist. Diese Abkommen sind nicht politisches Kalkül, sondern Teil eines solidarischen und regelbasierten Systems, das sowohl Schutzbedürftigen als auch den Aufnahmestaaten Verlässlichkeit gibt. Gerade auch in Griechenland erfolgt die Rückführung nur unter der Voraussetzung, dass die dortige Betreuung gewährleistet ist… Dass das SEM Fortschritte beim Abbau der Pendenzen und bei den Rückführungen erzielen konnte, bedeutet nicht, dass der humanitäre Ansatz verloren gegangen wäre. Es zeigt vielmehr, dass Verfahren effizienter gestaltet und unzumutbare Wartezeiten für Asylsuchende verkürzt werden können. Der Schutz von besonders vulnerablen Personen bleibt dazu ein zentrales Anliegen. Wo Härtefälle bestehen, gibt es zudem die Möglichkeit von humanitären Aufenthaltsbewilligungen… Die Asylpolitik ist ein laufender Balanceakt zwischen Humanität und Rechtsstaatlichkeit. Ich nehme deine Kritik ernst, ebenso deine Ermahnung, die humanitären Werte nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Werte bleiben Grundlage unseres Handelns.

19. Montagsgespräch vom 14. April 2025: Gibt es Hoffnung für Syrien?

„Gibt es Hoffnung für Syrien?“, dies das Thema des Buchser Montagsgesprächs vom 14. April. Zunächst berichteten Bahira* und Afsan* über ihr früheres Leben in Syrien und die Gründe für die Flucht. Bahira stammt aus Damaskus. Zwei Jahre nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs im März 2011 flüchtete die Familie in den Libanon, wo sie eineinhalb Jahre lang unter misslichsten Bedingungen lebten, bevor sie im Rahmen eines UN-Hilfsprogramms in die Schweiz einreisen durften. Afsan ist Kurde. Bei der Flucht war er erst zwei Jahre alt. Die Kurden, so Afsan, seien von allen in Syrien lebenden Volksgruppen die am meisten benachteiligte und unterdrückte.

Sowohl Bahira wie auch Afsan hätten sich über den Sturz Assads gefreut, hätten sie darin doch endlich die Chance zu einem demokratischen Neubeginn ihrer Heimat gesehen. Doch sei es noch schwierig abzuschätzen, ob unter den neuen, ursprünglich aus islamistischen Extremisten hervorgegangenen Machthabern der Aufbau einer demokratischen Gesellschaft möglich sei. Befürchtungen gäbe es vor allem in Bezug auf die Situation der Frauen, denn es gäbe innerhalb der neuen Machthaber leider Tendenzen, die Rechte der Frauen massiv einzuschränken.

Entscheidend für die zukünftige Entwicklung Syriens werde auch das Verhalten all jener Länder sein, die sich immer und immer wieder in die inneren Angelegenheiten Syriens eingemischt hätten, so etwa die Türkei, die danach strebe, im Nahen Osten eine bedeutende Regionalmacht zu sein, oder Israel, das unmittelbar nach dem Sturz Assads fast die gesamte militärische Infrastruktur Syriens zerstört und mittels einer völkerrechtswidrigen geschaffenen „Pufferzone“ im Norden des Landes den Zugang vieler Syrer und Syrerinnen zu ihren eigenen Wohngebieten verunmöglicht hat.

Die Behauptung eines Diskussionsteilnehmers, Islam und Demokratie seien unvereinbar, löste eine längere Debatte aus. Dieser Behauptung widersprochen wurde mit dem Argument, es gäbe in jeder Religionsgemeinschaft nach Macht strebende Einzelne oder Gruppen, welche die Religion für ihre eigenen Interessen missbrauchten. Auch im Christentum hätte es solche Tendenzen gegeben, zum Beispiel zur Zeit der Kreuzzüge, als die Christen „im Namen Gottes“ gegen die Araber in den Krieg zogen, oder sogar in neuester Zeit, als sich US-Präsident George W. Bush bei seinem völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak auf das „Wort Gottes“ berufen hätte. Dies hätte aber nichts zu tun mit den ursprünglichen Grundwerten der Religionen, die sich in ihren ethischen Grundwerten erstaunlich ähnlich seien.

Ein Bibelzitat, in dem von einer zukünftigen weltweiten Friedensordnung die Rede ist, setzte den hoffnungsvollen Schlusspunkt unter eine Diskussion, die trotz teilweise grossen Meinungsverschiedenheiten letztlich doch erkennen liess, dass wohl die überwiegende Mehrheit der Menschen, unabhängig von Religionen und Nationalitäten, durch die gemeinsame Sehnsucht nach einer friedlichen und gerechten Welt miteinander verbunden sind.

* Namen geändert

Frank Urbaniok und die „Ausländerkriminalität“

Schon das Titelbild des neuen Buches von Frank Urbaniok („Schattenseiten der Migration“) sagt alles: Zu sehen ist ein Messer – obwohl Urbaniok zweifellos weiss, dass nur 1,2 Prozent der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung Straftaten begehen und bei den Asylsuchenden die entsprechende Rate bei 4,4 Prozent liegt. Aber wie gewisse politische Hardliner scheint auch Urbaniok lieber den Fokus auf die kleine Minderheit Straffälliger zu richten statt auf die überwiegende Mehrheit derer, die sich nicht des geringsten Vergehens schuldig machen.

Dass der Anteil straffälliger Personen bei Asylsuchenden über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt liegt, hat weniger mit der jeweiligen Nationalität zu tun, als damit, dass in diesem Bevölkerungssegment der Anteil junger, alleinstehender Männer mit schlechten Zukunftsperspektiven überproportional hoch ist. Auch bei den Schweizern ist dieses Bevölkerungssegment überdurchschnittlich delinquent. Es kommt dazu, dass die meisten Asylsuchenden in ihrer früheren Heimat und während der Flucht zahlreichen Gewalterfahrungen ausgesetzt waren, was mit ein Grund dafür sein kann, dass sie sich selber gegenüber anderen gewalttätig verhalten.

Mit dem auch von Urbaniok häufig verwendeten Begriff der „Ausländerkriminalität“ wird suggeriert, dass jeder Ausländer ein potentieller Krimineller ist, obwohl dies nur für eine verschwindend kleine Minderheit zutrifft. Nähme man aber nicht die Nationalität zum Massstab, sondern das Geschlecht, dann wären die Vergleichszahlen unvergleichlich viel dramatischer. Männer begehen nämlich nicht doppelt oder drei Mal, sondern sage und schreibe 189 Mal häufiger schwere Straftaten als Frauen, und dies über alle Nationalitäten hinweg. Dennoch spricht seltsamerweise niemand von „Männerkriminalität“. Und auch bei Straftaten wie Steuerhinterziehung, mit der dem schweizerischen Fiskus jährlich über 65 Milliarden Franken entzogen werden, kommt niemandem in den Sinn, von „Inländerkriminalität“ zu sprechen.

Am schlimmsten aber ist, dass Urbaniok ganze Nationalitäten pauschal in Sippenhaft nimmt. So weist er darauf hin, dass Menschen aus Kamerun in der Schweiz am häufigsten straffällig sind, ohne zu erwähnen, dass in fast keinem anderen Land die Menschenrechte dermassen mit Füssen getreten werden und Folter sowie Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren dort an der Tagesordnung sind.

Urbaniok geht sogar noch weiter und fordert, dass aus „gewaltbereiten“ Ländern wie Afghanistan zukünftig weniger Flüchtlinge aufgenommen werden sollten als bisher. Was nichts anderes bedeuten würde, als dass ausgerechnet für Frauen aus Afghanistan, die zu den weltweit am meisten von Gewalt betroffenen Menschen gehören, das Recht auf Asyl in der Schweiz erschwert oder gar verunmöglicht werden sollte.

Ich frage mich, mit welcher Absicht Urbaniok dieses Buch wohl geschrieben hat. Zu einer sachlichen und fundierten Diskussion trägt es gewiss nicht das Geringste bei, sondern zementiert nur bereits vorhandene Vorurteile und Schuldzuweisungen.

Kapitalistische Weltwirtschaft als eine andere Form von Krieg: Als hätte erst Donald Trump alles durcheinander gebracht…

Von einem „Handelskrieg“ mit unabsehbaren Folgen schreibt die „Sonntagszeitung“ vom 13. April 2025 im Zusammenhang mit Donald Trumps aggressiver und rücksichtsloser Zollpolitik. Im Interview mit der Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher ist die Rede von einbrechenden Finanzmärkten, unterbrochenen Lieferketten und einem drohenden Zusammenbruch der gesamten Weltkonjunktur.  

Erstaunlich ist die grosse Empörung über die jüngsten Ereignisse. Als wäre zuvor alles friedlich und problemlos gewesen. Dabei ist kapitalistische Wirtschaftspolitik doch seit eh und je nichts anderes als eine andere Form von Krieg. Nur war es vorher nicht so augenfällig und offensichtlich. Indem Trump alles dermassen auf die Spitze treibt, öffnet er nun sozusagen auch noch den letzten gutgläubigen Verfechtern einer möglichst „freien“ Marktwirtschaft die Augen. Einer Wirtschaftsweise, die noch nie etwas anderes war als eine möglichst raffinierte Ausbeutung der Armen durch die Reichen, der Agrarländer durch die Industrieländer, des Südens durch den Norden, der Natur durch die Menschen, der Arbeit durch das Kapital.

Kapitalistische Wirtschaftspolitik ist nichts anderes als eine andere Art von Krieg. Eine scheinbar harmlosere, in Tat und Wahrheit aber mit noch viel zahlreicheren Opfern, als es „richtige“ Kriege fordern. Denken wir nur an die zurzeit weltweit wütenden rund 60 Kriege. Fast in jedem dieser Kriege geht es um Rohstoffe und Bodenschätze und darum, dass der gegenseitige Kampf um diese Güter mit immer härteren Bandagen ausgefochten werden muss, weil einerseits die Weltwirtschaft weiterhin ungebremst wachsen soll, anderseits aber die hierfür notwendigen Ressourcen gleichzeitig immer knapper werden. Oder denken wir daran, dass jeden Tag weltweit rund 15‘000 Kinder vor dem Erreichen ihres fünften Lebensjahrs sterben, weil sie nicht genug zu essen haben – nicht weil insgesamt zu wenig Nahrung vorhanden wäre, sondern nur, weil die Güter nicht dorthin wandern, wo sie am dringendsten gebraucht werden, sondern dorthin, wo sie möglichst gewinnbringend verkauft werden können. Nicht einmal alle Kriege weltweit zusammen fordern auch nur annähernd so viele Opfer wie die auf reine Profitmaximierung ausgerichtete Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel. Und all dies geschieht ganz still und heimlich und ohne dass es in der Öffentlichkeit auch nur ansatzweise jene Empörung auslösen würde, die sich zurzeit angesichts der „zerstörerischen“ Wirtschaftspolitik von Donald Trump manifestiert.

Aus einer kriegerischen Wirtschaftspolitik wird noch lange nicht eine friedliche, indem Zölle wieder auf ein „vernünftiges“ Mass hinunterschraubt, immer mehr bilaterale Freihandelsabkommen abgeschlossen oder dem globalen Warenfluss weniger Hindernisse in den Weg gestellt werden. Von einer wirklich friedlichen und gerechten Wirtschaftspolitik könnten wir erst dann sprechen, wenn ihre Grundlage nicht mehr das Recht der Stärkeren und der gegenseitige Konkurrenzkampf um Macht und Profite wäre, sondern das Wohlergehen aller durch eine möglichst gerechte Verteilung sämtlicher vorhandener Güter nicht nur für die heute lebenden, sondern auch alle zukünftigen Generationen.

Zunehmende Kriegseuphorie in Europa: Wer bedroht eigentlich wen?

„Es ist leichter, eine Lüge zu glauben, die man tausendmal hört, als die Wahrheit, die man nur einmal hört.“ Diese Worte des früheren US-Präsidenten Abraham Lincoln könnten in Anbetracht der zurzeit europaweit aufkommenden Kriegseuphorie aktueller nicht sein. Das tausendfach an allen Ecken und Enden verbreitete Bild vom „Aggressor Russland“ scheint sich bereits dermassen tief in den Köpfen der grossen Mehrheit der Bevölkerung verfestigt zu haben, dass gar nicht mehr darüber diskutiert wird, ob dieses Bild überhaupt stimmt, sondern nur noch darüber, was getan werden muss, um diesem „Aggressor“ möglichst rasch, wirkungsvoll und nachhaltig Einhalt zu gebieten, selbst auf die Gefahr hin, dass Abertausende von Menschen dies mit ihrem Leben bezahlen müssen.

Die Kriegstreiber scheinen, massiv unterstützt von den allermeisten Medien, derzeit auf Kurs zu sein. Doch liesse man sie gewähren, könnte es im schlimmsten Fall zu einer Katastrophe dermassen gigantischen Ausmasses kommen, dass wir uns deren Folgen gewiss auch nicht im Entferntesten vorzustellen vermögen. Um dies zu verhindern, muss alles getan werden, um die Kriegstreiber rechtzeitig zu stoppen. Oder, wie es der US-amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King sagte: „Jene, die den Frieden lieben, müssen sich ebenso wirkungsvoll organisieren wie jene, die den Krieg lieben.“

„Wenn wir uns Kriege ansehen, über die wir mehr wissen, zeigt sich, dass die Menschen vor allem wegen erfundener Geschichten gegeneinander kämpfen“, so der israelische Schriftsteller Yuval Noah Harari. Es bedarf daher, damit der Ukrainekonflikt nicht zu einem Flächenbrand mit unabsehbaren Folgen ausartet, an allererster Stelle der Entlarvung jener erfundenen Geschichte bzw. Lüge, wonach Russland der „Aggressor“ sei und der Westen sozusagen dessen „Opfer“, dem nichts anderes übrig bleibe, als sich gegen diesen „Aggressor“ unter Aufbietung aller seiner Kräfte zur Wehr zu setzen. Es gibt mehr als genug Argumente, um diese Lüge aufzudecken und die Frage aufzuwerfen, ob nicht sogar die genau gegenteilige Behauptung der tatsächlichen Wahrheit möglicherweise viel näher käme. Dies liesse sich dann sogar auch noch ganz simpel mit jener psychologischen Binsenweisheit erklären, wonach die eigene Denkensart und Verhaltensweise häufig in den vermeintlichen „Gegner“ hineinprojiziert wird und man ihm genau das zur Schuld legt, was man eigentlich ehrlicherweise sich selber zur Schuld legen müsste.

Hierzu im Folgenden einige Zitate, die dermassen selbstredend sind, dass sie keines weiteren Kommentars bedürfen.

„Um Amerikas Vormachtstellung in Eurasien zu sichern, braucht es die NATO-Osterweiterung. Eurasien ist das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.“ (Zbignew Brzezinski, US-Politberater 1977-1981)

„Liebe Amerikaner, es ist mir ein Vergnügen, Ihnen heute mitzuteilen, dass ich ein Gesetz unterzeichnet habe, das Russland für vogelfrei erklärt. Wir beginnen mit der Bombardierung in fünf Minuten.“ (Am 11. August 1984 als „Witz“ gemeinte Aussage des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, der die Sowjetunion stets als das „Reich des Bösen“ zu bezeichnen pflegte und später einräumte, dieser „Witz“ hätte durchaus seiner Denkensart entsprochen)

„Die neue Weltordnung wird gegen Russland errichtet, auf den Ruinen Russlands und auf Kosten Russlands.“ (Zbigniew Brzensinski am 4. Juni 2009)

„Russlands Bodenschätze sind zu gewaltig, als dass sie den Russen allein gehören dürfen.“ (Madeleine Albright, US-Aussenministerin 1997-2001)

„Ziel der USA ist Russlands Spaltung und Zerfall.“ (Ben Hodges, ehemaliger Befehlshaber der US-Armee in Europa)

„Die USA müssen in jeder Region der Welt die militärische Vormachtstellung innehaben und den aufstrebenden regionalen Mächten entgegentreten müssen, die eines Tages die globale oder regionale Vorherrschaft der USA herausfordern könnten, vor allem Russland und China. Zu diesem Zweck sollte das US-Militär in Hunderten von Militärstützpunkten auf der ganzen Welt in Stellung gebracht werden und die USA sollten darauf vorbereitet sein, bei Bedarf Kriege nach Wahl zu führen. Die Vereinten Nationen sollen von den USA nur dann genutzt werden, wenn dies für ihre Zwecke nützlich ist.“ (Paul Wolfowitz, ehemaliger US-Unterstaatssekretär und persönlicher Berater von Präsident George W. Bush)

„Denken Sie daran, wir haben acht Jahre damit verbracht, diese Armee in der Ukraine zu dem einzigen Zweck aufzubauen, um Russland anzugreifen. Dafür wurde sie entwickelt. Deshalb haben die Russen sie angegriffen.“ (Douglas McGregor, ehemaliger US-Sicherheitsberater und pensionierter US-Colonel)

„Seit 2014 haben wir die Ukraine massiv mit Waffen versorgt. Das ist natürlich eine sehr bewusste, starke Provokation. Es war uns bewusst, uns in einen Bereich einzumischen, den jeder russische Führer als untragbar ansehen muss.“ (Jens Stoltenberg, ehemaliger NATO-Generalsekretär)

„Mit einem Bruchteil des amerikanischen Verteidigungsbudgets konnten wir die russische Armee erheblich beschädigen und degradieren. Und deshalb sollten wir damit auch weitermachen.“ (Jens Stoltenberg)

„Ich hätte nicht gedacht, das einmal sagen zu müssen: Aber wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben.“ (Sigmar Gabriel, ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD und deutscher Vizekanzler)

„Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, damit die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände.“ (Roderich Kiesewetter, CDU-Politiker)

„Wir haben einen Krieg begonnen, wie ihn die Welt seit 60 Jahren nicht mehr gesehen hat.“ (Yevhen Karas, ukrainischer Ultranationalist)

„Wir müssen die Wahrheit sagen. Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist.“ (US-Vizepräsidentin Kamala Harris am 15. Juni 2024)

„Die USA werden ihre Söhne und Töchter in den Krieg senden müssen, so wie wir unsere Söhne und Töchter in den Krieg senden, und diese werden kämpfen und sterben müssen.“ (Wolodomyr Selenskyi, Präsident der Ukraine)

„Unsere Sanktionen werden die russische Wirtschaft ruinieren.“ (Analena Baerbock, deutsche Aussenministerin)

„Ich würde einen Atomschlag gegen Russland durchführen, auch wenn das Ergebnis eine totale Vernichtung wäre.“ (Liz Truss, britische Premierministerin 2022)

„Die Russen sind Schweine, Hunde, Verbrecher, Tiere, Unrat und Barbaren, die in der Hölle brennen sollen.“ (Serhij Zhadan, in seinem Buch „Himmel über Charkiw“, welches mit dem Friedenspreis 2022 des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde)

„Alles, was russisch ist, muss verschwinden. Die russische Sprache, die russische Kultur, die russische Geschichte. Alle, die meinen, sie hätten das Recht, in der Ukraine Russisch zu sprechen, müssen das Land verlassen.“ (Vlad Omelyan, ukrainischer Minister für Infrastruktur)

„Hat denn Europa jemals nicht feindselig auf uns Russen geblickt, kann es das überhaupt?“ (Fjodor Michailowitsch Dostojewski, russischer Schriftsteller, in „Tagebuch eines Schriftstellers“)

„Ich bin zutiefst beunruhigt über den drohenden Hunger in der Welt. Doch um Russland zu vernichten, müssen wir das ertragen.“ (Janet Yellen, US-Finanzministerin, 2021-2025)

„Russland wird immer ein Feind für uns bleiben.“ (Johann Wadephul, CDU-Politiker und Anwärter auf das deutsche Aussenministerium, am 30. April 2025)

„Kriege enden nur mit militärischer Erschöpfung.“ (Bundeskanzler Friedrich Merz am 15. Mai 2025)

„Das Ziel muss sein, Russland zu zerschlagen und in kleinere Länder aufzuspalten.“ (Kaja Kallas, EU-Vizepräsidentin)

Ein Sportkletterer auf dem Weg zur Sonne: Die Wahrheit erfuhr er erst, als es schon zu spät war…

Du warst noch nicht einmal vier Jahre alt, als du zum ersten Mal mit deiner Mutter und deinem älteren Cousin in der Kletterhalle standst. Was der grosse Cousin kann, wolltest du auch können, das war immer schon so, seit du auf der Welt warst. Da kann die Mutter noch lange sagen, du wärest dafür noch viel zu klein, das muss man dir nur einmal sagen und du wirst alles daran setzen, ihr das Gegenteil zu beweisen. Nur schon die unendlich scheinende Höhe der Kletterhalle forderte dich auf erobert zu werden. Du wirst noch in der folgenden Nacht von ihr träumen und dich zur nächsten Wolke hinaufhangeln, bis in den Himmel, bis zum Mond, bis zur Sonne…

Zehn Jahre später gehörst du zum Kader der Sportkletterer deiner Nation, auf halbem Weg zwischen jenem ersten Tag in der Kletterhalle und der Sonne. Sechs Stunden pro Tag umfasst das Training mittlerweile, weniger wäre nicht genug, um aus deinen Fingern jene übermenschlichen Kräfte herauszupressen, die es braucht, um der Sonne Tag um Tag ein bisschen näher zu kommen.

Wieder zwei Jahre später bist du der beste Kletterer deiner Nation, gewinnst einen World Cup nach dem anderen und qualifizierst dich sogar für Olympia. Du hast schon Hunderttausende von Followern auf Instagram und Facebook und es werden täglich mehr. Die Sonne kommt immer näher und ist doch noch unendlich weit entfernt. Doch immer öfters, ob du willst oder nicht, gibt es Tage, an denen wärst du am liebsten wieder jenes Kind am ersten Tag in der Kletterhalle. Und manchmal fragst du dich, ob es wohl wirklich eine gute Idee gewesen war, alles daran zu setzen, auf den Spuren deines Cousins in den Himmel hinaufsteigen zu wollen. Aber der Gedanke tut so weh, dass du ihn gleich wieder verscheuchst wie eine lästige Fliege. Denn das würde ja bedeuten, dass alles Leiden vergebens gewesen wäre und bloss verlorene Zeit. Und so kletterst du weiter, Griff um Griff, auch wenn die Abstände zwischen ihnen immer grösser werden und es einer immer gewaltigeren Anstrengung bedarf, um der Sonne auch nur ein paar weitere Millimeter näher zu kommen. Ob du es in deinem Leben jemals schaffen wirst? Oder ob das Leben vielleicht plötzlich zu Ende sein wird, bevor du etwas anderes davon gehabt hast als diese fast unerträglichen Schmerzen in den Fingern, die dich jetzt immer öfters schon quälen durch den ganzen Körper hindurch bis hinunter in die äussersten Enden deiner Zehen?

Denn da sind ja auch noch zahllose andere, die genau das Gleiche wollen wie du. Die links und rechts neben dir wie du der Sonne entgegen streben, unter Aufbietung aller ihrer Kräfte, erbarmungslos anderen und sich selber gegenüber. Gnadenlos. Sie würden dir sogar mit ihrem vollen Gewicht auf deine Hand treten und es nicht einmal bemerken, so sehr hat sie der gegenseitige Konkurrenzkampf unempfindlich gemacht gegenüber den Schmerzen anderer. Es ist verrückt. Vor und nach den Wettkämpfen scherzt und plaudert ihr zusammen und seid die besten Freunde. Während des Wettkampfs aber verwandelt ihr euch gegenseitig in die ärgsten Feinde, so dass du sie manchmal vor lauter Schmerzen, die sie dir, ohne es zu wollen, zufügen, richtiggehend zu hassen beginnst – die zwangsläufigen Folgen des Konkurrenzprinzips, um das sich alles dreht, sozusagen das Heilige, nicht in Frage zu Stellende, widerspruchlos zu Akzeptierende, das jeglichem Spitzensport erst seinen scheinbaren Sinn zu verleihen verspricht, nicht nur beim Sportklettern, auch beim Kunstturnen, beim Skirennsport, beim Rudern, im Tennis, überall. Ein unaufhörlicher Kampf aller gegen alle.

Doch der zerstörerische Konkurrenzkampf tobt nicht nur zwischen den einzelnen Kletterern, sondern gleichzeitig auch auf allen anderen Stufen der profitsüchtigen Ausbeutung junger Menschen ohne jegliche Grenzen. Auch die Sponsoren, die Medien, die Sportexperten, die Trainer, die Veranstalter der Wettkämpfe sind Teile davon. Besonders erbittert auch wird der Kampf geführt zwischen denen, welche die Parcours stecken. Ist es zufällig der Trainer eines besonders grossgewachsenen Kletterers mit überdurchschnittlicher Armlänge, welcher den betreffenden Parcours vorbereitet, wird er alles daran setzen, die Abstände zwischen den Haltegriffen innerhalb der vorgegebenen Normen so gross als möglich zu machen, sodass ein Kletterer mit kürzerer Armlänge kaum eine Chance hat, den jeweils nächsten Griff auch nur zu erlangen. Bis an die Grenzen des gesundheitlich gerade noch knapp Zumutbaren schrauben auch Ärzte, Gesundheitsberaterinnen, Physiotherapeuten und Psychologen an den Körpern der Sportler herum, als wären es Maschinen. Jedes Gramm des Körpergewichts wird auf die Waage gelegt, wenige Gramme zu viel oder wenige Gramme zu wenig werden in akribische und permanent peinlichst genau überwachte und kontrollierte Essenspläne umgemünzt.

Doch immer noch, denn es ist jetzt gerade dein einzig möglicher, unausweichlicher Weg, hievst du dich von der einen Wolke auf die nächste, immer weiter der Sonne entgegen, stärker und stärker vor Schmerzen brennend wie sie selber. Auf der nächsten Wolke sitzt ein dicker Mann mit Brille, der nur auf dich gewartet zu haben scheint. Er verkauft Sportartikel. Du kommst ihm wie gelegen. Er möchte deine Geschichte, deinen Kampf, deine Erfolge für seine nächste Werbekampagne, fuchtelt mit einem Bündel Hunderterscheine vor deinen Augen herum. Du sagst nicht nein, möchtest du doch unbedingt das Geld, das du dir von Bekannten und Verwandten im Laufe der letzten Jahre ausgeliehen hast, irgendwann wieder zurückzahlen.

Auf der nächsten Wolke sitzt schon eine ganze Gruppe von Menschen, die ebenfalls schon lange gierig auf dich gewartet zu haben scheinen: ein Versicherungsvertreter, ein TV-Reporter, eine Produzentin von Vitaminpräparaten, ein Immobilienhändler. Alle wollen etwas von dir bekommen und mit möglichst grossem Gewinn weiterverkaufen, als wollten sie dich bei lebendigem Leib zerreissen und jeder für sich alleine ein möglichst grosses Stück von dir in Besitz zu nehmen. Manchmal weisst du nicht mehr, wo dir die Sinne stehen. Und in alledem bist du so unendlich allein. Musst Entscheidungen treffen, ohne je auch nur im Entferntesten abwägen zu können, wohin dies alles führen mag.

Ohne dir dessen so ganz bewusst zu sein, bist du immer mehr zum gewaltsam angeeigneten Besitz anderer Menschen geworden. Immer weniger ist dein Leben wirklich noch dein eigenes, immer tiefer greifen andere in die täglichen Entscheidungen und in die zusehend winziger werdenden noch verbliebenen Freiräume deines Alltags ein. An welchen Wettkämpfen du teilzunehmen hast und an welchen nicht, dazu hast du schon längst nichts mehr zu sagen, du kennst nicht einmal mehr die Namen derer, die an irgendeinem weit entfernten Sitzungstisch irgendeines dir gänzlich unbekannten Sportverbands darüber entscheiden. Du musst grösste Distanzen zu den einzelnen Anlässen in Kauf nehmen, ohne je gefragt zu werden, ob du das überhaupt möchtest. Von anderen Wettkämpfen wirst du ausgeschlossen, obwohl du dir eine Teilnahme so sehnlichst gewünscht hättest – die Gründe dafür erfährst du nie, kommst dir vor wie eine Schachfigur, die von unsichtbaren Spielern über das Feld hin- und hergezogen wird. Du schläfst in fremden Hotelzimmern, hast niemanden zur Seite, verbringst Stunden voller Langeweile in irgendwelchen Wartesälen. Du wirst um vier Uhr morgens für eine Dopingkontrolle geweckt und wehe, du bist nicht an dem Ort aufzufinden, den du für genau diesen Zeitpunkt angegeben hast – du würdest auf der Stelle deine Lizenz verlieren und auch sämtliche Sponsorengelder, du würdest von all den Wolken, auf die du dich über so viele Jahre hinweg mit allen dir zur Verfügung stehenden Kräften hochgehangelt hast, augenblicklich wieder bis ganz nach unten zurückfallen und alles wäre für nichts gewesen.

Um das Training zu intensivieren und der Sonne vielleicht doch noch ein wenig näher zu kommen, werden dir jetzt, während sich deine Fingerspitzen an die Haltegriffe klammern, immer schwerere Gewichte an den Körper gehängt. Bis du die Schmerzen nicht mehr aushältst und dein Arzt dir rät, eine längere Pause einzuschalten, denn sonst könnten die Wachstumsfugen zwischen den Fingern nicht mehr zusammenwachsen und es könnte zu lebenslang bleibenden Schäden kommen. Du stehst am Rande eines Abgrunds und hast nur zwei Wege vor dir, von denen beide in diesen Abgrund führen und keiner hinaus. Entweder brichst du jetzt die Reise zur Sonne ab und wirst kaum je wieder die Chance bekommen, an der gleichen Stelle später weiterzumachen, zu gross wird der Abstand zu deinen Konkurrenten in der Zwischenzeit geworden sein, zu unaufholbar der Trainingsrückstand. Oder du nimmst es bewusst in Kauf, deinen Körper für immer zu zerstören.

In den Fabrikgesetzen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurde Kinderarbeit verboten, vor allem bis zu einem Alter von sieben Jahren, Arbeitszeiten von über zehn Stunden waren nicht erlaubt, ebenso wenig wie Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Heute trainieren schon vierjährige zukünftige Kletterinnen und Kletterer bis zu zwanzig Stunden an sieben Tagen pro Woche, ab sechs Jahren kommt dann noch ein volles Schulpensum dazu, mit bis zu zwei Stunden Hausaufgaben pro Tag. Siebenjährige müssen schon morgens um fünf, drei Stunden vor Schulbeginn, zum Schwimmtraining antreten und Länge um Länge absolvieren bis zur Erschöpfung, lautstark angetrieben von ihren Trainerinnen und Trainern, die mit ihren Stoppuhr in der Hand dem Schwimmbecken entlang gehen. Neunjährige zukünftige Kunstturnerinnen und Kunstturner werden von ihren Trainern als Weichlinge beschimpft, wenn sie sich weigern, mit einem gebrochenen Knöchel weiter zu trainieren. Arbeitszeiten, welche die Arbeitszeiten der meisten Erwachsenen um bis zum Doppelten übersteigen. Kinderarbeit. Sonntagsarbeit. Und Nachtarbeit, wenn dann zu alledem noch für die Englisch- oder Mathematikprüfung des folgenden Tages so lange gebüffelt werden muss, bis das Kind vor Erschöpfung buchstäblich vom Stuhl fällt, zugleich noch begleitet von der Angst, sich durch ungenügende Schulleistungen möglicherweise eine Zukunft jenseits des Spitzensports, in fünf oder zehn Jahren, für immer zu vermasseln. Doch damit immer noch nicht genug. In jedem anderen gesellschaftlichen oder privaten Umfeld würde man, wenn Kindern und Jugendlichen das angetan würde, was man minderjährigen zukünftigen Spitzensportlern und Spitzensportlerinnen in Form von falschen Hoffnungen und Versprechen, Demütigungen, Übergriffen, Fremdbestimmung, Eingriffen in ihre körperliche und seelische Entwicklung und Vermarktung ihrer Körper und ihres Aussehens antut, von „Kindsmissbrauch“ sprechen, die hierfür Verantwortlichen mit entsprechenden Strafen zur Rechenschaft ziehen und auch vor all den Vätern und Müttern nicht Halt machen, die sich bloss über die sportlichen Erfolge ihrer Kinder zu definieren trachten und tatenlos zuschauen, wie diese schon im Alter von fünf oder sieben Jahren bis aufs Blut gequält werden. Nur die ungeschriebenen Gesetze des Spitzensports erlauben einen geradezu unerklärlichen Rückfall um Jahrhunderte, als handle es sich um eine Art von Religion, die jegliche Vernunft und Menschenliebe ausschaltet. Wir sind zwar entsetzt darüber, dass die südamerikanischen Inkas vor 3000 Jahren ihre eigenen Kinder dem Gott der Sonne opferten. Aber 3000 Jahre später opfern wir unsere eigenen Kinder noch immer dem gleichen Gott und schicken sie auf Reisen zur Sonne, auf denen viel zu viele von ihnen scheitern, zerbrechen und gezwungen sind, ihre Kindheitsträume von einem fröhlichen, unbeschwerten, lustvollen Leben für immer zu begraben.

Als du in einem Interview sagst, dass es deiner Seele nicht gut gehe, wirst du von den Verbandsverantwortlichen aufs heftigste zurückgepfiffen und mit gröbsten Vorwürfen eingedeckt. Mit einer solchen Offenheit würdest du dir bloss das Grab schaufeln, heisst es. Und: „Leute, die immer wieder Tiefs haben, können wir nicht brauchen.“ Dein Cousin meint, nun sei es endgültig Zeit zum Aufhören.

Jetzt bist du nicht mehr ein Teil davon. Burnout nennt man es. Und verbindet damit meistens die Vorstellung, dass der betreffende Mensch überfordert war und die an ihn gestellten Anforderungen nicht zu bewältigen vermochte. Nur selten wird gesagt, dass diese Anforderungen von Anfang an so vermessen waren, dass sie gar nicht, auch nicht mit grenzenloser, übermenschlicher Anstrengung, bewältigt werden konnten. Als du zuoberst auf dem Podest standst, erschien dein Bild in allen Zeitungen und jeden Tag wuchs die Zahl deiner Follower. Jetzt, wo du alleine tief in deinem Bett liegst, alles nur noch grau und schwarz ist, alle Jalousien auch tagsüber tief heruntergezogen sind und ohrenbetäubende Musik all deine Sinne zudröhnt, spricht kein Mensch mehr von dir.

Ob du damals als Dreijähriger auch deinem Cousin gefolgt wärest, wenn man dir die Wahrheit gesagt hätte und du gewusst hättest, wo deine Reise zur Sonne enden würde?

Judith Kohlenberger: Gegen die neue Härte

In ihrem neuen Buch zeigt Judith Kohlenberger auf beeindruckende Weise, wie eng unsere gesellschaftlich drängenden Probleme mit den Fragen von Migration und Flucht verknüpft sind. Während sich die Europäische Union an ihren Grenzen mehr und mehr von einem Konsens der Menschlichkeit verabschiedet, erreicht die dort erprobte Härte zusehends auch das Innere unserer Gesellschaft und unseres Alltags. ISBN 978-3-423-28448-6.

Chantal, 15, aus Angola: Die Sonne Afrikas im Appenzellerland

Chantal war vier und ihr Bruder Léo zwei Jahre alt, als die Polizei ihre Mutter zum ersten Mal ins Gefängnis holte. Das war in Luanda, der Hauptstadt Angolas, im Herbst 2013. Die Mutter war fünf Jahre zuvor aus dem Kongo, wo seit über 30 Jahren ein unvorstellbar grausamer Krieg wütet und wo sie nicht nur ihre Eltern, sondern auch die ganze übrige Verwandtschaft verloren hatte, nach Angola geflüchtet. Dort kamen Chantal und Léo zur Welt. Der Grund dafür, dass die Mutter in Luanda in der Folge insgesamt fünf Mal über kürzere oder längere Zeit im Gefängnis sass, war nicht, dass sie etwas Unrechtes getan hätte. Der Grund war einzig und allein, dass sie eine Kongolesin ist. Und dass viele Menschen in Angola Menschen aus dem Kongo hassen. Und dass Nachbarn nur genug lange und genug oft über andere Menschen Schlechtes reden müssen, und dass das dann schon genügt, dass eines Nachts die Polizei in dein Haus einbricht und du die nächsten Tagen und Wochen hinter Gittern verbringst.

Die Kinder waren, während die Mutter im Gefängnis sass, gänzlich auf sich alleine gestellt. Manchmal halfen ihnen Leute, manchmal nicht. Manchmal fanden sie in einem Haus Unterschlupf, manchmal lebten sie einfach auf der Strasse, bettelten um Essen. Ausser einem Kehrichtsack besassen sie nichts, um sich in der Nacht gegen die Kälte zu schützen. In einem Land, wo Gewalt gegen Frauen und Kinder nicht die Ausnahme ist, sondern die ganz „normale“, alltägliche Regel.

Chantal war fünf Jahre alt, als sie das Schlimmste erlebte, was ein Kind in diesem Alter erleben kann. Es war so schlimm, dass sie es bis heute, zehn Jahre später, noch nie jemandem erzählt hat, nicht einmal ihrer eigenen Mutter. Und es war so schlimm, dass sie noch heute immer wieder mitten in der Nacht aufwacht und zitternd und schweissgebadet im Bett liegt und sich genau so fühlt, wie sie sich damals gefühlt hatte.

In dieser Zeit war der Vater von Chantal und Léo schon längst bei einer anderen Frau. Mit dieser hatte er vier weitere Kinder und dann mit zwei weiteren Frauen noch einmal sieben weitere Kinder.

Als Chantal sieben und Léo fünf Jahre alt waren, beschloss die Mutter, mit ihren Kindern Angola zu verlassen und in Europa Schutz zu suchen. Der Landweg kam nicht in Frage, es sind bis zum Mittelmeer über 6000 Kilometer, durch Länder, wo in zahlreichen Regionen Krieg herrscht und insbesondere Flüchtlinge alltäglicher Gewalt schutzlos ausgeliefert sind. Fast ein halbes Jahr verkaufte die Mutter von früh bis spät auf dem Markt Gemüse und Früchte, bis sie das nötige Geld für einen Flug in die Schweiz beisammen hatte. Doch es war nicht genug, um beide Kinder mitzunehmen. Sie musste sich entscheiden, welches der beiden Kinder sie mitnehmen und welches sie seinem Schicksal überlassen wollte. Da für elternlose Mädchen die Gefahr, früher oder später in die Gewalt von Menschenhändlern zu geraten und sexueller Ausbeutung ausgeliefert zu sein, ungleich viel grösser ist als für Knaben, entschloss sie sich, die siebenjährige Chantal mitzunehmen und den fünfjährigen Léo einer Nachbarin zur Obhut zu überlassen.

Das Asylverfahren in der Schweiz zog sich über mehrere Jahre hinweg. Während dieser Zeit schwebten Chantal und ihre Mutter beständig zwischen der Hoffnung, in der Schweiz bleiben zu können, und der Angst, nach Angola zurückgeschafft zu werden, hin und her. Dazu kam die quälende Ungewissheit, wie es Léo ging und ob er überhaupt noch lebte.

Es kam, wie Chantal und ihre Mutter trotz aller zeitweiliger Hoffnungen es insgeheim befürchtet hatten: Ihr Asylgesuch wurde abgelehnt. Sie wurden in ein Flüchtlingsheim eingewiesen, wo ausschliesslich Asylsuchende untergebracht sind, die bereits einen negativen Entscheid bekommen haben, aber aus unterschiedlichen Gründen noch nicht in ihr früheres Heimatland ausgeschafft werden können, sei es, weil es die dortigen Zustände nicht zulassen, oder weil das betreffende Land nicht bereit ist, sie zurückzunehmen. Über 80 Männer, Frauen und Kinder leben dort auf engstem Raum, oft über Jahre hinweg, und jeden Abend, wenn sie sich zur Ruhe legen, wissen sie nicht, ob nicht schon in der gleichen Nacht Polizisten auftauchen, sie aus ihren Betten reissen und zu einem Flugzeug bringen werden, mit dem sie das Land ihrer letzten Hoffnung für immer verlassen müssen.

Und genau das geschah in dieser Nacht, vor etwa drei Jahren, Chantal war jetzt zwölf Jahre alt. Drei Polizisten kamen und rissen die Mutter und das Kind morgens um vier aus ihren Betten und führten sie in Handschellen ab, als wären sie Schwerverbrecher. Man sieht die Narben, welche die Handschellen an den Armen des Mädchens hinterlassen haben, noch heute.

Doch die drei Polizisten hatten nicht mit der Kraft einer 37jährigen Kongolesin gerechnet, die nichts mehr zu verlieren hat. Als die Polizisten sie und Chantal ins Flugzeug zu schieben versuchten, bäumte sie sich auf wie ein tödlich verwundetes Tier, es gelang den Polizisten trotz Aufbietung aller ihrer Kräfte nicht, die Mutter und das Kind in ihre Gewalt zu bringen. Als die Mutter bereits am ganzen Körper blutete, gaben die Polizisten auf. Das ist die sogenannte „Stufe 1“. Es gibt eine gesetzlich festgeschriebene Linie, welche die Polizisten in dieser Phase einer versuchten Ausschaffung von Gesetzes wegen nicht überschreiten dürfen.

Was Chantal und ihre Mutter nicht wussten: Zur gleichen Zeit, als dies geschah, befand sich Léo auf dem Weg in die Schweiz. Ein Familienvater in Angola hatte sich des verlorenen Kindes angenommen und ihm ein Flugbillett in die Schweiz bezahlt. Drei Wochen später hatte er seine Mutter und seine Schwester gefunden. Es sei, sagte Chantal, der glücklichste Tag ihres Lebens gewesen.

Seither geht das bange Warten weiter, die schlaflosen Nächte, die Erinnerungen an Dinge, an denen fünf- oder siebenjährige Kinder eigentlich zerbrechen müssten, wenn da nicht irgendeine unerklärliche Kraft wäre, die ihnen hilft, das alles zu überleben. Die Panikattacken, die Chantal noch vor einem Jahr fast täglich hatte, überfallen sie jetzt nur noch alle zwei oder drei Wochen. Geholfen hat ihr wohl auch sehr, dass sie alle Kinder und Jugendlichen im Heim so lieben. Sie ist die gute Seele für alle. Keine, auch nicht die professionellen Flüchtlingsbetreuerinnen im Heim, spürt so schnell, wenn es anderen nicht gut geht, und keine ist so schnell mit Aufmerksamkeit, Trost und Liebe zur Stelle.

Glücklicherweise hat sich ein engagierter Anwalt ihres Verfahrens angenommen, das jetzt in Form eines Wiedererwägungsgesuchs auf Asyl beim Bundesverwaltungsgericht liegt. Niemand weiss, wie lange es geht, bis der definitive Entscheid vorliegt, gegen den es dann endgültig keine Rekursmöglichkeit mehr gibt.

Letzten Dienstag war Chantal zum vierten Mal bei mir in der Deutschstunde. Da sie nun schon seit acht Jahren in der Schweiz ist und im Flüchtlingsheim täglich an einer Lerngruppe teilnimmt, sind ihre Deutschkenntnisse, was das Mündliche betrifft, hervorragend, zudem versteht sie Schweizerdeutsch problemlos. Einzig beim Lesen und Schreiben hapert es noch, da scheinen noch Blockierungen vorzuliegen, die möglicherweise mit ihren traumatischen Kindheitserlebnissen zusammenhängen. Aber sie macht Fortschritte, ihr Selbstvertrauen ist im Wachsen begriffen. Und ja, ich habe ihr auch gesagt, was für ein Genie sie ist, was für eine Sprachkünstlerin, und wie ich das bewundere und sie mich, obwohl ich ein ausgebildeter Sprachlehrer bin, bei Weitem übertreffe . Die 15Jährige beherrscht fünf Sprachen, drei davon nahezu perfekt. Lingali, eine afrikanische Ursprache. Portugiesisch, weil sie in Angola aufgewachsen ist. Französisch, die Sprache ihrer Mutter aus dem Kongo. Englisch, das sie im Internet selber gelernt hat. Deutsch, weil sie den grössten Teil ihres Lebens in der Schweiz verbracht hat. Und dann hat sie mir sogar noch gesagt, dass sie, wenn jemand Italienisch oder Spanisch spreche, fast alles verstehe.

Gestern war sie wieder bei mir, hat ein selber gemaltes Bild mitgebracht und mir geschenkt: Ein Landschaftsbild, im Vordergrund schwarze Erde, schwarze Blumen, schwarze Bäume, darüber schwarze Wolken. Im Hintergrund: Ein leuchtender gelboranger Himmel, eine riesige gelbe Sonne. Jedes Wort, die Bedeutung des Bildes zu erklären, wäre eines zu viel.

Anschliessend haben wir in ihrem speziell für anderssprachige Kinder konzipierten Deutschbuch weitergearbeitet. In einer der Übungen musste sie Fragen zu ihrer Person beantworten, Name, Alter und so weiter. Dann die Frage: „Wo bist du geboren?“ Und auf die Linie, wo andere Kinder vielleicht den Namen einer albanischen Stadt oder eines afghanischen Dorfes schreiben, hat sie geschrieben: „Auf der Strasse.“

Heute Morgen sitzen wir im Zug Richtung St. Gallen, um dann von dort nach Stein im Kanton Appenzell weiterzufahren, wo auf zehn Uhr ein Vorstellungsgespräch abgemacht ist, nachdem Chantal letzte Woche ihre Bewerbungsunterlagen für eine zweijährige Lehre als Angestellte für Gesundheit und Soziales (AGS) an das dortige Altersheim geschickt hat. Es ist das vierte Vorstellungsgespräch innerhalb der letzten zwei Wochen. Auch konnte sie schon an mehreren Stellen schnuppern. Eine Zusage aber hat sie zurzeit noch nicht. So reifeln wir mittlerweile alle paar Tage quer durch die Kantone St. Gallen und Appenzell, ich begleite sie immer und auf den Wegen und in den Zeiten zwischendurch erzählt sie mir ihr ganzes Leben. Wir sind schon ein richtig gut eingespieltes Team.

Noch bevor wir in St. Gallen ankommen, erhält Chantal auf ihrem Smartphone eine Nachricht: Lehrstelle in Stein abgesagt. Ein weiterer Hoffnungsschimmer ist zerschlagen. In St. Gallen also einfach umsteigen und wieder nachhause statt nach Stein fahren? Ich rufe im Altersheim Stein an. Ob es möglicherweise ein Missverständnis sei? Chantal hätte ja heute einen Termin für ein Vorstellungsgespräch. Es tue ihm leid, so der Mann am Apparat, aber die Heimleitung hätte heute Morgen angesichts der so zahlreichen Bewerbungen eine Vorauswahl treffen müssen. Aber wenn wir ja jetzt schon auf dem Weg seien, würde er nochmals fragen und mir so schnell wie möglich Bescheid geben. Und tatsächlich, fünf Minuten später: Es sollte ja nicht sein, dass wir vergeblich die Fahrt auf uns genommen haben. Wir sollen kommen. Was für eine Erleichterung.

Als wir das Altersheim betreten, ruft Chantal, wie überall bei unseren bisherigen Besuchen, den in ihren Rollstühlen sitzenden oder an Stöcken gehenden Menschen ihr so unbeschreiblich warmes und fröhliches „Hallo“ zu, so dass die Leute gar nicht anders können, als ihr eben noch fest verschlossenes Gesicht zu öffnen und der jungen Afrikanerin ebenso warm und fröhlich entgegenzulachen. Da kommt sie, niemand kennt sie, und wie eine Zauberfee verwandelt sie tiefe Trübseligkeit innerhalb weniger Augenblick in hellste Freude.

Am Tisch sitzen drei für die Lehrlingsausbildung zuständige Pflegefachfrauen und begutachten Chantal zunächst etwas skeptisch. Wir erfahren den Grund für die Absage heute Morgen: Sie sei vorgenommen worden aufgrund der eingereichten Schulzeugnisse. Und da in Chantals Zeugnis bei den einzelnen Fächern keine Noten stehen, sondern nur das Wort „besucht“, hätte man angenommen, ihre schulischen Leistungen seien so schlecht, dass man ihr gar keine Noten hätte geben können. Ich erkläre den drei Frauen, dass es in der Heimschule keine eigentlichen Klassen gäbe, sondern nur eine Lerngruppe mit Kindern und Jugendlichen unterschiedlichsten Alters und daher auch keine vergleichenden Prüfungen und Noten. Dass aber Chantal über hervorragende Deutschkenntnisse verfüge und weitere vier Sprachen nahezu perfekt beherrsche, zudem sehr ehrgeizig, lernfreudig und neugierig sei und beim Lernen rasch Fortschritte mache und im Flüchtlingsheim wegen ihrem fröhlichen Wesen und ihrer Fürsorglichkeit bei sämtlichen Bewohnerinnen und Bewohnern überaus beliebt sei. Die Gesichter der drei Frauen hellen sich unverkennbar nach und nach auf.

Auf die Frage, weshalb sich Chantal ausgerechnet für diesen Beruf interessiere, sagt sie, sie hätte in ihrem Leben schon so viel Schlimmes erlebt, dass sie einfach alles daran setzen möchte, andere Menschen so glücklich zu machen wie nur irgend möglich. Und wieder, wie so oft in den letzten Tagen, frage ich mich, woher diese Kraft und diese Überfülle an Liebe aus einer 15jährigen Jugendlichen kommen mag, die in ihrem Leben bisher schon so viel unvorstellbar Schlimmes erleiden musste, dass sie nicht einmal ihrer eigenen Mutter alles davon zu erzählen vermochte. Und wieder finde ich auf diese Frage keine Antwort.

Und dann sagt sie etwas, was ich ganz gewiss nie mehr in meinem ganzen Leben vergessen werde: „Ich möchte einfach diesen Menschen, bevor sie sterben, ein Lächeln mitgeben, das sie dann mitnehmen können in ihr nächstes Leben, um dieses möglichst gut zu beginnen.“ Die erste der drei Pflegefachfrauen macht sich, sichtlich gerührt, Notizen, die zweite wischt sich eine Träne aus dem Gesicht und die dritte sagt: „Du kannst nächste Woche zwei Tage zu uns schnuppern kommen, wir nehmen dich in unsere engste Auswahl.“ Für einmal ist die Menschlichkeit stärker gewesen als alles andere.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle verströmt Chantal weiterhin ihre Heiterkeit. Selbst einer Gruppe von Bauarbeitern unweit der Strasse ruft sie ihr unwiderstehliches „Hallo“ zu. Und, so etwas habe ich noch nie erlebt: Der eine von ihnen, der sich in diesem Moment wegen einer Schaufel, die er in die Hand nahm, von unseren Blicken abgewendet hat, dreht sich um, ruft „Hallo“ zurück und entschuldigt sich sogar, dass er sich gerade abgewendet und nicht sofort zurückgerufen habe.

Und so geht es weiter. Auch ein paar Kinder am Strassenrand lächeln Chantal zurück, auch ein jüngerer Mann, der stechenden Schrittes mit einer Aktenmappe unter dem Arm die Strasse überquert. Am liebsten würde ich jetzt, wenn ich genug Zeit hätte, ein ganzes Buch schreiben. Den Titel wüsste ich schon: „Die Sonne Afrikas im Appenzellerland“.

Auf dem weiteren Weg plaudert Chantal wie ein nie versiegender Bergbach weiter. Nichts hasse sie so wie den Krieg. Und nichts liebe sie so wie Menschen, die einfach so seien, wie sie am liebsten sein möchten: Homosexuelle Männer liebe sie besonders, die würden sich so elegant bewegen, aber auch alle anderen, die sich nicht von anderen unterkriegen lassen, denn niemand solle anderen vorschreiben oder dazu zwingen, wie sie zu leben hätten, das müsste jeder Mensch ganz alleine für sich selber entscheiden. Und so weiter und so vieles mehr, ein Füllhorn von 15 Jahren Lebenserfahrung, die wohl die allermeisten Menschen hierzulande nicht einmal im Alter von 90 oder 100 Jahren je auch nur annähernd erreicht haben werden und von der wir so unermesslich privilegierten Menschen so unglaublich viel lernen könnten.

Wir haben in den nächsten Tagen weitere Vorstellungsgespräche und Schnuppertermine vor uns. An fünf Orten ist Chantal mittlerweile in der engsten Auswahl. Meine anfängliche Angst hat zunehmend einem stärker werdenden Optimismus Platz gemacht. Wenn Chantal auf diesen Sommer einen Lehrvertrag hat, ist die Chance gross, dass sie, ihre Mutter und ihr Bruder dauerhaft in der Schweiz bleiben können.

Wenn nicht, könnte ein definitiv negativer Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts dazu führen, dass „Stufe 2“ in Kraft tritt. „Stufe 2“ bedeutet: Es kommen nicht nur drei Polizisten, sondern mindestens zehn. Und Chantal, Léo und ihre Mutter werden nicht in Handschellen abgeführt, sondern am ganzen Körper so gefesselt, dass selbst der stärkste Mann der Welt nicht die geringste Chance hätte, sich daraus zu befreien.

Im Jahre 2024 wurden aus der Schweiz 7205 Asylsuchende in ihre Heimatländer zurückgeschafft, ein Drittel freiwillig, zwei Drittel mit Gewalt, das waren etwa zwölf an jedem einzelnen Tag dieses Jahres. SP-Bundesrat und Justizminister Beat Jans, zuständig für die schweizerische Asylpolitik, sagte am 23. Januar 2025: „Wir sind in verschiedenen Bereichen den europäischen Ländern deutlich voraus. Wir haben in diesem Jahr 25 Prozent aller Pendenzen abbauen können. Auch die Rückkehrzahlen steigen, mit einer Rückführungsquote von annährend 60 Prozent steht die Schweiz in Europa an der Spitze. Das Staatssekretariat für Migration SEM macht eine hervorragende Arbeit. Wir sind auf dem richtigen Weg. Doch wir sind noch nicht zufrieden. Der immer noch zu grosse Pendenzenberg muss rascher abgebaut werden.“

Fragst du Leute auf der Strasse, wie viele definitiv in der Schweiz aufgenommene Flüchtlinge auf 100 Personen der einheimischen Bevölkerung kommen, nennen die meisten von ihnen Zahlen zwischen 20 und 50. Einer sagte sogar, es gäbe in der Schweiz mehr Flüchtlinge als Einheimische und das Boot sei schon längst „übervoll“. Das ist das Resultat jahrelanger systematischer fremdenfeindlicher Politpropaganda. Tatsächlich kommt in der Schweiz auf 100 Einheimische nicht einmal ein einziger anerkannter Flüchtling mit Bleiberecht. Und allen Ernstes soll das reichste Land der Welt nicht einmal das verkraften können?

Während kein Mensch davon spricht, dass in einem Land wie dem Libanon tatsächlich auf 100 Einheimische 100 Flüchtlinge kommen, Bangladesch trotz bitterer Armut im eigenen Land allein im Jahre 2024 gleichzeitig mit einem der schlimmsten Zyklone aller Zeiten, verheerenden Überschwemmungen – über fünf Millionen Menschen mussten ihre Häuser verlassen -, einem Regierungsumsturz, politischen Unruhen und mit einem Zustrom von über einer Million Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg im benachbarten Myanmar fertig werden musste und im Sudan in Folge des seit zwei Jahren wütenden Bürgerkriegs über zehn Millionen Menschen innerhalb der eigenen Landesgrenzen auf der Flucht sind…

18. Montagsgespräch vom 10. März 2025: Sollte das Bargeld abgeschafft werden?

Wird das Bargeld verschwinden? Und was für Folgen hätte dies? Darüber wurde am 10. März im Rahmen des 18. Buchser Montagsgesprächs diskutiert. Mit dabei war auch Eric Zaindl, Ökonom, Unternehmer und Autor des Buches „Eine Welt ohne Geld?“, der sich seit vielen Jahren mit der Entstehung des Geldes und seiner Rolle in Wirtschaft und Alltagsleben beschäftigt.

Niemand in der Runde wünschte sich eine gänzliche Abschaffung des Bargeldes. Würde Geld nur noch digital verwendet, könnte es zu einem enormen Autonomieverlust des einzelnen Bürgers und der einzelnen Bürgerin kommen, zu einer Machtkonzentration und der Steuerung und Kontrolle des gesamten Geldsystems in der Hand einiger weniger globaler Konzerne oder, wenn die Staatsmacht diese Aufgabe übernähme, zu einer permanenten Überwachung des Alltagslebens, wie man das am Beispiel von China sehen könne, wo durch Videoüberwachung und KI-gesteuerter Gesichtserkennung erfasstes „Fehlverhalten“ mit finanziellen Einbussen bestraft werde.

Ein ausschliesslich digitales Geldsystem sei auch für technische Störungen, Hackerangriffe oder Auswirkungen von Naturkatastrophen oder weltpolitischen Umwälzungen viel anfälliger. Zudem würden digitale Bezahlmöglichkeiten dazu verleiten, zu schnell und unüberlegt Geld auszugeben und sich auf diese Weise zu verschulden.

Mehrfach wurde aber auch darauf hingewiesen, dass bargeldloses Zahlen vieles vereinfache und gewisse Kosten wie das Herstellen von Bargeld einsparen könne. Es wäre aber wohl, so die übereinstimmende Meinung der Anwesenden, mit viel zu grossen Gefahren verbunden, auf Bargeld gänzlich zu verzichten. Deshalb begrüsse man die kürzlich zustande gekommene Bargeldinitiative, welche verlangt, dass Bargeld nicht wegdigitalisiert werden dürfe.    Eric Zaindl vermittelte abschliessend einen interessanten Einblick in die Entstehung des heutigen Geldsystems. Noch im 17. Jahrhundert hätten die damaligen Königshäuser jeweils eigene, quasi dezentralisierte Zahlungssysteme in der Art von Münzen, etc. gehabt. Erst nach und nach sei ein zentralisiertes Geldsystem aufgebaut worden. Dieses ursprünglich zur Sicherung der Lebensverhältnisse geplante, gerecht verteilte „Bürgergeld“ habe sich aber im weiteren Verlauf immer mehr in ein Machtmittel transformiert, das sich bis heute in immer grösserer Menge bei einer immer kleineren Anzahl von Reichen und Mächtigen konzentriere und zu einer Art modernen „Sklaventums“ geführt habe, in dem jene, die viel Geld besitzen, über jene bestimmen und entscheiden, die wenig oder gar kein Geld besitzen. Lokale und regionale Währungen, wie sie zurzeit da und dort wieder am Entstehen seien, könnten ein mögliches Gegengewicht zu dieser Entwicklung bilden. Lohnen könnte sich, so Zaindl, auch der hypothetische Blick in eine Welt, in der es gar kein Geld mehr gäbe, mit einer zugrundeliegenden, zeitgerechten Neuausrichtung über alle Lebensbereiche. Ein Diskussionsansatz, der anlässlich eines weiteren Montagsgesprächs vertieft werden soll.

Als die Faschisten in der Ukraine an die Macht kamen: Eine Rede von Gregor Gysi 2014 im deutschen Bundestag…

Folgender Ausschnitt aus einer Rede von Gregor Gysi im deutschen Bundestag nach der Machtergreifung der neuen ukrainischen Regierung nach dem Maidan im Frühjahr 2014 bedarf wohl kaum eines weiteren Kommentars…

Die neue ukrainische Regierung wurde sofort von US-Präsident Obama, von der EU und der Bundesregierung anerkannt. Frau Merkel: Der Vizepremierminister, der Verteidigungsminister, der Landwirtschaftsminister, der Umweltminister, der Generalstaatsanwalt sind Faschisten. Der Chef des Nationalen Sicherheitsrates war Führungsmitglied der faschistischen Swoboda-Partei. Faschisten haben wichtige Posten und dominieren beispielsweise den Sicherheitssektor. Und noch nie sind Faschisten von der Macht freiwillig wieder ausgetreten, wenn sie einmal einen Teil davon erobert hatten, und zumindest die Bundesregierung hätte hier eine Grenze ziehen müssen, schon aufgrund unserer Geschichte. Als Haiders FPÖ in die österreichische Regierung kam, gab es Kontaktsperren. Und bei den Faschisten in der Ukraine machen wir nichts. Swoboda hat engste Kontakte zur NPD und zu anderen Naziparteien in Europa. Und der Vorsitzende, Oleg Tjahnybok, hat Folgendes wörtlich erklärt: „Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und andere Unarten.“ Es gibt jetzt schon Übergriffe gegen Jüdinnen und Juden und gegen Linke und gegen all das sagen Sie nichts. Mit diesen Swoboda-Leuten reden Sie! Ich finde das einen Skandal!